Entscheidungsstichwort (Thema)
Stillschweigende Auflösung des GmbH-Aufsichtsrates. Ausscheiden von Aufsichtsratsmitgliedern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein satzungsmäßig gebildeter Aufsichtsrat durch das Ausscheiden von Mitgliedern und längere Untätigkeit als (fakultatives) Gesellschaftsorgan weggefallen ist.
Orientierungssatz
1. Eine „stillschweigende” Auflösung des Aufsichtsrats setzt mindestens voraus, daß alle hierfür zuständigen Gesellschafter, nach außen deutlich erkennbar, das Bewußtsein und den Willen haben, eine Angelegenheit der Gesellschaft gemeinschaftlich zu regeln (Festhaltung BGH, 1972-02-07, II ZR 169/69, BGHZ 58, 115).
2. Der freiwillig gebildete Aufsichtsrat einer GmbH hört durch das Ausscheiden von Mitgliedern, selbst wenn dadurch seine gesetzliche oder satzungsmäßige Mindestzahl unterschritten oder er sogar beschlußunfähig wird, nicht insgesamt auf zu bestehen; die verbliebenen Mitglieder behalten vielmehr ihr Amt und die damit verbundenen Pflichten.
Tatbestand
Der Kläger K. G. und seine Brüder H. und J. G. gründeten am 15. Dezember 1964 die verklagte GmbH. Am Stammkapital der Beklagten sind die drei Gesellschaftergruppen, entstanden aus den Gründer-Gesellschaftern und einem Teil ihrer Abkömmlinge, zur Zeit mit je 1.440.000 DM beteiligt. Nach § 9 der Satzung kann (und muß auf Verlangen eines der Gründer-Gesellschafter) ein drei- oder sechsköpfiger Aufsichtsrat gebildet werden, dessen Mitglieder durch die Gesellschafterversammlung gewählt oder, wenn nicht alle Mitglieder die Zustimmung der drei Gründer finden, zu je einem Drittel von den Gesellschaftergruppen entsandt werden. Die Geschäftsführer werden von der Gesellschafterversammlung oder, wenn ein Aufsichtsrat gebildet ist, durch diesen bestellt und abberufen (§ 7 Abs. 1, § 14 Abs. 3 a der Satzung). Die drei Gesellschaftergruppen können stets nur durch je einen Vertreter in der Geschäftsführung vertreten sein (§ 8 Abs. 1). § 14 der Satzung, der sich mit den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung befaßt, bestimmt in Absatz 5:
„Solange Herr H. G., Herr K. G. oder Herr J. G. Gesellschafter sind, kann ein Beschluß nach Abs. 3 a (Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführer) nur mit dessen Zustimmung zustande kommen. Das Zustimmungserfordernis entfällt, wenn der betreffende Gesellschafter, einschließlich seiner Gesellschaftergruppe im Sinne des § 8 der Satzung, mit weniger als 20 v.H. am Gesellschaftskapital beteiligt ist.”
Im Jahr 1972 wurde bei der Beklagten erstmals ein Aufsichtsrat gebildet, in den der Kläger Rechtsanwalt Dr. B., H. G. Notar Dr. H. und J. G. Rechtsanwalt St entsandten. Der Aufsichtsrat wählte Dr. H. zum Vorsitzenden und Rechtsanwalt St zu dessen Stellvertreter. Der Aufsichtsrat bestellte Ende 1972 drei jeweils durch eine Gesellschaftergruppe entsandte Geschäftsführer. Seit 1974 wurde er für die Beklagte nicht mehr tätig. Im Jahr 1974 verstarb Rechtsanwalt St. Ende 1980 legte Dr. B. sein Aufsichtsratsmandat nieder.
Mit Schreiben vom 20. Januar 1981 erklärte die Gesellschaftergruppe H. G. dem Kläger, Dr. H. sei nach wie vor durch sie in den Aufsichtsrat entsandt. Durch Schreiben vom 27. Januar 1981 entsandte die Gruppe J. G. Rechtsanwalt D. als neues Aufsichtsratsmitglied. Die Aufforderung, für seine Gruppe ebenfalls ein Aufsichtsratsmitglied zu benennen, lehnte der Kläger ab.
In einer Sitzung vom 7. März 1981, zu der Dr. H. eingeladen hatte und an der außer ihm Rechtsanwalt D. teilnahm, wurde Dr. W., Schwiegersohn des Gründer-Gesellschafters H. G., zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten bestellt.
Diese Bestellung hält der Kläger für unwirksam. Er meint, ein funktionsfähiger Aufsichtsrat habe zu dieser Zeit gar nicht mehr bestanden. Da Dr. W. der Gesellschaftergruppe H. G. zuzurechnen und diese in der Geschäftsführung bereits vertreten sei, habe er nach § 8 Abs. 1 der Satzung auch nicht ohne seine, des Klägers, Zustimmung zum weiteren Geschäftsführer berufen werden können. Dasselbe ergebe sich daraus, daß § 14 Abs. 5 der Satzung nach seinem Sinn und Zweck auch bei einer Geschäftsführerbestellung durch den Aufsichtsrat anzuwenden sei.
Der Kläger hat beantragt festzustellen,
- daß die Bestellung Dr. W. zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten durch den Aufsichtsratsbeschluß vom 7. März 1981 unwirksam sei, hilfsweise, die Bestellung für unwirksam zu erklären;
- daß der Aufsichtsrat der Beklagten weitere Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Klägers bestellen dürfe, solange er Gesellschafter der Beklagten und seine Gesellschaftergruppe mit mindestens 20 % am Gesellschaftskapital beteiligt sei.
Das Landgericht hat beiden Klageanträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die zweite Feststellung dahin eingeschränkt, daß die Zustimmung des Klägers zur Geschäftsführerbestellung durch den Aufsichtsrat nur dann notwendig sei, wenn es sich um Vertreter der Gesellschaftergruppen H. und J. G. handle und diese bereits in der Geschäftsführung vertreten seien; im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Kläger möchte zu seinem zweiten Feststellungsantrag das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang wiederhergestellt wissen, während die Beklagte die volle Abweisung der Klage erreichen möchte. Jede Partei beantragt, die gegnerische Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Zu Unrecht vermißt die Revision im Berufungsurteil eine Entscheidung über den Antrag des Klägers festzustellen, daß der Bestellungsbeschluß des Aufsichtsrats vom 7. März 1981 unwirksam sei. Das Landgericht hatte dem Antrag stattgegeben. Diese Entscheidung hat das Berufungsgericht dadurch bestätigt, daß es die Berufung der Beklagten „im übrigen” zurückgewiesen hat. Die daneben ausgesprochene Abweisung der Klage betrifft dagegen ausschließlich den zweiten Antrag des Klägers auf Feststellung, daß die Berufung weiterer Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat der Beklagten grundsätzlich seiner Zustimmung als Gesellschafter bedürfe; diesem Antrag hat das Berufungsgericht entgegen dem Urteil des Landgerichts nur teilweise entsprochen.
II. Die vorerwähnten beiden Anträge des Klägers sind zulässig. Das bezweifelt die Beklagte zu Unrecht, soweit es sich um den ersten Feststellungsantrag handelt.
Die Zulässigkeit dieses Antrags ergibt sich schon daraus, daß der Kläger den Standpunkt vertritt, die Bestellung Dr. W. zum weiteren Geschäftsführer sei unwirksam, weil der Aufsichtsrat hierzu nicht ohne seine Zustimmung berechtigt gewesen sei. Wie auch die Revision der Beklagten nicht verkennt, ist eine Feststellungsklage der richtige Weg, diesen Standpunkt zur Geltung zu bringen (vgl. zur entsprechenden Lage bei unwirksamen Gesellschafterbeschlüssen: BGHZ 15, 177, 181).
Dem steht nicht, wie die Revision meint, entgegen, daß der Kläger seinen Antrag in erster Linie damit begründet hat, zur Zeit der Beschlußfassung habe gar kein funktionsfähiger Aufsichtsrat bestanden. Wäre dies richtig, so läge in der Bestellung eines weiteren Geschäftsführers durch unbefugte Personen ein so schwerer Mangel, daß die Nichtigkeit des Beschlusses die Folge wäre. Es kann auch unbedenklich davon ausgegangen werden, daß der Kläger den Ausspruch einer solchen Rechtsfolge durch seinen Antrag auf Feststellung der „Unwirksamkeit” miterfassen wollte. Da er aber nicht sicher damit rechnen konnte, mit seiner Rechtsauffassung in diesem Punkt durchzudringen, läßt sich das Feststellungsinteresse für seinen daneben auch auf einen Unwirksamkeitsgrund gestützten Antrag nicht verneinen.
III. Sachlich hält das Berufungsgericht den Aufsichtsratsbeschluß vom 7. März 1981 für wirkungslos. Soweit es hierzu die Satzung der Beklagten auslegt, kann der Senat die Entscheidung unbeschränkt nachprüfen (Urt. d. Sen. v. 16.2.1981 – II ZR 89/79, WM 1981, 438). Ihr ist im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, zuzustimmen.
1. Zur Zeit der vom Kläger beanstandeten Beschlußfassung hatte die Beklagte einen funktionsfähigen Aufsichtsrat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, in der Zeit von 1974 bis 1981 habe sich der 1972 erstmals bestellte Aufsichtsrat irgendwann einmal selbst aufgelöst oder er sei von den Gesellschaftern stillschweigend aufgelöst worden, ist rechtlich nicht haltbar. Wie die Revision der Beklagten zutreffend rügt, vermengt sie den Fortfall des Aufsichtsrats als Gesellschaftsorgan überhaupt mit dem Ausscheiden einzelner Mitglieder.
a) Ein Beschluß der Gesellschafterversammlung, den Aufsichtsrat als Organ der Beklagten überhaupt abzuschaffen, ist nicht vorgetragen. Es läßt sich auch nicht einmal feststellen, daß sämtliche 1972 eingesetzten Aufsichtsratsmitglieder bis 1981 wieder aus ihrem Amt geschieden wären. Nach der Satzung der Beklagten (§ 9 Abs. 4 und 7) endet das Amt der Aufsichtsratsmitglieder, wenn sie, wie es hier der Fall ist, nach § 9 Abs. 3 Satz 5 durch die drei Gesellschaftergruppen entsandt wurden, abgesehen vom Todesfall entweder mit dem Widerruf der Entsendung oder durch Amtsniederlegung. Eine ausdrückliche Erklärung dieser Art liegt nicht vor. Eine schlüssig erklärte Abberufung oder Amtsniederlegung läßt sich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht schon daraus herleiten, daß der Aufsichtsrat seit 1974 untätig geblieben ist und dementsprechend keine Vergütung bezogen hat, wie sie in § 12 der Satzung vorgesehen ist. Die Einsetzung oder Abberufung von Gesellschaftsorganen oder einzelner ihrer Mitglieder setzt aus Gründen der Rechtssicherheit eine klare Willensäußerung dessen voraus, der hierzu berufen ist. Das gilt auch für einen nach § 52 GmbHG freiwillig eingesetzten Aufsichtsrat, zumal wenn diesem, wie hier, wichtige Funktionen wie die Billigung von Maßnahmen der Geschäftsführung, der Erlaß einer Geschäftsordnung für sie und die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer übertragen ist. Ob nicht mit Rücksicht hierauf eine „stillschweigende” Auflösung des Aufsichtsrats überhaupt ausscheidet, kann auf sich beruhen. Mindestens müßten alle hierfür zuständigen Gesellschafter, nach außen deutlich erkennbar, das Bewußtsein und den Willen haben, eine Angelegenheit der Gesellschaft gemeinschaftlich zu regeln (vgl. BGHZ 58, 115, 120 f). Hierfür gibt der vorgetragene Sachverhalt nichts her; es ist insbesondere auch nicht ersichtlich, daß die Gesellschafterversammlung Aufsichtsratsfunktionen wahrgenommen hätte.
Ebenso verhält es sich mit der vom Berufungsgericht angenommenen Amtsniederlegung der 1972 bestellten drei Aufsichtsratsmitglieder. Auch hier ist um der Rechtssicherheit Willen eine unmißverständliche Willensäußerung zu fordern, aus der sich einwandfrei ergibt, daß und zu welchem Zeitpunkt das Aufsichtsratsmitglied aus seinem Amt ausscheiden will. Bloße Untätigkeit, selbst über Jahre hin, reicht hierfür ebensowenig aus wie die Tatsache, daß die nicht tätig gewordenen Aufsichtsratsmitglieder keine Vergütung beansprucht und erhalten haben.
b) Das Ausscheiden von zwei Mitgliedern aus dem 1972 durch Entsendung gebildeten dreiköpfigen Aufsichtsrat führte ebenfalls nicht zu dessen Auflösung. Nach Aktienrecht hört der Aufsichtsrat durch das Ausscheiden von Mitgliedern, selbst wenn dadurch seine gesetzliche oder satzungsmäßige Mindestzahl unterschritten oder er sogar beschlußunfähig wird, nicht insgesamt auf zu bestehen; die verbliebenen Mitglieder behalten vielmehr ihr Amt und die damit verbundenen Pflichten (Mertens in Kölner Komm. z. AktG § 108 Anm. 57 bis 59; zur Rechtslage beim Vorstand vgl. ebenda § 76 Anm. 38). Für den freiwillig gebildeten Aufsichtsrat einer GmbH muß jedenfalls dann dasselbe gelten, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt; denn es wäre ein überflüssiger Aufwand, wenn der Aufsichtsrat nicht nur ergänzt, sondern insgesamt neu bestellt werden müßte, nur weil einzelne seiner Mitglieder vorzeitig aus dem Amt geschieden sind.
Allerdings verlor der Aufsichtsrat der Beklagten, nachdem schon 1974 ein Mitglied verstorben war, durch die Amtsniederlegung Dr. B. seine Beschlußfähigkeit. Denn nach der Satzung der Beklagten (§ 10 Nr. 2) ist er nur beschlußfähig, wenn mindestens zwei seiner Mitglieder, darunter der Vorsitzende und sein Stellvertreter, anwesend sind. Seine Beschlußfähigkeit konnte aber jederzeit dadurch wiederhergestellt werden, daß er bis auf mindestens zwei Mitglieder ergänzt wurde, selbst wenn hierbei die in der Satzung allgemein festgesetzte Mindestzahl noch nicht erreicht war. Zwar verweist § 52 GmbHG nicht auch auf § 108 Abs. 1 Satz 4 AktG, wonach die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats, sofern sie nach der Zahl der an der Beschlußfassung teilnehmenden Mitglieder gewahrt ist, nicht beeinträchtigt wird, auch wenn der Mitgliederbestand unter die generell vorgeschriebene Zahl absinkt. Der zugrundeliegende Gedanke, die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats möglichst zu erhalten und deshalb seine Beschlußfähigkeit an einer abstrakten Unterbesetzung nicht scheitern zu lassen (vgl. BGHZ 83, 151, 153), trifft aber auch hier zu, wo die Satzung nichts anderes besagt.
c) Demnach ist der Aufsichtsrat der Beklagten dadurch, daß die Gesellschaftergruppe J. G. im Januar 1981 anstelle von Rechtsanwalt St Rechtsanwalt D. in ihn berufen hat, wieder beschlußfähig geworden. Mit dem Berufungsgericht ist § 9 Nr. 3 der Satzung dahin auszulegen, daß ein von einer Gesellschaftergruppe entsandtes, aber ausgeschiedenes Mitglied durch die vom Ausscheiden betroffene Gruppe wieder zu ersetzen ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß auf diese Weise das Gleichgewicht unter den Gesellschaftergruppen bei der Besetzung des Aufsichtsrats, das durch § 9 Abs. 3 Satz 5 der Satzung gewahrt werden soll, am sichersten und einfachsten wiederhergestellt werden kann.
Hieraus folgt weiter, daß der Aufsichtsratsbeschluß vom 7. März 1981, durch den (niemals förmlich zurückgetretenen oder abberufenen) Dr. H. als Vorsitzender bestätigt und Rechtsanwalt D. zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde, wirksam und auch in dieser Hinsicht die Beschlußfähigkeit nach § 10 Abs. 2 der Satzung bei dem anschließend gefaßten Bestellungsbeschluß gesichert war. Daß die Wahl in der Einladung zur Aufsichtsratssitzung nicht angekündigt war, ist unschädlich, weil alle damals vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder an der Sitzung teilgenommen haben.
2. Der Bestellungsbeschluß des Aufsichtsrats vom 7. März 1981 ist aber aus einem anderen Grunde nicht wirksam geworden.
Nach § 14 Abs. 5 der Satzung kann ein Gesellschafterbeschluß über die Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführer nur mit Zustimmung aller drei Gründer zustande kommen, solange sie Gesellschafter sind und ihre Gruppe jeweils mit mindestens 20 % am Gesellschaftskapital beteiligt ist. Das Berufungsgericht legt diese Bestimmung, ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung im Abschnitt V. „Gesellschafterversammlung” entsprechend, dahin aus, daß sie sich nur auf eine Geschäftsführerbestellung durch die Gesellschafterversammlung und nicht durch den Aufsichtsrat beziehe. Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers mit Recht.
§ 14 Abs. 5 steht in einem inneren Zusammenhang mit § 8 der Satzung, der unter der Überschrift „Sonderrechte der Gesellschafter” den drei Gesellschaftergruppen bei einer Kapitalbeteiligung von mindestens 20 % das Recht einräumt, je einen Vertreter – die drei Gründer-Gesellschafter selbst ausgenommen – in die Geschäftsführung zu entsenden. Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ist dies nicht so zu verstehen, daß jede Gruppe für sich (was möglich gewesen wäre, vgl. das Urt. d. Sen. v. 4.10.1973 – II ZR 31/71, WM 1973, 1295) unmittelbar einen Geschäftsführer bestellen könnte. Wie sich aus § 7 Abs. 1 der Satzung ergibt, verbleibt es vielmehr bei der förmlichen Bestellung der Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung oder den Aufsichtsrat, die sich hierbei jedoch nicht – oder jedenfalls nicht ohne wichtigen Grund – über den Vorschlag einer entsendungsberechtigten Gruppe hinwegsetzen dürfen.
In der Regelung des § 8 kommt unverkennbar der für eine Familiengesellschaft typische Gedanke einer strikten Gleichberechtigung der drei Gesellschafterstämme zum Ausdruck, wie er noch an anderer Stelle der Satzung niedergelegt ist, so namentlich in § 4 (gleichhohe Stammeinlagen) und § 9 Abs. 3 Satz 5 (Entsendung von je einem Drittel des Aufsichtsrats durch jede Gruppe). Die in Übereinstimmung damit gewährten unentziehbaren Gesellschafterrechte werden in der Hand der drei Gründer noch dadurch verstärkt, daß § 14 Abs. 5 die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (ebenso wie § 9 Abs. 3 Satz 2 die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds) von ihrer Zustimmung abhängig macht. Diese Bestimmung gewinnt ihre wesentliche Bedeutung, wenn zu den nach § 8 von den Gesellschaftergruppen entsandten Geschäftsführern weitere Geschäftsführer bestellt werden sollen. Sie schützt in diesem Falle jeden Gründer-Gesellschafter dagegen, daß die Mitglieder der beiden anderen Gesellschaftergruppen gegen seinen Willen eine von ihnen abhängige oder sonst mit ihren Interessen verbundene Person in die Geschäftsführung hineinbringen und sich dadurch das Übergewicht in der Verwaltung der Gesellschaft verschaffen können.
Dieser Zweck, allen Gründergesellschaftern den paritätischen Einfluß bei der Geschäftsführerbestellung zu sichern, trifft in gleicher Weise zu, wenn die Geschäftsführer nach § 7 Abs. 1 der Satzung nicht durch die Gesellschafterversammlung, sondern durch den Aufsichtsrat zu berufen sind. Wie schon das Landgericht richtig erkannt hat, wäre es ungereimt, wenn zwar die Gesellschafterversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan einen Geschäftsführer nicht ohne Zustimmung aller Gründer bestellen könnte, wohl aber der von ihr oder einer Gesellschaftergruppe eingesetzte Aufsichtsrat. Auf diesem Weg könnte durch die Einrichtung eines Aufsichtsrats, der auf Verlangen eines der Gründer-Gesellschafter gebildet werden muß (§ 9 Abs. 1 Satz 2 der Satzung), das Vetorecht jedes Gründergesellschafters leicht überspielt werden.
Das Berufungsgericht meint freilich, den Sinn für eine solche Regelung darin finden zu können, daß bei unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheit insbesondere der Gründer-Gesellschafter die Handlungsfähigkeit der Gesellschafter durch einen insoweit unabhängigen Aufsichtsrat gewährleistet sei. In der Tat könnten zum Beispiel § 9 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 6, die nicht nur die Wahl oder die Entsendung eines Gründers, sondern auch von Angehörigen eines Gesellschafters in den Aufsichtsrat ausschließen, sowie § 11 Nr. 3 der Satzung, der dem Aufsichtsrat weitgehende Kompetenzen gegenüber den Geschäftsführern zuweist, vielleicht auf die Vorstellung von einer gewissen Neutralität der Aufsichtsratsmitglieder hindeuten. Diese Neutralität ist aber keineswegs gesichert, vor allem auch nicht in dem gerade bei Uneinigkeit der Gründergesellschafter eintretenden und auch hier vorliegenden Fall, daß die Aufsichtsratsmitglieder durch die drei Gesellschaftergruppen entsandt werden mußten. Dabei ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, daß in aller Regel jede Gruppe darauf bedacht sein wird, einen Vertreter auszusuchen, von dem zu erwarten ist, daß er möglichst ihre Wünsche und Interessen zur Geltung bringen wird. Bei dieser Sachlage wird der Aufsichtsrat in seiner Zusammensetzung gewöhnlich nur ein Spiegelbild der Gesellschafterversammlung sein, so daß ein Gründer-Gesellschafter trotz der formal eigenständigen Entscheidungsbefugnis des Aufsichtsrats mit einer gegen ihn gerichteten Gruppenbildung in der Geschäftsführung rechnen müßte, wenn der Aufsichtsrat durch Mehrheitsentscheidung zusätzliche Geschäftsführer ohne seine Zustimmung bestellen dürfte.
Damit erweist es sich als notwendig, § 14 Abs. 5 nach seinem aus der Satzung selbst deutlich erkennbaren Sinn und Zweck über den Wortlaut hinaus gemäß §§ 133, 157 BGB dahin zu ergänzen, daß auch der Aufsichtsrat weitere Geschäftsführer nur mit Zustimmung aller Gründer-Gesellschafter bestellen kann. Die Besorgnis der Beklagten, bei dieser Rechtslage könnte ein einzelner Gründer durch seinen Widerspruch gegen eine sinnvolle Geschäftsführerbestellung die Gesellschaft lahmlegen, ist nicht hinreichend begründet. Denn durch das Entsendungsrecht der Gesellschaftergruppen ist sichergestellt, daß mindestens drei Geschäftsführer bestellt werden können, die sich entgegen den Ausführungen der Beklagten (Schriftsatz v. 14.7.1981, S. 5) nicht auf die „Funktion der Stammesvertretung” und die dementsprechende „Geltendmachung von Einfluß in der Geschäftsführung” beschränken dürfen, sondern nach § 43 GmbHG auf das Interesse der Gesellschaft verpflichtet sind und deshalb bei gesellschaftstreuem Verhalten der bestellenden Gesellschafter so ausgesucht sein müssen, daß sie ihre gesetzlichen Aufgaben sachgerecht erfüllen können.
IV. Mit Rücksicht auf das Fehlen einer Zustimmung des Klägers ist hiernach sein erster Hauptantrag, der sich gegen den Bestellungsbeschluß des Aufsichtsrats vom 7. März 1981 richtet, mit den Vorinstanzen für begründet zu erachten. Voll begründet ist auch der zweite Antrag festzustellen, daß nach der Satzung der Beklagten ihr Aufsichtsrat weitere Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Klägers bestellen dürfe, solange er Gesellschafter der Beklagten und einschließlich seiner Gruppe mit mindestens 20 % an ihr beteiligt ist. Da dies schon aus § 14 Abs. 5 der Satzung zu entnehmen ist und diese Vorschrift die Zustimmungsbedürftigkeit der Bestellung nicht davon abhängig macht, ob der Bestellte Vertreter einer Gesellschaftergruppe ist, entfällt die dahingehende Einschränkung im Berufungsurteil, so daß insoweit das nach dem Klageantrag ergangene Urteil des Landgerichts in vollem Umfang wiederherzustellen ist; dabei wird durch die Worte „Bestellung weiterer Geschäftsführer” genügend verdeutlicht, daß sich die Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit, dem Klagevorbringen entsprechend, nicht auf die Entsendung der ersten drei Geschäftsführer durch die Gesellschaftergruppen bezieht. Offen bleiben kann, ob der vom Kläger angegriffene Aufsichtsratsbeschluß auch deshalb unwirksam ist, weil Dr. W., wie das Berufungsgericht angenommen hat, als Schwiegersohn von H. G. der Gruppe H. G. als deren „Vertreter” zuzurechnen ist und infolgedessen nach § 8 Abs. 1 der Satzung nicht ohne die Zustimmung der beiden anderen Gruppen und damit auch des Klägers zum weiteren Geschäftsführer hätte bestellt werden dürfen.
Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen, wogegen der Revision des Klägers stattzugeben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 649996 |
ZIP 1983, 1063 |