Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erstattung des Verkehrswertes zweier Grundstücke
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung des Auflassungsanspruchs aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB gemäß Art. 233 § 14 EGBGB steht auch der Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 4 EGBGB entgegen.
Stimmen der Wille des Erklärenden und das Verständnis des Erklärungsempfängers von der Bedeutung der Erklärung überein, kommt eine abweichende Auslegung nicht in Betracht.
Normenkette
EGBGB Art. 233 §§ 14, 12 Abs. 2, § 11 Abs. 3 S. 4
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Dezember 1995 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 30. Mai 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Zahlungsanspruch des Klägers im Zusammenhang mit zwei Grundstücken aus der Bodenreform.
Als Eigentümerin der beiden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke war bei Ablauf des 15. März 1990 die Mutter der Beklagten, Gertrud T., im Grundbuch eingetragen. Sie war am 5. Juni 1988 verstorben. Die Beklagte ist ihre alleinige Erbin.
Durch Vertrag vom 27. Oktober 1993 verkaufte sie die Grundstücke für insgesamt 30.000 DM an die Gemeinde O. bewilligte die Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Gemeinde und ließ das Eigentum an den Grundstücken der Gemeinde auf. Das Grundbuchamt unterrichtete den klagenden Freistaat (im folgenden: Kläger) am 23. Dezember 1993 von dem Antrag auf Eintragung der Vormerkung zugunsten der Gemeinde. Mit Verfügung vom 29. Dezember 1993 erhob der Kläger Widerspruch. Am 9. Februar 1994 trug das Grundbuchamt zur Sicherung des Anspruchs des Klägers auf Auflassung der Grundstücke eine Vormerkung mit Rang vor der gleichzeitig zugunsten der Gemeinde eingetragenen Auflassungsvormerkung in das Grundbuch ein. Die zugunsten des Klägers eingetragene Vormerkung wurde auf Antrag der Beklagten am 9. September 1994 gemäß Art. 233 § 13 Abs. 5 EGBGB gelöscht.
Mit der am 3. Mai 1995 der Beklagten zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 4 EGBGB auf Zahlung von 52.104 DM zuzüglich 6,2473 % Zinsen seit Zustellung der Klage in Anspruch. Auf diesen Betrag beziffert er den Verkehrswert der Grundstücke.
Das Landgericht hat die Klage auf die von der Beklagten aus Art. 233 § 14 EGBGB erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr Zug um Zug gegen Übernahme der Verbindlichkeiten dem Grunde nach sowie wegen eines Teilbetrages in Höhe von 10.380 DM zuzüglich 4 % Zinsen stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Soweit die Beklagte den Verkehrswert der Grundstücke in Höhe von 10.380 DM zugestanden habe, sei durch Teilurteil zugunsten des Klägers zu erkennen, im übrigen durch Grundurteil die Berechtigung des Klageanspruchs auszusprechen. Die Beklagte sei nicht zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB. Gemäß Art. 233 §§ 11 Abs. 3 Satz 4, 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB könne der Kläger daher von ihr Zahlung des Verkehrswertes der Grundstücke verlangen. Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Die in Art. 233 § 14 EGBGB bestimmte Verjährungsfrist finde allein auf den Auflassungsanspruch aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB Anwendung; die Verjährung des Zahlungsanspruchs aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 4 EGBGB sei nach § 195 BGB zu bestimmen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Der Zulässigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts durch das angefochtene Grund- und Teilurteil begegnen entgegen der Meinung der Revision keine Bedenken. Die Beklagte bestreitet den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für bestehend erachtet. Gemäß § 304 Abs. 1 ZPO konnte es mithin hierüber vorab entscheiden. Darüber hinaus konnte es zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 301 Abs. 1 ZPO durch Teilurteil insoweit entscheiden, als es die Auffassung vertreten hat, die Beklagte habe den Wert des Grundstücks nicht bestritten. Damit ist über den Anspruch des Klägers allein insoweit nicht entschieden, wie es zu seiner Höhe Feststellungen bedarf. Selbst wenn diese ergäben, daß eine über den ausgeurteilten Betrag hinausgehende Forderung des Klägers gegen die Beklagte nicht besteht, führte dies zu keiner Entscheidung, die in Widerspruch zu dem angefochtenen Urteil träte. Die von der Revision angenommene Gefahr einander widersprechender Entscheidungen (vgl. BGHZ 107, 236, 242; Urt. v. 10. April 1990, XII ZR 32/89, NJW 1991, 570, 571 und 10. Oktober 1991, III ZR 93/90, NJW 1992, 911) besteht mithin nicht.
III.
Der Anspruch des Klägers auf Auflassung der Grundstücke ist gemäß Art. 233 § 14 EGBGB seit Ablauf des 9. August 1994 verjährt. Dies steht auch dem geltend gemachten Anspruch auf Erstattung ihres Verkehrswertes entgegen.
1.
Durch die als Art. 233 §§ 11 ff EGBGB durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz in das EGBGB eingefügten Regelungen wurde die im Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 (GBl I, 134) vom Gesetzgeber der DDR unterlassene Regelung der Rechtsstellung der Erben der Begünstigten aus der Bodenreform nachgeholt (Senatsurt. v. 16. Februar 1996, V ZR 208/94, WM 1996, 1194, zur Veröffentlichung in BGHZ 132, 71 vorgesehen). Dies geschieht in pauschalierter Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der (Ersten) und Zweiten Besitzwechselverordnung vom 9. September 1975 bzw. 7. Januar 1988 (GBl I, 1975, 629; 1988, 25). Soweit nach diesen die dem eingetragenen Verstorbenen aus dem Bodenfonds zugewiesenen Grundstücke seinem Erben zuzuteilen waren, führt die Nachzeichnung der Grundsätze der Besitzwechselverordnungen zur Beständigkeit des gesetzlichen Erwerbs des Erben gemäß Art. 233 § 11 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 EGBGB oder zu einem Erwerbsanspruch des im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 EGBGB besser Berechtigten. Schied nach den Besitzwechselverordnungen eine Zuteilung an einen Erben aus, war das Grundstück in den Bodenfonds zurückzuführen. Wurde die Rückführung unterlassen, hat die Auflassung gemäß Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB an den Fiskus zu erfolgen. In dessen Erwerbsanspruch setzt sich die unterlassene Rückführung fort (Senatsurteile v. 16. Februar 1996, V ZR 208/94, WM 1996, 1194, 1196 und v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865).
Fehlt es an einem besser Berechtigten im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 EGBGB, ist der gesetzliche Erwerb des Erben beständig. Andernfalls wird mit dem Erwerb des Eigentums durch den besser Berechtigten grundsätzlich der Rechtszustand erreicht, der sich bei Anwendung der Besitzwechselvorschriften durch die Behörden der DDR nach dem Tod des Eingetragenen ergeben hätte.
2.
Ein primär auf Zahlung gerichteter Anspruch ist mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbar. Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 4 EGBGB gewährt einen Zahlungsanspruch nur als Ersatz für den Auflassungsanspruch. Ein Zahlungsanspruch läuft überdies dem Gedanken zuwider, die vom Gesetzgeber der DDR unterlassene Zuordnung des Eigentums an den Grundstücken aus der Bodenreform nachzuholen. Art. 233 §§ 11 ff EGBGB sahen in der Fassung des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes einen solchen Anspruch daher nicht vor. Im Rahmen des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes wurden die Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform in Art. 233 §§ 11 ff EGBGB ergänzt. Eine Änderung von Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB durch Schaffung eines auf Zahlung gerichteten Anspruchs war im Gesetzesvorschlag der Bundesregierung nicht enthalten (BT-Drucks. 12/5553 S. 27). Zu ihr kam es erst aufgrund des Vorschlags des Bundesrats, Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB durch Satz 4 zu ergänzen. Hierdurch sollte dem Berechtigten die Möglichkeit eröffnet werden, "unmittelbar eine Geldzahlung zu verlangen" (BR-Beschl. v. 9. Juli 1993, BR-Drucks. 360/93 S. 65). Dem folgte der Rechtsausschuß des Bundestages insoweit, als er vorschlug, Art. 233 § 11 Abs. 3 in der vom Bundesrat gewünschten Weise zu ergänzen. Gleichzeitig stellte er durch Einfügung von Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 5 jedoch den systematischen Zusammenhang zu Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB wieder her: Der Verpflichtete ist hiernach berechtigt, den Zahlungsanspruch des Berechtigten aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 4 EGBGB durch Auflassung des Grundstücks zu erfüllen (Entwurf des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes i.d.F. des Beschlusses des Rechtsausschusses des Bundestages vom 9. November 1993, S. 113). Dem ist der Gesetzgeber gefolgt.
Für die Auslegung von Art. 233 § 11 Abs. 3 folgt hieraus, daß der Anspruch auf Zahlung nicht eigenständig neben dem Anspruch auf Auflassung besteht. Es besteht vielmehr primär nur ein Anspruch auf Auflassung. Dieser Anspruch erfährt durch die Geltendmachung des Zahlungsverlangens eine inhaltliche Änderung, die der Verpflichtete nicht hinzunehmen braucht, sondern durch Auflassung abwenden kann. Die Befugnis, anstelle der Auflassung Zahlung zu verlangen, setzt das Bestehen des Anspruchs auf Auflassung voraus und unterliegt daher denselben Einschränkungen.
Eine Einrede, die dem Auflassungsanspruch entgegengehalten wird, hindert daher auch die Durchsetzung eines Anspruchs auf Zahlung. Kann der Berechtigte die Auflassung im Hinblick auf die vom Verpflichteten aus Art. 233 § 14 EGBGB erhobene Einrede der Verjährung nicht erzwingen, kann er ihn auch nicht zur Erfüllung eines Zahlungsverlangens zur Auflassung veranlassen. Der Anspruch auf Auflassung des Grundstücks ist vielmehr auch in seiner Ausgestaltung als Zahlungsanspruch verjährt (LG Chemnitz VIZ 1995, 475; Palandt/Bassenge, BGB, 56. Aufl., Art. 233 § 14 Rdn. 1; Eickmann, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, Art. 233 EGBGB § 14 Rdn. 4; Staudinger/Rauscher, BGB, 1996, Art. 233 § 14 EGBGB Rdn. 3).
Einer ausdrücklichen Anpassung der Verjährungsvorschrift in Art. 233 § 14 EGBGB durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz bedurfte es nicht. Daß diese Bestimmung durch das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz keine Anpassung erfahren hat, kann indessen zu Mißverständnissen Anlaß geben. Im Rahmen des vorgeschlagenen Nutzerschutzgesetzes soll eine Klarstellung im aufgezeigten Sinn erfolgen (BT-Drucks. 13/2022, S. 6, 17).
Die Verjährung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs begann mit seinem Entstehen durch das Inkrafttreten des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 25. Dezember 1993. Sie würde grundsätzlich am 2. Oktober 2000 enden. Durch die Eintragung der Vormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruchs des Klägers am 9. Februar 1994 wurde die Verjährungsfrist auf die Dauer von sechs Monaten seit Eintragung der Vormerkung verkürzt. Seit Ablauf des 9. August 1994 ist der mit der Klage verfolgte Anspruch mithin verjährt.
IV.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
1.
Das Berufungsgericht hat sich von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, die Beklagte habe auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Der Hinweis der Revisionserwiderung hierauf führt nicht zu einer Entscheidung im Sinne des Klägers.
Der Kläger hat der Beklagten eine seinerseits vorbereitete Erklärung übermittelt, nach welcher sie den seinerzeit geltend gemachten Anspruch auf Auflassung der Grundstücke anerkenne und auf die Einrede der Verjährung verzichte. Diese Erklärung hat die Beklagte unterzeichnet und an den Kläger als Anlage zu ihrem Schreiben vom 21. März 1994 zurückgesandt. In diesem hat sie ausgeführt, mit dem Verlangen des Klägers nicht einverstanden zu sein. Der Kläger hat die erbetenen Erklärungen der Beklagten als versagt angesehen und der Beklagten als Anlage zu seinem Schreiben vom 12. April 1994 noch einmal die von ihm vorformulierten Erklärungen zur Unterzeichnung beigefügt. Dieser Bitte ist die Beklagte nicht nachgekommen und hat damit die von ihr erbetenen Erklärungen verweigert.
Die Erklärung der Beklagten vom 21. März 1994 kann nicht, wie die Revisionserwiderung geltend macht, dahin ausgelegt werden, die Beklagte habe sich lediglich geweigert, den Anspruch des Klägers anzuerkennen, während sie auf die Erhebung der Einrede der Verjährung entsprechend der Bitte des Klägers verzichtet habe. Eine Erklärung dieses Inhalts wollte die Beklagte nicht abgeben. Der Kläger hat ihre Erklärung auch nicht in diesem Sinne verstanden. Der Wille der Beklagten bei Abgabe ihrer Erklärung und das Verständnis des Klägers vom Inhalt der Erklärung der Beklagten decken sich. Damit ist für eine abweichende Auslegung kein Raum.
2.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, daß der Kläger seine Unterrichtung durch das Grundbuchamt von der beantragten Eintragung der Gemeinde O. als Eigentümerin in das Grundbuch zum Anlaß genommen hat, auch dieser Verfügung der Beklagten zu widersprechen, und neuerlich die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung seines Anspruches auf Auflassung in das Grundbuch erreicht hat. Der auf der unterlassenen Rückführung der Grundstücke in den Bodenfonds beruhende Anspruch des Klägers auf Auflassung entstand mit dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes am 22. Juli 1992. Gemäß Art. 233 § 14 EGBGB ist er aufgrund der zu seiner Sicherung am 9. Februar 1994 in das Grundbuch eingetragenen Vormerkung seit Ablauf des 9. August 1994 verjährt. Die Tatsache, daß der Kläger im Hinblick auf die beantragte Eintragung der Gemeinde O. als Eigentümerin in das Grundbuch wiederum die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung seines Auflassungsanspruchs in das Grundbuch erreicht hat, macht die eingetretene Verjährung nicht ungeschehen.
Unterschriften
Hagen
Lambert-Lang
Tropf
Krüger
Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1456268 |
MDR 1997, 632 |