Entscheidungsstichwort (Thema)
Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
Leitsatz (amtlich)
Der Dienstgerichtshof für Richter kann über die Berufung durch Beschluß im sogen. Umlaufverfahren entscheiden, wenn sämtliche an der Entscheidung beteiligten Richter damit einverstanden sind.
Ein Richter auf Probe ist nur dann für das Richteramt geeignet, wenn er für die Gesamtheit der Aufgaben, die sich im Rahmen richterlicher Tätigkeit ergeben können, hinreichende Befähigung zeigt. Es reicht nicht aus, wenn er nur für einen Teilbereich (als Strafrichter) verwendbar ist.
Normenkette
DRiG § 66 Abs. 1; VwGO § 130a; DRiG § 22 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
DisG bei dem LG Schwerin (Aktenzeichen 33 AR 20/98) |
Tenor
Die Revision des Antragstellers gegen den Beschluß des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Rostock vom 18. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der 1959 geborene Antragsteller legte 1985 in der ehemaligen DDR das juristische Staatsexamen ab und erwarb den akademischen Grad eines Diplomjuristen. Er war ab September 1986 als Richter beim Kreisgericht U. tätig. Dort wurde er nach Auflösung der Vertragsgerichte im Jahre 1990 weiter als zur Rechtsprechung ermächtigter Richter eingesetzt. Mit Wirkung vom 14. November 1991 wurde er in Mecklenburg-Vorpommern zum Richter auf Probe ernannt und an das Bezirksgericht N. abgeordnet. Ab 1. Februar 1992 wurde er bei dem Kreisgericht U. eingesetzt. Bis zum 31. März 1992 war er mit halber Arbeitskraft an das Kreisgericht N. zur Bearbeitung von Gesamtvollstreckungssachen abgeordnet. Vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1992 war er beim Arbeitsgericht St. tätig. Vom 1. Januar 1993 bis 30. Juni 1993 hatte er einen Dienstleistungsauftrag bei dem Landgericht St.; dort gehörte er einer Zivilkammer an. Anschließend wurde er wieder bei dem Amtsgericht U. eingesetzt.
Der Antragsteller wurde während der Probezeit mehrfach beurteilt. In der ersten Beurteilung vom 22. Juni 1992 bewertete die Präsidentin des Bezirksgerichts N. die Leistungen und Fähigkeiten des Antragstellers positiv. In der Gesamtbeurteilung heißt es:
„Der Richter verfügt über befriedigende Rechtskenntnisse, faßt schnell auf und denkt folgerichtig. Er besitzt eine klare mündliche und schriftliche Ausdrucksweise. Seine Urteile liegen fristgerecht vor und entsprechen nach Form und Inhalt gutem Durchschnitt. Sie sind richtig aufgebaut, ansprechend begründet und verständlich abgefaßt. Herr S. verhandelt sachlich, zu den Prozeßparteien verhält er sich korrekt und bestimmt. Er arbeitet fleißig, hält sein Dezernat in Ordnung und ist auch vermehrten Belastungen gewachsen.”
Die amtierende Direktorin des Arbeitsgerichts St. konnte dem Antragsteller in ihrer Beurteilung vom 30. September 1993 aufgrund des zögerlichen Beginns der Durchführung von Terminen und hohen Krankheitszeiten keine durchschnittliche Belastbarkeit bescheinigen. Sie kam zu folgender Gesamtbeurteilung:
„Herr S. war vom 1.7.1992 bis zum 31.12.1992 Vorsitzender der Kammer 6 des Arbeitsgerichts St. Er hatte vom 15.8. bis 30.8.1992 Urlaub und war vom 9.9. bis 23.10.1992 und vom 10.12. bis 24.12.1992 arbeitsunfähig krank. Ausweislich seines Terminkalenders hat er in der Zeit vom 1.7. bis 15.8.1992 19 Gütesachen verhandelt. In der Zeit vom 10.11.1992 bis 2.12.1992 war Herr S. sehr fleißig. Er hat in dieser Zeit in 9 Gütesitzungen 171 Sachen verhandelt und einen beträchtlichen Teil davon durch Vergleich erledigt. Er hat eine EV-Sache verhandelt, diese aber leider nicht zu Ende geführt. Durch Urteil hat Herr S. keine Sache erledigt, so daß auch über die Fähigkeit, Urteilsbegründungen schriftlich abzufassen, leider keine Aussage getroffen werden kann.”
Der Präsident des Landgerichts St. bewertete am 26. Januar 1995 für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 30. September 1994 – gestützt auf Beurteilungsbeiträge des Kammervorsitzenden und des Direktors des Amtsgerichts U. – die Leistungen des Antragstellers als „durchschnittlich”, Auffassungsgabe und Ausdrucksvermögen seien „gut durchschnittlich”. In der Beurteilung heißt es abschließend:
„Die Hervorhebung der verstärkten Heranziehung des Richters zur Sitzungsvorbereitung in der Schlußphase seiner Zivilkammerzugehörigkeit ist allerdings um den Hinweis zu ergänzen, daß Herr S. zum Ausgleich alle 8 Sachen seines einzigen, überaus voll terminierten Einzelrichter-Sitzungstages (27.5.1993) kurzfristig auf die Zeit nach seinem Ausscheiden verlegt hat.
Insbesondere im Hinblick auf die von mir in den Sachakten bestätigt gefundenen Hinweise auf Defizite des Richters bei der Wahrnehmung seiner Aufklärungs- und Fürsorgepflichten gegenüber den Parteien sollte eine abschließende Bewertung seiner Eignung für den Richterberuf erst nach weiterer Erprobung erfolgen, zumal der Zeitraum der Abordnung an das Arbeitsgericht für die Erprobung praktisch nicht zur Verfügung stand.”
In seiner Beurteilung vom 28. Juli 1995, die den Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 31. Mai 1995 umfaßt, konnte der Präsident des Landgerichts N. eine Eignung des Antragstellers für das Amt des Richters am Amtsgericht lediglich eingeschränkt für den Strafbereich feststellen. Beurteilungsgrundlagen waren Sitzungsteilnahme, Durchsicht von Sachakten und ein Beurteilungsbeitrag des Direktors des Amtsgerichts U., in dem es u.a. heißt:
„Trotz der um ein Jahr vermehrten Erfahrung als Zivilrichter läßt die Qualität seiner Verfahrensleitung und seiner Entscheidungen nach wie vor stark zu wünschen übrig.
…
Krasse Fehlentscheidungen bzw. unsinnige prozeßleitende Maßnahmen sind Herrn S. in den in meinem Anschreiben als Anlage Ziffer 2 bezeichneten Verfahren unterlaufen.
Der Aufbau von Tatbestand und Entscheidungsgründen ist zwar besser geworden, die Entscheidungsgründe sind aber nach wie vor von apodiktischer Kürze und enthalten weniger die Erörterung der entscheidungserheblichen, kontrovers vorgetragenen Tatsachen- oder Rechtslage als vielmehr Wiederholungen aus dem Tatbestand.
Daneben gibt es aber durchaus positive Aspekte. Trotz der oben genannten unökonomischen Arbeitsweise wurden die Verfahren zum großen Teil zügig erledigt. Richter S. versteht es, die Parteien vergleichsbereit zu machen. Eilverfahren wurden in der Regel rasch und treffsicher abgeschlossen.
Bedeutend positiver ist die Tätigkeit des Herrn S. als Straf- und Jugendrichter zu werten. Diese Tätigkeit übt er seit 01.03.1995 aus. Daneben ist er weiterhin zuständig für die Gs-Sachen, die Ordnungswidrigkeits-Verfahren und die Zwangsvollstreckungsverfahren einschließlich ZVG.”
Gegen diese Beurteilung erhob der Antragsteller Gegenvorstellungen und nach deren Zurückweisung Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald. Dieses hat darüber noch nicht entschieden.
Am 26. September 1995 verfügte das Justizministerium gestützt auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG die Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe mit Ablauf des 13. November 1995. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die vorliegenden Beurteilungen ließen erkennen, daß der Antragsteller den Anforderungen, die an einen Richter zu stellen seien, nicht entspreche. Es gebe zwar hinsichtlich der Tätigkeit als Strafrichter positive Äußerungen, doch sei die Eignung nur für einen Teilbereich der richterlichen Tätigkeit nicht ausreichend, um einen Richter insgesamt als geeignet erscheinen zu lassen. Ein Richter müsse in der Lage sein, alle klassischen richterlichen Tätigkeitsbereiche in angemessener Qualität zu bearbeiten. Die Eignung zum Richteramt könne nur einheitlich, nicht getrennt nach Einsatzbereichen, festgestellt werden. Gegen die fachliche Eignung spreche die Behandlung anwaltlich nicht vertretener Parteien. Gegen die persönliche Eignung spreche, daß er gegenüber dem Direktor des Amtsgericht U. geäußert habe, er werde es nach Ernennung auf Lebenszeit „ruhiger angehen lassen”. Mangels festgestellter fachlicher und persönlicher Eignung sei die Entlassung auszusprechen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. Juni 1996 zurück. Darin wurde ausgeführt, daß eine fachliche Eignung des Antragstellers für die Bearbeitung von Zivilsachen in keiner der Beurteilungen positiv festgestellt und in der Beurteilung vom 28. Juli 1995 ausdrücklich verneint worden sei. Die Entlassung sei aufgrund der Gesamtergebnisse der Beurteilungen, die eine Eignung für die zivilrichterliche Tätigkeit verneinten, vorgenommen worden.
Dagegen hat der Antragsteller Klage vor dem Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Schwerin erhoben und beantragt, die Entlassungsverfügung vom 26. September 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1996 aufzuheben. Er hat insbesondere die Auffassung vertreten, daß die Beurteilungen keine Tatsachen erkennen ließen, aus denen sich eine Reduzierung der Eignung auf wenige Teilbereiche ergebe. Die Äußerungen des Direktors des Amtsgerichts U., auf dessen Beurteilungsbeitrag sich der Präsident des Landgerichts N. stütze, seien „nicht verifiziert”. Es sei auch widersprüchlich, wenn er, der Antragsteller, zunächst durchschnittliche Beurteilungen erhalten habe und diese zum Schluß der Probezeit schlechter ausgefallen seien.
Das Dienstgericht für Richter hat den Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide sei § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG. Der Antragsteller sei – soweit das Dienstgericht dieses überhaupt noch prüfen könne – für das Richteramt nicht geeignet. Der Antragsgegner habe den Begriff der Eignung im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG nicht verkannt. Er habe vielmehr in der Entlassungsverfügung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Eignung eines Richters nur dann als gegeben anzunehmen sei, wenn sich in der Probezeit ergeben habe, daß der Betreffende für die Gesamtheit der richterlichen Aufgaben, die sich in der richterlichen Laufbahn ergeben könnten, für die der Proberichter bei der Ernennung auf Lebenszeit vorgesehen sei, hinreichende Befähigung zeige. Wenn – wie beim Antragsteller – die Beurteilungen die Prognose erlaubten, daß der Proberichter voraussichtlich nur als Strafrichter brauchbar einsetzbar sei, beschränke sich seine Eignung auf diesen Teilbereich. Damit fehle ihm zugleich die Eignung für die richterliche Tätigkeit, die der Antragsteller auf Dauer auszuüben beabsichtige. Aus den vorliegenden Beurteilungen könne ohne Rechtsfehler diese Schlußfolgerung gezogen werden. Soweit der Antragsteller pauschal rüge, die Beurteilungen, auf die sich die Entlassungsverfügung stütze, beruhten auf sachfremden Erwägungen, sei das rechtlich nicht nachvollziehbar.
Der Antragsteller hat dagegen fristgerecht Berufung beim Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Rostock eingelegt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:
Die Auffassung des Dienstgerichts, daß hinreichend zuverlässige Beurteilungen vorlägen, werde der tatsächlichen Sachlage nicht gerecht. Es werde verkannt, daß eine Beurteilung dann nicht mehr zuverlässig sei, wenn – wie hier – sofort erkennbare Widersprüche zwischen Gesamt- und Einzelbeurteilung aufträten und wenn die Negativeinschätzung eines Beurteilenden im Ergebnis die Gesamtbeurteilung bestimme. Wenn die letzte Beurteilung von früheren positiven Beurteilungen abweiche, dann dürfe diese nicht den Ausschlag für die Gesamtbeurteilung geben. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß er nach der Entlassungsverfügung die richterliche Tätigkeit ordnungsgemäß ausgeübt habe. Dies sei ein wichtiges Indiz für die richterliche Eignung besonders bei einer Prognoseentscheidung. Die Entlassungsverfügung sei im übrigen am 26. September 1995 nicht mehr zulässig gewesen, da zu dieser Zeit bereits fünf Jahre der Probezeit abgelaufen gewesen seien. Nach dem Richtergesetz der DDR (DDR-RiG) vom 5. Juli 1990 (GBl. Teil I S. 637) habe er nämlich einen gesetzlichen Anspruch auf Berufung zum Richter auf Zeit und auf Probe gehabt. Die Berufung zum Richter auf Probe habe spätestens am 15. Januar 1991 erfolgen müssen. Zumindest sei aber zu berücksichtigen gewesen, daß seine richterliche Tätigkeit in der Zeit vom Inkrafttreten des DDR-RiG am 15. Juli 1990 bis zum 3. Oktober 1990 als anrechenbare Zeit auf die Probezeit dazu führe, daß die Entlassungsverfügung wegen Zeitablaufs nicht mehr zulässig gewesen sei.
Der Dienstgerichtshof für Richter hat die Berufung des Antragstellers ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluß vom 18. Dezember 1997 zurückgewiesen. Er hat zur Begründung unter anderem ausgeführt:
Die Entlassungsverfügung überschreite weder die Grenzen des Ermessens, das § 22 Abs. 2 Nr. 1 des DRiG dem Dienstherrn einräume, noch widerspreche sie dem Zweck dieser Ermächtigung (§ 114 VwGO). Entgegen der Ansicht des Antragstellers könne die Entlassungsverfügung nicht deswegen als rechtsfehlerhaft bewertet werden, weil sie auf dienstlichen Beurteilungen beruhe, die ein angeblich widersprüchliches Bild von ihm vermittelten. Das Dienstgericht sei auch nicht gehalten gewesen, eine Nachbeurteilung des Antragstellers für den Zeitraum nach seiner Entlassung zu veranlassen und der Entscheidung zugrunde zu legen. Umstände, die erst danach eintreten, seien grundsätzlich unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise den Entlassungssachverhalt rückblickend in einem anderen Licht erscheinen ließen. Das sei hier zu verneinen. Es habe auch keine Veranlassung bestanden, die Probezeitbeurteilung des Präsidenten des Landgerichts N. anhand weiterer oder anderer vom Antragsteller bearbeiteter Akten auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Entlassung sei gemäß § 22 Abs. 1, Abs. 2 DRiG allgemein, wann der Richter ernannt worden sei, nicht wann er habe ernannt werden können. Es sei deshalb der 14. November 1991 zugrundezulegen, so daß die Entlassung nach Ablauf von vier Jahren zum 13. November 1995 fristgemäß gewesen sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die – zugelassene – Revision des Antragstellers. Er macht die Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung aus formellen und materiellen Gründen geltend und rügt Verfahrensfehler des Gerichts.
Der Antragsteller beantragt,
- den angefochtenen Beschluß aufzuheben,
die Entlassungsverfügung vom 26. September 1995 aufzuheben,
hilfsweise, die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Vor einer Entscheidung über die Revision beantragt er, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald über die angegriffene dienstliche Beurteilung abzuwarten, da diese Entscheidung vorgreiflichen Charakter habe.
Der Antragsgegner hält das Verfahren des Dienstgerichtshofs für Richter für fehlerfrei, die Entlassungsverfügung für formell und materiell rechtmäßig und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 1. April 1998 und die Revisionserwiderung vom 26. Juni 1998 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Die auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG gestützte Entlassung des Antragstellers aus dem Richterverhältnis auf Probe ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die formellen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
a) Der Antragsteller wurde am 14. November 1991 zum Richter auf Probe ernannt. Seine Entlassung wurde wegen fachlicher Ungeeignetheit zum 13. November 1995 ausgesprochen, also mit Ablauf des vierten Jahres nach seiner Ernennung. Die Entlassungsverfügung wurde dem Antragsteller unter Beachtung der Frist von sechs Wochen vor dem Entlassungstag (§ 22 Abs. 5 DRiG) ausgehändigt.
b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers hatte dieser keinen gesetzlichen Anspruch darauf, bis spätestens 15. Januar 1991 oder sonst zu einem früheren Zeitpunkt zum Richter auf Probe ernannt zu werden. Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 50 DDR-RiG sollten die Berufungsverfahren der Richter bis zum 15. Januar 1991 abgeschlossen sein. Der Einigungsvertrag (Anlage I Kap. III Sachgeb. A Abschnitt III Nr. 8 lit. o) hat diese Übergangsfrist nicht nur bis zum 15. April 1991 verlängert, sondern auch die ursprünglich zwingende Norm des § 45 Abs. 2 Nr. 1 DDR-RiG in eine Sollvorschrift umgewandelt. Damit entfiel ein fester Zeitpunkt für den Fristablauf (vgl. BVerfG DtZ 1993, 20, 21; Fastenrath, DtZ 1991, 429).
Im Einigungsvertrag ist auch nicht bestimmt, daß Zeiten der Tätigkeit als zur Rechtsprechung ermächtigter Richter auf die spätere Probezeit anzurechnen sind. Dies ist auch sachgerecht. Der Status der zur Ausübung der Rechtsprechung ermächtigten Richter, die noch nicht in ein Richteramt berufen worden waren, unterschied sich wesentlich von dem des Proberichters (vgl. BVerfG NJ 1993, 123, 125; Bischoff NJ 1992, 300), dessen Fähigkeiten in besonderer Weise erprobt und beurteilt werden.
2. a) Die Rüge, der Dienstgerichtshof habe im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entschieden, ohne den Antragsteller zuvor zu dieser Absicht zu hören, greift nicht durch.
Der Vorsitzende des Dienstgerichtshofs hat dem Antragsteller mit Verfügung vom 31. Juli 1997 u.a. mitgeteilt:
„Außerdem weise ich vorsorglich darauf hin, daß der Dienstgerichtshof über die Berufung gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 1 RiG MV, 130 a VwGO durch Beschluß entscheiden kann, wenn er sie einstimmig für begründet oder unbegründet hält. Das Einverständnis der Beteiligten zu dieser Vorgehensweise ist nicht erforderlich. Sie erhalten aber Gelegenheit, sich binnen 2 Monaten nach Zustellung dieser Verfügung abschließend zu äußern.”
Die Anhörungsmitteilung ist dem Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers entgegen seiner Darstellung auch zugegangen. Die entsprechende Verfügung des Vorsitzenden des Dienstgerichtshofs (Bl. 71 d.A.) ist ausgeführt worden. Die Vertreterin des Antragsgegners hat den Zugang einer Ausfertigung der Anhörungsmitteilung in der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgericht des Bundes nachgewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers hat – ebenso wie in dem insoweit gleichgelagerten Verfahren RiZ (R) 3/98 – den Empfang durch Empfangsbekenntnis vom 4. August 1997 bestätigt (Bl. 72 d.A.).
Die Anhörungsmitteilung genügt den Anforderungen der §§ 130 a, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Das Gericht muß danach den Beteiligten mitteilen, daß es eine Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung erwägt und daß sich die Parteien dazu äußern können. Die Mitteilung kann ergehen, bevor sich das Gericht mit der Sache befaßt hat (vgl. zu § 125 VwGO BVerwGE 57, 272, 275; Mayer-Ladewig in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 130 a Rdn. 9 m.w.Nachw.). Das ist geschehen. Eines Hinweises, daß das Berufungsgericht bereits konkret die Absicht ins Auge gefaßt hatte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, bedurfte es nicht. Es genügte, daß der Antragsteller über die Möglichkeit der prozessualen Erledigung seiner Berufung informiert wurde. Ihm war damit die Möglichkeit gegeben, durch erneute Stellungnahme das Berufungsgericht davon zu überzeugen, daß die Sache einer Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung bedürfe.
b) Entgegen der von der Revision in diesem Zusammenhang geäußerten Ansicht mußte der Dienstgerichtshof auch nicht über einen Beweisantrag vorab entscheiden, den der Antragsteller außerhalb einer mündlichen Verhandlung in der Berufungsschrift gestellt hatte. Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO liegt insoweit nicht vor (vgl. BVerwG NVwZ 1992, 890; Redeker/von Oertzen, VwGO 12. Aufl. § 86 Rdn. 13).
3. Nicht zu beanstanden ist schließlich, daß die Entscheidung des Dienstgerichtshofs – was für die Prüfung in der Revisionsinstanz unterstellt werden kann – aufgrund schriftlicher Beratung und Abstimmung, also im sogenannten Umlaufverfahren ergangen ist. Diese Verfahrensweise ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sämtliche an der Entscheidung beteiligten Richter damit einverstanden sind (vgl. BVerwG, Buchholz § 130 a VwGO Nr. 2). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß diese Voraussetzung bei der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vorgelegen hat.
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Entlassungsverfügung auch als materiell rechtmäßig angesehen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei einer nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 DRiG erfolgten Entlassung eines Richters auf Probe zum Ablauf des (3. oder) 4. Jahres nach seiner Ernennung die Entlassungsbehörde einen Beurteilungsspielraum hat, so daß die Gerichte nur nachprüfen können, ob sie den Begriff der Eignung und den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Tatbestand ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (BGH, Urteile vom 1. März 1976 - RiZ (R) 2/75, DRiZ 1976, 317, 318, vom 25. August 1992 - RiZ (R) 2/92, Urteilsumdruck S. 8 und vom 22. September 1998 - RiZ (R) 2/97, Urteilsumdruck S. 12). Derartige Fehler in der Beurteilung der Eignung des Antragstellers hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
Der Dienstherr hat den Begriff der Eignung nicht verkannt. Der Antragsgegner ist in der Entlassungsverfügung und in dem Widerspruchsbescheid zu Recht davon ausgegangen, daß ein Richter auf Probe nur dann für das Richteramt geeignet ist, wenn er für die Gesamtheit der Aufgaben, die sich im Rahmen richterlicher Tätigkeit ergeben können, hinreichende Befähigung zeigt und daß es nicht ausreicht, wenn er nur für einen Teilbereich (als Strafrichter) verwendbar ist. Das wird von der Revision nicht beanstandet.
Der Antragsgegner hat bei seiner Entlassungsverfügung alle vorliegenden Beurteilungen berücksichtigt, sich aber namentlich auf die zuletzt erstellte dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Landgerichts N. vom 28. Juli 1995 gestützt, die wesentlich auf einem Beurteilungsbeitrag des Direktors des Amtsgerichts U. fußt. Daß die dort aufgezeigten Mängel des Antragstellers im zivilrechtlichen Bereich, wie sie in der Entlassungsverfügung im einzelnen beschrieben sind, u.a. bei der Verhandlungsführung, der Verfahrensleitung, der Abfassung von Urteilen und beim Umgang mit Verfahrensbeteiligten, es rechtfertigen können, die Eignung als Richter zu verneinen, wird von der Revision nicht bezweifelt. Sie rügt in diesem Zusammenhang neben fehlender Sachverhaltsaufklärung die angebliche Widersprüchlichkeit des Beurteilungsbeitrags des Direktors des Amtsgerichts U. Diese Rüge ist unbegründet.
Die dem Antragsteller bescheinigte überdurchschnittliche Intelligenz und ausreichende Rechtskenntnisse auf dem Gebiet der streitigen Zivilgerichtsbarkeit schließen nicht aus, daß er bei der Erledigung seines Dezernats die festgestellten gravierenden Mängel gezeigt hat. Die festgestellte Nichteignung des Antragstellers für den Bereich des Zivilrechts steht auch nicht in Widerspruch zu der Tatsache, daß seine Leistungen und Fähigkeiten in Einzelbewertungen überwiegend „durchschnittlich” und nur seine Dispositionsfähigkeit, Verhandlungsführung und Durchsetzungsfähigkeit „unterdurchschnittlich” eingeschätzt wurden. Denn ersichtlich sind bei den Einzelbewertungen auch die vergleichsweise besseren Leistungen des Antragstellers bei seiner Tätigkeit als Strafrichter berücksichtigt worden.
5. Die Rüge, der Dienstgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 66 Abs. 1 DRiG i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO), greift nicht durch. Der Antragsteller hätte hierzu konkret darlegen müssen, daß ausgehend von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eine weitere Sachverhaltsaufklärung sich habe aufdrängen müssen. Hierzu wären sowohl die noch aufzuklärenden Umstände als auch die dafür in Frage kommenden Beweismittel anzugeben gewesen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 11. Aufl. § 133 Rdn. 14; BVerwG DVBl. 1993, 955; BGH, Urteil vom 30. März 1987 - RiZ (R) 5/86, Urteilsumdruck S. 10). Daran fehlt es hier.
a) Wenn der Antragsteller rügt, sein Vorbringen in der Berufungsbegründung zu der als maßgeblich angesehenen letzten Beurteilung habe das Berufungsgericht veranlassen müssen, Beweis zu erheben, so reicht das zur Bezeichnung der aufklärungsbedürftigen Tatsachen nicht aus. Die Aufklärungsrüge ist damit nicht zulässig erhoben.
Das Dienstgericht des Bundes kann daher auch nicht prüfen, ob sich dem Berufungsgericht eine Beweiserhebung habe aufdrängen müssen. Das gilt auch für die allgemein gehaltene Rüge, es hätten die vom Antragsteller „abgereichten Beweisunterlagen einer Bewertung und gegebenenfalls Überprüfung in einer Beweisaufnahme unterzogen werden müssen, aus denen hervorgehe, daß seine Dispositionsfähigkeit, sein Verhandlungsgeschick und die Durchsetzungsfähigkeit” besser einzuschätzen seien.
b) Der Antragsteller dringt auch nicht mit der Rüge durch, es habe nahegelegen, eine ergänzende Beurteilung für die Zeit nach der Entlassungsverfügung einzuholen, zumal er seit der Entlassungsverfügung beanstandungsfrei seine richterliche Tätigkeit fortgesetzt habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassung aus einem Richterverhältnis auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Umstände, die erst danach eingetreten sind, sind grundsätzlich unbeachtlich (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - RiZ (R) 3/95, DRiZ 1996, 454 m.w.Nachw.). Da der Antragsteller in der Zeit nach der Entlassungsverfügung hauptsächlich als Strafrichter eingesetzt war, lassen die bei dieser Tätigkeit gezeigten Leistungen auch keinen beachtlichen Rückschluß auf seine Eignung als Zivilrichter zu.
6. Dem Antrag des Antragstellers, das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald über die angegriffene dienstliche Beurteilung auszusetzen, war nicht zu entsprechen.
Der Antragsteller hat in der Revisionsbegründung keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich die Vorgreiflichkeit der ausstehenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. §§ 80 Abs. 1 Satz 1, 94 VwGO) ergeben könnte.
II.
Die Revision des Antragstellers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren entsprechend §§ 13 Abs. 4 Satz 1 lit. b, 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG auf 41.277,54 DM festgesetzt.
Unterschriften
Erdmann, Siol, Nobbe, Boetticher, Solin-Stojanovic
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.01.1999 durch Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539858 |
BGHR |
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