Leitsatz (amtlich)
a) Einwendungen, die sich gegen den durch Schiedsspruch zuerkannten Anspruch selbst richten, können im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vorgebracht werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte. Sie sind jedoch nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem sie in dem schiedsrichterlichen Verfahren spätestens hätten geltend gemacht werden müssen (Bestätigung von BGHZ 34, 274, 277).
b) Ist eine zur Aufrechnung gestellte Forderung mit der Einrede des Zurückbehaltungsrechts behaftet, so findet der Aufrechnungsausschluß nach § 390 Satz 1 BGB nicht statt, wenn das Zurückbehaltungsrecht gerade diejenige Gegenforderung sichert, gegen die sich die Aufrechnung richtet (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 33/61 = LM ZPO § 767 Nr. 23 = NJW 1962, 2004).
Normenkette
ZPO §§ 1042, 767; BGB § 390 S. 1
Tenor
Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. März 1989 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Antragsgegner verkaufte dem Antragsteller durch notariellen Vertrag vom 14. September 1986 die „Apotheke an der Stadtkirche” in P. zum Preise von 310.000 DM. In den Vertrag wurden ein Gewährleistungsausschluß sowie die Klausel aufgenommen, daß alle zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen und Abmachungen dort enthalten seien und ansonsten keine Vorbehalte bestünden. Zugleich schlossen die Parteien in einer gesonderten Urkunde eine Schiedsgerichtsvereinbarung, wonach alle Streitigkeiten aus dem Kaufvertrag oder über seine Gültigkeit von einem von der Apothekerkammer zu benennenden Schiedsgericht zu entscheiden seien. Der Besitz der Apotheke ging am 1. Dezember 1986 auf den Antragsteller über.
Nachdem der Antragsteller erfahren hatte, daß der im selben Haus praktizierende Allgemeinarzt Dr. S. seine Praxis im Sommer 1987 zu verlegen beabsichtigte, focht er den Kaufvertrag mit der Begründung an, der Antragsgegner habe diese Absicht des Arztes schon bei Vertragsschluß gekannt, sie ihm, dem Antragsteller, jedoch verschwiegen. Der Antragsteller erhob sodann Klage zum Schiedsgericht auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Apotheke. Der Antragsgegner bestritt, den Antragsteller getäuscht oder ihm über den Verbleib des Arztes Zusagen gemacht zu haben.
Das Schiedsgericht verurteilte aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Mai 1987 nach Beweisaufnahme den Antragsgegner entsprechend dem Begehren des Antragstellers zur Rückzahlung des Kaufpreises von 310.000 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Apotheke. Es hielt für erwiesen, daß der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller seine Aufklärungspflicht verletzt habe.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs begehrt. Der Antragsgegner hat geltend gemacht, der Vollstreckbarerklärung stünden Aufhebungsgründe nach § 1041 ZPO entgegen, da das Schiedsgericht ihm das rechtliche Gehör versagt habe, der Schiedsspruch mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar und nicht mit einer ausreichenden Begründung versehen sei. Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsgegner ferner eingewandt, daß der Antragsteller die Apotheke weiterhin nutze und daher eine Nutzungsentschädigung zu zahlen habe, die auf den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises anzurechnen sei. Außerdem könne die Apotheke nicht betriebsbereit und revisionsfähig zurückgegeben werden.
Das Landgericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt und die Einwendungen des Antragsgegners für nicht durchgreifend erachtet. Die Berufung des Antragsgegners ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er seine Anträge auf Ablehnung der Vollstreckbarerklärung und Aufhebung des Schiedsspruchs weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Soweit der Antragsgegner die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Vorliegens einer der in § 1041 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe begehrt, bleibt die Revision allerdings erfolglos.
1. Die Anerkennung des Schiedsspruchs führt nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist (§ 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechtes (den ordre public) liegt nämlich erst dann vor, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Eine bloße Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden sollte, reicht für einen solchen Verstoß nicht aus (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990, S. 204). Dementsprechend ist der Schiedsspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht in allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt. Davon kann hier keine Rede sein. Das Schiedsgericht hat dem Antragsteller nicht – wie die Revision meint – einen Schadensersatz zugesprochen, ohne die Entstehung eines Schadens festzustellen. Es ist davon ausgegangen, daß der Antragsgegner den Antragsteller wegen Verschuldens bei Vertragsschluß so stellen müsse, als ob der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, und hat daraus gefolgert, daß er ihm den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe der Apotheke zurückzuerstatten habe. Dies läßt „einen eklatanten Verstoß gegen die materielle Gerechtigkeit” nicht erkennen; vielmehr halten die Würdigung des Verhandlungs- und Beweisergebnisses und der Rechtsfolgenausspruch zumindest dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Vollstreckbarerklärungsverfahrens stand (vgl. zur Aufklärungspflicht des Verkäufers über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können und deshalb für den Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung sind: BGH, Urteil vom 30. Oktober 1987 – V ZR 144/86 = BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß – Aufklärungspflicht 11 = ZIP 1988, 316, 318). Ob das Schiedsgericht mit Recht angenommen hat, der Antragsgegner müsse den Antragsteller so stellen, als ob der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, oder ob nur diejenigen Bestimmungen in den Vertrag aufzunehmen waren, die vereinbart worden wären, wenn der Antragsteller umfassend aufgeklärt worden wäre, ist ebenfalls eine Frage des materiellen Rechts, deren Entscheidung durch das Schiedsgericht von den staatlichen Gerichten nur nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Einschränkungen nachgeprüft werden kann. Daher hält sich die Annahme des Schiedsgerichts, daß der Antragsteller bei pflichtgemäßer Aufklärung den Vertrag überhaupt nicht abgeschlossen hätte, im Rahmen zulässiger, der Nachprüfung durch das Staatsgericht entzogener Überzeugungsbildung.
2. Ohne Erfolg rügt die Revision ferner, dem Antragsgegner sei im Schiedsverfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt worden (§ 1041 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß das Schiedsgericht im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten ist, den Parteien seine Rechtsansicht mitzuteilen und sie zur Äußerung hierzu aufzufordern (BGHZ 31, 43, 46). Dementsprechend brauchte das Schiedsgericht nicht darauf hinzuweisen, daß es der Klage unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung stattgeben werde. Die Beurteilung des Verhältnisses von Aufklärungspflichtverletzung, arglistiger Täuschung und Mängelgewährleistung fällt in den Bereich der materiell-rechtlichen Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts und ist der Nachprüfung durch das staatliche Gericht aus den bereits dargelegten Gründen (siehe oben 1.) entzogen. Das Schiedsgericht brauchte insbesondere denjenigen Tatsachenbehauptungen und Beweisantritten des Antragsgegners nicht nachzugehen, die es von seinem materiellen Rechtsstandpunkt aus für unerheblich hielt. Dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs i. S. des § 1041 Abs. 1 Nr. 4 ZPO war hier vielmehr schon dadurch genügt, daß das Schiedsgericht auf der Grundlage seiner Beurteilung der materiellen Rechtslage den für die Entscheidungsfindung maßgeblichen Sachverhalt anhand des Vorbringens beider Parteien und anhand der erhobenen Beweise ordnungsgemäß ermittelt und bewertet hat.
3. Die von den Vorinstanzen mit zutreffenden Erwägungen zurückgewiesene Rüge, der Schiedsspruch sei nicht mit Gründen versehen (§ 1041 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), wird von der Revision nicht mehr weiterverfolgt.
II.
Hingegen hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Einwendung des Antragsgegners unberücksichtigt gelassen, auf die dem Antragsteller zuerkannte Forderung sei ein Entgelt dafür anzurechnen, daß der Antragsteller die Apotheke nach Beendigung des Schiedsverfahrens weiterhin nutze.
1. Dabei handelt es sich um eine Einwendung gegen den zuerkannten Anspruch selbst. Solche Einwendungen können innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vorgebracht werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte; es hätte nämlich keinen Sinn, wenn in solchen Fällen der Antragsgegner die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müßte (BGHZ 34, 274, 277 m. w. Nachw.). Sie sind jedoch nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem sie in dem schiedsrichterlichen Verfahren spätestens hätten geltend gemacht werden müssen (arg. § 767 Abs. 2 ZPO; vgl. Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 20. Aufl. 1980, § 1042 Rn. 23). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da der Antragsgegner das Nutzungsentgelt lediglich für die Zeit nach Abschluß des Schiedsverfahrens fordert.
2. Ob die Nutzung der Apotheke einen aufrechenbaren Entschädigungsanspruch begründet oder bereits den Schadensersatzanspruch des Antragstellers nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung mindert, kann hier dahinstehen.
a) Geht man von der Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung aus, dann muß der Antragsgegner die darin liegende Minderung des Schadens, soweit sie nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Schiedsverfahren eingetreten ist, als anspruchsvernichtende Tatsache im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ebenso geltend machen können wie in einem Verfahren nach § 767 ZPO gegen die Vollstreckbarkeit eines gerichtlichen Urteils.
b) Wird dagegen angenommen, daß die Nutzung der Apotheke einen Entschädigungsanspruch des Antragsgegners begründet, weil die Nutzung nicht wie der Besitz der Apotheke zurückgewährt werden kann, so kann der Antragsgegner, soweit die Entschädigung sich auf die Nutzung der Apotheke nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung im Schiedsverfahren bezieht, mit diesem Anspruch gegen die titulierte Forderung aufrechnen (vgl. BGHZ 34, 274, 278 ff.). Demzufolge ist der Schiedsspruch nur in Höhe der Restforderung für vollstreckbar zu erklären, die durch die Aufrechnung unberührt bleibt.
aa) Das Berufungsgericht hat der Aufrechnung die Berücksichtigung versagt, weil der Aufrechnungsforderung „eine auf die §§ 348, 273, 320 BGB gegründete Einwendung” entgegenstehe. Der im Wege der Aufrechnung geltend gemachte Gegenanspruch des Antragsgegners auf Nutzungsentschädigung sei nämlich ein aus der Rückabwicklung des gegenseitigen Vertrages fließender Gegenanspruch, der nur Zug um Zug zu erfüllen sei. Daher sei die Aufrechnung mit einer solchermaßen einredebehafteten Gegenforderung nach § 390 Satz 1 BGB unzulässig.
bb) Darin kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Nutzungsentschädigung, dessen sich der Antragsgegner berühmt, mit der im Schiedsspruch zuerkannten Gegenforderung des Antragstellers auf Rückzahlung des Kaufpreises in einem durch die Rückabwicklung des gesamten Geschäftes begründeten Konnexitätsverhältnis stehe. Dementsprechend hat das Berufungsgericht als Einrede, die die Aufrechnung mit der Forderung auf Nutzungsentschädigung ausschließe, ein Zurückbehaltungsrecht des Antragstellers nach §§ 348, 320 BGB in Erwägung gezogen. Dies bedeutet, daß der Antragsteller berechtigt ist, die Erfüllung der Forderung des Antragsgegners auf die Nutzungsentschädigung zu verweigern, bis der Antragsgegner seinerseits die im Schiedsspruch zuerkannte Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises erfüllt (§§ 348, 320 Abs. 1 Satz 1 BGB). Daraus folgt, daß die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes gerade diejenige Forderung des Antragstellers sichert, gegen die sich die Aufrechnung des Antragsgegners richtet. In einem solchen Fall findet der Aufrechnungsausschluß nach § 390 Satz 1 BGB nicht statt. Denn durch die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat wird die zu sichernde Forderung befriedigt; damit wird die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes gegenstandslos (MünchKomm/v. Feldmann, BGB, 2. Aufl. 1985 § 390 Rn. 1; RGRK/Weber, BGB 12. Aufl. 1976, § 390 Rn. 4; ähnlich schon RGZ 119, 1, 4). In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Juli 1962, auf das sich das Berufungsgericht bezieht, zugrunde gelegen hatte (V ZR 33/61 = LM ZPO § 767 Nr. 23 = NJW 1962, 2004): Dort hatte das Zurückbehaltungsrecht nicht wegen der Forderung bestanden, gegen die aufgerechnet wurde, sondern wegen eines weiteren Anspruchs auf Herausgabe eines Grundstücks.
3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches nunmehr zu prüfen haben wird, ob und inwieweit die auf die weitere Nutzung der Apotheke gegründeten Einwendungen des Antragsgegners gegen die dem Antragsteller im Schiedsspruch zuerkannte Forderung sachlich berechtigt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 609520 |
BB 1990, 1730 |
NJW 1990, 3210 |
JuS 1991, 249 |