Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts K. vom 9. November 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat mit Ausnahme der Gerichtskosten; diese werden gemäß § 8 GKG nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war zu je einem Drittel Mitglied zweier Erbengemeinschaften, die Eigentümer eines Miethauses in A. sind. Durch notariellen Vertrag vom 31. Mai 1991 übertrug sie ihre Erbanteile auf den Beklagten, ihren Sohn. Als Gegenleistung verpflichtete sich dieser, alles zu tun, um das Wohnrecht der Klägerin an der von ihr genutzten Wohnung im Erdgeschoß des Miethauses zu erhalten. Der Beklagte wurde anstelle der Klägerin im Grundbuch als Miteigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen. Das möchte die Klägerin rückgängig machen, nachdem sie der Beklagte als Hausverwalter namens der Erbengemeinschaften aufgefordert hat, die Wohnung zu räumen.
Ihr Antrag erster Instanz war seinem Wortlaut nach darauf gerichtet, den Beklagten zu verurteilen, seine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zu erteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Grundbuch nicht unrichtig sei; darüber hinaus befassen sich die Entscheidungsgründe im wesentlichen mit dem Sachvortrag der Klägerin zu Ansprüchen aus § 326 und § 530 BGB. Mit der Berufung hat die Klägerin den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, die übertragenen Erbanteile zurückzuübertragen. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts strebt die Klägerin nicht die Beseitigung der durch die Klagabweisung herbeigeführten Beschwer an, sondern stellt einen neuen Streitgegenstand zur gerichtlichen Nachprüfung. Sie verfolge ihr früheres Begehren, den Beklagten zur Bewilligung der Grundbuchberichtigung zu verurteilen, nicht weiter. Die erstinstanzliche Klage sei zwar auf Rückgewähr gerichtet gewesen, aber durch Berichtigung des Grundbuchs. Der erstinstanzliche Klageantrag habe einen Antrag auf Abgabe einer Rückübertragungserklärung nicht eingeschlossen und das Landgericht habe über einen derartigen Antrag auch nicht entschieden.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
Allerdings ist dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt zuzustimmen, daß eine Berufung unzulässig ist, die ausschließlich einen bisher nicht verfolgten Anspruch zum Gegenstand hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Juni 1994 – VIII ZR 178/93 – NJW 1994, 2896 unter 2 a; Beschluß vom 27. September 1993 – II ZB 5/93 – NJW-RR 1994, 61; jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall kann aber der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden, die Klägerin habe in erster Instanz einen Antrag auf Rückübertragung der Erbanteile auch hilfsweise nicht gestellt und das Landgericht habe über einen derartigen Antrag nicht entschieden.
a) Der Senat hat die Prozeßerklärungen der Klägerin erster Instanz eigenständig und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts zu werten (BGH, Urteil vom 25. November 1992 – XII ZR 116/91 – NJW 1993, 597 unter 2 b; Urteil vom 9. Mai 1990 – VIII ZR 237/89 – NJW 1990, 2683, 2684 m.w.N.). Dabei ist das Vorbringen einer Partei so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht (so das zuletzt genannte Urteil m.w.N.).
Schon in der Klageschrift wird das Begehren der Klägerin nicht etwa auf die Unwirksamkeit der Erbteilsübertragung durch den notariellen Vertrag vom 31. Mai 1991 oder auf die Unrichtigkeit des Grundbuchs gestützt, sondern allein darauf, daß der Beklagte seine im Vertrag vom 31. Mai 1991 eingegangene Gegenleistungspflicht nicht erfüllt habe und sein Verhalten ferner als grober Undank zu werten sei. Für die aus diesem Sachverhalt abzuleitende Rechtsfolge bezieht sich die Klageschrift auf das von den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin verfaßte Schreiben vom 23. Juni 1993. Darin wird gemäß § 326 Abs. 1 BGB der Rücktritt vom Vertrag erklärt und der Beklagte aufgefordert, eine schriftliche Erklärung zur Bewilligung der Änderung des Grundbuchs abzugeben. Welcher Streitgegenstand damit ungeachtet des angekündigten Klageantrags auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung tatsächlich geltend gemacht werden sollte, liegt auf der Hand und ist auch vom Beklagten sofort erkannt worden. Seine Klageerwiderung beginnt mit dem Satz: „Nach diesseitiger Auffassung ist der Klageantrag nicht richtig, da es sich nicht um eine Berichtigung des Grundbuchs handeln dürfte.” Anschließend hat der Beklagte „zum eigentlichen Sachverhalt” vorgetragen, nämlich zum Anspruch der Klägerin aufgrund ihrer Erklärung, sie trete von dem notariellen Vertrag zurück.
Das Landgericht hat bereits in einer Verfügung vom 18. Oktober 1993, mit der ein Vergleich angeregt wurde, abschließend darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen des Rücktritts gemäß § 326 BGB schon mangels Nachfrist nicht erfüllt seien. Das spricht dafür, daß es der Klage trotz des Wortlauts des angekündigten Antrags entnommen hat, es solle zumindest hilfsweise auch ein Anspruch aus § 326 BGB zur Entscheidung gestellt werden, der nur auf Rückübertragung der Erbanteile gerichtet sein konnte. In dem anschließenden Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 7. Februar 1994 wird einleitend klargestellt, Gegenstand der Klage sei ausschließlich das undankbare Verhalten des Beklagten und dessen Weigerung, die Vereinbarungen aus dem notariellen Übertragungsvertrag einzuhalten. Abschließend heißt es, aus den genannten Gründen sei „die Rückübertragung im Rahmen des erklärten Rücktritts” erforderlich. Danach mochte dem Landgericht eine Präzisierung des Klageantrags, der in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 1994 unter Bezug auf die Klageschrift gestellt wurde, entbehrlich erscheinen, zumal es auch den Rückübertragungsanspruch nicht für aussichtsreich hielt.
b) Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist insbesondere das Rücktrittsschreiben der Klägerin vom 23. Juni 1993 sowie als alleinige Begründung ihres Antrags festgehalten, daß der Beklagte seine Verpflichtung aus dem notariellen Vertrag nicht erfüllt und sich grob undankbar verhalten habe. Nur zu diesen Gesichtspunkten gibt es Sachvortrag des Beklagten. Die Entscheidungsgründe des Landgerichts befassen sich lediglich im Eingang in wenigen Zeilen damit, daß das Grundbuch nicht unrichtig und der notarielle Vertrag vom 31. Mai 1991 nicht unwirksam sei. Im folgenden verneint das Landgericht Ansprüche der Klägerin aus § 326 und § 530 BGB. Diese Ausführungen umfassen mehr als drei Seiten und sind der eigentliche Schwerpunkt der Entscheidung. Dabei hat das Landgericht zusätzliches Vorbringen der Klägerin vom 8. März 1994 zu grob undankbarem Verhalten des Beklagten mit der Begründung als verspätet gemäß § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, daß sie schon im ersten Erörterungstermin vor dem Kammervorsitzenden als beauftragtem Richter am 16. November 1993 darauf hingewiesen worden sei, ihre Klage habe keine große Aussicht auf Erfolg. Sie habe deshalb ihre weiteren Vorwürfe gegen den Beklagten schon eher in den Prozeß einführen müssen, so daß darüber im Termin vor der Kammer am 10. März 1994 hätte Beweis erhoben werden können.
Es ist nicht ersichtlich, daß das Landgericht seine Ausführungen zu § 326 und § 530 BGB etwa als Vortragen des ausdrücklich geltend gemachten Grundbuchberichtigungsanspruchs verstanden hätte. Anhaltspunkte dafür weist auch die Revisionserwiderung nicht auf. Vielmehr ist der Revision zuzustimmen, daß das landgerichtliche Urteil, wenn es rechtskräftig geworden wäre, einer neuen Klage auf Rückübertragung der Erbanteile entgegengestanden hätte. Der Umfang seiner Rechtskraft hätte sich wegen der Abweisung der Klage nicht allein aus der Urteilsformel entnehmen lassen. Tatbestand und Entscheidungsgründe hätten also zur Klärung der Frage herangezogen werden müssen, über welche Streitgegenstände das Landgericht entschieden hat. Aus dem Urteil des Landgerichts wird aber deutlich, daß jedenfalls auch über einen prozessualen Anspruch auf Rückübertragung der Erbanteile entschieden worden ist, der im Hinblick auf § 326 und § 530 BGB von der Klägerin geltend gemacht worden war und vom Landgericht geprüft worden ist.
Danach ist die Berufung der Klägerin, mit der sie nur ihren Rückübertragungsanspruch weiterverfolgt, zulässig. Denn sie wird auch insoweit durch das erstinstanzliche Urteil beschwert.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Römer, Dr. Schlichting, Terno
Fundstellen