Leitsatz (amtlich)
Zur Hemmung der Verjährung durch konkludenten Abschluß eines Stillhalteabkommens.
Normenkette
BGB § 202
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 14 U 5193/95) |
LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 679/94) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Mai 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 1991 erwarb die Klägerin von der damals unter dem Namen Treuhandanstalt handelnden Beklagten und der T. -Holdinggesellschaft mbH die Geschäftsanteile der TE. GmbH. In § 5 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages sicherten die Verkäufer unter anderem zu, daß die TE. GmbH Eigentümerin des Anlage- und Umlaufvermögens gemäß der DM-Eröffnungsbilanz sowie aller Vermögensgegenstände sei, die die GmbH im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes nutze. In § 5 Abs. 2 verpflichteten sich die Verkäufer für den Fall der Unrichtigkeit der Zusicherungen gemäß Absatz 1 unter anderem zur Herstellung des der Zusicherung entsprechenden Zustandes oder zur Leistung von Schadensersatz in Geld nach Maßgabe weiterer, die Einzelheiten der Verpflichtung regelnder Bestimmungen. In § 5 Abs. 3 ist vereinbart, daß Ansprüche der Klägerin wegen unrichtiger Zusicherungen gemäß Absatz 1 innerhalb von 18 Monaten nach Vertragsschluß schriftlich geltend zu machen seien und die Verjährungsfrist sechs Monate ab schriftlicher Geltendmachung betrage. § 7 des Vertrages enthält Regelungen für den Fall von Ansprüchen Dritter hinsichtlich des Vermögens der TE. GmbH nach dem Vermögensgesetz. In Absatz 1 heißt es einleitend, daß nach den Feststellungen der Vertragsparteien keine Anmeldungen nach § 3 Abs. 3 des Vermögensgesetzes vorlägen und die Vertragspartner sich verpflichteten, etwaige künftige Rückübertragungsansprüche abzuwehren oder zumindest „in Entschädigungsansprüche umzuwandeln”. In den Absätzen 2 und 3 verpflichtete sich die Beklagte, „die Käuferin/Gesellschaft” von etwaigen Entschädigungs- und Wertausgleichsansprüchen nach dem Vermögensgesetz freizustellen und „der Käuferin/Gesellschaft” im Falle von Rückübertragungsansprüchen den Buchwert der betroffenen Vermögensgegenstände gemäß der DM-Eröffnungsbilanz zuzüglich zwischenzeitlicher Investitionen zu erstatten.
§ 8 des Vertrages ist mit „Abwehr von Ansprüchen” überschrieben und lautet:
- „Die Käuferin ist verpflichtet, die Verkäufer unverzüglich schriftlich zu unterrichten, falls Dritte irgendwelche Ansprüche, die zu einer Haftung der Verkäufer führen können, geltend machen oder androhen. Die Käuferin hat den Verkäufern alle sachdienlichen Unterlagen zugänglich zu machen und alle sachdienlichen Auskünfte zu erteilen sowie Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu gewähren, soweit dies erforderlich ist, um die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu beurteilen.
- Die Vertragsparteien werden sich über die Abwehr der in Absatz 1 genannten Ansprüche verständigen. Den Verkäufern ist angemessen Gelegenheit zu geben, sich an der Abwehr von Ansprüche zu beteiligen. Die Käuferin wird dafür Sorge tragen, daß die Verkäufer Ansprüche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abwehren können, falls die Käuferin oder die Gesellschaft, gleich aus welchem Grund, nicht bereit sind, die Abwehr der Ansprüche selbst vorzunehmen und eine Abwehr der Ansprüche durch die Verkäufer nicht ihren berechtigten geschäftlichen Interessen zuwiderläuft.”
In § 9 des Vertrages ist die gesamtschuldnerische Haftung der Verkäufer für alle vertraglichen Pflichten geregelt.
Nach Vertragsschluß stellte die Klägerin fest, daß einzelne Parzellen der mit Lagerhallen und Produktionsstätten bebauten Betriebsfläche der TE. GmbH im Eigentum dritter Personen, insbesondere der Erbengemeinschaft H. und des Herrn K., standen. Außerdem meldeten frühere Eigentümer Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz hinsichtlich einzelner Teile des Betriebsgrundstückes an.
Mit einem am 18. Oktober 1991 zugegangenen Schreiben vom 15. Oktober 1991 unterrichtete die Klägerin die Beklagte unter anderem von dem Eigentum Dritter an Teilflächen des Betriebsgeländes der GmbH und forderte die Beklagte auf, ihr insoweit das Eigentum zu verschaffen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11. November 1991 – eingegangen am 12. November 1991 – unter anderem:
„Wir sind sicher, daß B. (= Klägerin) am Standort E. bessere Entwicklungsmöglichkeiten hat, wenn die bisher ungeklärten Eigentumsverhältnisse der von Ihnen genannten Grundflächen geklärt sind. Wir werden uns bemühen, in Ihrem Interesse diese Probleme zu lösen und Sie umgehend über die Ergebnisse informieren.”
Nach einer umfangreichen weiteren Korrespondenz zwischen den Parteien, in deren Verlauf sie sich im Herbst 1993 darüber einigten, daß die Klägerin selbst versuchen sollte, die Grundstücks-Parzelle „H. ” von den Eigentümern zu erwerben, bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 23. Dezember 1993 um die Zustimmung zum Ankauf dieser Parzelle zu dem von einem Sachverständigen ermittelten Verkehrswert. Die Beklagte leitete das dem Schreiben vom 23. Dezember 1993 beigefügte Wertgutachten an die Treuhandliegenschaftsgesellschaft mbH weiter und unterrichtete die Klägerin auf deren schriftliche Erinnerung vom 18. Januar 1994 hiervon mit Schreiben vom 2. Februar 1994. Mit Schreiben vom 8. April 1994 – bei der Klägerin eingegangen am 11. April 1994 – teilte die Beklagte mit, sie halte sich weder für verpflichtet, dem Ankauf der Parzelle „H. ” zuzustimmen, noch, der Klägerin den von dieser zu zahlenden Kaufpreis zu erstatten, und kündigte weiter an, die Verjährungseinrede gemäß § 5 Abs. 3 des Vertrages zu erheben. Anschließend erwarb die Klägerin die Parzelle „H. ” zum Kaufpreis von 370.000 DM; an Kosten und Gebühren entstanden ihr hierfür weitere 10.948 DM. Die Eigentumsverhältnisse an den übrigen Teilflächen sind teilweise noch ungeklärt. Im Laufe der vorprozessualen Verhandlungen vereinbarten die Parteien wegen einer Postverzögerung nochmals eine Hemmung der Verjährung – soweit diese noch nicht eingetreten sei – für den Zeitraum vom 6. August 1994 bis zum 8. September 1994.
Mit der am 26. September 1994 eingereichten und am 23. November 1994 zugestellten Klage verlangt die Klägerin die Zahlung von 390.948 DM nebst Zinsen. Im ersten Rechtszug hat sie weiter die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihr die Aufwendungen für den Ankauf derjenigen Teile des Betriebsgeländes der TE. GmbH zu ersetzen habe, die im Eigentum Dritter stünden oder Gegenstand von Rückübertragungsansprüchen Dritter seien. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren aufrechterhalten (Nr. 1 ihres zweitinstanzlichen Antrages). Unter Nr. 2 hat sie ihr Feststellungsbegehren präzisiert und ergänzt; sie hat insoweit (sinngemäß) die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihr, der Klägerin, die Aufwendungen zu ersetzen, die ihr für den Ankauf von Teilen des Betriebsgeländes der TE. GmbH noch entstehen würden, welche (a) ganz oder teilweise im Eigentum Dritter stünden oder (b) soweit Ansprüche Dritter auf Rückübertragung und Eigentumszuordnung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen oder verwandter Vorschriften bestünden. Hilfsweise zu Nr. 2 b hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, die unter Nr. 2 b bezeichneten Ansprüche abzuwehren und im Mißlingensfalle der Klägerin den Buchwert etwa zurück- bzw. abzugebender Grundstücke gemäß der DM-Eröffnungsbilanz der TE. GmbH und die von dieser bzw. der Klägerin vorgenommenen Investitionen zu erstatten sowie die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der TE. GmbH von Ansprüchen Dritter auf Entschädigung und Wertausgleich freizustellen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in Form der zuletzt gestellten Anträge weiter; die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus: Soweit die Klägerin, gestützt auf § 7 Abs. 2 (gemeint ist offensichtlich: § 7 Abs. 2 und 3) des notariellen Vertrages, im Wege der Feststellungsklage Ansprüche gegen die Beklagte aufgrund der angemeldeten Rückübertragungsforderungen Dritter nach dem Vermögensgesetz geltend mache (Nr. 2 b des Klageantrages in der im zweiten Rechtszug verlesenen Fassung), sei die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Ein Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung der entsprechenden Rechtsbeziehungen sei nicht erkennbar.
Soweit die Klägerin im Wege der Zahlungs- und der Feststellungsklage Ansprüche gemäß § 5 Abs. 2 des Vertrages wegen des Eigentums Dritter an Teilen des Betriebsgrundstückes der TE. GmbH geltend mache (Nr. 1 und 2 a des Klageantrages in der im zweiten Rechtszug verlesenen Fassung), sei die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet. Ob der Klägerin überhaupt Ansprüche aus § 5 Abs. 2 des Vertrages zustünden, bedürfe keiner Entscheidung, da die Beklagte etwa bestehenden Ansprüchen zu Recht die Verjährungseinrede entgegenhalte. Gegen die Wirksamkeit von § 5 Abs. 3 des Vertrages, wonach solche Ansprüche innerhalb von 18 Monaten nach Vertragsschluß schriftlich geltend zu machen seien und dann nach sechs Monaten verjährten, bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Vereinbarung gemäß § 5 Abs. 3 des Vertrages betreffe auch – und gerade – die hier geltend gemachten Ansprüche. Die Verjährungsfrist habe mit dem 18. Oktober 1991 – Zugang des Anmeldungsschreibens der Klägerin vom 15. Oktober 1991 – begonnen. Der Lauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist sei zwar durch ein mit Schreiben der Beklagten vom 17. März 1992 schlüssig vereinbartes Stillhalteabkommen von jenem Tage an gehemmt gewesen. Diese Hemmung sei jedoch am 11. April 1994 mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 8. April 1994, mit dem die Beklagte den Bestand von Ansprüchen aus § 5 Abs. 2 des Vertrages geleugnet und die Erhebung der Verjährungseinrede gemäß § 5 Abs. 3 angekündigt habe, wieder beendet worden. Da von der sechsmonatigen Verjährungsfrist bei Eintritt der Hemmung bereits fünf Monate verstrichen gewesen seien, sei die Verjährung der Ansprüche der Klägerin aus § 5 Abs. 2 des Vertrages nach Ablauf eines weiteren Monats eingetreten und habe daher durch die erst im September 1994 erfolgte Einreichung der Klage nicht mehr unterbrochen werden können.
Das auf die Anmeldung der Ansprüche folgende Antwortschreiben der Beklagten vom 11. November 1991 habe noch nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Es enthalte seinem Wortlaut nach noch kein verbindliches Stillhalteabkommen durch Einleitung konkreter, erst nachfolgend ergriffener Abwehrmaßnahmen im Sinne von § 8 des Vertrages, sondern nicht mehr als eine erste, noch unverbindliche Stellungnahme der Beklagten. Das Vorbringen der Klägerin, die Parteien hätten auf der Grundlage dieses Schreibens gleichwohl ein Stillhalteabkommen schließen wollen, sei nicht hinreichend substantiiert und daher einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
Eine rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung sei weder der Korrespondenz der Parteien noch dem ergänzenden Sachvortrag der Klägerin zu entnehmen.
II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist die Klage insgesamt zulässig. Das vom Berufungsgericht vermißte rechtliche Interesse der Klägerin an der unter Nr. 2 b des zweitinstanzlichen Klageantrages begehrten Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO) ergibt sich jedenfalls daraus, daß die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit den Bestand der insoweit geltend gemachten Ansprüche der Klägerin in Abrede nimmt. Die Erhebung einer Leistungsklage hinsichtlich dieser Ansprüche war der Klägerin nach dem Sachstand im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht möglich.
2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht die unter Nr. 1 und Nr. 2 a des zweitinstanzlichen Klageantrages geltend gemachten, auf § 5 Abs. 2 des notariellen Vertrages vom 3. Juli 1991 gestützten Ansprüche der Klägerin wegen des Eigentums Dritter an Teilen des Betriebsgrundstückes der TE. GmbH als verjährt angesehen hat. Die dahingehenden Ausführungen der Vorinstanz sind, ohne daß es in diesem Zusammenhang auf weiteres ankommt, jedenfalls insoweit von Rechtsfehlern beeinflußt, als das Berufungsgericht von einer zu kurzen Dauer der Hemmung der sechsmonatigen Verjährungsfrist gemäß § 5 Abs. 3 des Vertrages ausgegangen ist, die nach seinen Ausführungen durch den am 18. Oktober 1991 erfolgten Zugang des Schreibens der Klägerin vom 15. Oktober 1991 in Lauf gesetzt worden ist.
a) Zutreffend ist freilich der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die Verjährung eines Anspruches durch ein zwischen Gläubiger und Schuldner – auch stillschweigend – vereinbartes Stillhalteabkommen, welches den Schuldner vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt (sogenanntes pactum de non petendo), gemäß §§ 202 Abs. 1, 205 BGB gehemmt wird; dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (z.B. Urteile vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82 = WM 1983, 533 = NJW 1983, 2496 unter II 3 b; vom 14. November 1991 - IX ZR 31/91 = WM 1992, 579 = NJW 1992, 836 unter II 1 b und vom 5. November 1992 - XI ZR 200/91 = WM 1993, 610 = NJW 1993, 1320 unter B V - jew. m. Nachw.). Hierbei braucht kein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart zu werden; es genügt, wenn die Beteiligten auf ein zwar bestimmtes, aber zeitlich offenes künftiges Ereignis abstellen (BGH, Urteil vom 5. November 1992 aaO m.Nachw.).
b) Die Revision beanstandet indessen mit Recht, daß die Vorinstanz vom Zustandekommen eines derartigen Stillhalteabkommens erst aufgrund des Zugangs des Schreibens der Beklagten vom 17. März 1992 und nicht bereits aufgrund ihres Schreibens vom 11. November 1991 ausgegangen ist. Diese Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 11. November 1991. Zwar ist die Auslegung individueller Erklärungen – wie hier des Schreibens vom 11. November 1991 – grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung bindet aber das Revisionsgericht unter anderem dann nicht, wenn sie unter Verletzung gesetzlicher Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) vorgenommen wurde (st.Rspr.; vgl. z.B. Senatsurteile vom 22. Juli 1998 - VIII ZR 220/97 = WM 1998, 2436 unter II 2 a; vom 21. Oktober 1992 - VIII ZR 99/91 = WM 1993, 114 unter II 1 a und vom 16. Oktober 1991 - VIII ZR 140/90 = WM 1992, 32 unter II 1 b). Hierzu gehört auch, daß der Tatrichter alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend würdigt und seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darlegt. Hiergegen hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es die Vereinbarung in § 8 Abs. 2 des Vertrages, die für die Auslegung von besonderer Bedeutung ist, nicht hinreichend berücksichtigt hat. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat die geborene Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 11. November 1991 selbst vornehmen (z.B. Senat BGHZ 124, 39, 45 m.Nachw.).
Nach § 8 Abs. 2 des Vertrages haben sich die Parteien über die Abwehr von Ansprüchen Dritter, die zu einer Haftung der Beklagten führen könnten, zu verständigen; die Klägerin muß der Beklagten ferner eine angemessene Gelegenheit geben, derartige Ansprüche abzuwehren oder sich an der Abwehr zu beteiligen. Dies bedeutet, daß die Parteien gemeinsam oder auch die Beklagte allein zunächst um die Abwehr derartiger Ansprüche bemüht sein wollten. Bei bestimmten Störungen der Vertragsdurchführung, für die im Verhältnis zwischen den Parteien die Beklagte einzustehen hatte, sollte also – ähnlich wie bei einer Nachbesserungsabrede zwischen Käufer und Verkäufer – einvernehmlich zunächst versucht werden, diese Störung zu beseitigen. Diese von den Parteien vereinbarte Vorgehensweise war aber nur sinnvoll, wenn die Durchsetzung der durch die Störung ausgelösten vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zunächst zurückgestellt wurde.
Eine derartige Situation war eingetreten, als sich herausstellte, daß Teile des Betriebsgrundstückes der TE. GmbH entgegen der in § 5 Abs. 1 des Vertrages enthaltenen Zusicherung der Beklagten im Eigentum Dritter standen. Daher hatten beide Vertragsparteien zu Beginn ihrer Korrespondenz offensichtlich die Vertragsbestimmung in § 8 Abs. 2 vor Augen, in welcher geregelt war, wie in einem solchen Fall verfahren werden sollte. Die Klägerin hat die Beklagte in einem ausführlichen Schreiben vom 15. Oktober 1991 unter anderem von dem Eigentum Dritter an Teilen des E. Betriebsgeländes der TE. GmbH unterrichtet und zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen um Verschaffung des Eigentums gebeten. Die Antwort der Beklagten im Schreiben vom 11. November 1991, sie werde sich „bemühen, in Ihrem (= der Klägerin) Interesse diese Probleme zu lösen, und Sie umgehend über die Ergebnisse informieren”, entsprach ebenfalls dem in § 8 Abs. 2 des Vertrages vorgesehenen Verfahren. Es enthielt damit gleichzeitig das – konkludente – Angebot an die Klägerin, von der Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 5 Abs. 2 des Vertrages zunächst abzusehen, also ein Stillhalteabkommen zu schließen. Dieses sollte solange befristet sein, bis die „Probleme gelöst” waren, also der Klägerin das Eigentum verschafft oder eine sonstige einvernehmliche Lösung gefunden war, oder aber die Klägerin über andere Ergebnisse der Bemühungen der Beklagten informiert werden würde. Hierauf hat sich die Klägerin stillschweigend eingelassen und mit der Geltendmachung der im Schreiben vom 15. Oktober 1991 angekündigten vertraglichen Ansprüche gegenüber der Beklagten zugewartet (§ 151 Satz 1 BGB). Damit war das Stillhalteabkommen zwischen den Parteien zustande gekommen (siehe für einen vergleichbaren Fall auch BGH, Urteil vom 20. Februar 1958 - III ZR 175/56 = LM BGB § 202 Nr. 3).
Wenn das Berufungsgericht demgegenüber in dem Schreiben der Beklagten vom 11. November 1991 „nicht mehr als eine erste, noch unverbindliche Stellungnahme der Beklagten, die noch kein stillschweigendes pactum de non petendo durch Einleitung konkreter, erst nachfolgend ergriffener Abwehrmaßnahmen im Sinne des § 8 des Vertrages” sieht, so verkennt es, daß die Beklagte ihre Absicht zur Lösung der durch das Fremdeigentum an einigen Teilen des Betriebsgeländes geschaffenen Probleme eindeutig und verbindlich erklärt hat und daß konkrete Abwehrmaßnahmen in § 8 Abs. 2 des Vertrages gar nicht vorgesehen waren und in der damaligen Situation der Klägerin auch weder mitgeteilt werden mußten noch konnten.
Die mit dem Zugang dieses Schreibens am 12. November 1991 eingetretene Hemmung der Verjährung endete, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, am 11. April 1994, dem Tage des Zuganges des Schreibens vom 8. April 1994 bei der Klägerin, worin die Beklagte Ansprüche der Klägerin aus § 5 Abs. 2 des Vertrages zurückwies und die Erhebung der Verjährungseinrede ankündigte. Da die Parteien in der Folgezeit gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 9. August 1994 noch eine erneute Verjährungshemmung für den Zeitraum vom 6. August bis zum 8. September 1994 vereinbarten, war die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte, am 18. Oktober 1991 mit dem Zugang der Schadensanzeige der Klägerin vom 15. Oktober 1991 in Lauf gesetzte sechsmonatige Verjährungsfrist bei Einreichung der Klage am 26. September 1994 noch nicht abgelaufen.
Die Einreichung der Klage führte nach § 209 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 270 Abs. 3 ZPO zur Unterbrechung der Verjährung. Die am 23. November 1994 erfolgte Zustellung der Klage war noch „demnächst” im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO. Eine Obergrenze für den Zeitraum zwischen Einreichung und Zustellung der Klage erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht an; entscheidend ist allein, ob die klagende Partei durch Nachlässigkeit zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verzögerung der Zustellung beigetragen hat (st.Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92 = NJW 1993, 2614 unter II 2). Für eine Verzögerung auf seiten der Klägerin oder ihres Prozeßbevollmächtigten ist nichts dargetan oder ersichtlich, insbesondere hat die Klägerin den angeforderten restlichen Gebührenvorschuß alsbald nach Anforderung durch das Gericht bezahlt.
3. Da die Klage insgesamt, insbesondere auch hinsichtlich der unter Nr. 2 b des zweitinstanzlichen Klageantrages geltend gemachten Ansprüche, zulässig ist (vorstehend Nr. 1) und eine Verjährung der unter Nr. 1 und 2 a des Klageantrages bezeichneten Ansprüche nicht eingetreten ist (vorstehend Nr. 2) – hinsichtlich der unter Nr. 2 b des Klageantrages geltend gemachten Ansprüche haben die Parteien eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist nicht vereinbart –, es aber hinsichtlich der Begründetheit sämtlicher Klageansprüche noch an Feststellungen fehlt, war der Rechtsstreit unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung gemäß § 565 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.12.1998 durch Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539172 |
DB 1999, 845 |
NJW 1999, 1022 |
EWiR 1999, 931 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 922 |
WuB 1999, 993 |
MDR 1999, 468 |
VersR 1999, 858 |