Leitsatz (amtlich)
Eine bauliche Veränderung (hier: Gedenkstein) gestaltet die Wohnanlage nicht grundlegend um, wenn sie mit einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen spezifischen Vorgabe für die Nutzung und Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Ziergarten) vereinbar ist.
Normenkette
WoEigG § 20 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 19. Januar 2024 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage verfügt im hinteren Außenbereich über einen gemeinschaftlichen Garten. Die Gemeinschaftsordnung regelt insoweit unter der Überschrift „Zweckbestimmung“ Folgendes:
„Der gemeinschaftliche Garten ist als Ziergarten angelegt. Er soll zur Schönheit des ganzen Hausgrundstückes beitragen. Darüber hinaus dient er der Erholung, dem Spiel und der Ruhe der Hausbewohner und ihrer Gäste.“
Rz. 2
In der Eigentümerversammlung vom 18. August 2022 wurde die Aufstellung eines privaten Gedenksteins für den ehemaligen Bewohner der Anlage und zwischenzeitlich verstorbenen Oberbürgermeister der Stadt L. im hinteren Gartenteil beschlossen. Bei dem Gedenkstein handelt es sich um einen von einem Künstler umgestalteten früheren Grabstein mit einer Höhe von 1,20 Meter, einer Breite von 90 cm und einer Tiefe von 35 cm.
Rz. 3
Auf die Anfechtungsklage der Klägerin hat das Amtsgericht den Beschluss für ungültig erklärt. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in ZWE 2024, 332 veröffentlicht ist, verstößt der Beschluss nicht gegen § 20 Abs. 4 WEG. Die Klägerin habe nicht aufgezeigt, dass mit der Aufstellung des Gedenksteins die Wohnanlage grundlegend umgestaltet werde. In einem Ziergarten dürften Skulpturen - und damit auch ein Gedenkstein - aufgestellt werden. Der Ziergarten werde nicht grundlegend umgestaltet, obwohl der Gedenkstein einem Grabstein ähnele, zumal im Verhältnis zu dem ca. 160 Quadratmeter großen Garten nur eine kleine Fläche von einem Quadratmeter verändert werde. Die Bepflanzungen stünden nach wie vor im Vordergrund, und der Garten könne weiterhin zur Erholung genutzt werden. Die Klägerin werde auch nicht ohne ihr Einverständnis gegenüber den anderen Wohnungseigentümern durch das Aufstellen des Gedenksteins unbillig benachteiligt. Sie trauere zwar um ihren Ehemann und störe sich subjektiv an der Ähnlichkeit zu einem Grabstein, der von ihrem Wohnzimmer aus gesehen durch die dahinterliegende benachbarte Kirche verstärkt werde. Das genüge aber nicht, um eine unbillige Benachteiligung zu begründen. Möglicherweise müssten besonders herausfordernde Kunstwerke nicht geduldet werden; diese Grenze sei hier aber bei weitem nicht erreicht.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 6
1. Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass es sich bei der Aufstellung des Gedenksteins um eine bauliche Veränderung i.S.v. § 20 Abs. 1 WEG handelt. Für die danach begründete Beschlusskompetenz kommt es, wie der Senat kürzlich geklärt hat, nicht darauf an, ob die bauliche Veränderung (hier: Aufstellung des Gedenksteins) mit den in der Gemeinschaftsordnung niedergelegten Nutzungsvereinbarungen für den jeweiligen Bereich des Gemeinschaftseigentums (hier: Ziergarten) vereinbar ist (eingehend Senat, Urteil vom 19. Juli 2024 - V ZR 226/23, juris Rn. 17 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen ein faktischer Widerspruch zu einer Nutzungsvereinbarung einen Beschluss über eine bauliche Veränderung anfechtbar macht, hat der Senat dabei offengelassen (Senat, Urteil vom 19. Juli 2024 - V ZR 226/23, aaO Rn. 24).
Rz. 7
2. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Aus einem Widerspruch zu der Gemeinschaftsordnung kann sich ein Anfechtungsgrund schon deshalb nicht ergeben, weil das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis kommt, dass der Gedenkstein mit den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung zu Gestaltung und Nutzung des Gartens vereinbar ist.
Rz. 8
a) Insoweit stützt die Klägerin ihre gegenteilige Ansicht insbesondere auf den einem Friedhof ähnelnden Gesamteindruck, der sich nach ihrem Empfinden aus dem Zusammenspiel des Gedenksteins im rückwärtigen Bereich des Gartens mit der dahinterliegenden Kirche ergibt. Die benachbarte Bebauung kann allerdings von vornherein nicht einbezogen werden; die Kirche ist nämlich ohnehin vorhanden, und ihr Anblick prägt, wie sich aus den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Lichtbildern ergibt, den Eindruck des Gartens auch unabhängig von dem nunmehr aufgestellten Gedenkstein.
Rz. 9
b) Rechtsfehlerfrei kommt das Berufungsgericht - wenn auch im Rahmen der Prüfung von § 20 Abs. 4 WEG - der Sache nach zu dem Ergebnis, dass der Gedenkstein für sich genommen den vereinbarten Vorgaben für den gemeinschaftlichen Garten entspricht. In einem Ziergarten, der der Schönheit dienen soll, können grundsätzlich Skulpturen aufgestellt werden. Auch ein künstlerisch gestalteter Gedenkstein steht, selbst wenn er optisch einem Grabstein ähnelt, jedenfalls dann nicht im Widerspruch zu dem Charakter eines Ziergartens, wenn es sich - wie hier - um ein einzelnes Element handelt. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass sich der Gedenkstein auch in seiner konkreten Ausgestaltung in den Ziergarten einfügt, weil er angesichts seiner im Verhältnis zu der Größe des Gartens geringfügigen Maße einen eher kleinen Eingriff in Aussehen und Nutzung des Gartens darstellt, die Bepflanzungen weiterhin im Vordergrund stehen und der Garten unverändert zur Erholung genutzt werden kann, ist für den Senat anhand der in Bezug genommenen Lichtbilder ohne weiteres nachvollziehbar. Schließlich geht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision insoweit nicht in Frage gestellt werden, von dem Gedenkstein auch keine provokante künstlerische oder politische Aussage aus, die im Widerspruch zu der vereinbarten Nutzung und Gestaltung des Gartens stehen könnte.
Rz. 10
3. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage i.S.v. § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG.
Rz. 11
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Frage, ob eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage anzunehmen ist, nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Die Beurteilung ist damit in erster Linie Sache des Tatrichters, der alle in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen und eine Gesamtwürdigung vorzunehmen hat. Die revisionsrechtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob das Berufungsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der „grundlegenden Umgestaltung" zutreffend erfasst und ausgelegt sowie alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22, NJW 2024, 1030 Rn. 38).
Rz. 12
b) Nach diesem Maßstab ist die Beurteilung des Berufungsgerichts schon deshalb nicht zu beanstanden, weil hier eine spezifische Nutzung und Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vereinbart ist, der die bauliche Veränderung - wie oben ausgeführt (Rn. 9) - entspricht.
Rz. 13
aa) Vorgaben für die Nutzung und Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in der Gemeinschaftsordnung, die über allgemeine, unspezifische Beschreibungen hinausgehen, regeln, wie das gemeinschaftliche Eigentum beschaffen sein soll. Daraus ergibt sich zugleich, dass mehrheitlich beschlossene bauliche Veränderungen, die solche Vorgaben einhalten, von allen Wohnungseigentümern hingenommen werden müssen. Eine bauliche Veränderung gestaltet die Wohnanlage nicht grundlegend um, wenn sie mit einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen spezifischen Vorgabe für die Nutzung und Gestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vereinbar ist.
Rz. 14
bb) So liegt es hier. Die Gemeinschaftsordnung beschränkt sich nicht auf eine allgemeine Zweckbestimmung (wie etwa Garten). Vielmehr enthält sie spezifische Vorgaben, wonach der gemeinschaftliche Garten als Ziergarten zur Schönheit des ganzen Hausgrundstückes beitragen soll und der Erholung, dem Spiel und der Ruhe der Hausbewohner und ihrer Gäste dienen soll. Da die Aufstellung des Gedenksteins - wie gezeigt (Rn. 9) - diese Regelungen in der Gemeinschaftsordnung einhält, kommt eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage von vornherein nicht in Betracht.
Rz. 15
3. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht schließlich eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers i.S.v. § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 2 WEG.
Rz. 16
a) Für die Annahme eines unbilligen Nachteils genügt es nicht schon, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar beeinträchtigt fühlen kann. Auch Umstände, die zwangsläufig mit der Maßnahme verbunden sind, können für sich allein nicht zur Bejahung eines unbilligen Nachteils führen. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setzt vielmehr weiterhin voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22, NJW 2024, 1030 Rn. 44).
Rz. 17
b) Nach diesen Maßstäben wird die Klägerin nicht unbillig benachteiligt. Sie beruft sich nicht etwa auf einen Nachteil, der sie - wie etwa eine Verschattung - im Vergleich zu den anderen Wohnungseigentümern in besonderer Weise trifft; sie stört sich vielmehr an dem aus ihrer Sicht „friedhofsähnlichen“ Gesamteindruck, den sie aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation als bedrückend empfindet. Maßgeblich ist insoweit aber, wie das Berufungsgericht zu Recht hervorhebt, eine objektive Sicht; wenn die für alle Wohnungseigentümer - und damit auch für die Klägerin - gleichermaßen bindenden spezifischen Vorgaben der Gemeinschaftsordnung eingehalten werden, reicht die subjektive Ablehnung der Maßnahme nicht aus, um mittels einer unbilligen Benachteiligung im Ergebnis ein Vetorecht zu begründen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner Göbel Malik
Laube Schmidt
Fundstellen