Entscheidungsstichwort (Thema)

Miterbe

 

Leitsatz (amtlich)

Verkauft ein Miterbe seinen Erbteil an einen Dritten, dann kann ein anderer Miterbe, der den Verkauf verhindern und den verkauften Erbteil stattdessen einem Vierten zuwenden will und der den darauf gerichteten Anspruch bereits an diesen veräußert hat, den Erbteil nicht mit Hilfe des Vorkaufsrechts aus § 2034 BGB beanspruchen; § 2034 I BGB greift in diesem Fall nicht ein.

 

Normenkette

BGB § 2034 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen 1/4-Erbteil nach der Erblasserin Theresia K. Zu deren ungeteiltem Nachlaß (im folgenden: Nachlaß I) gehört nur noch ein in M., S. 26, gelegenes Grundstück.

Die Erbengemeinschaft nach T. K. (Erbengemeinschaft I) bestand zunächst aus vier Miterben, und zwar aus Alfons Sch. und Rudolf Sch. zu je einem Drittel sowie aus den beiden damals noch minderjährigen Kindern des letzteren: Johanna und Oskar Sch. zu je einem Sechstel. Alfons übertrug seinen 1/3-Erbteil im Jahre 1953 zur Hälfte (= 1/6 des Nachlasses I) auf Rudolf und zu je 1/4 (= je 1/12 des Nachlasses I) auf Johanna und Oskar, so daß sich rechnerisch folgende Quoten ergaben: für Rudolf 1/2 sowie für Johanna und Oskar je 1/4. Nach dem Tode von Rudolf Sch. im Jahre 1957 fiel dessen 1/2-Anteil am Nachlaß I in den insoweit ungeteilten Nachlaß II, an dem Johanna und Oskar je zur Hälfte beteiligt sind.

Johanna verkaufte ihren 1/4-Erbteil am Nachlaß I aufgrund notariellen Vertrages vom 16./27. Oktober 1987 an den Beklagten und übertrug ihn am 8. Dezember 1987 auf diesen. Oskar übte sein Vorkaufsrecht gemäß § 2034 BGB durch Erklärung vom 7. Dezember 1987 aus, die Johanna am 9. Dezember 1987 zuging.

Am 7. Dezember 1987 machte Oskar den Klägern ein notarielles Angebot zum Kauf seiner Erbteile an den Nachlässen I und II. Dieses Angebot nahmen die Kläger am 8. Dezember 1987 in notarieller Form an. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1987 übte Johanna ihrerseits ihr Vorkaufsrecht wegen dieses Kaufvertrages gegenüber Oskar aus.

Oskar "trat" seine Rechte aus der Ausübung seines Vorkaufsrechts am 30. Dezember 1987 an die Kläger "ab", und zwar "zur Einziehung mit der Maßgabe, daß die Käufer (Kläger) die Rückübertragung des Erbanteils durch... (den Beklagten) an... Oskar... verlangen und... durchsetzen können" sollten. Von diesen Rechten machen die Kläger mit der vorliegenden Klage Gebrauch, indem sie beantragen, den Beklagten zu verurteilen, den 1/4-Anteil an dem Nachlaß I, den er von Johanna erlangt hat, an Oskar zu den mit Johanna vereinbarten Bedingungen zu übertragen. Landgericht und Oberlandesgericht halten die Klage für begründet. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht legt die Vereinbarung vom 30. Dezember 1987 im Hinblick auf die darin enthaltenen Einschränkungen nicht als Abtretung aus, sondern als Ermächtigung der Kläger, die eingeklagten Rechte des Miterben Oskar Sch. aus dem von diesem ausgeübten Vorkaufsrecht (§§ 2034ff., 505 BGB) im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft geltend zu machen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die prozessualen Voraussetzungen für die Prozeßführung durch die Kläger sind erfüllt. Auch die Revision hat insoweit nichts zu erinnern.

II.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, Oskar habe aufgrund des Verkaufs des 1/4-Miterbenanteils der Johanna an den Beklagten vom 16./27. Oktober 1987 ein gesetzliches Vorkaufsrecht erlangt. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

1.

Es ist zwar richtig, daß gemäß § 2034 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht, wenn ein Miterbe seinen Anteil am Nachlaß (ganz oder teilweise) verkauft. Dieses Vorkaufsrecht steht den übrigen Miterben zu und dient dem Zweck, diese vor dem Eindringen unerwünschter Nichterben in die Erbengemeinschaft (oder auch vor einer Verstärkung der Beteiligung bereits eingedrungener Dritter) zu schützen (BGHZ 86, 379, 380 und öfter).

Ob ein Miterbe aber auch dann zum Vorkauf berechtigt ist, wenn er selbst seinen (eigenen) Erbteil an einen Dritten verkauft (wie hier Oskar am 7./8. Dezember 1987), versteht sich nicht von selbst. Immerhin erscheint es nicht unproblematisch, einen Miterben, der selbst verkauft und vor dessen Verkauf § 2034 Abs. 1 BGB gerade schützen soll, trotzdem gleichzeitig zu den durch eben diese Bestimmung geschützten "übrigen Erben" zu rechnen. Daß ein derartiges Verständnis der Norm zu einem wenig sinnvollen Wettlauf der Interessenten führen und zu wechselseitiger Blockade von Vorkaufsrechten führen kann, läßt der vorliegende Fall anschaulich vor Augen treten. Allerdings hat der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichshofes in einem unveröffentlichten Urteil vom 19. Oktober 1955 (IV ZR 89/55 - S. 10f. -; vgl. Johannsen, WM 1970, 738, 746; Kregel in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 2034 Rdn. 5) entschieden, daß ein Miterbe auch nach Verkauf und Übertragung seines Miterbenanteils weiterhin durch § 2034 Abs. 1 BGB geschützt wird. Diese Rechtsprechung ist in BGHZ 86, 379 nicht aufgegeben, sondern nur für einen Sonderfall eingeschränkt worden; das hat Hoegen in seiner Anmerkung LM BGB § 2034 Nr. 12 zutreffend hervorgehoben. Ob an ihr im übrigen festzuhalten ist, braucht auch hier nicht entschieden zu werden.

2.

Nicht zugebilligt werden kann das von Oskar ausgeübte Vorkaufsrecht nach der Auffassung des Senats nämlich jedenfalls deswegen, weil Oskar eben den 1/4-Erbteil Johannas, der den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, in dem Vertrag mit den Klägern vom 7./8. Dezember 1987 vor dem Zugang seiner Vorkaufserklärung am 9. Dezember 1987 an diese verkauft hat. Damit handelt es sich hier um einen Fall, in dem ein Miterbe den Verkauf des Erbteils eines anderen Miterben an einen Dritten verhindern will, um diesen Erbteil einem von ihm bevorzugten Vierten zu verschaffen. Ein derartiges Vorgehen ist von dem Schutzzweck des § 2034 Abs. 1 BGB nicht gedeckt. Es kann grundsätzlich nicht rechtlich anerkannt werden. Insoweit ist die Vorschrift teleologisch zu reduzieren (vgl. auch Hoegen aaO.).

Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten (Urteil vom 27.10.1971 - IV ZR 223/69 - LM BGB § 2034 Nr. 8 a.E.; Urteil vom 19.10.1955 aaO. S. 21, 22), daß es nicht darauf ankommen könne, wie der Vorkaufsberechtigte den begehrten Erbteil zu verwerten beabsichtige oder voraussichtlich verwerten werde. Dem tritt der erkennende Senat in dem Sinne bei, daß ein Miterbe aus dem Kreis der durch § 2234 Abs. 1 BGB Geschützten nicht schon dann ausscheidet, wenn er bei Zugang der Vorkaufserklärung den betreffenden Erbteil selbst zu veräußern gedenkt oder wenn eine derartige Entwicklung objektiv überwiegend wahrscheinlich ist. Umstände dieser Art können auf eine bloße Motivforschung hinauslaufen. Sie sind im allgemeinen nur schwer festzustellen und eignen sich daher nicht, den Anwendungsbereich des § 2034 Abs. 1 BGB allgemein abzugrenzen. Stattdessen stellt der Senat darauf ab, daß Oskar sich durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 7./8. Dezember 1987 auf die Weiterübertragung des begehrten Erbteils an die Kläger bereits rechtlich bindend festgelegt hatte. Seine am 9. Dezember 1987 zugegangene (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) Vorkaufserklärung konnte deshalb an diesem Tage nicht mehr wirksam werden.

Soweit die vorliegende Entscheidung mit dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. Oktober 1955 nicht vereinbar ist, hält der Senat an der früheren Auffassung nicht mehr fest.

3.

Unter diesen Umständen muß die Klage, ohne daß es auf weiteres ankommt, auf die Revision als unbegründet abgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456260

DNotZ 1991, 543

JuS 1991, 154

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