Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Bemessung des Bestimmungsrahmens, wenn bei einem der Höhe nach unbestimmten Vertragsstrafeversprechen das Bestimmungsrecht des Gläubigers durch einen Höchstbetrag begrenzt wird (Ergänzung zu BGH Urt. v. 12.07.1984 – I ZR 123/82, GRÜR 1985, 155 = WRP 1985, 22 – Vertragsstrafe bis zu … I).
Normenkette
BGB §§ 315, 339
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.12.1982) |
LG Karlsruhe |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Dezember 1982 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, die in Bruchsal den Einzelhandel mit Fernsehgeräten betreibt, warb am 18. Februar 1981 in der Bruchsaler Rundschau mit einer Anzeige, in der es unter anderem heißt:
„Wir haben nicht nur die preiswertesten, sondern auch die schönsten und komfortabelsten Farbfernsehgeräte der Welt in unserem Angebot!”
Der Kläger, ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen des Einzelhandels, hat das als eine sich auf Preis, Aussehen und Ausstattung der Geräte beziehende irreführende Alleinstellungswerbung beanstandet und nach erfolgloser Abmahnung der Beklagten auf Unterlassung geklagt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte erklärt,
sie verpflichte sich unter Übernahme einer Vertragsstrafe bis zu 3.000,– DM, es künftig zu unterlassen, für den Absatz von Fernsehgeräten mit dem Hinweis zu werben, sie habe die preiswertesten Farbfernsehgeräte der Welt angeboten.
Der Kläger hat die Annahme der Unterwerfungserklärung als zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht ausreichend abgelehnt, weil sie die Höhe der im Verletzungsfall verwirkten Vertragsstrafe offenlasse.
Er hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, in öffentlichen Bekanntmachungen und Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, die vorgenannte Werbung zu unterlassen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat ausgeführt: In bezug auf die „schönsten” und „komfortabelsten” Farbfernsehgeräte sei die Werbung wahr. Für den übrigen Teil der Werbeaussage habe ihre Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: die Werbung mit den „schönsten und komfortabelsten Farbfernsehgeräten” sei nicht wettbewerbswidrig, sie sei insbesondere keine täuschende Alleinstellungswerbung, weil es sich im wesentlichen um auf subjektiver Beurteilung beruhende Übertreibungen handele, die der Verkehr auch als solche erkenne und in denen er im allgemeinen keine oder nur sehr eingeschränkt eine objektiv überprüfbare Angabe erblicke. Soweit der Verkehr möglicherweise unter „komfortabelsten” Geräten solche verstehe, deren Bedienungsausstattung und Wiedergabeleistung optimal seien, habe der Kläger nicht in Abrede gestellt, daß die Beklagte derartige Geräte im Angebot führe.
Die Werbung mit dem Hinweis auf die „preiswertesten” Farbfernsehgeräte sei zwar, weil der Verkehr sie als objektive Aussage über die Preisgestaltung auffasse und ein Vergleich mit den Preisen anderer Anbieter nahegelegt werde, anders zu beurteilen. Doch sei insoweit aufgrund der strafbewehrten Unterwerfungserklärung die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr entfallen. Dem stehe nicht entgegen, daß die Höhe der Strafe nicht fest bestimmt gewesen sei, sondern im Zuwiderhandlungsfall vom Kläger als Gläubiger habe bestimmt werden sollen. Im Hinblick auf die Obergrenze der versprochenen Vertragsstrafe – 3.000,– DM – sei die Erklärung der Beklagten nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügend gewesen. Die Beklagte habe die beanstandete Werbeaussage nicht wiederholt, und es sei auch sonst kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß sie sich an die Unterwerfungserklärung in Zukunft nicht halten werde.
II. Die Revision wendet sich allein gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß hinsichtlich der in der Gesamtwerbung enthaltenen und von ihm als irreführend angesehenen Angabe „die preiswertesten Farbfernsehgeräte der Welt” die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei.
1. Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, daß infolge dieser Beschränkung – unter Weiterverfolgung des uneingeschränkten Klageantrags – die Revision unzulässig sei, weil sie nicht auch angreife, daß das Berufungsgericht in den in der Werbung mit enthaltenen Angaben „die schönsten und komfortabelsten Farbfernsehgeräte der Welt” (als übertriebene Anpreisung) keine irreführende Tatsachenbehauptung im Sinne des § 3 UWG gesehen hat. Denn der Klageantrag ist in zulässiger Weise auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichtet, die aus einer mehrere Angaben in charakteristischer Weise verbindenden Formulierung besteht und – wie das Berufungsgericht unbeanstandet festgestellt hat – vom Kläger nur „als Einheit”, nicht aber – wovon die Revisionserwiderung auszugehen scheint – getrennt nach drei selbständigen Verbotsformen angegriffen worden ist.
2. Sachlich kann die Revision keinen Erfolg haben, da die Annahme des Berufungsgerichts, die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten habe die Wiederholungsgefahr beseitigt, im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12.7.1984 – I ZR 123/82 (WRP 1985, 22 – Vertragsstrafe bis zu … I) entschieden, daß eine Unterwerfungserklärung auch dann zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignet sein kann, wenn die versprochene Vertragsstrafe der Höhe nach unbestimmt und im Zuwiderhandlungsfall vom Gläubiger festzusetzen ist, und daß dies unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen auch dann gelten kann, wenn das Bestimmungsrecht des Gläubigers durch eine Obergrenze beschränkt sein soll. Wie der Senat in seinem Urteil ausgeführt hat, muß jedoch bei der Frage der Angemessenheit des Vertragsstraferahmens auch berücksichtigt werden, daß ein Vertragsstrafeversprechen, das die Bestimmung der Höhe der Strafe im Verletzungfall dem Gläubiger überläßt, diesen im allgemeinen schlechter stellt als ein Vertragsstrafeversprechen mit einem festen Betrag; denn er läuft dabei die zusätzliche Gefahr, daß seine Beurteilung der Angemessenheit der gerichtlichen Nachprüfung nicht standhält. Für den Verletzter ergibt sich daraus der – auch bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr und der Frage nach ihrer Beseitigung zu berücksichtigende – Vorteil, daß der Gläubiger im Hinblick auf einen möglicherweise andernfalls zu führenden Rechtsstreit und auf das damit für ihn verbundene Prozeßrisiko dazu neigen wird, einen niedrigeren Betrag zu bestimmen, als nach der Schwere der Zuwiderhandlung angemessen wäre. Dieses Ungleichgewicht der Interessen kann in der Regel nur dadurch ausgeglichen werden, daß die Obergrenze des Vertragsstraferahmens die Höhe eines fest zu vereinbarenden Betrages in angemessener Weise übersteigt. Was als angemessen zu gelten hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist insbesondere auch das Ausmaß der Wiederholungsgefahr zu beachten sowie ferner, ob und in welchem Umfange bei der Bildung der Strafobergrenze nach dem Willen des Verletzters oder der Vertragsparteien auch bereits schwerer als die begangene Verletzungshandlung wiegende Verstöße gegen die Unterlassungspflicht berücksichtigt sein sollten. Als ungefähren Richtwert einer Obergrenze für den Regelfall hat der Senat (aaO) das Doppelte der im jeweiligen Fall als „fester” Betrag angemessen erscheinenden Vertragsstrafe genannt.
Diese Erwägungen waren dem Berufungsgericht bei seiner vor Verkündung des genannten Senatsurteils erlassenen Entscheidung zwar noch nicht bekannt; gleichwohl hält seine Entscheidung der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn zu diesem Ergebnis hätte – was das Revisionsgericht auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts und des unstreitigen Parteivortrags, insbesondere des Textes und der Gestaltung der Werbeanzeige, aus eigener Sachkunde beurteilen kann – auch die Anwendung der Grundsätze der zitierten Senatsentscheidung führen müssen.
Auf der Grundlage der Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Verkehr anders als die Hinweise auf die „schönsten und komfortabelsten” – die Werbung mit „preiswertesten Farbfernsehgeräten der Welt” als ernst gemeinte und über die Preiswürdigkeit irreführende Angabe auffaßt, ist für die Beurteilung der Angemessenheit der angebotenen Vertragsstrafe davon auszugehen, daß gleichwohl der beanstandeten Werbung nach Inhalt, Art und Ausgestaltung keine allzu große Bedeutung zukommt. Der Werbetext ist in Kleinformat innerhalb einer umfangreichen Anzeige ohne besondere Hervorhebung eher unauffällig angebracht; die ganze Anzeige ist in einer Zeitung mit örtlich begrenztem Einzugsgebiet erschienen; und auch die Art und Größe des in einer kleinen Stadt ansässigen werbenden Unternehmens lassen die angegriffene Handlungsweise verhältnismäßig geringfügig erscheinen.
Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wäre hier das Angebot einer Vertragsstrafe mit einem festen Betrag von erheblich unter 3.000,– DM ausreichend und angemessen gewesen, so daß auch bei Berücksichtigung der vom Senat im Urteil vom 12.7.1984 (aaO) gegebenen Anhaltspunkte die Beurteilung des hier abgegebenen Zahlungsversprechens bis zu 3.000,– DM als ausreichend für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden kann.
Die von der Revision zusätzlich gerügte Art der Formulierung der Unterlassungsverpflichtungserklärung bietet ebenfalls keinen Anlaß, die Ernstlichkeit des Unterlassungswillens – und damit die Beseitigung der Wiederholungsgefahr – in Frage zu stellen. Einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe für „jeden Fall der Zuwiderhandlung” bedurfte es entgegen der Revisionsmeinung nicht, da eine solche Verpflichtung im Wege der Auslegung auch der von der Beklagten gewählten Fassung ihrer Erklärung zu entnehmen ist.
Das Berufungsgericht brauchte schließlich unter den hier gegebenen Umständen die Ernstlichkeit des Unterlassungswillens auch nicht deshalb anzuzweifeln, weil die Beklagte ihre Erklärung nicht unwiderruflich und nicht mit zum Ausdruck gebrachtem Bindungswillen auch über die Annahmefrist des § 147 BGB hinaus abgegeben hat (vgl. BGH Urt. v. 15.03.1984 – I ZR 74/82, GRUR 1984, 593, 595 = WRP 1984, 394 – adidas-Sportartikel; Urt. v. 12.07.1984 – I ZR 123/82, WRP 1985, 22, 24 – Vertragsstrafe bis zu … I). Auch von der Revision wird dies weder als verfahrensfehlerhaft gerügt noch in sonstiger Weise beanstandet.
3. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
v. Gamm, Piper, Erdmann, Teplitzky, Scholz-Hoppe
Fundstellen
Haufe-Index 1502340 |
NJW 1985, 2021 |
GRUR 1985, 937 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1985, 308 |