Leitsatz (amtlich)

Der Konkursverwalter hat keinen einklagbaren Anspruch auf Auskunft gegen Personen, gegen die nur ein begründeter Verdacht besteht, sie könnten vom Gemeinschuldner in anfechtbarer Weise etwas erworben haben.

 

Normenkette

KO §§ 37, 75

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 03.08.1978)

LG Kempten

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 3. August 1978 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 21. Juli 1976 wurde über das Vermögen des Vaters des minderjährigen Beklagten das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Konkursverwalterin bestellt. Diese konnte vom Gemeinschuldner keine hinreichende Auskunft über Rechtsgeschäfte, die dieser mit seinen neun Kindern abgeschlossen hatte, erhalten. Der Gemeinschuldner ist unbekannten Aufenthalts. Auch die Mutter des Beklagten als dessen gesetzliche Vertreterin, die frühere Ehefrau des Gemeinschuldners, verweigerte jede Auskunft über vermißte Massegegenstände und über Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners. Bei ihrer vom Konkursgericht nach § 75 KO angeordneten Vernehmung machte sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Mit ihrer am 21. Juli 1977 eingereichten Klage hat die Klägerin Auskunft über unentgeltliche Rechtsgeschäfte zwischen dem Gemeindschuldner und dem Beklagten in der Zeit vom 21. Juli 1975 bis 21. Juli 1976 und über entgeltliche Geschäfte zwischen dem 1. Januar 1975 und dem 21. Juli 1976 verlangt und sich die Bezifferung ihres gleichzeitig erhobenen Anspruchs auf Rückgewähr des vom Beklagten nach seiner Auskunft an die Konkursmasse Geschuldeten vorbehalten. Sie hat im Prozeß am 15. November 1977 „vorsorglich aus prozessualen Gründen” behauptet, daß der Beklagte vom Gemeinschuldner in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1976 und dem 21. Juli 1976 bestimmte Gegenstände und Bargeldbeträge ohne Gegenleistung erhalten habe.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. 1. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Revisionsgerichts einen allgemeinen, auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruch verneint (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1978 – VIII ZR 262/76 = WM 1978, 373 = NJW 1978, 1002 m.w.Nachw.). Es hat weiter ausgeführt, eine Auskunftspflicht unter dem Gesichtspunkt, daß eine rechtliche Sonderbeziehung des auf Auskunft in Anspruch Genommenen zu dem die Auskunft Fordernden bestehe, könne in der Regel nur dann bejaht werden, wenn ein Leistungsanspruch zwischen den Beteiligten der Sonderbeziehung dem Grunde nach feststehe und nur seinem Inhalt und seiner Höhe nach offen sei. Letzteres sei hier nicht der Fall; denn die Klägerin wolle durch die von ihr verlangte Auskunft erst in Erfahrung bringen, ob auf Seiten des Beklagten ein anfechtbarer Rechtserwerb vom Gemeinschuldner stattgefunden habe.

Die für den speziellen Fall des Auskunftsanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten gegen einen vom Erblasser Beschenkten zugelassene Ausnahme von den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen, daß nämlich bereits die Darlegung gewisser Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung des Erblassers zur Begründung des Anspruchs ausreiche, könne nicht auf das hier von der Klägerin gegen den Sohn des Gemeinschuldners verfolgte Auskunftsbegehren übertragen werden.

2. Die Revision meint, hier könne von dem flüchtigen Gemeinschuldner Aufklärung nicht erlangt werden. Man müsse daher die Grundsätze, die in der Rechtsprechung für den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den vom Erblasser Beschenkten entwickelt worden seien, heranziehen. Gewisse Anhaltspunkte für anfechtbare Schenkungen des Gemeinschuldners lägen hier vor; denn vor Ende 1975 habe dieser Schenkungen an andere seiner Kinder vorgenommen. Außerdem fehlten erhebliche Werte aus dem Vermögen des Gemeinschuldners.

II. 1. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18. Januar 1978 (a.a.O.) ausgesprochen, daß eine Auskunftspflicht des Anfechtungsgegners gegenüber dem Konkursverwalter aufgrund des Rückgewährschuldverhältnisses dann besteht, wenn der Anfechtungsanspruch des Konkursverwalters dem Grunde nach feststeht (RGZ 150, 42, 46; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. § 37 Rdn. 18; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. § 37 Rdn. 26; Böhle-Stamschräder, KO, 12. Aufl. § 37 Anm. 10). Dies ist eine Folge der Rechtsprechung, die einen Auskunftsanspruch bei rechtlichen Sonderbeziehungen lediglich dann zuerkennt, wenn der Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt offen ist (Senatsurteil vom 18. Januar 1978 a.a.O. m.w.Nachw.). Demnach genügt es für die Zubilligung eines Auskunftsanspruchs regelmäßig nicht, daß der Auskunft Verlangende eine Verpflichtung des in Anspruch Genommenen nur wahrscheinlich macht. Eine Ausnahme hiervon ist allerdings für den spezieller Fall des Auskunftsanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten gegen den vom Erblasser Beschenkten zugelassen worden (BGHZ 55, 378; 61, 180; vgl. ferner zum Auskunftsanspruch des Nacherben gegen den vom Vorerben Beschenkten BGHZ 58, 237)

2. a) Das Berufungsgericht hat die Heranziehung der Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten auf das Verhältnis zwischen dem Konkursverwalter und einem möglichen Anfechtungsgegner abgelehnt, weil dem Konkursverwalter zum einen weit mehr Informationsmöglichkeiten zu Gebote stünden und zum anderen eine § 2314 BGB vergleichbare Norm, die eine gesetzliche Auskunftsverpflichtung enthält, fehle.

b) Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis beizutreten.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 18. Januar 1978 (a.a.O.) offen gelassen, ob dem Konkursverwalter dann ein Auskunftsanspruch gegen einen Dritten zugebilligt werden kann, gegen den ein begründeter Verdacht besteht, er habe vom Gemeinschuldner in anfechtbarer Weise etwas erhalten, wenn der Konkursverwalter trotz Inanspruchnahme und Ausschöpfung seiner rechtlichen Möglichkeiten (§ 100 KO) ohne ausreichende Information geblieben ist (dafür offenbar Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. § 100 Rdn. 2). Diese Frage ist zu verneinen.

Im Konkursfall hat sich der Konkursverwalter wegen benötigter Auskünfte in erster Linie an den Gemeinschuldner zu halten (§§ 100, 101, 125 KO). Das Konkursgericht kann zur weiteren Aufklärung auch die Vernehmung von Zeugen anordnen (§ 75 KO), wie das hier geschehen ist. Dabei steht allerdings den Angehörigen des Gemeinschuldners das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §§ 383, 384 Nr. 1 ZPO zu, soweit nicht § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegensteht. Auch andere Zeugen können gemäß § 384 Nr. 1 ZPO auf Fragen nach anfechtbarem Erwerb das Zeugnis verweigern. Konkursgläubiger, die im Konkursverfahren die Stellung einer Partei haben, haben schon deshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht (OLG Düsseldorf NJV 1964, 2357; Böhle-Stamschräder a.a.O. § 75 Anm. 1). Immerhin hat der Gesetzgeber also dem Konkursverwalter umfassende Möglichkeiten eröffnet, sich die von ihm benötigten Auskünfte für die Bildung der Masse und die Durchführung von Anfechtungen (§§ 29 ff KO) zu verschaffen. Anders als in den Fällen des Auskunftsverlangens des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten hat der Konkursverwalter regelmäßig eine Auskunftsperson, an die er sich zur Aufklärung darüber halten kann, ob Anfechtungstatbestände vorliegen, nämlich den Gemeinschuldner. Hinzu kommt die im Gesetz vorgesehene Aufklärungsmöglichkeit durch das Konkursgericht (§ 75 KO). Dem Pflichtteilsberechtigten dagegen gibt das Gesetz nur einen Auskunftsanspruch gegen den Erben über den Bestand des Nachlasses. Bei ihm ist die Gewährung eines zusätzlichen subsidiären Auskunftsanspruchs gegen einen Dritten bei Vorliegen gewisser Anhaltspunkte für ausgleichspflichtige Schenkungen interessengerecht. Im Konkurs besteht dagegen nach geltendem Recht kein Anlaß dazu, über die vom Gesetz hinaus gegebenen Möglichkeiten dem Konkursverwalter Informationsquellen gegen mögliche Anfechtungsgegner zu erschließen. Wollte man ihm nämlich auch Auskunftsansprüche nach § 242 BGB gegen diejenigen Personen zubilligen, die möglicherweise vom Gemeinschuldner etwas anfechtbar erhalten haben, dann würde eine allgemeine Auskunftspflicht solcher Personen gegenüber dem Konkursverwalter bejaht. Diese müßten mit ihrer Auskunft dem Konkursverwalter das Risiko eines Anfechtungsprozesses abnehmen. Die Zulassung einer solchen Auskunftsklage nur auf den begründeten Verdacht hin, der in Anspruch Genommene könnte vom Gemeinschuldner in anfechtbarer Weise etwas erworben haben, liefe auf eine Ausforschung hinaus, die dem Zivilprozeßrecht, das mangels besonderer Bestimmungen auch im Konkursverfahren gilt (§ 72 KO), fremd ist. Hieran kann sich nichts dadurch ändern, daß der Gemeinschuldner im vorliegenden Falle unbekannten Aufenthalts ist und für die vom Konkursverwalter geforderten Auskünfte nicht zur Verfügung steht, oder daß bei anderer Fallgestaltung der Gemeinschuldner seine Verpflichtung zur Auskunft (§ 100 KO) trotz Anwendung von Zwangsmitteln (§ 101 KO) nicht erfüllt. Es muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben, das Auskunftsrecht des Konkursverwalters gegebenenfalls zu erweitern.

Daß auch im Sonderfall des Auskunftsanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten gegen einen vom Erblasser Beschenkten dieses Begehren nicht auf eine reine Ausforschung hinauslaufen darf, ist in BGHZ 61, 180 klargestellt worden.

Das Berufungsurteil hält demnach dem Revisionsangriff stand, auch wenn für die Revision entsprechend der Unterstellung des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, daß hier ein begründeter Verdacht anfechtbaren Rechtserwerbs durch den Beklagten vorliegt.

III. Das Rechtsmittel war daher kostenpflichtig zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Braxmaier, Wolf, Merz, Treier, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502290

BGHZ

BGHZ, 379

Nachschlagewerk BGH

JZ 1979, 536

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