Leitsatz (amtlich)
a) § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar, wenn ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil wirkungslos wird, weil die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären.
b) Kündigt der Verpächter eines Gewerbebetriebes das Pachtverhältnis schuldhaft ohne Grund, so ist er dem Pächter wegen positiver Vertragsverletzung zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch die Vollstreckung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten und danach infolge Erledigungserklärung wirkungslos gewordenen Räumungsurteils entstanden ist.
Normenkette
ZPO § 91a Abs. 1, § 717 Abs. 2 S. 1; BGB § 276
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 18. April 1986 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagte wegen unwirksamer Kündigung eines Pachtvertrages und Vollstreckung eines darauf beruhenden, für vorläufig vollstreckbar erklärten Räumungsurteils, das durch Erledigungserklärung wirkungslos geworden ist, auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte, eine Brauerei, verpachtete den Klägern, einem Ehepaar, durch formularmäßigen „Pachtvertrag mit Getränkebezugsverpflichtung” eine Gastwirtschaft für die Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 30. Juni 1985. Artikel XXI des Vertrages lautet auszugsweise:
„Der Verpächter ist berechtigt, mit einer Frist von vierzehn Tagen durch eingeschriebenen Brief außerordentlich zu kündigen, wenn der Pächter gegen die Bestimmungen dieses Vertrages verstößt, und zwar …
e) wenn die Gaststätte so schlecht geführt wird, daß der Monatsverbrauch an Bier den Durchschnittsverbrauch der Vergleichsmonate der vorhergehenden drei Jahre um 20% unterschreitet;
…
Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verpächter steht bei fristloser Kündigung dem Pächter nicht zu.”
Die Klägerin erhielt die Konzession zum Betrieb der Gastwirtschaft, der Kläger war als ihr Angestellter tätig. Die Beklagte kündigte durch eingeschriebenen Brief vom 17. Januar 1984 unter Hinweis auf Art. XXI Buchstabe e des Vertrages das Pachtverhältnis zum 31. Januar 1984, weil die Kläger in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1983 nur 41,40 hl Bier abgenommen hätten, der Durchschnittsverbrauch in den entsprechenden Zeiträumen der davor liegenden drei Jahre jedoch 61,77 hl betragen habe. Die Kläger machten die Fortdauer des Vertrages geltend. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung habe nicht bestanden, weil dafür neben dem – in der Berechnung bestrittenen – Rückgang des Bierbezuges erforderlich gewesen wäre, daß dieser durch eine schlechte Führung der Gastwirtschaft verursacht worden sei.
Die Beklagte erwirkte das gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbare Räumungsurteil vom 4. Juni 1984. Dagegen legten die Kläger am 13. Juli 1984 Berufung ein, die der Beklagten am 24. Juli 1984 zugestellt wurde. Die Berufungsbegründung, die am 26. Juli 1984 bei Gericht einging und der Beklagten am 7. August 1984 zugestellt wurde, enthielt auch den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Außerdem wiesen die Kläger durch Schreiben ihres damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 6. und durch dessen mündliche Erklärung vom 7. August 1984 die Beklagte darauf hin, sie setze sich erheblichen Schadensersatzansprüchen aus, falls sie die Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft des Räumungsurteils ausführen und dieses aufgehoben werden sollte. Die Beklagte ließ gleichwohl die Räumung der Gastwirtschaft am 7. August 1984 vollziehen. Mit Beschluß vom 9. August 1984, der Beklagten zugestellt am 14. August 1984, ordnete das Oberlandesgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung mit der Begründung an, die Berufung biete hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Kündigung des Pachtvertrages wegen Fehlens der Voraussetzung einer schlechten Führung der Gaststätte als Ursache für den Rückgang des Bierumsatzes unwirksam erscheine. Mit Schreiben ihres damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 4. September 1984 ließ die Beklagte, welche die Gastwirtschaft zwischenzeitlich anderweitig verpachtet hatte, den Klägern mitteilen, sie würden sich ungeachtet des Ausganges des Rechtsstreites damit abzufinden haben, daß eine Wiedererlangung des Besitzes ausgeschlossen sein dürfte.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung der Kläger vom 1. Februar 1985 erklärten beide Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Oberlandesgericht legte die Kosten der Beklagten auf, weil die Berufung wegen Unwirksamkeit der Kündigung zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage geführt haben würde.
Die Kläger verlangen nunmehr von der Beklagten Ersatz des durch die Räumung der Gastwirtschaft ihnen entstandenen – im einzelnen dargelegten – Schadens. Das Landgericht erkannte durch Grundurteil, daß der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht legt Art. XXI e des Pachtvertrages dahin aus, Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung sei gewesen, daß der Rückgang des Bierbezuges durch eine schlechte Geschäftsführung der Kläger verursacht worden sei; dafür habe die Beklagte im Räumungsrechtsstreit Tatsachen nicht dargelegt. Davon ist für die Revisionsinstanz auszugehen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die außerordentliche Kündigung sei unbegründet gewesen und habe das Pachtverhältnis nicht beendet, so daß das Räumungsurteil vom 4. Juni 1984 materiell-rechtlich unrichtig gewesen sei, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Revision greift das Urteil insoweit nicht an.
II.
Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 717 Abs. 2 ZPO hergeleitet, den es für zumindest entsprechend anwendbar hielt. Das Berufungsgericht, dessen Ansicht insoweit die Revision sich zu eigen macht, weist demgegenüber mit Recht darauf hin, daß diese Vorschrift als Anspruchsgrundlage für den hier zu entscheidenden Fall nicht in Betracht kommt.
1. Nach § 717 Abs. 1 ZPO tritt die vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt, daß, wenn ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Nach dem Wortlaut ist Voraussetzung für das Entstehen dieses vom Verschulden des Vollstreckungsgläubigers unabhängigen Schadensersatzanspruchs des Vollstreckungsschuldners mithin die Aufhebung oder Abänderung des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils (BGH Urt. v. 8. Oktober 1957 – VI ZR 212/56, NJW 1957, 1926), und zwar, wie sich im Hinblick auf Absatz 1 ergibt, durch ein anderes Urteil (BGH Beschl. v. 4. Mai 1972 – III ZR 218/68, LM ZPO § 91 a Nr. 32). Weshalb das über den Bestand des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils letztlich entscheidende Gericht zum Nachteil des Klägers erkennt, ist im Grundsatz ohne Belang (vgl. BGHZ 54, 76, 81; 62, 7, 9; 95, 10, 14). Da das Räumungsurteil vom 4. Juni 1984 im Berufungsverfahren nicht aufgehoben oder abgeändert worden ist, sondern der Rechtsstreit durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien seine Erledigung gefunden hat, scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 30, 123, 128 ff.; zuletzt 95, 10, 14 m. w. N.) beruhen § 717 Abs. 2 ZPO und vergleichbare Vorschriften der Zivilprozeßordnung (vgl. §§ 302 Abs. 4 Satz 3, 600 Abs. 2, 641 g, 945, 1042 c Abs. 2 Satz 3, 1044 Abs. 3 ZPO) auf dem allgemeinen – der entsprechenden Anwendung auf andere, gesetzlich nicht geregelte Fälle zugänglichen – Rechtsgedanken, daß die Vollstreckung aus einem nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers geht. Der Schuldner muß aufgrund einer gerichtlichen Anordnung den Eingriff in seinen Handlungs- und Vermögensbereich dulden, dessen Unbegründetheit sich nach weiterer Prüfung herausstellt. Nach gesetzlicher Wertung entspricht es einer sachgerechten und gebotenen Risikoverteilung, daß in einem solchen Falle der Gläubiger die Gefahr der sachlich-rechtlichen Unbegründetheit seines Rechtsschutzbegehrens trägt. Es fragt sich, ob dieser Grundsatz mit der sich bei entsprechender Anwendung von § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Folge der im Bereich der Gefährdungshaftung (BGHZ 85, 110, 113) liegenden Schadensersatzpflicht des Gläubigers auch angewendet werden kann, wenn entgegen dem Wortlaut des Gesetzes das vollstreckte Urteil nicht aufgehoben, sondern durch Erledigungserklärung wirkungslos geworden ist. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs und das Bundesverwaltungsgericht haben die Frage verneint, weil die Erledigungserklärung auf verschiedenen Gründen beruhen und die entgegengesetzte Auffassung zu dem befremdenden Ergebnis führen könne, daß der Vollstreckungsgläubiger nach § 717 Abs. 2 ZPO Schadensersatzleisten müßte, obwohl er möglicherweise in der Hauptsache Recht hätte (Beschl. v. 4. Mai 1972 a.a.O.; BVerwG Urt. v. 24. Juli 1980 – 3 C 120/79, NJW 1981, 699; im Ergebnis ebenso Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 717 Anm. 1 b; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl. § 717, Rdnr. 69; Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl. § 717 Rdnr. 5; a. A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 46. Aufl. § 717 Anm. 2 B, jedoch unter Berufung auf den Beschluß vom 4. Mai 1972). Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des III. Zivilsenats an. Im vorliegenden Falle steht aufgrund der Feststellungen des Berufungsurteils (s. oben zu I.) allerdings fest, daß das von der Beklagten vollstreckte Räumungsurteil materiell-rechtlich zu Unrecht ergangen war und in der Berufungsinstanz keinen Bestand gehabt haben würde, wäre dem Berufungsrichter die Prüfung nicht durch die übereinstimmende Erledigungserklärung entzogen worden. Diese Kenntnis im Einzelfall vermag eine entsprechende Anwendung von § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den vorliegenden Fall aber nicht zu begründen.
III.
1. Das Berufungsgericht sieht den Schadensersatzanspruch der Kläger durch positive Vertragsverletzung der Beklagten begründet. Dazu führt es aus: Grundsätzlich könne einem Gläubiger nicht zum Vorwurf gemacht werden, von einer gesetzlich gewährten Möglichkeit, hier der Vollstreckung des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils, Gebrauch gemacht zu haben. Dennoch könnten sich aus sonstigen Umständen zwingende Gebote der Rücksichtnahme und Fürsorge ergeben, deren Verletzung eine eigenständige Schadensersatzverpflichtung begründe. Ein solcher Fall liege vor, weil die Beklagte den Klägern zu Unrecht gekündigt und deshalb die auf den dadurch erlangten Räumungstitel gestützte Zwangsräumung eine Vertragsverletzung begründet habe. Sie habe den Klägern den Gebrauch des Pachtgegenstandes vorenthalten, den zu gewähren sie materiell-rechtlich weiterhin verpflichtet gewesen sei.
Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Das für vorläufig vollstreckbar erklärte Räumungsurteil habe nicht ausgereicht, ihren Rechtsirrtum über das Kündigungsrecht zu beseitigen, weil es keine Gewißheit habe verschaffen können, ob die Rechtslage zutreffend beurteilt worden sei. Hinzu komme, daß die Kläger mit ihrer Berufungseinlegung den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung verbunden hätten, die Beklagte aber, ohne die Entscheidung über den Antrag abzuwarten, die Kläger vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Damit sei beiden Klägern der Weiterbetrieb der Gaststätte verwehrt und dem Grunde nach der Schaden verursacht worden.
2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Schadensersatzanspruch mit Recht bejaht.
a) Ob die Beklagte durch die Vollstreckung des für vorläufig vollstreckbar erklärten Räumungsurteils in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ihrer Pächter, ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes sonstiges Recht, eingegriffen hat, kann offen bleiben. Denn die Klageforderung ist als Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung begründet.
b) Durch den Pachtvertrag wurde die Beklagte als Verpächterin verpflichtet, den Klägern als Pächtern den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuß der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit, also bis zum 30. Juni 1985, zu gewähren (§ 581 Abs. 1 Satz 1 BGB). Durch ihre grundlose Kündigung des Pachtverhältnisses hat sie sich gegenüber den Klägern einer positiven Vertragsverletzung schuldig gemacht.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in BGHZ 89, 296 entschieden, daß, wenn der Vermieter von Gewerberäumen das Mietverhältnis schuldhaft ohne Grund kündigt, er dem Mieter wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet sei, und dazu ausgeführt (a.a.O. S. 302): Fehlt ein Kündigungsgrund, so tritt die Gestaltungswirkung der Kündigung nicht ein; das Mietverhältnis besteht vielmehr fort. Mit der wegen fehlender materieller Gründe unwirksamen Kündigung macht der Vermieter dem Mieter indessen den Gebrauch der Mietsache streitig und verletzt damit seine Vertragspflichten. Geschieht das schuldhaft, wobei Fahrlässigkeit genügt, und erwächst dem Mieter daraus ein Schaden, so ist der Vermieter dem Mieter aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung ersatzpflichtig.
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Sie findet auch auf den hier zu entscheidenden Fall der unbegründeten Kündigung eines auf lange Zeit angelegten Pachtvertrages über eine Gastwirtschaft durch den Verpächter Anwendung (vgl. § 581 Abs. 2 BGB). Die von der Beklagten mit dem eingeschriebenen Brief vom 17. Januar 1984 unter Berufung auf Art. XXI e des Pachtvertrages erklärte außerordentliche Kündigung erfolgte ohne Grund, weil die Voraussetzung, daß der Rückgang des Bierbezuges auf einer schlechten Führung der Gastwirtschaft beruhte, nicht vorlag. Die Kündigung war deshalb unwirksam und beendete das Pachtverhältnis und damit die Verpflichtung der Beklagten aus § 581 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht.
c) Die Beklagte hat die ohne Grund erfolgte Kündigung zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, daß die in dem von ihr verwendeten Formularvertrage geforderte Voraussetzung für die von ihr erklärte außerordentliche Kündigung nicht vorlag. Daß eine schlechte Führung der Gastwirtschaft durch die Kläger zum Rückgang des Bierbezuges geführt habe, hat die Beklagte in dem Kündigungsschreiben nicht behauptet. Dazu hat sie erst in der Klageschrift vom 8. Februar 1984 unsubstantiierte Ausführungen gemacht, nachdem die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 23. Januar 1984 der Kündigung unter Hinweis auf das Fehlen der dafür erforderlichen Voraussetzung widersprochen hatten. Sie selbst macht nicht geltend, sie habe nicht erkennen können, daß ein Grund für die außerordentliche Kündigung nicht vorgelegen habe.
Die Beklagte hatte mithin durch die grundlose Kündigung ihre Vertragspflicht gegenüber den Klägern schuldhaft verletzt mit der Folge ihrer Schadensersatzpflicht wegen positiver Vertragsverletzung, weil daraus den Klägern ein Schaden erwuchs.
d) Das für vorläufig vollstreckbar erklärte Räumungsurteil war weder geeignet, die positive Vertragsverletzung, auf der es beruhte, noch das Verschulden der Beklagten entfallen zu lassen. Es beendete das Pachtverhältnis nicht, und die Beklagte konnte sich nicht darauf verlassen, daß es in der Berufungsinstanz Bestand haben würde. Als sie das Urteil am 7. August 1984 vollstreckte, war ihr zwar möglicherweise der – entgegen der Feststellung des Berufungsgerichts – erst in der Berufungsbegründung enthaltene Einstellungsantrag noch nicht bekannt, wohl aber die ihr am 24. Juli 1984 zugestellte Berufungsschrift und zumindest die mündliche Erklärung des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Kläger, sie setze sich im Falle der Vollstreckung möglicherweise erheblichen Schadensersatzansprüchen aus. Dadurch, daß sie das Urteil trotzdem vollstreckte, entstand den Klägern, denen damit der Gebrauch des verpachteten Gegenstandes entzogen wurde, ein auf der positiven Vertragsverletzung der Beklagten beruhender Schaden, den diese – wie ihr Schreiben vom 4. September 1984 ergibt – in Kenntnis des Umstandes, daß das Räumungsurteil abgeändert werden könnte, dadurch zu einem dauernden machte, daß sie die Gastwirtschaft anderweitig verpachtete. Darin liegt eine weitere positive Vertragsverletzung, die ihre Schadensersatzpflicht ebenfalls begründet.
e) Da die Beklagte gegenüber beiden Klägern verpflichtet war und blieb, ihnen den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuß der Früchte während der Pachtzeit zu gewähren, ist auch der Kläger berechtigt, den Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Verlust seines Gehalts entstandenen Schadens geltend zu machen. Die Revision greift das Berufungsurteil insoweit nicht an.
f) Ein mitwirkendes Verschulden der Kläger an der Entstehung ihres Schadens verneint das Berufungsgericht im Ergebnis ebenfalls mit Recht. Die Kläger haben zwar – wie oben dargelegt – den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht mit der Berufungsschrift, sondern erst in ihrer am 26. Juli 1984 bei Gericht eingereichten, am selben Tage an die Beklagte zur Zustellung gegebenen Berufungsbegründung gestellt. Daß diese der Beklagten erst am 7. August 1984 zugestellt wurde, haben die Kläger nicht zu vertreten, die außerdem durch ihren Prozeßbevollmächtigten an diesem Tage vor dem Beginn der Räumung der Beklagten die Gefahr erheblicher Schadensersatzansprüche für den Fall in Aussicht stellten, daß sie die Räumung durchführen lasse.
g) Ebenfalls im Ergebnis zu Recht verneint das Berufungsgericht, daß die Parteien im letzten Satz des Artikels XXI des Pachtvertrages einen Ausschluß der Schadensersatzpflicht der Beklagten wirksam vereinbart hätten. Sollte diese Bestimmung den Inhalt haben, daß den Klägern im Falle einer schuldhaft unbegründeten Kündigung ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nicht zustehen solle, wäre sie nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 ABGB unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren wäre und deshalb die Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Die Beklagte macht einen Haftungsausschluß auch nicht geltend.
h) Daß das Berufungsgericht der übereinstimmenden Erledigungserklärung keinen Verzicht auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Kläger zu entnehmen vermocht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit keine Rüge.
Fundstellen
Haufe-Index 609786 |
NJW 1988, 1268 |