Leitsatz (amtlich)
1. Wird über das Vermögen einer im Handelsregister als Kommanditgesellschaft eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Konkursverfahren eröffnet, dann liegt darin kein so offensichtlicher und schwerwiegender Mangel, daß dies zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führen würde.
2. Die „Kommanditisten” einer solchen Gesellschaft haften deren Vertragsgläubigern außer mit dem Gesellschaftsvermögen persönlich in Höhe der jeweiligen Einlage nach Maßgabe der HGB §§ 171 Abs 1, 172.
3. Im Konkurs sind diese Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger entsprechend HGB § 171 Abs 2 vom Konkursverwalter geltend zu machen.
Orientierungssatz
1. Das Prozeßgericht hat den rechtskräftigen Beschluß über die Konkurseröffnung grundsätzlich als wirksam hinzunehmen (vergleiche RG, 1930-07-08, VII 476/29, RGZ 129, 390 und RG, 1932-03-07, IV 416/31, RGZ 136, 97; Bestätigung OLG Hamburg, 1983-10-12, 8 U 52/83, ZIP 1984, 348), es sei denn, der ihm anhaftende Mangel ist so schwerwiegend, daß er als nichtig angesehen werden muß (vergleiche zum Bestätigungsbeschluß im Dispacheverfahren BGH, 1959-01-26, II ZR 119/57, BGHZ 29, 223).
2. Bei der Haftung der Gesellschafter einer als Kommanditgesellschaft ins Handelsregister eingetragenen BGB-Gesellschaft handelt es sich nicht um eine Haftung aus Rechtsschein, sondern aus vertraglicher Verpflichtung aufgrund eine wirksamen, aber hinsichtlich des Haftungsumfangs beschränkten Vertretungsmacht (vergleiche BGH, 1973-06-25, II ZR 133/70, BGHZ 61, 59; BGH, 1971-05-10, II ZR 177/68, WM IV 1971, 1198 und BGH, 1971-11-29, II ZR 181/68, WM IV 1972, 21).
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der „B. Grundstücksvermietungsgesellschaft & Co.”. Diese Gesellschaft wurde im Jahre 1981 als Kommanditgesellschaft gegründet und als solche im Handelsregister eingetragen. Ihre Tätigkeit bestand darin, daß sie sich zu je 99% an sieben BGB-Gesellschaften beteiligte, die alle den Namen „B. Grundstücksvermietungsgesellschaft” mit jeweils einem ein bestimmtes Objekt bezeichnenden Zusatz trugen, und deren Geschäfte führte.
Der Beklagte trat der Gesellschaft mit einer im Handelsregister eingetragenen Einlage von 320.000,– DM bei. Hierauf leistete er die nach dem Gesellschaftsvertrag zunächst zu erbringende „Bareinlage” von 200.000,– DM. Der Kläger verlangt mit der Klage Zahlung des Restbetrages von 120.000,– DM und eines im Dezember 1981 trotz eingetretenen Verlustes an den Beklagten ausgeschütteten Betrages von 5.740,– DM, jeweils nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht – sein Urteil ist veröffentlicht in ZIP 1990, 1268 = EWiR § 171 HGB 2/90 S. 1003 mit Anm. v. Gerkan – hat sie abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Revision greift das Berufungsurteil zu Unrecht an, soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Gesellschaft und damit des Klägers auf Einzahlung der 120.000,– DM als restlicher Pflichteinlage verneint hat. Es hat dazu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der Gesellschaftsvertrag habe zwar zunächst vorgesehen, daß der über die – vom Beklagten eingezahlte – „Bareinlage” hinausgehende Teil der übernommenen Kommanditeinlage zu leisten sei, wenn die Gesellschafterversammlung dies mit Dreiviertelmehrheit beschließe oder das Gesellschaftsvermögen zur Begleichung der Gesellschaftsschulden nicht ausreiche. Diese Regelung sei jedoch am 25. April 1983 dahin geändert worden, daß es den Kommanditisten freigestellt worden sei, ihre Beitragsverpflichtung auf die „Bareinlage” zu beschränken (§ 4 Abs. 4 und § 8 Abs. 2 der Neufassung). Es sei davon auszugehen, daß der Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe. Das ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Parteivortrag, sei aber deswegen anzunehmen, weil der Kläger die Klage nur auf § 171 Abs. 1 HGB gestützt habe.
Die Revision greift diese Feststellungen zunächst insoweit an, als es um die Änderung des Gesellschaftsvertrages geht. Da dem Berufungsgericht nur die Tagesordnung für die Gesellschafterversammlung vom 25. April 1983 mit dem beigefügten Entwurf der vorgesehenen Neufassung vorgelegen habe, stehe nicht fest, daß die Änderung des Gesellschaftsvertrages tatsächlich mit diesem Inhalt zustande gekommen sei; das habe nämlich so keine Partei vorgetragen. Dabei übersieht die Revision jedoch, daß bereits das Landgericht den Vortrag des Klägers, der Tagesordnung und Änderungsentwurf vorgelegt hatte, im Sinne des Berufungsgerichts verstanden und dies in seinem Urteil deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Dagegen hat im Berufungsverfahren keine der Parteien Einwendungen erhoben.
Die Revision beanstandet ferner, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang Schlüsse aus dem Umstand gezogen hat, daß der Kläger nur § 171 HGB zur Klagebegründung herangezogen habe; das Gericht sei, so meint sie, nicht an die rechtliche Begründung des Klageantrags gebunden. Das ist zwar richtig; aber darum geht es hier nicht. Die Vertragsänderung räumte dem Beklagten die Möglichkeit ein, seine Beteiligung auf die bereits geleistete „Bareinlage” zu beschränken. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers dahingehend gewürdigt, daß der Beklagte von jener Möglichkeit Gebrauch gemacht habe. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Die Klage ist in erster Linie auf § 171 Abs. 2 HGB gestützt. Es läßt sich bislang nicht ausschließen, daß ein solcher Anspruch des Klägers besteht.
a) Der Kläger ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch dann wirksam zum Konkursverwalter bestellt worden, wenn es sich bei der Gemeinschuldnerin trotz ihrer Eintragung im Handelsregister nicht um eine Kommanditgesellschaft, sondern um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehandelt haben sollte. Über das Vermögen einer solchen Gesellschaft kann zwar nach geltendem Recht, so wie es Rechtsprechung und herrschende Lehre jedenfalls bisher verstanden haben, kein Konkursverfahren eröffnet werden (BGHZ 23, 307, 313; zum Meinungsstand Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung 10. Auflage Vorbem. B vor § 207 Rdn. 1; Ulmer, Münchener Kommentar zum BGB 2. Aufl. § 705 Rdn. 134 Fn. 336). Ob das richtig ist, wird neuerdings gelegentlich in Zweifel gezogen (vgl. Dieter Neumann, Die Konkursfähigkeit der BGB-Gesellschaft, 1986; in rechtspolitischer Hinsicht: Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Seite 116; dazu K. Schmidt, ZIP 1985, 713, 717f und JZ 1985, 909). Darauf ist hier aber nicht näher einzugehen. Das Prozeßgericht hat den rechtskräftigen Beschluß über die Konkurseröffnung grundsätzlich als wirksam hinzunehmen (RGZ 129, 390, 392; RGZ 136, 97, 99f; Jaeger/Weber, Konkursordnung 8. Aufl. § 109 Rdn. 10 a; OLG Hamburg ZIP 1984, 348, 349; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 105 Rdn. 5, § 109 Rdn. 11 und Vorbem. B vor § 207 Rdn. 2; Kilger, Konkursordnung 15. Aufl. § 74 Rdn. 2 und § 109 Rdn. 7; zweifelnd, aber ohne jede Begründung Kropshofer in Hess/Kropshofer, KO 3. Aufl. § 109 Rdn. 12). Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach ein Hoheitsakt nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren beseitigt werden kann und, solange das nicht geschehen ist, grundsätzlich wirksam ist. Anders ist es nur, wenn der ihm anhaftende Mangel so schwerwiegend ist, daß er als nichtig angesehen werden muß (BGHZ 29, 223; zu weiteren Ausnahmen vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990 – IX ZR 13/90, ZIP 1990, 1591, 1592). Ein solcher Fall kommt hier nicht in Betracht. Wird über das Vermögen einer im Handelsregister als Kommanditgesellschaft eingetragenen Personengesellschaft, die, weil sie kein Gewerbe betreibt, in Wirklichkeit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, das Konkursverfahren eröffnet, dann liegt darin jedenfalls kein so offensichtlicher und schwerwiegender Mangel, daß dies zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führen würde.
b) Das Berufungsgericht hat trotz der Wirksamkeit der Konkurseröffnung gemeint, § 171 Abs. 2 HGB sei hier nicht anwendbar. Die Gemeinschuldnerin sei, so hat es ausgeführt, keine Kommanditgesellschaft, weil sie bis zur Konkurseröffnung kein Gewerbe betrieben habe, und eine rechtsähnliche Heranziehung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht. Ob ersteres zutrifft, kann offenbleiben. Auch wenn es so sein sollte, stehen dem Kläger die Rechte aus § 171 Abs. 2 HGB zu.
aa) Die geschäftsführenden Gesellschafter der Gemeinschuldnerin haben deren Geschäfte unter der Firma einer Kommanditgesellschaft geführt. Die „Kommanditisten” haben durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages ihr Einverständnis damit erklärt, daß jene sie durch ihr rechtsgeschäftliches Handeln im Rahmen der Kommanditistenhaftung, wie sie sich aus § 171 Abs. 1 HGB ergibt, persönlich verpflichteten, und die geschäftsführenden Gesellschafter sind entsprechend dieser – beschränkten – Vertretungsmacht nach außen hin aufgetreten. In einem solchen Fall haften die Gesellschafter so, als handelte es sich wirklich um eine Kommanditgesellschaft. Dies ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso von Gerkan, EWiR § 171 HGB 2/90, S. 1003, 1004) kein Fall einer Rechtsscheinhaftung; die persönliche Verpflichtung der Gesellschafter und der Umfang dieser Verpflichtung beruhen vielmehr auf der den geschäftsführenden Gesellschaftern tatsächlich erteilten Vertretungsmacht. Diese kann in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Weise beschränkt werden, daß die vertretenen Gesellschafter nur mit dem Gesellschaftsvermögen und dem Betrag ihrer Einlagen verpflichtet werden; das muß ein Dritter gegen sich gelten lassen, wenn ihm die Gesellschaft unter der Firma einer Kommanditgesellschaft gegenübertritt (BGHZ 61, 59, 67; Sen.Urt. vom 10. Mai 1971 – II ZR 177/68, WM 1971, 1198, 1199 und vom 29. November 1971 – II ZR 181/68, WM 1972, 21, 22). Der vorliegende Fall liegt insoweit anders als die in den Senatsurteilen vom 13. Juli 1972 (BGHZ 59, 179) und 25. Juni 1973 (BGHZ 61, 59) entschiedenen. Dort ging es jeweils um die Haftung aus einem Wechsel, die sich, wie der Senat ausgeführt hat, nur unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung begründen ließ.
Die Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter ist, soweit es um den die „Bareinlage” übersteigenden Teil der Gesamteinlage geht, durch die Herabsetzung der Beitragsverpflichtung auf die „Bareinlage” nicht eingeschränkt worden. Nach außen blieb es bei der Befugnis der Geschäftsführer, die „Kommanditisten” im Rahmen der im Handelsregister kundgegebenen Haftsumme zu verpflichten.
Die Frage, ob die „Kommanditisten” einer als Kommanditgesellschaft auftretenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend § 176 Abs. 1 HGB unbeschränkt haften, solange die Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen ist (dazu BGHZ 61, 59, 65ff; BGHZ 69, 95, 98ff), spielt hier keine Rolle, weil die Gemeinschuldnerin als Kommanditgesellschaft ins Handelsregister eingetragen worden ist. Damit müssen die „Kommanditisten” für vertragliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft in dem Umfang einstehen, wie er für den Rechtsverkehr aus dem Inhalt des Handelsregisters ersichtlich ist. Der Beklagte haftet daher jedenfalls den Vertragsgläubigern der Gesellschaft grundsätzlich in Höhe des nicht geleisteten Hafteinlagerestes von 120.000,– DM, zuzüglich der ihm zurückgezahlten 5.740,– DM.
bb) Bei einer Kommanditgesellschaft werden die sich aus § 171 Abs. 1 HGB ergebenden Rechte der Gläubiger im Gesellschaftskonkurs vom Konkursverwalter geltend gemacht (§ 171 Abs. 2 HGB). Zweck dieser Vorschrift ist es, die Mittel aus der summenmäßig beschränkten Haftung der Kommanditisten – ebenso wie die Konkursmasse selbst – gleichmäßig auf die Gläubiger, denen gegenüber sie haften, zu verteilen (Sen.Urt. v. 2. Juli 1990 – II ZR 139/89, WM 1990, 1417, 1419 = ZIP 1990, 1009, 1011, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Dieser Grundgedanke der Vorschrift trifft auch zu, wenn in einer BGB-Gesellschaft ein Teil der Gesellschafter wie Kommanditisten auf einen bestimmten Einlagebetrag beschränkt haftet. § 171 Abs. 2 HGB ist inhaltlich Teil des Konkursrechts (Sen.Urt. v. 20. Oktober 1975 – II ZR 214/74, WM 1976, 130, 131). Ist über eine als Kommanditgesellschaft auftretende BGB-Gesellschaft der Konkurs eröffnet und der Eröffnungsbeschluß nicht mehr anfechtbar, dann muß der Konkursverwalter in entsprechender Anwendung des § 171 Abs. 2 KO den Konkurs so durchführen können, als wenn es sich wirklich um eine Kommanditgesellschaft handelte.
Das Berufungsgericht hat gemeint, der analogen Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB stehe entgegen, daß der Kläger in jedem einzelnen Fall prüfen müßte, ob und gegebenenfalls welchem Gläubiger gegenüber der in Anspruch genommene „Kommanditist” aus veranlaßtem Rechtsschein hafte; dies könnte unter Umständen sehr schwierig und zeitraubend sein. Es handelt sich indessen, wie oben ausgeführt worden ist, hier nicht um eine Haftung aus Rechtsschein, sondern aus vertraglicher Verpflichtung aufgrund einer wirksamen, aber hinsichtlich des Haftungsumfangs beschränkten Vertretungsmacht. Der Konkursverwalter ist daher nicht genötigt, die tatsächlichen Umstände aufzuklären, die Voraussetzung für eine Rechtsscheinhaftung wären. Ob die Gesellschafter auch für gesetzliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ist hier nicht zu erörtern. Es handelt sich dabei um Rechtsfragen. Daß der Konkursverwalter ihnen unter Umständen nachgehen muß, steht der grundsätzlichen – entsprechenden – Anwendbarkeit des § 171 Abs. 2 HGB nicht im Wege.
cc) Der Beklagte hat geltend gemacht, seine Hafteinlage werde nur benötigt, wenn die Konkursforderung der Hauptgläubigerin, der Landesbank, zu Recht bestehe; das sei jedoch aus verschiedenen Gründen nicht der Fall. Zwischen der Gemeinschuldnerin und der Landesbank sei, so hat er behauptet, vereinbart worden, daß die Kommanditgesellschaft nur für einen bestimmten Teil des den Objektgesellschaften gewährten Kredits haften solle; außerdem habe die Kreditgeberin auf die Inanspruchnahme der Kommanditisten über die jeweilige „Bareinlage” hinaus verzichtet. Diese Einwendungen sind erheblich. Das Berufungsgericht, das ihnen – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nicht nachgegangen ist, wird das nachholen müssen. Soweit der Beklagte freilich meint, mit eigenen Schadensersatzansprüchen gegen die Darlehensforderung der Bank aufrechnen zu können, ist das für den vom Konkursverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB geltend gemachten Anspruch unerheblich. Der Kommanditist kann diesem Anspruch nur solche persönlichen Einwendungen entgegenhalten, die ihm nicht nur gegenüber einzelnen, sondern gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern zustehen (Staub/Schilling, HGB 4. Aufl. § 171 Rdn. 21).
3. Damit die danach noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 647900 |
BGHZ, 216 |
BB 1991, 438 |
NJW 1991, 922 |
ZIP 1991, 233 |
JZ 1991, 1035 |
JuS 1991, 604 |