Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 44 O 2/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.09.2021 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten in einer Faltschachtel in den Verkehr zu bringen, ohne Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im Sinne der CLP-VO zusammen auf der Faltschachtel angeordnet zu kennzeichnen, wenn das geschieht wie folgt abgebildet:
((Abbildung))
und/oder
an und/oder für die breite Öffentlichkeit abzugeben, welche ein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern weckt, wenn das geschieht wie auf einem der folgenden Bilder abgebildet:
((Abbildungen))
und/oder
mit der Angabe "Keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe" zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe "kein Teer und kein Kohlenmonoxid" zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe "keine krebserregenden Stoffe" zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe "Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)" zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 178,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 13.02.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird - in Abänderung der vorläufigen Wertfestsetzung durch den Senat - auf 160.000,00 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird - in Abänderung der landgerichtlichen Festsetzung - ebenfalls auf 160.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingetragene Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in X.. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zu seinen Mitgliedern (Mitgliederliste: Anlage K1) gehört u.a. der "L. e.V.", dem wiederum als (mittelbare) Mitglieder die Betreiber der deutschen "F."-Supermärkte angehören. Diese vertreiben in ihren Supermärkten u.a. in nicht unerheblichem Umfang - im Verkehr vielfach als "Liquids" bezeichnete, oftmals nikotinhaltige - Flüssigkeiten aus der Produktion verschiedener Hersteller, die zur Verdampfung in sogenannten "elektronischen Zigaretten" bestimmt sind.
Die Beklagte stellt u.a. nikotinhaltige "Liquids" her und vertreibt diese - u.a. über "F."-Supermärkte - deutschlandweit. Zum Sortiment der Beklagten gehören u.a. nikotinhaltige "Liquids" in den Geschmacksrichtungen "Karamell", "Beeren Mix", "Schokolade" und "Vanille". Diese Flüssigkeiten werden in kleinen Kunststofffläschchen (Abbildungen in Anlage K3a sowie auf Blatt 38 der Gerichtsakte [Hinweis: In diesem Urteil bezeichnet der Begriff "Gerichtsakte" die Gerichtsakte in Papierform]), die sich jeweils in einer Karton-Faltschachtel befinden, auf den Markt gebracht. Die Karton-Faltschachteln für die nikotinhaltigen "Liquids" in den Geschmacksrichtungen "Karamell", "Beeren Mix", "Schokolade" und "Vanille" wiesen jedenfalls innerhalb eines nicht genau eingrenzbaren Herstellungszeitraumes vor dem 09.10.2019 die in der Anlage K3 sowie nachfolgend wieder...