Leitsatz (amtlich)
Im Konkurs einer natürlichen Person gilt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedenfalls dann als naher Angehöriger des Gemeinschuldners im Sinne von § 31 Nr. 2 KO, wenn ihr geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter ein solcher naher Angehöriger ist (Anschluß an BGHZ 58, 20).
Normenkette
KO § 31 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken |
LG Zweibrücken |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 28. November 1984 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten. Er hatte sie in einem Vorprozeß vertreten, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, befaßt sich mit der Herstellung, der Anschaffung und dem Vertrieb von Schuhwaren. Gesellschafter waren im Jahre 1976 die alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin H … M … geb. M … mit einer Stammeinlage von 11.000 DM sowie mit Stammeinlagen von je 3.000 DM deren Abkömmlinge. Der Bruder A … M … der Mehrheitsgesellschafterin war als Einzelkaufmann Inhaber eines Unternehmens, das sich ebenfalls mit der Herstellung und dem Vertrieb von Schuhwaren befaßte.
Die Klägerin übergab A … M … von ihr zu seinen Gunsten ausgestellte Schecks vom 28. April 1976 über 250.000 DM und vom 12. Mai 1976 über 230.472,50 DM, die dieser einlöste. Im Gegenzug händigte er der Klägerin für den ersten Scheck fünf von ihm angenommene Wechsel über je 50.000 DM, fällig am 10., 15., 20., 25. und 30. September 1976, aus, die sie diskontieren ließ. Für den zweiten Scheck gab er ihr mehrere von einem Herrn S … angenommene, zwischen dem 14. August und dem 25. September 1976 fällige Wechsel. Am 12. August 1976 erhielt die Klägerin von A … M … größere Partien Schuhe. Darüber ließ er ihr zwei auf dem 2. und 8. Juli 1976 rückdatierte Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 204.197,82 DM zukommen. Sie enthielten den Zusatz „Zahlbar sof. Kasse rein netto”. Am 14. August 1976 kam es zwischen A … M … und der Klägerin, vertreten durch ihren Prokuristen und den sie beratenden Rechtsanwalt Z …, zu einer Besprechung. Dabei entwarf Rechtsanwalt Z … auf Geschäftspapier der Firma A … M … zwei an die Klägerin gerichtete Schreiben, die von A … M … unterzeichnet wurden. Das auf den 28. Juni 1976 rückdatierte Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„Zurückkommend auf unser Gespräch über ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt bestätige ich meine Bereitschaft, das mir gegebene Darlehen von DM 480.000,– (zur Rückzahlung nach den gegebenen Sicherheitswechseln fällig zwischen dem 17.8.–30.9.1976) vorzeitig zurückzuzahlen.
Wir hatten den Zeitraum zwischen dem 1.–10.7.1976 als Termin für die Rückzahlung vereinbart.
Sollte ich diesen Termin nicht einhalten können, werde ich mich unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen.”
Das mit dem 9. Juli 1976 datierte Schreiben ist möglicherweise durch Einfügen der Daten der damals noch nicht geschriebenen Rechnungen ergänzt worden und lautet:
„Unter Bezugnahme auf mein Schreiben vom 28.6.1976 und unsere gestrigen Gespräche ersuche ich Sie nochmals um Verständnis, daß ich die vorgesehene vorzeitige Rückzahlung nicht leisten kann.
Gleichzeitig bestätige ich Ihnen unsere getroffenen Vereinbarungen:
1. Nach dem Ihnen übergebenen Schreiben vom 12.3.1976 an Herrn G … S … habe ich gegen diesen eine von ihm anerkannte Forderung über den Betrag von DM 147.299,70. Diese Forderung und alle Rechte aus den mir in diesem Zusammenhang von Herrn S … übergebenen Wechseln (Bezogener: P …-Schuh GmbH.) über obigen Gesamtbetrag trete ich hiermit erfüllungshalber für meine Darlehensrückzahlungsverpflichtung an Sie, bzw. die Fa. M …-GmbH ab. Sie sind zur Offenlegung dieser Abtretung und zum Einzug bei Herrn S … berechtigt.
2. Ich stunde Ihnen die Forderung aus meinen Rechnungen für Schuhlieferungen vom 2.7. und 8.7.1976 bis zur vollständigen Rückzahlung des mir gewährten Darlehens. Mit Rücksicht auf Ihre Bedenken gegen den Ausfall der gelieferten Ware erkläre ich mich bereit, Ihnen eine eventuelle Differenz zu vergüten, wenn Sie die Ware nicht zu den von mir berechneten Preisen verwerten können. Sie hatten sich für diesen Fall verpflichtet, mir gegebenenfalls die Ware zum Rückkauf gegen Zahlung des Rechnungspreises anzubieten.”
Über das Vermögen von A … M … wurde auf seinen am 20. August 1976 gestellten Antrag am 25. August 1976 das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin verkaufte die Schuhe und erzielte nach ihrer Angabe dafür einen Erlös von insgesamt 122.450,50 DM. Der Konkursverwalter focht mit der am 30. September 1976 zugestellten Klage die Überlassung der Schuhe an die Klägerin an und verlangte deren Verurteilung zur Zahlung von Wertersatz in Höhe von 204.197,82 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. Die Klägerin verteidigte sich mit der Behauptung, sie habe an den Tagen, auf die Rechtsanwalt Z … die von ihm entworfenen Schreiben rückdatiert habe, mit A … M … mündlich vereinbart, daß dieser die ihm gewährten Darlehen vorzeitig zurückzahlen und in Anrechnung auf seine Darlehensverbindlichkeit die ihr am 12. August 1976 überlassenen Schuhe liefern solle. Das Landgericht gab nach Beweisaufnahme der Klage statt. Die Anfechtung sei nach § 30 Nr. 2 KO begründet, weil die Klägerin nicht zu beweisen vermocht habe, daß die teilweise Erfüllung ihrer an sich noch nicht fälligen Darlehensrückgewähransprüche durch die Schuhlieferung am 12. August 1976 früher als zehn Tage vor dem Antrage auf Eröffnung des Konkursverfahrens vereinbart worden sei. Die Klägerin legte, vertreten durch den Beklagten als Prozeßbevollmächtigten, Berufung ein. Vor dem Oberlandesgericht schlossen die Parteien nach erneuter Beweisaufnahme am 27. Februar 1980 unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis zum 21. März 1980 einen Vergleich. Danach sollte die Klägerin zur Abgeltung der Klageforderung an den Konkursverwalter 122.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 30. September 1976 zahlen und 3/5 der Kosten des Rechtsstreits tragen. Nach Beratung mit Rechtsanwalt Z … und dem Beklagten erteilte sie diesem die Weisung, den Vergleich zu widerrufen. Das versäumte der Beklagte, nach seiner Angabe in einem Schreiben vom 25. März 1980 „unter dem Fristendruck der vergangenen Woche”.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß im Falle des Widerrufs des Vergleichs die Anfechtungsklage hätte abgewiesen werden müssen, und verlangt von dem Beklagten den Ersatz des ihr durch sein Versäumnis entstandenen Schadens, den sie mit 218.052,24 DM nebst Zinsen auf einen Teilbetrag berechnet. Die Klage blieb in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Der Beklagte hatte es als Rechtsanwalt übernommen, in dem Anfechtungsprozeß die Klägerin vor dem Berufungsgericht als Bevollmächtigter zu vertreten. Ein Rechtsanwalt ist kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen (BGH Urt. v. 20. März 1961 – III ZR 172/59, LM BGB § 675 Nr. 28; ständig). Dabei hat er grundsätzlich dessen Weisungen, soweit sie sich im Rahmen des gesetzlich Zulässigen halten, zu befolgen (BGH a.a.O.; Senatsurteil v. 30. Oktober 1984 – IX ZR 6/84, VersR 1985, 83 m.w.N.). Die Klägerin hatte dem Beklagten rechtzeitig die Weisung erteilt, den am 27. Februar 1980 geschlossenen Vergleich zu widerrufen. Seine Versäumnis, diese Weisung zu befolgen, stellt eine schuldhafte Verletzung des Anwaltsvertrages dar und verpflichtet ihn, der Klägerin einen etwa dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen, sie mithin so zu stellen, wie sie im Falle seines pflichtgemäßen Verhaltens, also des Widerrufs des Vergleichs, gestanden hätte (Steffen in RGRK-BGB 12. Aufl. S 675 Rdn. 78; Senatsurteil v. 20. November 1984 – IX ZR 9/84, VersR 1985, 146 = WM 1985, 203). Für diese hypothetische Betrachtung ist maßgebend, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem gegen den Prozeßbevollmächtigten gerichteten Schadensersatzanspruch befaßt ist, hätte entschieden werden müssen. Auszugehen ist dabei von dem Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem Gericht aufgeklärt worden wäre. Die Frage, was geschehen wäre, wenn der Rechtsanwalt pflichtgemäß gehandelt hätte, ist nach § 287 ZPO und unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Die Beweislastregeln des Vorprozesses wirken – mit gewissen Erleichterungen – auch für den Schadensersatzprozeß (Senatsurteil v. 20. November 1984 a.a.O. m.w.N.). Daraus folgt, daß der Klägerin durch die pflichtwidrige Versäumnis des Beklagten, den Vergleich zu widerrufen, nur dann ein Schaden entstanden ist, wenn andernfalls die Anfechtungsklage hätte abgewiesen werden müssen oder sie nur zu Leistungen hätte verurteilt werden dürfen, die unter den von ihr im Vergleich übernommenen lagen.
II.
Das Berufungsgericht verneint den Klageanspruch, weil die Anfechtung des Konkursverwalters nach § 30 Nr. 2 und nach § 31 Nr. 2 KO begründet gewesen sei.
1. Die Klägerin erhielt die in den rückdatierten Rechnungen der Firma A … M … aufgeführten Schuhe am 12. August 1976. In diesem Zeitpunkt hatte der nachmalige Gemeinschuldner den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht gestellt; Feststellungen darüber, ob er damals die Zahlungen eingestellt hatte (vgl. Senatsurteil v. 10. Januar 1985 – IX ZR 4/84, WM 1985, 396), fehlen. Nach § 30 Nr. 2 KO sind jedoch auch anfechtbar die in den letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechtshandlungen, welche einem Konkursgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, sofern er nicht beweist, daß ihm zur Zeit der Handlung eine Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, nicht bekannt war.
a) Daß die Klägerin die Schuhe in den letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrage erhalten hatte und durch deren Entfernung aus dem Vermögen des nachmaligen Gemeinschuldners die übrigen Gläubiger benachteiligt wurden, war im Anfechtungsprozeß unstreitig. Der auf § 30 Nr. 2 KO gestützte Klageanspruch war mithin schlüssig, wenn der Konkursverwalter darlegte, daß die Klägerin die Lieferung der Schuhe nicht zu beanspruchen, sie also damit eine sogenannte inkongruente Deckung erhalten hatte (vgl. BGHZ 33, 389, 396). Das hat er getan. Ob das tatsächliche Vorbringen der Klägerin im Anfechtungsprozeß ausreichte, den schlüssigen Vortrag des Konkursverwalters zu bestreiten, kann zweifelhaft sein. Sie machte geltend, aufgrund einer vor der Zehntagefrist mündlich getroffenen Vereinbarung mit dem nachmaligen Gemeinschuldner einen Anspruch auf die Lieferung der Schuhe in Anrechnung auf ihren vorzeitig fällig gestellten Darlehensrückgewähranspruch gehabt zu haben. Diese Vereinbarung sollte durch die rückdatierten Rechnungen und Bestätigungsschreiben lediglich schriftlich festgelegt worden sein. Der Zusatz über die sofortige Zahlbarkeit auf den Rechnungen und der Wortlaut der Bestätigungsschreiben über die angeblich am 28. Juni und am 9. Juli 1976 getroffenen Vereinbarungen ergeben jedoch nicht, daß der Kaufpreis für die Schuhe durch Verrechnung mit der Forderung der Klägerin getilgt werden sollte oder bereits eine Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt war (vgl. §§ 433 Abs. 2, 154 Abs. 1 Satz 1 BGB). Daß der Berufungsrichter es unterlassen hat, den Sachverhalt auch insoweit zu würdigen, stellt jedoch einen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin nicht dar.
b) Zur Begründung seiner Ansicht, daß die Anfechtung des Konkursverwalters nach § 30 Nr. 2 KO begründet gewesen sei, führt das Berufungsgericht aus: Nach dem Ergebnis der in beiden Instanzen des Prozesses durchgeführten Beweisaufnahme sei offen, wie das Oberlandesgericht entschieden haben würde. Seinem Vergleichsvorschlage lasse sich allerdings entnehmen, daß es die Anfechtung dem Grunde nach wohl für gerechtfertigt angesehen, lediglich der Höhe nach Bedenken gehabt haben dürfte. Die Vergleichssumme von 122.000 DM entspreche nämlich ziemlich genau dem Erlös, den die Klägerin aus dem Verkauf der Schuhe erzielt habe. Auch wenn man die aus dem Vergleichsvorschlag abzuleitende Prognose außer Betracht lasse, ergebe sich kein zugunsten der Klägerin hinreichend klares Bild. Sie habe zwar im Vorprozeß mit Recht gerügt, daß der Konkursverwalter die Beweislast dafür trage, die dem Anfechtungsgegner gewährte Leistung sei eine inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Nr. 2 KO gewesen. Offen sei allerdings, ob das Oberlandesgericht angesichts der gegebenen besonderen Umstände diesen Beweis nicht als geführt hätte ansehen können (müssen) oder aber eine Beweislastumkehr hätte Platz greifen müssen, weil der nachmalige Gemeinschuldner und die Klägerin innerhalb der Zehntagefrist, in der die wirtschaftliche Vermögensverschiebung stattgefunden habe, mit rückdatierten Schreiben und Rechnungen hantiert hätten. Umgekehrt lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostizieren, daß der Konkursverwalter trotz dieser offenen Manipulationen nur wegen der widerstreitenden Zeugenaussagen des Prokuristen der Klägerin und des Rechtsanwalts Z … einerseits und des Gemeinschuldners M … andererseits unterlegen wäre. Schon wegen dieser Ungewißheit sei die Schadensersatzklage unbegründet.
Diese Erwägungen sind, wie die Revision mit Recht rügt, von Rechtsirrtum beeinflußt. Das Berufungsgericht stellt darauf ab und hält für ungeklärt, ob der Berufungsrichter des Vorprozesses sich davon hätte überzeugen lassen, daß die Klägerin durch die Lieferung der Schuhe am 12. August 1976 aufgrund einer in den letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechtshandlung eine inkongruente Deckung erhalten hatte, oder ob er diese Frage verneint hätte. Darauf kommt es, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu I. ergibt, nicht an. Maßgeblich ist nicht, wie möglicherweise entschieden worden wäre, sondern, wie damals richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Der Berufungsrichter hätte sich aufgrund des Sachvortrags der Parteien und der Beweisaufnahme im Vorprozeß eine eigene Meinung bilden müssen. Er schließt nicht aus, daß der Konkursverwalter den ihm nach § 30 Nr. 2 KO obliegenden Beweis dafür, daß die beeinträchtigende Rechtshandlung erst in den letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrage erfolgte und der Klägerin eine inkongruente Deckung gewährte, nicht erbracht hätte. Für die Revisionsinstanz ist das zu unterstellen. Dann hätte die Anfechtungsklage, soweit sie auf § 30 Nr. 2 KO gestützt war, abgewiesen werden müssen. Die aufgezeigte Gesetzesverletzung nötigt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil der Berufungsrichter ohne Rechtsfehler die Anfechtung nach § 31 Nr. 2 KO für begründet erachtet und seine Entscheidung sich aus diesem Grunde im Ergebnis als richtig darstellt (§ 563 ZPO). Nach § 31 Nr. 2 KO sind anfechtbar die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens geschlossenen, entgeltlichen Verträge des Gemeinschuldners mit bestimmten nahen Angehörigen, auch seinen Geschwistern, sofern durch den Abschluß des Vertrages die Gläubiger des Gemeinschuldners benachteiligt werden und der andere Teil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses eine Absicht des Gemeinschuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war. Das Berufungsgericht stellt, von der Revision unbeanstandet, fest, daß der Schuhlieferung auch nach dem Sachvortrag der Klägerin ein innerhalb der Jahresfrist abgeschlossener, entgeltlicher Vertrag zugrunde gelegen hat und durch ihn die übrigen Gläubiger des nachmaligen Gemeinschuldners benachteiligt worden sind. Zweifel könnten lediglich daran bestehen, ob der Vertrag als ein solcher mit einem der genannten nahen Angehörigen anzusehen sei und ob der Klägerin im Anfechtungsprozeß der Nachweis gelungen wäre, daß der nachmalige Gemeinschuldner nicht in der Absicht gehandelt habe, seine Gläubiger zu benachteiligen, oder doch zumindest ihr eine solche Absicht nicht bekannt gewesen sei. Die erste Frage wird vom Berufungsgericht bejaht, die zweite verneint. Dazu führt es aus:
1. a) Die Anfechtbarkeit eines Vertrages zwischen dem späteren Gemeinschuldner und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer dem in § 31 Nr. 2 KO beschriebenen Personenkreise angehöre, sei im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es sei allerdings seit langem anerkannt, wie das Berufungsgericht im einzelnen darlegt, daß § 31 Nr. 2 KO über seinen Wortlaut hinaus auch auf Fallgestaltungen entsprechende Anwendung finde, in denen zwischen den Parteien des anfechtbaren Rechtsgeschäfts selbst keine verwandtschaftlichen Beziehungen beständen. Auch der vorliegende Fall sei in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen. Es mache unter dem Gesichtspunkt der Gläubigerbenachteiligung keinen entscheidungserheblichen Unterschied, ob Anfechtungsgegner eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft sei, in der der nahe Angehörige des Gemeinschuldners mangels eigener Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft juristisch unmittelbar an deren Stelle stehe, oder ob der Vertrag mit einer Kapitalgesellschaft zustande komme, in der der nahe Angehörige des Gemeinschuldners Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter sei. Wollte man diese Fälle unterschiedlich beurteilen, würde das eine durch nichts gerechtfertigte Privilegierung der juristischen Person zur Folge haben.
b) Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Die gesetzliche Regelung des § 31 Nr. 2 KO beruht auf der Erfahrung, daß sich Verträge zwischen dem Gemeinschuldner und einem nahen Angehörigen, die nicht lange vor der Konkurseröffnung geschlossen worden sind, in der Regel als betrügerisch erweisen und daß es deshalb berechtigt ist, die Anfechtung dieser Verträge zu erleichtern und dem nahen Angehörigen den Einwand der Redlichkeit zu überlassen (vgl. die Begründung des Entwurfs bei Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 139). Seinem Wortlaut nach paßt § 31 Nr. 2 KO allerdings nur auf die Fälle, in denen der Gemeinschuldner und sein Vertragspartner natürliche Personen sind, weil nur zwischen solchen ein Angehörigenverhältnis der im Gesetz umschriebenen Art bestehen kann. Die Gefahr, welcher die Bestimmung vorbeugen und abhelfen soll, und der Verdacht bei den dort angeführten Geschäften beschränken sich aber nicht allein auf natürliche Personen. Sinn und Zweck des Gesetzes rechtfertigen daher grundsätzlich in bestimmtem Umfang eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf juristische Personen (vgl. BGHZ 58, 20, 23; BGH Urt. v. 17. September 1975 – VIII ZR 217/74, NJW 1975, 2193 m.w.N.).
aa) Diesen Weg haben Rechtsprechung und Schrifttum bisher insbesondere in folgenden Fällen beschritten:
Im Konkurs der offenen Handelsgesellschaft sind entgeltliche Verträge mit ihren Gesellschaftern oder mit deren nahen Angehörigen nach § 31 Nr. 2 KO anfechtbar (RGZ 43, 104, 106; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. § 31 Rdn. 27; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. § 31 Rdn. 23; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl. § 31 Anm. 13; Bley/Mohrbutter, VerglO 4. Aufl. S 4 Rdn. 8d), ebenso auch Verträge des nachmaligen Gemeinschuldners mit einer offenen Handelsgesellschaft, falls auch nur einer ihrer Gesellschafter ein naher Angehöriger des Gemeinschuldners ist (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O.; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O.). Gleiches gilt nach allgemeiner Meinung auch für Geschäfte einer in Konkurs geratenen Kommanditgesellschaft mit ihren Gesellschaftern oder deren nahen Angehörigen und für Verträge des späteren Gemeinschuldners mit einer Kommanditgesellschaft (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O.; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O.). Streitig ist insoweit lediglich, ob sich die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift auf den Fall beschränkt, daß der nahe Angehörige des Gemeinschuldners persönlich haftender Gesellschafter ist (so Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O.; Mohrbutter, Handbuch des gesamten Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 2. Aufl. § 78 I B 5), oder ob die Stellung als Kommanditist ausreicht (so LG Hamburg KTS 1976, 63; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O.). § 31 Nr. 2 KO wird weiter entsprechend angewendet bei einer Ein-Mann-GmbH, die Verträge mit nahen Angehörigen ihres einzigen Gesellschafters geschlossen hat (BGHZ 58, 20, 23; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. Rdn. 24; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O.).
Für die Beurteilung des Falles, daß an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mehrere Gesellschafter beteiligt sind, hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem Urteil BGHZ 58, 20 die Vorschrift des § 108 Abs. 2 VerglO herangezogen, nach der im Vergleichsverfahren über eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesellschafter und früheren Gesellschafter, wenn sie im letzten Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens aus der Gesellschaft ausgeschieden sind, als nahe Angehörige der Gesellschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 VerglO gelten und das gleiche auch für die nahen Angehörigen dieser Gesellschafter gilt. Er hat aus dieser Regelung den Maßstab dafür entnommen, in welchen Grenzen § 31 Nr. 2 KO im Konkurs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend anzuwenden ist, und daher auch im Konkurs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihre Gesellschafter und deren nahe Angehörige grundsätzlich als nahe Angehörige der Gemeinschuldnerin angesehen (BGHZ 58, 20, 24; ebenso Jaeger/Lent a.a.O. Rdn. 30; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. Rdn. 25; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O.; Bley/Mohrbutter a.a.O. § 4 Rdn. 8e).
bb) Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist das Spiegelbild des vorgenannten Falles. Während dort eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Konkurs gefallen und über die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes mit einer natürlichen Person (bzw. einer insoweit rechtlich gleichstehenden offenen Handelsgesellschaft, vgl. BGHZ 58, 20, 25) zu entscheiden war, ist hier der Gemeinschuldner eine natürliche Person und die Wirksamkeit des von ihm mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschlossenen Vertrages zu beurteilen. Diese umgekehrte Rollenverteilung rechtfertigt aber jedenfalls dann keine andere Beurteilung, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugleich deren Mehrheitsgesellschafter ist. Denn der Grund für die in § 31 Nr. 2 KO getroffene gesetzliche Regelung ist, wie bereits dargelegt, darin zu finden, daß nahe Angehörige in der Regel die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners kennen, daher seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit eher bereit sind, zum Schaden seiner Gläubiger mit ihm Verträge abzuschließen (BGH Urt. v. 20. Oktober 1965 – VIII ZR 168/63, NJW 1966, 730 = WM 1965, 1152; BGHZ 58, 20; Urt. v. 17. September 1975 a.a.O.). Das trifft aber auf die Klägerin in gleicher Weise zu. Ihre Geschäftsführerin, die sie gerichtlich und außergerichtlich vertrat (§ 35 Abs. 1 GmbHG), hatte im Zeitpunkt der hier maßgeblichen Rechtshandlungen als Mehrheitsgesellschafterin den bestimmenden Einfluß innerhalb der Gesellschaft. Da die Anfechtung der in der Schuhlieferung vom 12. August 1976 liegenden Rechtshandlung ohne weiteres unter den Tatbestand des § 31 Nr. 2 KO zu subsumieren wäre, wenn die geschäftsführende Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin das Rechtsgeschäft als natürliche Person geschlossen hätte, ist nicht einzusehen, daß dies nicht möglich sein sollte, wenn sie mit Wirkung für die Klägerin als eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehandelt hat. Insoweit weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, daß dadurch die juristische Person ungerechtfertigt privilegiert werden würde.
Daher gilt im Konkurs einer natürlichen Person eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedenfalls dann als naher Angehöriger des Gemeinschuldners im Sinne von § 31 Nr. 2 KO, wenn ihr geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter ein solcher naher Angehöriger ist.
cc) Entgegen der Ansicht der Revision steht der entsprechenden Anwendung des § 31 Nr. 2 KO die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. September 1975 nicht entgegen. Ihr lag ein dem vorliegenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, nämlich ein zwischen Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschlossener Vertrag. Daß auf solche Verträge § 31 Nr. 2 KO nicht entsprechend angewendet werden kann, hat der VIII. Zivilsenat in seiner Entscheidung eingehend dargelegt (NJW 1975, 2193, 2194).
2. Der Berufungsrichter prüft, ob die Klägerin auf der Grundlage des im Anfechtungsprozeß dem dortigen Berufungsgericht vorgetragenen Sachverhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme bewiesen habe, daß der nachmalige Gemeinschuldner nicht in der Absicht gehandelt habe, seine Gläubiger zu benachteiligen, oder doch zumindest ihr eine solche Absicht nicht bekannt gewesen sei. Seine Erwägungen, mit denen er diese Fragen verneint, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Revision rügt zu Unrecht, die vom Berufungsrichter bejahte Benachteiligungsabsicht des nachmaligen Gemeinschuldners entfalle, weil er die Forderung der Klägerin nur aufgrund deren massiven Drängens erfüllt habe. Sie beruft sich für ihre Rechtsansicht auf die Entscheidung des Reichsgerichts RGZ 57, 161, 163. Damals hatte das Reichsgericht die Absicht der Benachteiligung durch einen Ehemann verneint, der seiner Frau aufgrund deren energischer Aufforderung Sicherheit durch eine Hypothekenbestellung leistete, nachdem er ihr vorher ein Sparkassenbuch entwendet hatte. Die Revision verkennt, daß der Ehemann bei seiner Handlung einen nach materiellem Recht bestehenden Anspruch erfüllte. Gemäß der damaligen Vorschrift des § 1391 BGB konnte nämlich die Ehefrau von dem Mann Sicherheitsleistung verlangen, weil durch sein Verhalten die Besorgnis begründet war, daß ihre Rechte in einer das eingebrachte Gut erheblich gefährdenden Weise verletzt worden waren. Der Ehemann hatte also die angefochtene Rechtshandlung in Erkenntnis einer ihm obliegenden Verpflichtung vorgenommen, beherrscht von dem Willen, dem berechtigten Verlangen der Gläubigerin nachzukommen. Hierin findet sich der wesentliche Unterschied zu dem vorliegenden Falle. Denn die Klägerin hatte hier gerade keinen Anspruch auf die vom Gemeinschuldner vorgenommene Rechtshandlung, nämlich die vorzeitige Rückzahlung des von ihr behaupteten Darlehens. Selbst wenn der nachmalige Gemeinschuldner hierzu erst nach angeblich massivem Drängen bereit gewesen sein sollte, das allerdings das Berufungsgericht ohnehin nicht feststellt, schloß das seine Benachteiligungsabsicht nicht aus. Denn ihm war bei Eingehen der Verpflichtung zur vorzeitigen Rückgewähr des Darlehens bekannt, daß die Klägerin darauf keinen Anspruch hatte.
b) Die Erwägungen, mit denen der Berufungsrichter verneint, daß die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für eine fehlende Absicht des nachmaligen Gemeinschuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, oder ihre fehlende Kenntnis davon nicht geführt habe, liegen auf tatrichterlichem Gebiet. Daß er hierbei wesentlichen Prozeßstoff übersehen hatte, ist nicht ersichtlich. Seine Beweiswürdigung ist naheliegend und widerspricht weder Denkgesetzen noch Erfahrungssätzen. Die dagegen erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft; sie greift nicht durch. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a Satz 1 ZPO).
3. Da der von dem Konkursverwalter im Vorprozeß geltend gemachte Anfechtungsanspruch nach § 31 Nr. 2 KO begründet war, hätte das Berufungsgericht des Vorprozesses seiner Klage jedenfalls in Höhe des von der Klägerin aus dem Verkauf der Schuhe erzielten Betrages von 122.450,50 DM nebst Prozeßzinsen stattgeben müssen (§ 37 Abs. 1 KO, §§ 288 Abs. 1, 291 BGB). Mithin ist der Klägerin durch die pflichtwidrige Versäumnis des Beklagten, den Vergleich vom 27. Februar 1980 zu widerrufen, ein Schaden nicht entstanden und deshalb ihre Revision unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 609738 |
BGHZ, 352 |
NJW 1986, 1047 |
ZIP 1986, 170 |
DNotZ 1986, 564 |