Leitsatz (amtlich)
Eine Anzeigenwerbung für Brillen mit der Aussage, „K. bleibt beim Null-Tarif”, und dem Hinweis, daß die Brillenfassung bei Verordnung von zwei Brillengläsern im Festpreis enthalten sei, ist auch nach Inkrafttreten des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1631), durch das für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen der Zuschuß für die Kosten des Brillengestells entfallen ist, grundsätzlich weder als unzulässige Zugabe noch als wettbewerbswidrig zu beanstanden.
Normenkette
ZugabeVO § 1 Abs. 1; UWG §§ 1, 3; SGB V § 33 Abs. 1, 4 i.d.F. v. 1.1.1997
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 44 O 9/97) |
OLG Hamm (Aktenzeichen 4 U 115/97) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. September 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt Kaufhäuser, in denen sie auch Leistungen von Optikerfachgeschäften anbietet. Sie ließ Mitte Dezember 1996 vor dem Hintergrund des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996, nach dem die Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an Brillengestellen mit Ablauf des 31. Dezember 1996 wegfiel, bundesweit nachstehende Anzeige erscheinen:
Die Klägerin, eine Augenoptikerinnung, hat diese Werbeaussage beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie sieht in dem Angebot einer unentgeltlichen Abgabe von Brillenfassungen an Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen eine unzulässige Zugabe zu den Gläsern und hält die angegriffene Werbung überdies unter den Gesichtspunkten des verdeckten Kopplungsangebotes, des übertriebenen Anlockens und der Irreführung für wettbewerbswidrig. Dies beruht darauf, daß die Beschränkung des kassenrechtlichen Versorgungsanspruchs zum 1. Januar 1997 auf Sehhilfen ohne die bisherige Zuzahlung für Brillengestelle nach Auffassung der Klägerin dazu führt, den Brillenerwerb durch Kassenmitglieder in ein gegenständlich vom Festpreis der Krankenkassen begrenztes Hauptgeschäft über den Erwerb und das Einschleifen der Brillengläser und ein weiteres Geschäft über den Erwerb des Brillengestells aufzuspalten.
Die Klägerin hat beantragt,
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in der beanstandeten Werbung und der Abgabe der so beworbenen Brillen weder einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung noch gegen §§ 1 und 3 UWG gesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte habe – wie die Gestaltung der Bildmontage zeige – in ihrer Anzeige eine Brille als Gesamtheit beworben. Die Überschrift „K. bleibt beim Null-Tarif” verstärke diesen Eindruck, weil das Preisschlagwort sich bisher auf Brillenangebote bezogen habe. Auch in der Verkehrsauffassung der Letztverbraucher besitze allein die aus der Fassung und den Gläsern individuell zusammengefügte Einheit, die Ware Brille, Bedeutung. Hiervon ausgehend könne § 1 Abs. 1 ZugabeVO durch die Anzeige der Beklagten nicht verletzt sein, weil eine Zugabe vorausgesetzt hätte, daß der Verkehr in der beanstandeten Anzeige die Gläser als Hauptware betrachtet hätte, zu welcher die Brillenfassung als eine von dieser verschiedene, zusätzliche Nebenware gewährt werde.
Da die Beklagte nicht mehrere Waren zu einem Gesamtpreis beworben habe, scheide ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines verdeckten Kopplungsangebotes gleichfalls aus. Die Werbeaussage der Beklagten, beim Null-Tarif zu bleiben, habe im Zusammenhang mit der älteren Null-Tarif-Werbung des Optikerhandwerkes Kunden auch noch nicht in übertriebener, wettbewerbswidriger Weise angelockt. Schließlich könne die angegriffene Werbung nicht als irreführend bezeichnet werden, da der Verkehr nicht über die Preisgünstigkeit des Angebotes getäuscht werde.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht verneint, daß die Beklagte in der beanstandeten Anzeige eine Zugabe angekündigt und § 1 Abs. 1 ZugabeVO zuwidergehandelt hat.
a) Eine Zugabe liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berechnung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware gewährt wird, der Erwerb der Nebenleistung vom Abschluß des Geschäfts über die Hauptware abhängig ist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, daß die Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware gewährt wird und das Angebot wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Eine Zugabe kann danach immer nur eine von der Hauptware verschiedene, zusätzlich in Aussicht gestellte oder gewährte Nebenleistung sein. Werden dagegen die beiden in Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit angesehen, ist eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (st. Rspr.; BGHZ 139, 368, 371 f. – Handy für 0,00 DM, m.w.N.).
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Letztverbraucher verstehe die streitgegenständliche Werbung nicht dahin, daß die Gläser die Hauptware und die Brillenfassung eine von dieser verschiedene Nebenware seien. Der Letztverbraucher sehe darin vielmehr ein einheitliches Angebot. Der Senat hat in seinem Urteil vom 28. November 1996 „Brillenpreise II” (I ZR 197/94, GRUR 1997, 767, 770 = WRP 1997, 735) – in anderem rechtlichen Zusammenhang – bereits entschieden, daß die sozialversicherungsrechtliche Leistungsabgeltung bei Sehhilfen in ihrer unterschiedlichen Eintrittspflicht für Gläser einerseits, Brillenfassungen andererseits, die Verkehrsauffassung nicht prägt. Daran hat sich auch durch das Beitragsentlastungsgesetz vom 1. November 1996 nichts geändert. Schon mit dem Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) ist nach der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsseite die einheitliche Ware Brille aus Kostendämpfungsgründen in ihren Hauptbestandteilen unterschiedlich behandelt worden (anders noch § 182 Abs. 1 Nr. 1b, § 182a Satz 1c, § 182g RVO), auch mit dem Ziel, bei Brillengestellen dem Wettbewerb durch das Zuschußsystem mehr Raum zu geben. Es ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich, daß die zum 1. Januar 1997 durch die weitere Leistungsbeschränkung lediglich vertiefte sozialversicherungsrechtliche Differenzierung das Verkehrsverständnis beeinflußt (ebenso im vorliegenden Zusammenhang OLG Frankfurt WRP 1999, 951, 953). Im übrigen hat das Berufungsgericht auch zu Recht angenommen, daß insbesondere die konkrete Ausgestaltung der streitgegenständlichen Werbung dafür spricht, daß vorliegend eine Brille als Gesamtheit beworben worden ist. Der Einholung eines demoskopischen Gutachtens durch den Tatrichter bedurfte es dazu entgegen der Ansicht der Revision nicht.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG verneint.
a) Ein Verstoß gegen § 1 UWG durch ein verdecktes Kopplungsangebot scheidet schon deshalb aus, weil hier nicht – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – mehrere Einzelwaren zu einem Gesamtangebot verbunden werden.
b) Entgegen der Ansicht der Revision, die auch das Oberlandesgericht Hamburg in einer von ihr vorgelegten – im Verfügungsverfahren ergangenen – Entscheidung vertreten hat (WRP 1999, 374), ist die angegriffene Werbung der Beklagten auch nicht geeignet, in übertriebener, sittenwidriger Weise Kunden anzulocken.
aa) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Ein wettbewerbswidriger Anlockeffekt kann erst durch den Einsatz zusätzlicher, unsachlicher Mittel entstehen. Kennzeichen solcher Mittel ist, daß sie nicht Preiswürdigkeit oder Qualität des Angebotes steigern, sondern Kunden von einer preis- und qualitätsbewußten Prüfung verschiedener Angebote durch werbendes Herausstellen leistungsfremder Vergünstigungen abhalten (BGH, Urt. v. 28.4.1994 – I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 745 = WRP 1994, 610 – Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; Urt. v. 25.9.1997 – I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 502 = WRP 1998, 388 – Skibindungsmontage; BGHZ 139, 368, 375 – Handy für 0,00 DM).
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die beanstandete Werbung der Beklagten für den zuzahlungsfreien Erwerb von Brillen durch Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen mit Brillenfassungen aus einem für diesen Zweck vorgehaltenen Sortiment sich keiner zusätzlichen, unsachlichen Mittel bedient. Auch der Annahme einer leistungsfremden Vergünstigung als Lockmittel steht bereits entgegen, daß sich die angegriffene Werbeaussage ebenso wie die ältere Null-Tarif-Werbung des Augenoptikerhandwerkes auf die Lieferung von Brillen an Kassenmitglieder als einheitliches Angebot bezieht. Es ist nicht zu mißbilligen, wenn die Beklagte die bei Belieferung von Kassenmitgliedern mit ärztlich verordneten Sehhilfen gewährten Festbeträge der Kassen kalkulatorisch unterschreiten zu können glaubte und im Rahmen dieser Vergütung auch die in der sozialversicherungsrechtlichen Versorgung ausgesparten Brillengestelle zuzahlungsfrei an ihre versicherten Kunden mitliefern wollte. Die vom Oberlandesgericht Hamburg (WRP 1999, 374, 375) angenommene „Sogwirkung” der fortgesetzten Null-Tarif-Werbung vor dem geänderten sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund mag nach allem zwar zutreffen. Es handelte sich nach den Umständen aber gleichwohl um nicht mehr als den zulässigen Ausdruck der Leistungsstärke, welche die Beklagte für sich in Anspruch nimmt und mit der sie auch werben darf.
3. Vergeblich wendet sich die Revision ferner dagegen, daß das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 3 UWG verneint hat.
a) Die Revision verweist zunächst darauf, daß es einen allgemeinen Null-Tarif für die Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen bei Anschaffung einer Brille auch bei der Beklagten nicht mehr gebe. Die Revision folgert daraus aber zu Unrecht, daß der Verbraucher durch das Preisschlagwort Null-Tarif über diese Einschränkung getäuscht werde. Denn eine Brille zum Null-Tarif war für die Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen stets die nur so bezeichnete Kassenbrille, also die Brille mit Wahlbestandteilen eines entsprechend begrenzten Sortiments, wenn auch früher mit einem Zuschuß der Krankenkassen für die Kosten des Brillengestells in Höhe von 20,– DM. Die Revisionserwiderung weist insoweit zu Recht darauf hin, daß es einen echten Null-Tarif auch vor der Gesetzesnovelle nicht gab.
b) Die Werbeaussage im unteren Teil der Anzeige, eine Brillenfassung aus dem Null-Tarif-Sortiment der Beklagten sei im Festbetrag enthalten, mag, wie die Revision beanstandet, nicht in jeder Hinsicht genau sein. Eine Irreführung der Letztverbraucher droht hier dennoch nicht. Denn der Verkehr versteht diese Angabe nicht im Hinblick auf die Versorgungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen und ihre Grenzen. Die von der Werbung angesprochenen Versicherten können vielmehr ohne weiteres erkennen, daß die Beklagte den Festbetrag bei Lieferung einer verordneten Brille mit zwei Gläsern an Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse bei ihrer Kalkulation insgesamt für ausreichend hält und für die Kosten des Gestells auf Zuzahlung verzichtet, wenn der Kunde sich bei der Auswahl desselben aus dem hierfür vorgehaltenen Null-Tarif-Sortiment bedient. Es ist nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht, daß die Beklagte den Eindruck erweckt hätte, nur sie könne beim Null-Tarif bleiben, weil ihr das Privileg eines höheren Festbetrages zugestanden worden sei als ihren Mitbewerbern.
III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.01.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 1492 |
BGHR |
NJW-RR 2000, 1351 |
GRUR 2000, 918 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1769 |
MDR 2000, 1264 |
SGb 2000, 677 |
WRP 2000, 1138 |
RdW 2000, 533 |