Leitsatz (amtlich)
a) Zwischen der Lehre zum Industriekaufmann und dem Studium des Maschinenbaus besteht kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen (BGHZ 107, 376).
b) Wenn der Lehrabschluß noch keine angemessene Ausbildung zu einem Beruf i.S. des § 1610 Abs. 2 BGB darstellt, ist nicht ausgeschlossen, daß ein späteres Hochschulstudium von der Unterhaltspflicht der Eltern umfaßt wird.
Normenkette
BGB § 1610 Abs. 2; BAföG § 37
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Dezember 1991 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land (im folgenden: Kläger) gewährte dem am 19. August 1964 geborenen Sohn des Beklagten aus dessen 1973 geschiedener Ehe Ausbildungsförderung – zum Teil – im Wege der Vorausleistung gemäß § 36 BAföG. Mit der Klage macht es einen gemäß § 37 BAföG übergegangenen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von monatlich 253,22 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1989 (insgesamt 3.038,64 DM) nebst Zinsen geltend.
Der Sohn des Beklagten wuchs bei der Mutter auf. Zu dem Beklagten hatte er seit Ende seiner Schulzeit kaum mehr Kontakte. Ende Mai 1984 bestand er das Abitur mit der Durchschnittsnote 1,7. Er beabsichtigte, ein Studium der Volkswirtschafts- oder Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen. Ihm wurde von der Berufsberatung des Arbeitsamts R. empfohlen, als zusätzliche Qualifikation im Interesse einer Verbesserung seiner späteren Berufschancen eine betriebliche Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf vorzuschalten. Daher absolvierte er in der Zeit vom 10. September 1984 bis zum 12. Juni 1986 in der Z.-fabrik F. eine Lehre zum Industriekaufmann, die er mit sehr guten Prüfungsnoten abschloß. Während der Lehrzeit gewann er bei der Zusammenarbeit mit Technikern des Betriebes die Überzeugung, daß ein Studium in einer technischen Fachrichtung seinen Fähigkeiten am besten entsprechen würde. Nach Ableistung des Wehrdienstes von Sommer 1986 bis Sommer 1987 führte er deshalb von August bis Oktober 1987 ein technisches Vorpraktikum durch. Seit November 1987 studiert er an der Technischen Universität München Maschinenbau mit Schwerpunkt Konstruktion und Entwicklung.
Der im Jahre 1936 geborene Beklagte ist Maschinenbaumeister. Er hatte 1988/1989 als Techniker bei der Firma M. in F. bereinigte Nettoeinkünfte von monatlich rund 3.935 DM. Seit Juli 1988 ist er wieder verheiratet. Seine Ehefrau war in den Jahren 1988 und 1989 nicht erwerbstätig. Für seinen Sohn zahlte der Beklagte bis Oktober 1984 monatliche Unterhaltsbeiträge von je 350 DM, im November und Dezember 1984 monatlich 112,34 DM, von Januar bis Juli 1985 monatlich 137,34 DM und von August 1985 bis zum Ende der Lehrzeit im Juni 1986 monatlich 188,34 DM (wahrend der Lehre insgesamt also 3.957,80 DM).
Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte habe zu den Studienkosten seines Sohnes in der eingeklagten Höhe beizutragen. Denn dieser habe nach dem Abitur von vornherein vorgehabt, auf jeden Fall zu studieren. Die betriebliche Ausbildung zum Industriekaufmann habe von Anfang an nur eine Zusatzqualifikation darstellen sollen. Seine Absicht, nach Beendigung der Lehre ein Studium aufzunehmen, habe der Sohn sowohl dem Beklagten als auch seiner Mutter mitgeteilt. Dem Beklagten seien daher die weiteren Ausbildungspläne des Sohnes schon vor Antritt der Lehre bekannt gewesen. In Anbetracht des guten Abitur-Notendurchschnitts sei auch davon auszugehen gewesen, daß die Absolvierung eines Lehrberufs die Begabung und Fähigkeiten des Sohnes nicht in hinreichendem Maße ausschöpfen würde.
Der Beklagte ist demgegenüber der Meinung, bei dem Studium handele es sich um eine Zweitausbildung, die er nicht zu finanzieren brauche. Nach seiner Behauptung hat er erst Ende September 1984 von den Plänen seines Sohnes erfahren, als der Ausbildungsvertrag bereits unterzeichnet gewesen sei. Er habe seinen Sohn aufgefordert, er solle – ebenso wie seine Schwester – sofort studieren; denn er, der Beklagte, sei nicht bereit, zwei Ausbildungen zu finanzieren.
Im übrigen sei er auch nicht leistungsfähig. Er habe im April 1988 für 280.000 DM eine Eigentumswohnung gekauft, deren Finanzierung so geplant sei, daß er mit dem Beginn des Rentenalters die Hauptschuldenlast getilgt haben werde. Er müsse daher neben den monatlich zu zahlenden Raten in Höhe von 1.408 DM monatlich weitere 1.000 DM ansparen, um 1993 und 1997 jeweils einen der aufgenommenen Kredite zurückzahlen zu können.
Beide Vorinstanzen haben im Sinne der Klage entschieden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Voraussetzung für die Begründetheit der Klage ist, daß der Beklagte seinem Sohn in Höhe der eingeklagten Beträge Unterhalt schuldet. Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfaßt der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Darunter ist eine Berufsausbildung zu verstehen, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und die sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Geschuldet wird also die den Eltern wirtschaftlich zumutbare Finanzierung einer optimalen begabungsbezogenen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes entsprechenden Berufsausbildung (BGHZ 69, 190, 192; 107, 376, 379 ff, jeweils m.w.N.). Haben Eltern ihrem Kind eine angemessene Berufsausbildung in dem dargelegten Sinn zukommen lassen, so sind sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im allgemeinen nicht verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen sind nur unter besonderen Umständen angenommen worden, etwa wenn sich nachträglich herausstellte, daß die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte. Ferner ist eine Unterhaltspflicht der Eltern in Betracht gezogen worden, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße Weiterbildung anzusehen ist und die Weiterbildung von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung des Kindes deutlich wurde (BGHZ 107 a.a.O. 380 m.w.N.).
Für die Fälle, in denen das Kind nach Erlangung der Hochschulreife zunächst eine praktische Ausbildung durchlaufen hat und es sodann darum geht, ob die Eltern ein sich hieran anschließendes Hochschulstudium zu finanzieren haben, hat der Senat in dem Urteil vom 7. Juni 1989 (BGHZ 107, 376 ff) die – modifizierten – Grundsätze zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen aufgestellt. Danach umfaßt der Unterhalt in diesen Fällen dann auch die Kosten des Hochschulstudiums, wenn dieses mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht und die Finanzierung des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.
2. Das Oberlandesgericht hat diese Voraussetzungen hier für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Da der Sohn des Beklagen nach Beendigung der Lehre und Ableistung des Wehrdienstes mit dem Studium begonnen habe, sei der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten gewahrt. Darüber hinaus bestehe zwischen der Lehre und dem Studium auch ein enger sachlicher Zusammenhang. Die Ausbildung zum Industriekaufmann stelle eine fachliche Ergänzung für das Studium des Maschinenbaus dar. Das zeige sich etwa darin, daß die Technische Universität München den Studenten für Maschinenbau Wahlfächer wie „Kostengünstig Konstruieren”, „Management für Ingenieure” und „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre” anbiete. Der Senat wisse zudem aus eigener Kenntnis um die in der Industrie vorhandene enge Verzahnung zwischen Betriebswirtschaft und Technik, die inzwischen bereits zur Einführung des Studienfachs Wirtschaftsingenieur geführt habe. Auch wenn in größeren Firmen zwischen dem technischen und dem kaufmännischen Bereich stärker getrennt werden möge, könne es für einen Diplom-Ingenieur, der in einer kleineren Firma tätig sei und diese zu leiten habe, oft sehr wichtig sein, wenn er sich im technischen und im kaufmännischen Bereich auskenne. Gerade auf dem Gebiet des Maschinenbaus gebe es aber viele mittelständische Betriebe. Im übrigen entspreche es der Eigenart des Bildungsweges mit vorausgehender praktischer Ausbildung, daß der Auszubildende zwar häufig von Anfang an beabsichtige zu studieren, das genaue Studienziel aber nur in groben Umrissen kenne und erst am Ende der praktischen Ausbildung wisse, welche Fachrichtung er als Studienfach wählen wolle. Würde man in derartigen Fällen zu strenge Anforderungen an den sachlichen Zusammenhang stellen, würde dies der Besonderheit dieses Ausbildungsweges nicht gerecht werden.
3. Dagegen erhebt die Revision zu Recht Bedenken.
Mit Rücksicht darauf, daß Eltern ihren Kindern gemäß § 1610 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur eine – angemessene – Berufsausbildung (und nicht mehrere) zu gewähren haben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12. Juni 1991 – XII ZR 163/90 = FamRZ 1991, 1044), hat der Senat auch für den mehrstufigen Ausbildungsweg Abitur-Lehre-Studium neben dem zeitlichen Zusammenhang als Voraussetzung für den gebotenen engen sachlichen Zusammenhang gefordert, praktische Ausbildung und Studium müßten derselben Berufssparte angehören oder jedenfalls so zusammenhängen, daß das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute, oder daß die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstelle (BGHZ 107 a.a.O. 382).
Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hier nicht erfüllt. Denn die Ausbildung zum Industriekaufmann hat eine wesentlich andersartige Wissensvermittlung zum Gegenstand als das Studium des Maschinenbaus.
Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Ausbildung zum Industriekaufmann stelle eine fachliche Ergänzung für das Studium des Maschinenbaus dar, kann dem nicht beigetreten werden. Durch das technische Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelnde Studium des Maschinenbaus werden das bei der kaufmännischen Lehre erworbene Wissen und in diesen Bereich fallende Fähigkeiten nicht ergänzt, weitergeführt oder vertieft. Jedenfalls fehlt ein enger Zusammenhang, wie er nach der Senatsrechtsprechung erforderlich ist. In dieser ist etwa eine Ausbildung zum Bankkaufmann wegen der vielfältigen Berührungspunkte mit dem Studium und der späteren Berufsausübung eines Juristen als sinnvolle Vorbereitung auf das Studium der Rechtswissenschaft beurteilt worden (Senatsurteil vom 23. Oktober 1991 – XII ZR 174/90 = BGHR BGB § 1610 Abs. 2 Studium 5 = FamRZ 1992, 170), während ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Speditionskaufmann und dem Jurastudium verneint worden ist (Senatsurteil vom 20. Mai 1992 – XII ZR 131/91 = BGHR a.a.O. Studium 6 = FamRZ 1992, 1407). Dabei hat der Senat in der letztgenannten Entscheidung die Auffassung bestätigt, daß allein die im Rahmen des Jurastudiums geforderte Beschäftigung mit der Volkswirtschaftslehre den gebotenen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen nicht zu begründen vermöge, da vielfältige Bereiche der modernen Industriegesellschaft einen irgendwie gearteten Zusammenhang mit der Rechtswissenschaft hätten. Der Schwerpunkt des Berufs des Speditionskaufmannes liege aber nicht auf rechtlichem, sondern auf kaufmännischem Gebiet.
Ähnlich liegen die Dinge hier. Der Schwerpunkt des Berufs des Industriekaufmanns liegt im kaufmännischen Bereich, der des Maschinenbauingenieurs hingegen auf technischem Gebiet. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, es könne für einen leitenden Diplomingenieur in einer kleineren Firma „oft sehr wichtig sein”, wenn er sich im technischen und im kaufmännischen Bereich auskenne, vermag die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Ausbildungen nicht zu rechtfertigen, weil sie einen nur möglichen Einzelfall aufgreift und nicht in der gebotenen Weise typisiert. Es kann auch nicht genügen, daß durch eine Lehre zusätzlich erworbene Kenntnisse im späteren Berufsleben nützlich sind; das wird fast immer der Fall sein. Andernfalls müßte beispielsweise eine Ausbildung an einer Fremdsprachenschule für eine Vielzahl nicht artverwandter Studiengänge (etwa Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, technische Studiengänge u.a.) als fachlich sinnvolle Vorbereitung auf das Studium angesehen werden. Damit würde der in § 1610 Abs. 2 BGB abgesteckte Rahmen der elterlichen Unterhaltspflicht gesprengt, weil das Merkmal „angemessen” auch eine gebührende Berücksichtigung der Belange der Eltern erfordert. Zwar zeigt der verschiedentlich angebotene Studiengang „Wirtschaftsingenieur” auf, daß es im akademischen Bereich eine sinnvolle Verbindung zwischen Ökonomie und Technik gibt. Diesen Studiengang hat der Sohn des Beklagten aber nicht eingeschlagen, weil er sich offenbar schwerpunktmäßig zur Technik hingezogen fühlt. Die kaufmännische Lehre hat er seinerzeit nur begonnen, weil er später ein Studium der Volkswirtschafts- oder Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen beabsichtigte. Hätte er sogleich Maschinenbau studieren wollen, hätte er schwerlich die kaufmännische Lehre vorgeschaltet – das wäre ihm auch nicht von der Berufsberatung empfohlen worden.
Da mithin ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Lehre zum Industriekaufmann und dem Studium des Maschinenbaus zu verneinen ist, wird das angefochtene Urteil von der gegebenen Begründung nicht getragen.
4. Das bedeutet indessen nicht, daß die Sache entscheidungsreif wäre. Denn der Beklagte kann unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet sein, das Studium seines Sohnes zu finanzieren.
a) Wie bereits ausgeführt, umfaßt der Unterhalt eines Kindes (u.a.) die Kosten einer „angemessenen” Vorbildung zu einem Beruf. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof schon in der grundlegenden Entscheidung BGHZ 69, 190 ff darauf abgehoben, daß nur Eltern, die ihrer Pflicht, dem Kind eine angemessene Berufsausbildung zu gewähren, bereits in rechter Weise nachgekommen sind, in der Regel keine Kosten für eine weitere (zweite) Ausbildung zu tragen haben. Hingegen ist eine Verpflichtung zur Finanzierung einer weiteren Ausbildung grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wenn eine angemessene Ausbildung noch nicht gewährt worden ist (BGHZ 69 a.a.O. 194). In seinem Urteil zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen (BGHZ 107, 376 ff), durch das die Unterhaltspflicht der Eltern für diese Ausbildungsgänge unter den dort dargelegten Voraussetzungen modifiziert und erweitert worden ist, hat der Senat vornehmlich die Fälle im Auge gehabt, in denen der Unterhaltsberechtigte mit der zunächst durchlaufenen Lehre an sich eine für ihn angemessene Ausbildung erhalten hatte und deshalb nach der früheren Rechtsprechung grundsätzlich keine Finanzierung des anschließenden Studiums hätte verlangen können.
b) Ob indessen die Ausbildung zum Industriekaufmann für den Sohn des Beklagten eine angemessene Berufsausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB war, nämlich seiner Begabung, seinen Fähigkeiten, seinem Leistungswillen und seinen beachtenswerten Neigungen – als Berufsziel – entsprach, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Diese tatrichterliche Beurteilung muß daher nachgeholt werden, wobei den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist.
Nach den bisher festgestellten Umständen bestehen zumindest Bedenken dagegen, die Lehre zum Industriekaufmann als eine für den Sohn des Beklagten angemessene Vorbildung zu einem Beruf anzusehen. Seine Leistungen im Abitur – mit einem im oberen Leistungsbereich liegenden Notendurchschnitt – ließen auf eine Eignung und Begabung für eine weiterführende wissenschaftliche Ausbildung schließen. Der Kläger hat geltend gemacht, die Absolvierung einer Lehre habe die Begabungen und Fertigkeiten des Sohnes des Beklagten nicht in hinreichendem Maße ausschöpfen können. Dieser selbst beabsichtigte von Anfang an die Aufnahme eines Studiums. Der Beklagte war mit diesem Vorhaben ersichtlich einverstanden, wie sich daraus entnehmen läßt, daß er seinen Sohn im Herbst 1984 aufforderte, er solle, ebenso wie seine Schwester, sofort studieren und nicht zwei Ausbildungen absolvieren (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 10. Dezember 1980 – IV b ZR 546/80 = FamRZ 1981, 344, 346, 2. Abs.).
c) War die Lehre zum Industriekaufmann für den Sohn des Beklagten keine angemessene Vorbildung zu einem Beruf, so folgt daraus die grundsätzliche Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit das Studium des Sohnes zu finanzieren (BGHZ 107 a.a.O. 382 f m.w.N.). Bedenken könnten sich allerdings daraus ergeben, daß dieser das Studium nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufgenommen hat, weil er zuvor eine Lehre absolviert und die eigene Neigung und Begabung nicht sogleich richtig eingeschätzt hat (vgl. dazu Senatsurteile vom 23. Mai 1984 – IV b ZR 39/83 = FamRZ 1984, 777, 778; vom 11. Februar 1987 – IV b ZR 23/86 = BGHR BGB § 1610 Abs. 2 Studium 1 = FamRZ 1987, 470).
Bei der Prüfung, ob dem Sohn des Beklagten insoweit eine Obliegenheitsverletzung anzulasten ist, wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben, daß auf ein leichteres, nur vorübergehendes Versagen zurückzuführende Verzögerungen der Ausbildungszeit nicht immer die schwerwiegende Folge eines Verlustes des Unterhaltsanspruchs haben müssen (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1989 – IV b ZR 83/88 = BGHR BGB § 1610 Abs. 2 Studium 3 = FamRZ 1990, 149, 150). Die Vorschaltung einer Lehre war hier wesentlich beeinflußt durch den Rat einer Behörde, auf deren Fachkunde der Sohn des Beklagten ersichtlich vertraute. Soweit er schon vor Abschluß der Lehre erkannte, daß seine Neigungen auf technischem Gebiet lagen, diese aber dennoch nicht sogleich abbrach und zunächst – ersichtlich mit gutem Erfolg – sich der Abschlußprüfung unterzog, ist zu berücksichtigen, daß ein solches Verhalten vernünftiger, auch im Interesse der Eltern liegender Daseinsvorsorge entsprach. Da die zunächst beabsichtigten Stufen – kaufmännische Lehre und anschließendes Wirtschaftsstudium – als einheitlicher Ausbildungsgang im Sinne der Senatsrechtsprechung (BGHZ 107, 376, 381 f) anzuerkennen gewesen wären, wird das Verhalten des Sohnes des Beklagten ähnlich wie bei einem Ausbildungswechsel zu beurteilen sein.
d) soweit das Oberlandesgericht ausgeführt hat, die Finanzierung eines Studiums sei dem Beklagten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar, halt dies den Angriffen der Revision stand. Der Beklagte konnte im Frühjahr 1988 finanzielle Dispositionen nicht ohne Rücksicht darauf treffen, ob die Ausbildung seines Sohnes bereits beendet war. Wenn der persönliche Kontakt seit 1984 unterbrochen war, wie die Revision geltend macht, hätte er sich zuvor auf andere Weise darüber vergewissern müssen.
Die Zurückverweisung gibt dem Beklagten im übrigen Gelegenheit, Vorbringen, auf das vorstehend nicht eingegangen worden ist, etwa zum Haftungsanteil der Mutter gemäß § 1606 Abs. 3 BGB, dem Berufungsgericht zu unterbreiten.
Unterschriften
Zysk, Krohn, Nonnenkamp, Knauber, Gerber
Fundstellen
NJW 1993, 2238 |
FamRZ 2007, 424 |
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