Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 15.10.1985) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. Oktober 1985 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den beklagten Rechtsanwälten Schadensersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung.
Die Klägerin ist Inhaberin der Firma Auto Sch. in K. Der Ehemann war bei ihr angestellt. Im Juli 1981 trennten sich die Eheleute, die Ehe wurde im März 1983 geschieden.
Am 8. September 1981 suchte die Klägerin den Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei auf und teilte ihm mit, daß sie das Arbeitsverhältnis mit dem Ehemann wegen unberechtigter Geldentnahmen fristlos kündigen wolle. Der Beklagte sagte ihr, daß unberechtigte Geldentnahmen eine fristlose Kündigung rechtfertigten. Die Klägerin kündigte dann mit Schreiben vom 8. September 1981 dem Ehemann aus diesem Grunde fristlos. Dieser erhob am 14. September 1981 Kündigungsschutzklage mit der Begründung, es könne keine Rede davon sein, daß er unberechtigt Geld entnommen habe. Außerdem sei der Kündigungsgrund derart unbestimmt und ungenau angegeben, daß es schon aus diesem Grunde an dem Ausspruch einer wirksamen fristlosen Kündigung fehle.
Die Klägerin beauftragte die Beklagten mit der Vertretung in diesem Verfahren und übergab ihnen die Klageschrift. Die Beklagten zeigten dem Arbeitsgericht die Vertretung an. Sie setzten sich mit den Prozeßbevollmächtigten des Ehemannes in Verbindung. Auf ihr Schreiben vom 18. September 1981 erklärten diese am 25. September 1981 u.a.:
„Das Arbeitsverhältnis möge zum 31.12.1981 ordentlich gekündigt werden. Unserem Mandanten steht bis zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich Gehalt zu.
Es kann keine Rede davon sein, daß unser Mandant den Betrag von DM 11.299 unberechtigt entnommen hat. Nach den Bekundungen des Steuerberaters Dr. A. hat unser Mandant im Jahre 1979 eine Einlage von DM 18.000 und im Jahre 1980 eine Einlage in Höhe von DM 10.479 geleistet, mithin insgesamt einen Betrag von DM 28.479. Hiervon hat unser Mandant den oben beschriebenen Betrag von DM 11.299 entnommen. Die oben beschriebenen Einlagen wurden in der Form geleistet, daß unser Mandant von seinem Gehaltskonto regelmäßig entsprechende Beträge an die Firma Sch. als Einlagen überwiesen hat. Die Beträge wurden dort auch als Einlage zugunsten unseres Mandanten verbucht.”
Unter dem 29. September 1981 schrieben die Beklagten an die Klägerin:
„Abschrift des Schreibens des Bevollmächtigten Ihres Ehemannes vom 25.9.1981 haben wir Ihnen heute persönlich übergeben und gleichzeitig eine Fotokopie der Bestätigung über die Anstellung vom 24.1.1978 beigefügt.
Wie bereits ausgeführt, hängt der Arbeitsrechtsstreit entscheidend von der Frage ab, ob ihr Ehemann unberechtigte Entnahmen getätigt hat. Er behauptet jetzt, nur von ihm erfolgte Einlagen aus dem Betrieb entnommen zu haben. Dies sei ihm von Herrn Dr. A. bestätigt worden.
Wir sind so verblieben, daß Sie sich hierwegen sofort mit Herrn Dr. A. in Verbindung setzen und sich von diesem eine schriftliche Bestätigung erteilen lassen.
Wir bitten dann um baldige schriftliche Stellungnahme zum Schreiben der Gegenseite vom 25.9.81. Den Übernahmevertrag bezüglich der Firma möchten Sie uns auch noch einreichen.
Der Termin vom 1.10.1981 vor dem Arbeitsgericht Bayreuth wurde aufgehoben.”
Die Klägerin legte die verlangte Bestätigung des (Steuerberaters) Dr. A. nicht vor; auch ihre Stellungnahme zum Schreiben der Gegenseite vom 25. September 1981 blieb aus. Eine Einigung kam nicht zustande, auch nicht im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 4. Februar 1982, in dem der Beklagte zu 2) in Anwesenheit der Klägerin den Kündigungsgrund wiederholte. Spätere Antragen beantwortete die Klägerin ebenfalls nicht.
Im Urteil vom 23. September 1982 stellte das Arbeitsgericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 8. September 1981 nicht aufgelöst worden sei. Die auf Empfehlung der Beklagten eingelegte Berufung wurde, weil nicht begründet, als unzulässig verworfen.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 9. Juni 1983 einigte sich die Klägerin mit dem Ehemann über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 25. April 1983 und verpflichtete sich gleichzeitig zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes von 24.000 DM sowie in einem weiteren gerichtlichen Vergleich vom 6. Oktober 1983 zur Zahlung von 67.676 DM für entgangenes Gehalt von September 1981 bis April 1983. Außerdem mußte sie Arbeitslosengeld und Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung von 13.731,31 DM erstatten. Von dem Gesamtbetrag (105.410,31 DM) sollten ihr die Beklagten als Gesamtschuldner noch 101.752,25 DM ersetzen.
Das Landgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 51.757,25 DM, weil der Beklagte zu 1) der Klägerin pflichtwidrig davon abgeraten habe, das Arbeitsverhältnis mit dem Ehemanne vergleichsweise zum 31. Dezember 1981 zu beenden.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos; auf die Anschlußberufung der Klägerin sprach das Oberlandesgericht weitere 20.000 DM zu.
Mit der Revision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Landgerichts, daß die Beklagten der Klägerin im September 1981 pflichtwidrig davon abgeraten hätten, das Vergleichsangebot des Ehemannes anzunehmen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (vor dem Landgericht) sei die Klägerin zu einem Vergleichsabschluß des Inhalts bereit gewesen, daß das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 1981 gegen Zahlung einer Abfindung von 30.000 DM beendet werde, und daß es zum Vergleich nur deshalb nicht gekommen sei, weil der Beklagte zu 1) hiervon abgeraten habe. Seine Rechtsauffassung, die Kündigungsgründe reichten aus, sei ohne nähere Prüfung nicht vertretbar gewesen. Er habe dann auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine ernstlichen Schritte unternommen, eine fristlose Kündigung zu begründen. Selbst der Schriftsatz vom 23. Februar 1982 sei im wesentlichen nur auf eine unberechtigte Geldentnahme gestützt, obwohl bereits in der Klageschrift vom 14. September 1981 der frühere Ehemann ein solches Verhalten bestritten und der Beklagte zu 1) in der Zwischenzeit wiederholt mit der Klägerin gesprochen habe und Gelegenheit zu einer Aufklärung gehabt hätte. Ohne genaue Kenntnis der Sachlage und eine ins Einzelne gehende Prüfung der Rechtslage hätte er der Klägerin nicht vom Abschluß eines Vergleichs abraten dürfen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, keine ausreichenden Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit der Ratserteilung getroffen.
Als Grund für die sofortige Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Ehemannes hatte die Klägerin eine unberechtigte Geldentnahme aus ihrer Firma Autohaus Sch. genannt. Von dieser Angabe der Mandantin, einer Geschäftsfrau, mußte der Beklagte zu 1) zunächst ausgehen. Das bloße Bestreiten der unberechtigten Geldentnahme durch den Ehemann in seiner Kündigungsschutzklage vom 14. September 1981 veranlaßte noch keine weitere Sachaufklärung in Richtung auf einen möglichen Vergleich, über dessen beabsichtigten Abschluß Informationen der Klägerin noch nicht vorlagen.
Das Schreiben der Bevollmächtigten des Ehemannes an die Beklagten vom 25. September 1981 änderte die Sachlage. Es enthielt einmal den Vorschlag zu einer einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 1981 mit Fortzahlung des Gehalts bis dahin. Zum anderen nahm der Ehemann zur Geldentnahme Stellung. Er räumte die Abhebung von 11.299 DM ein, rechtfertigte sie aber unter Berufung auf behauptete Bekundungen des Steuerberaters Dr. A. mit zu seinen Gunsten verbuchten Einlagen in den Jahren 1979/1980 von insgesamt 28.479 DM. Dieses Schreiben begründete – wie sich von selbst versteht – noch keine Pflicht des Beklagten zu 1), nunmehr zum Vergleich zu raten. Hinsichtlich der Entnahme waren die für die behauptete Berechtigung erheblichen tatsächlichen Umstände unbekannt. Sie durch Befragen der Klägerin als der Mandantin zu klären, war der Beklagte zu 1) verpflichtet (vgl. BGH, Urt. v. 15. Januar 1985 – VI ZR 65/83, LM BGB § 675 Nr. 8 = NJW 1985, 1154 m.w.N.).
Dem ist er nachgekommen. Das ergibt sein Schreiben an die Klägerin vom 29. September 1981, das den Inhalt einer Besprechung mit der Klägerin vom gleichen Tage festhält. Danach sollte sich die Klägerin wegen der Behauptung des Ehemannes, Einlagen aus dem Betrieb entnommen zu haben, sofort mit Dr. A. in Verbindung setzen und sich von diesem eine schriftliche Bestätigung erteilen lassen, dann alsbald schriftlich zum Schreiben der Gegenseite vom 25. September 1981 Stellung nehmen und den Übernahmevertrag bezüglich der Firma noch einreichen.
Die Tatrichter haben diesen Vortrag der Beklagten übergangen. Die Klägerin ist der Darstellung in deren Schreiben vom 29. September 1981 nicht entgegengetreten. Sie hat nur geltend gemacht, sie hätte gerne die nötigen Unterlagen besorgt, sei jedoch wegen der komplizierten Materie hierzu nicht in der Lage gewesen und habe die Beklagten ermächtigt, sich mit dem Steuerberater in Verbindung zu setzen. Dazu ist nichts festgestellt. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Anwalts, zur Klärung des rechtlich erheblichen Sachverhalts Auskünfte Dritter einzuholen; die Beschaffung ihm zugänglicher Unterlagen ist Sache des Mandanten (vgl. BGH, Urt. v. 12. März 1986 – IVa ZR 183/84, WM 1986, 675, 676; Lang MDR 1984, 458 in Anm. zu BGH, Urt. v. 29. März 1983 – VI ZR 172/81, NJW 1983, 1665; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 2. Aufl., S. 87/88). Welche Unterlagen benötigt wurden, ergab sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 29. September 1981 und dem beigefügten Schreiben der Gegenseite vom 25. September 1981, so daß schon deren Vorlage den Steuerberater Dr. A. instand gesetzt hätte, die angeforderte schriftliche Bestätigung zu erteilen. Für diese einfache Tätigkeit bedurfte es keiner Fachkenntnisse. Zudem hätte sich die Klägerin der angeblichen Überforderung durch den schlichten Hinweis entziehen können, sie wolle sich ja entsprechend dem Angebot des Ehemannes (Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1981 gegen Abfindung von 30.000 DM) vergleichen. Solange jedenfalls mangels anderweitiger Information durch die Klägerin die Beklagten von einer unberechtigten Geldentnahme ausgehen mußten, waren sie nicht gehalten, ihren Rat zur Ablehnung des Vergleichs zu ändern. Dafür, daß sie bei der Durchsetzung der Kündigung wegen unberechtigter Geldentnahme in sonstiger Weise ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt haben, gibt der bisher festgestellte Sachverhalt keinen Anhalt.
Aus diesen Gründen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif, weil nicht auszuschließen ist, daß der Tatrichter auch bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags und bei der gebotenen Überprüfung des Beweisergebnisses zu einer haftungsbegründenden Verletzung der anwaltlichen Aufklärungs- und Beratungspflicht gelangt. Dafür könnte auch der Vortrag der Klägerin von Bedeutung sein, der Beklagte zu 1) habe ihr nicht geraten, die fristlose Kündigung auch auf die Verfehlungen ihres Ehemannes zu stützen, über die sie ihn – Beklagten zu 1) – am 8. September 1981 unterrichtet habe (BU S. 5).
Deshalb wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen:
Unterschriften
Merz, Henkel, Fuchs, Gärtner, Winter
Fundstellen