Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.05.1971) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 1971 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die den Großhandel mit NE-Metallhalbzeugen betreibt, ist vom Vater des Beklagten im Jahre 1922 in Leipzig gegründet und 1948 nach Velbert verlegt worden. Der Beklagte war von 1948 bis zum 18. Januar 1967, und zwar seit 1953 als Einzelprokurist, in dem väterlichen Geschäft tätig. Nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin eröffnete er ein eigenes Handelsgeschäft, ebenfalls in Velbert und in derselben Branche. In der Folgezeit wechselten mehrere Angestellte von der Klägerin zum Beklagten über. Hierdurch und aus anderen Gründen kam es zu wettbewerblichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Zur Beilegung dieser Streitigkeiten wurde in einem gerichtlichen Vergleich vom 20. Dezember 1968, der in einem Rechtsstreit zwischen dem Beklagten (damals Kläger) und seinem Vater geschlossen wurde und dem die Klägerin beitrat, unter Ziffer 4 folgendes vereinbart:
Der Kläger verpflichtet sich, Arbeitnehmer der Firma Z. & D. nur dann einzustellen, wenn die Firma Z. & D. vorher schriftlich ihr Einverständnis erklärt. Er verspricht der Firma Z. & D. für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000,– DM.
Am 31. Dezember 1969 schied bei der Klägerin nach 20jähriger Tätigkeit in ihrem Unternehmen der kaufmännische Angestellte P. aus. Nachdem dieser anschließend zunächst bei einer Firma K. tätig gewesen war, wurde er am 1. Juli 1970 vom Beklagten eingestellt, ohne daß die Klägerin hierzu ihre Einwilligung erteilt hatte.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe durch die Einstellung des Angestellten P. gegen Ziffer 4 des Vergleichs vom 20. Dezember 1968 verstoßen. P. sei bei ihr, so hat sie behauptet, in den letzten zwei Jahren im Verkauf tätig gewesen und habe dadurch in engster Verbindung zur Kundschaft gestanden. Der Beklagte habe P. bei der Firma K. abgeworben. Hierbei sei es ihm nicht um dessen Arbeitskraft, sondern um seine Kenntnisse vom Geschäftsbetrieb der Klägerin gegangen.
Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit vom Beklagten zunächst die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit P. und dessen Beurlaubung bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sowie die Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000 DM begehrt. Später hat sie nur noch die Zahlung der Vertragsstrafe gefordert. Sie hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 14. Juli 1970 zu zahlen.
Der Beklagte ist der Auffassung entgegengetreten, daß ein Verstoß gegen den Vergleich vom 20. Dezember 1968 vorliege. P. sei wegen entstandener Differenzen bei der Klägerin ausgeschieden. Die Firma K. habe er verlassen, weil diese ihren Sitz verlegt habe und ihm der Weg zur Arbeitsstelle zu weit gewesen sei. An ihn, den Beklagten, habe sich P. erst nach Auflösung seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma K. gewandt. Eine Abwerbung habe nicht stattgefunden. Der Beklagte hat ferner geltend gemacht, Ziffer 4 des Vergleichs sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam. Außerdem könne die Klägerin zufolge § 75 f HGB keinen klagbaren Anspruch daraus herleiten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht meint, das Wettbewerbsverbot mit Vertragsstrafeversprechen in Ziffer 4 des Vergleichs vom 20. Dezember 1968 beziehe sich seinem Wortlaut nach nur auf Arbeitnehmer, die unmittelbar von der Klägerin zum Beklagten überwechseln wollten. An den Fall, daß Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden bei der Klägerin und Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zum Beklagten gehen könnten, hätten die Vertragsparteien ersichtlich nicht gedacht. Die Vereinbarung ergänzend dahin auszulegen, daß sie auch solche Fälle erfasse, was durchaus ihrem Sinn und Zweck entsprechen könne, nütze der Klägerin nichts, weil sie aus einer solchen mit dem Beklagten getroffenen Abrede, die insoweit nur den Zweck haben könne, bei ihr ausgeschiedene Arbeiter in ihrer weiteren Erwerbstätigkeit zu beschränken, gemäß § 75 f HGB keinen klagbaren Anspruch herleiten könne und daher auch der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht gerichtlich durchsetzbar sei.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
II. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, daß dem Klagebegehren jedenfalls § 75 f HGB entgegensteht.
1. Nach dieser Vorschrift sind Wettbewerbsabreden unter Arbeitgebern, durch die sich ein Arbeitgeber verpflichtet, Handlungsgehilfen, die bei dem anderen angestellt sind oder angestellt gewesen sind, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen einzustellen, zwar nicht unwirksam, aber kraftlos vor Gericht; aus ihnen findet weder Klage noch Einrede statt. Wie schon der Wortlaut ergibt, meint § 75 f HGB nicht nur Verbandsabsprachen, sondern auch Vereinbarungen unter einzelnen Arbeitgebern (vgl. Baum, Das vertragliche Wettbewerbsverbot, Seite 169; Gumpert BB 1955, 964, 966; Würdinger Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 75 f Anm. 1; Schlegelberger/Schröder HGB, 3. Aufl., § 75 f Anm. 1). Eine gegenteilige Auffassung wird, soweit ersichtlich, im Schrifttum nirgends vertreten. Zweck der Vorschrift ist es, die Handlungsgehilfen gegen sich zu ihrem Nachteil auswirkende Wettbewerbsabreden der Arbeitgeber zu schützen und ihr Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) zu sichern. Dafür spricht insbesondere der Sinnzusammenhang mit den sonstigen in den §§ 74 ff HGB enthaltenen Vorschriften, die näher regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen Handlungsgehilfen durch ein Wettbewerbsverbot, das sie selbst mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren, für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt werden dürfen. In der parlamentarischen Behandlung dieser durch Gesetz vom 10. Juni 1914 (RGBl I, 209) geschaffenen Vorschriften ist geltend gemacht worden, daß der für die Handlungsgehilfen erstrebte Schutz fragwürdig bleibe, wenn es den Arbeitgebern weiterhin möglich sei, durch sogenannte geheime Konkurrenzabreden die Handlungsgehilfen in ihrem Fortkommen zu behindern (Kommissionsbericht RT Drucksachen 1914 Anlage zu den stenografischen Berichten Band 303 Nr. 1387 Seite 2847 ff). Hierauf beruht es, daß auf Vorschlag der Regierung der zunächst nicht vorgesehene § 75 f HGB eingefügt wurde. In diesen Erörterungen haben zwar bestimmte Verbandsabsprachen der Arbeitgeber eine wesentliche Rolle gespielt. Auch trifft es zu, daß die Regierung der in der Reichstagskommission erhobenen Forderung, von den Arbeitgebern vereinbarte Wettbewerbsverbote, die sich gegen die Angestellten richteten, für nichtig zu erklären und unter Strafe zu stellen, mit dem Hinweis auf die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entgegengetreten ist. Hieraus kann jedoch nicht entnommen werden, daß § 75 f HGB nur Verbandsabsprachen meine und nicht auch gegen entsprechende Vereinbarungen einzelner Arbeitgeber gerichtet sei. Dies wäre weder mit dem Schutzzweck noch mit dem Wortlaut der Norm vereinbar.
2. Durch Ziffer 4 des Vergleichs vom 20. Dezember 1968 hat sich der Beklagte verpflichtet, Angestellte der Klägerin nur unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich nur mit Zustimmung der Klägerin einzustellen. Damit sind, soweit kaufmännische Angestellte in Frage stehen, die Voraussetzungen des § 75 f HGB vom Wortlaut her, aber auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift erfüllt. Auf die Unterscheidung des Berufungsgerichts zwischen Angestellten, die unmittelbar von der Klägerin zum Beklagten überwechseln und solchen, die dies erst nach Annahme einer anderen Arbeitsstelle tun wollen, kann es dabei nicht ankommen; denn die streitige Vereinbarung behindert gerade auch diejenigen Angestellten, die unmittelbar überwechseln wollen, in ihrer Wettbewerbsfähigkeit nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses mit der Klägerin. Ob hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 75 f HGB eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt wäre, wenn der Beklagte Angestellte der Klägerin unter Verleitung zum Vertragsbruch bei dieser abwerben würde, kann auf sich beruhen bleiben, da dieser Fall nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht vorliegt, sie vielmehr nur behauptet hat, der Beklagte habe P. bei der Firma K. abgeworben, um sich dessen geschäftliche Kenntnisse zunutze zu machen.
3. Verfassungsmäßige Bedenken sind gegen die Wirksamkeit des § 75 f HGB nicht zu erheben. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht angenommen, daß Ansprüche, die der Klägerin aus der Vereinbarung vom 20. Dezember 1968 gegen den Beklagten möglicherweise erwachsen sind, nicht gerichtlich durchgesetzt werden können. Das gilt nach dem Grundgedanken des § 344 BGB auch für die vereinbarte Vertragsstrafe, da sonst der Schutzzweck des § 75 f HGB vereitelt würde (vgl. Baum a.a.O. Seite 170; Würdinger a.a.O. Anm. 2; Soergel/Schmidt BGB vor § 241 Anm. 6, § 344 Anm. 2).
III. Aus § 1 UWG läßt sich der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht herleiten. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Krüger-Nieland, Sprenkmann, Merkel, Schönberg, Schwerdtfeger
Fundstellen