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BGH Urteil vom 11.09.2000 - II ZR 324/98 (veröffentlicht am 11.09.2000)

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Leitsatz (amtlich)

a) Die Aufhebung einer Gemeinschaft an mehreren Gegenständen/Forderungen erfolgt nicht im Wege eines einheitlichen Gesamtauseinandersetzungsverfahrens, sondern in bezug auf die einzelnen Vermögensgegenstände gesondert nach Maßgabe der §§ 752 ff. BGB.

b) Mietzinsansprüche einer Miteigentümergemeinschaft gegen einen ihrer Teilhaber unterliegen als im Rechtssinne unteilbar grundsätzlich der gemeinschaftlichen Einziehung nach § 754 Satz 2 BGB. Jedoch ist ein Teilhaber der Gemeinschaft berechtigt, eine solche gemeinschaftliche Geldforderung gemäß § 432 Abs. 1 BGB auch allein zur Leistung an alle gerichtlich geltend zu machen.

 

Normenkette

BGB § 432 Abs. 1, §§ 752-754

 

Verfahrensgang

LG Krefeld

OLG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Oktober 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses in K., das auf Antrag der Klägerin während des laufenden Prozesses am 29. April 1997 versteigert wurde. Eine Teilung des Versteigerungserlöses, der in Höhe von 59.151,83 DM beim Amtsgericht K. hinterlegt ist und sich in Höhe von 118.261,06 DM auf einem Gemeinschaftskonto der Parteien befindet, hat wegen streitiger Gegenforderungen des Beklagten gegen die Gemeinschaft noch nicht stattgefunden. Seit der Trennung der Parteien in den 80-iger Jahren nutzt der Beklagte eine Wohnung und gewerbliche Nebenräume in dem im übrigen vermieteten Haus weiter. Obwohl eine zunächst beabsichtigte notarielle Vereinbarung im März 1986 über das Grundstück nicht zustande kam, bestand zwischen den Parteien Einigkeit, daß die Mieten für sämtliche Wohnungen des Grundstücks auf ein bereits existierendes Mietkonto zu leisten waren, das nur für Zwecke der Gemeinschaft belastet werden durfte. Einverständlich übernahm der Beklagte in der Folgezeit die Verwaltung des Hausgrundstücks. Er hat trotz entsprechender Aufforderung der Klägerin vom 5. Juli 1985 bislang keine Entgeltzahlung hinsichtlich der von ihm genutzten Räume auf das Mietkonto vorgenommen, weil er insoweit die Verrechnung mit Gegenforderungen gegen die Gemeinschaft aus von ihm behaupteten Darlehenstilgungen und Verwaltungsmaßnahmen geltend macht. Gegenüber dem Finanzamt K. wurde zunächst einvernehmlich zu Lasten des Beklagten ein Mietwert von mindestens 6.240,– DM jährlich für die von ihm genutzte Wohnung angesetzt, den die Klägerin nunmehr im Hinblick auf ein zwischenzeitlich eingeholtes Wertgutachten für die Zeit ab Januar 1993 für zu niedrig hält. Mit der Klage hat die Klägerin Zustimmung des Beklagten zur Führung des Mietkontos als Gemeinschaftskonto, Gestattung der Mitwirkung an verschiedenen Verwaltungshandlungen für das Grundstück sowie Zahlung von 77.578,29 DM – davon 76.648,– DM angeblich rückständigen Mietzins und 930,29 DM zu berichtigende Verwaltungskosten – auf das Gemeinschaftskonto verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten gemäß Teilanerkenntnis verurteilt, drei Erklärungen zur Grundstücksverwaltung – darunter die Umstellung des Mietkontos als Gemeinschaftskonto – abzugeben; im übrigen hat es die Klage – teils dem Grunde nach, teils wegen Durchgreifens der Hilfsaufrechnung des Beklagten – abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin das abgewiesene Zahlungsbegehren nur noch im Umfang von 76.985,70 DM – davon streitiger Mietzins in Höhe von 76.648,– DM und Verwaltungskosten von 337,70 DM – weiterverfolgt; mit dem Hauptantrag verlangt sie Leistung dieser Summe auf das nunmehr gemeinschaftliche Mietkonto, hilfsweise begehrt sie Zahlung der Hälfte des Betrages an sich, äußerst hilfsweise die Feststellung, daß der Klagebetrag in die Gesamtabrechnung der Parteien einzustellen sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung in Höhe von 76.648,– DM zurückgewiesen und sie wegen des weitergehenden Betrages von 337,70 DM für unzulässig erachtet. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zweitinstanzlichen Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§ 565 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO).

I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, es sei bereits zweifelhaft, ob die Klägerin nach der Beendigung der Grundstücksgemeinschaft durch Teilungsversteigerung vom Beklagten Leistung des umstrittenen Entgelts für die Nutzung der Wohnung in Höhe von 76.648,– DM gemäß § 754 Satz 2 BGB auf das gemeinsame Mietkonto verlangen könne, weil keine Mietzinsforderung der Gemeinschaft, sondern allenfalls die Forderung eines Teilhabers gegen den anderen auf angemessenes Nutzungsentgelt in Frage stehe. Selbst wenn eine Mietzinsforderung der Gemeinschaft bestehen sollte, könne die Klägerin sie nur im Rahmen der Auseinandersetzung hinsichtlich des durch die Versteigerung des gemeinschaftlichen Grundstücks erzielten Erlöses geltend machen; dieser reiche für eine bevorzugte Befriedigung solcher Ansprüche aus. Dementsprechend könne die mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemachte Zahlung der Hälfte des Nutzungsentgelts an die Klägerin selbst ebenfalls nur im Rahmen der Auseinandersetzung des Versteigerungserlöses beansprucht werden. Das äußerst hilfsweise verfolgte Feststellungsbegehren sei schon wegen Unbestimmtheit der in Betracht gezogenen Auseinandersetzungsrechnung unbegründet. Hinsichtlich der Erstattung der vom Beklagten mit Gemeinschaftsmitteln bezahlten Gebäudevielschutzversicherung von 238,– DM und der Unfallversicherung von 99,70 DM sei die Berufung unzulässig, weil keine ordnungsmäßige Berufungsbegründung im Sinne des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO vorliege.

II. Diese Erwägungen halten schon hinsichtlich der Abweisung des zweitinstanzlichen Hauptantrags – Zahlung von insgesamt 76.985,70 DM auf das Gemeinschaftskonto – revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. a) Die Zurückweisung der von der Klägerin geltend gemachten Forderung der Gemeinschaft auf Einziehung rückständigen Mietzinses von 76.648,– DM hat keinen Bestand, weil die zentrale Argumentation des Berufungsgerichts zur Notwendigkeit einer Gesamtauseinandersetzung aller denkbaren Einzelforderungen im Rahmen der Teilung des Erlöses aus der Versteigerung des gemeinschaftlichen Grundstücks mit den gesetzlichen Regelungen über die Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 749 ff. BGB) nicht im Einklang steht. Anders als bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der nach Auflösung die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche grundsätzlich nur noch im Rahmen einer abschließenden Auseinandersetzungsrechnung berücksichtigt werden (Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 – II ZR 249/96, NJW 1998, 376 m.N.), erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilung in Natur (§ 752 BGB) oder – wo eine solche ausgeschlossen ist – durch Verkauf (§§ 753, 754 Satz 1 BGB) in bezug auf jeden einzelnen gemeinschaftlichen Vermögensgegenstand gesondert; Forderungen auf im Rechtssinne unteilbare Leistungen werden im Falle ihrer Einziehung gemäß § 754 Satz 2 BGB wiederum nach den Regeln der §§ 752, 753 BGB verwertet. Danach existiert zwar nach der Teilungsversteigerung des Hausgrundstücks zwischen den Parteien keine „Grundstücksgemeinschaft” mehr; jedoch besteht eine Gemeinschaft sowohl an dem Versteigerungserlös als auch an den sonstigen aus dem früheren Miteigentum am Grundstück ableitbaren gemeinschaftlichen Gegenständen (Forderungen) fort, bis sie auch insoweit nach den §§ 752 ff. BGB aufgehoben wird (so schon Sen.Urt. v. 28. Mai 1983 – II ZR 102/82, WM 1983, 604 m.N.). Die Klägerin ist daher von Gesetzes wegen nicht gehindert, unabhängig von der noch ausstehenden umstrittenen Verteilung des Versteigerungserlöses die Einziehung der – nach ihrer Darstellung – gemeinschaftlichen Mietzinsforderungen gemäß § 754 Satz 2 BGB gegen den Beklagten mit dem Ziel anschließender Teilung des auf dem Mietkonto verfügbaren Guthabens zu betreiben.

b) Die Abweisung der Mietzinsforderung läßt sich auch nicht mit der Hilfserwägung des Berufungsgerichts aufrechterhalten (§ 563 ZPO), die geltend gemachten Mietzinsansprüche seien keine gemeinschaftlichen Forderungen im Sinne des § 754 Satz 2 BGB. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist zwischen den Parteien nicht streitig, daß der Beklagte für die Benutzung eines Teils der Räume des gemeinschaftlichen Mehrfamilienanwesens ein Entgelt zu zahlen hatte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die entgeltliche Überlassung von Räumen auf einem Grundstück durch eine Gemeinschaft an einen Miteigentümer Miete ist (Sen.Urt. v. 17. Dezember 1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 u. st. Rspr.); ob die Parteien die Vergütung ausdrücklich als Miete oder als Nutzungsentgelt bezeichnen, ist für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses unerheblich. Maßgebliches Indiz für die Annahme eines Mietverhältnisses zwischen der Gemeinschaft und dem Beklagten ist vorliegend, daß dieser nach den Vereinbarungen das Entgelt in vollem Umfang – wie jeder andere Mitmieter der übrigen Wohnungen des Mehrfamilienhauses auch – auf das gemeinschaftliche Mietkonto einzahlen sollte. Mietzinsansprüche der Miteigentümergemeinschaft gegen einen der Teilhaber unterliegen als im Rechtssinne unteilbar der gemeinschaftlichen Einziehung nach § 754 Satz 2 BGB (vgl. Sen.Urt. v. 28. Mai 1983 aaO S. 604 m.N.); jedoch kann ein Teilhaber der Gemeinschaft – zumal wenn, wie hier, der andere Teilhaber die Mitwirkung bei der Einziehung verweigert – eine solche gemeinschaftliche Geldforderung gemäß § 432 Abs. 1 BGB auch allein zur Leistung an alle gerichtlich geltend machen (BGHZ 121, 22, 25 m.N.; vgl. auch MüKo-K. Schmidt, BGB 3. Aufl. § 754 Rdn. 4). Die rechtliche Unteilbarkeit der Forderung ist auch dann anzunehmen, wenn – wie hier – der Mieter selbst Teilhaber der Gemeinschaft ist; dieser befindet sich als Mieter der Gemeinschaft in der Rechtsposition eines außenstehenden Dritten (vgl. dazu schon BGH, Urt. v. 8. Januar 1969 – VIII ZR 184/66, WM 1969, 298, 299).

2. Die Verwerfung der Berufung hinsichtlich der mit dem Hauptantrag auch geltend gemachten Rückforderung von 238,– DM für die Gebäudevielschutzversicherung und von 99,70 DM für die Unfallversicherung hat ebenfalls keinen Bestand. Die diesbezügliche Berufungsbegründung der Klägerin genügte entgegen der nicht näher dargelegten Ansicht des Berufungsgerichts den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Das Landgericht hat in seinem Urteil einen Erstattungsanspruch zugunsten des Gemeinschaftskontos in bezug auf beide Versicherungsarten bejaht, weil insoweit ein Zusammenhang der Ausgaben mit dem gemeinschaftlichen Eigentum vom Beklagten nicht hinreichend dargetan sei. Die Abweisung der Klage hinsichtlich dieser Erstattungsansprüche erfolgte nur deshalb, weil das Landgericht insoweit die Aufrechnung des Beklagten mit Gegenforderungen gegen die Gemeinschaft für durchgreifend erachtet hat. Die Klägerin mußte sich daher in ihrer Berufungsbegründung nicht erneut mit der grundsätzlichen Berechtigung der Rückerstattungsforderung auseinandersetzen; vielmehr reichte es aus, die aus ihrer Sicht unzutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Zulässigkeit und Begründetheit der Aufrechnung zu bekämpfen. Dies hat die Klägerin mit umfassender Begründung im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20. April 1998 getan.

II. Da die Revision bereits zum Hauptantrag in vollem Umfang Erfolg hat, bedarf es einer Erörterung der – nachrangigen – Hilfsanträge nicht mehr, mit denen sich das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – befaßt hat.

III. Das Berufungsurteil ist somit insgesamt aufzuheben. Aufgrund erneuter Verhandlung wird sich das Berufungsgericht nunmehr mit der Berechtigung der – von ihm bislang nur unterstellten – Mietzinsansprüche der Gemeinschaft und mit den dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten zu befassen haben. Das Oberlandesgericht wird dabei zu beachten haben, daß das Landgericht bislang solche Mietzinsforderungen der Gemeinschaft gegen den Beklagten in Höhe von 27.040,– DM als grundsätzlich gerechtfertigt festgestellt hat, die die Klägerin als ihr günstig im Sinne von Mindestansprüchen hinnimmt und die der Beklagte im Berufungsrechtszug nicht mit einem Anschlußrechtsmittel unmittelbar bekämpft.

 

Unterschriften

Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 11.09.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 556215

BB 2000, 2436

DStR 2000, 2141

DStZ 2001, 59

BGHR

DWW 2001, 272

FuR 2001, 286

NJW-RR 2001, 369

NZG 2001, 72

NZM 2001, 45

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 2379

ZAP 2001, 127

ZMR 2001, 90

ZfIR 2001, 582

JA 2001, 355

MDR 2001, 151

ZNotP 2001, 26

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