Leitsatz (amtlich)

›Als der Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 3 ARB kann bei einem Aktivprozeß des Versicherungsnehmers auch sein eigener Verstoß gelten.‹

 

Verfahrensgang

LG Essen

OLG Hamm

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für eine noch nicht rechtshängige Werklohnklage Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung.

Der Versicherungsschein vom 19. Main 1979, nach dem die Parteien die Geltung der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) vereinbart haben, trägt die Vermerke: "Beginn der Versicherung 4.5.1979 0.00 Uhr - Ablauf 4.5.1980 0.00 Uhr", "Firmen-Vertrags-RS PAR. 24. Abs. 3 Ziff. 1 ARB", "Mindeststreitwert: 300,- DM", "Wartezeit entfällt".

Die Klägerin leitet ihre Werklohnforderung in Höhe von 45.900,- DM gegen mehrere in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßte Unternehmen (ARGE) aus einem Vertrag mit der ARGE vom 19. Juli 1978 her. Danach sollte sie Feuerschutz- und Stahltüren liefern und einbauen. Der Vertrag sah vor, daß erste Einbauarbeiten Mitte Oktober 1978, weitere nach Baufortschritt auf Abruf vorgenommen werden sollten.

Mit Fernschreiben vom 18. April 1979 verlangte die ARGE eine spezielle Ausführung sämtlicher Metallarbeiten. Die Arbeiten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Nach einer Besprechung mit der Klägerin vom 14. Mai 1979 verlangte die ARGE in mehreren Fernschreiben und Schreiben seit dem 28. Mai 1979 die Aufnahme und später die Weiterführung der Arbeiten; einige dieser Fernschreiben oder Schreiben enthielten Fristsetzungen. Die Klägerin ihrerseits forderte mit Schreiben vom 21. August und 12. September 1979 die ARGE zu Abschlagszahlungen in Höhe von 28.200,- und 17.700,- DM, zusammen 45.900,- DM auf. am 22. Oktober 1979 fand ein Baustellengespräch statt, in dem Fertigstellungsfristen vereinbart wurden. Nach einem Fernschreiben der Klägerin vom gleichen Tage erklärte die ARGE mit Schreiben vom 25. Oktober 1979 die Kündigung des Werkvertrages und begründete diese damit, daß die Klägerin nach wie vor nicht in der Lage und gewillt sei, die vereinbarte Nachfrist einzuhalten. Bei einer Leistungserfassung auf der Baustelle am 18. Dezember 1979 wurden bisher erbrachte Leistungen der Klägerin von rund 47.000,- DM festgestellt. Mit Schreiben vom 6. Februar 1980 beanstandete die ARGE das Fehlen von Teilleistungen und machte fünf aufgeschlüsselte Gegenforderungen in der Gesamthöhe von 124.041,18 DM geltend. Durch Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 22. April 1980 begründete die ARGE die Nichtzahlung der Abschlagsrechnungen als Folge vorangegangener Ereignisse und führte aus, im Herbst 1978 seien die Vorleistungen aus anderen Gewerken bereits erbracht, selbst ein Jahr später die Türen aber noch nicht eingebaut gewesen.

Die Klägerin meint, der Versicherungsfall sei eingetreten, als die ARGE am 4. Oktober 1979 die Zahlung der angeforderten Abschlagsbeträge verweigert habe. Die angeblichen Verstöße der Klägerin, auf welche die ARGE ihre Weigerung stütze, lägen in der Zeit nach dem Versicherungsbeginn am 4. Mai 1979. Der für Mitte Oktober 1978 vorgesehene Baubeginn sei aufgrund der Besprechung vom 14. Mai 1979 überholt gewesen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe nach dem Vorbringen der ARGE schon vor dem 4. Mai 1979 gegen ihre Verpflichtungen verstoßen. Zudem sei die Klage ohne jede Erfolgsaussicht. Die im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte Stellungnahme des Rechtsanwalts der Klägerin sei offenbar unzutreffend. Zudem hat sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da die Klägerin trotz schriftlicher Frage arglistig verschwiegen habe, daß ihre frühere Rechtsschutzversicherung wegen Schadenshäufigkeit gekündigt worden sei.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 2.770,35 DM - das ist der Betrag, den der Rechtsanwalt der Klägerin von dieser als Gerichtskosten- und Anwaltskostenvorschuß gefordert hat - und auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist nur hinsichtlich des Feststellungsbegehrens erfolgreich gewesen (VersR 1982, 749). Mit ihren zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre ursprünglichen Prozeßziele in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet.

I. Die Revision der Beklagten.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beklagte sich nicht durch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vom Versicherungsvertrag lösen. Die auf der Rückseite des Antragsformulars abgedruckte Frage nach Vorversicherungen habe die Klägerin zwar unbeantwortet gelassen. Es können aber nach der Aussage des Versicherungsvertreters, der das Formular nach Behauptung der Klägerin ausgefüllt habe, nicht festgestellt werden, daß der Geschäftsführer der Klägerin überhaupt Kenntnis von der Frage erlangt habe.

Die dagegen von der Revision erhobenen Rügen aus § 286 ZPO hat der Senat geprüft. Sie bleiben ohne Erfolg (§ 565 a ZPO).

2. Das Berufungsgericht meint, der Versicherungsfall sei innerhalb des versicherten Zeitraumes, also - im Hinblick auf das Entfallen der Wartezeit - nach dem 3. Mai 1979 und vor dem 4. Mai 1980 eingetreten. Allerdings beschränke sich der Versicherungsfall bei Aktivprozessen des Versicherungsnehmers nicht auf tatsächliche oder behauptete Verstöße des Gegners. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB löse allgemein auch ein vom Versicherungsnehmer selbst begangener Verstoß gegen Rechtspflichten den Versicherungsfall aus. Das gelte auch für Aktivprozesse des Versicherungsnehmers.

Maßgeblich für den Eintritt des Versicherungsfalls sei nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 ARB die Behauptung des ersten adäquat ursächlichen Rechtsverstoßes. Der angebliche Verstoß müsse für sich allein betrachtet nach der Lebenserfahrung geeignet sein, den Rechtskonflikt auszulösen oder zumindest noch erkennbar nachgewirkt und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit mit ausgelöst haben. Damit würden nicht nur nachträglich vorgebrachte Verstöße ausgeschieden, sondern auch solche, die als mehr oder weniger unerhebliches "Kolorit" vor oder in einem Rechtsstreit geltend gemacht würden.

Um solches "Kolorit" handele es sich bei den Beanstandungen, die die ARGE für die Zeit vor dem Versicherungsbeginn erhebe. Dagegen bezögen sich ihre sachlichen Einwendungen auf Geschehnisse, die in die Zeit danach fielen. Dies ergebe sich aus den während des Prozesses vervollständigten Unterlagen der Klägerin.

3. In seinem Urteil vom 20. Oktober 1982 (IVa ZR 48/81, VersR 1983, 125) hat der Senat ausgeführt, der Versicherungsfall gelte gemäß § 14 Abs. 3 ARB als eingetreten, sobald der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter gegen Rechtspflichten oder Vorschriften verstoßen habe. Bei einer Reihe von sich wiederholenden Verstößen habe bereits der erste - behauptete - Verstoß, aus welchem später die Notwendigkeit kostenverursachenden Rechtsschutzes folge, als der Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 3 ARB zu gelten. In jenem Rechtsstreit begehrte der Versicherungsnehmer als Beklagter Leistungen der Rechtsschutzversicherung. Deshalb brauchte der Senat die weitergehende Frage, ob bei Aktivprozessen des Versicherungsnehmers seine eigenen Verstöße oder solche Dritter oder aber nur die des Gegners maßgeblich sind, noch nicht zu entscheiden. Käme es bei einem Leistungsbegehren des Versicherungsnehmers nur auf den ersten - behaupteten - Verstoß des Gegners an, dann wäre der Eintritt des Versicherungsfalles hier ohne weiteres zu bejahen. Die von der ARGE verweigerten Abschlagszahlungen hat die Klägerin erst im August und September 1979 verlangt.

Diese umstrittene Frage (umfassender Nachweis zum Streitstand bei Harbauer, Rechtsschutzversicherung 2. Aufl., § 14 Rdn. 51) ist mit dem Berufungsgericht und der überwiegenden Meinung dahin zu beantworten, daß für Leistungsbegehren des Versicherungsnehmers auch im Rahmen des Vertragsrechtsschutzes nach § 14 Abs. 3 ARB nichts anderes als bei der vom Senat bereits ausdrücklich behandelten Rechtsverteidigung gelten kann.

a) § 14 Abs. 3 ARB vermeidet deutlich jede Unterscheidung hinsichtlich des Verhaltens des Versicherungsnehmers, für welches er Rechtsschutz begehrt. Danach ist für die Bestimmung des Versicherungsfalles gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer angreifen oder sich verteidigen will, ob er das in einem Rechtsstreit in der Rolle des Klägers oder der des Widerklägers oder der des Beklagten oder außerhalb eines Rechtsstreites beabsichtigt oder bereits tut. Nach der Definition der ARB soll erkennbar jedes denkbare Rechtsschutzziel des Versicherungsnehmers erfaßt werden. Dies wird unterstrichen dadurch, daß der - behauptete - Verstoß des Versicherungsnehmers selbst unterschiedslos dem des Gegners und sogar dem eines Dritten gleichgestellt wird. Deshalb sind Zweifel in der Richtung, ob nicht bei einem Leistungsbegehren des Versicherungsnehmers etwas anderes gelten könne, unbegründet. Der Wortlaut von § 14 Abs. 3 ARB ist dahin zu verstehen, daß für die Frage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles nicht zwischen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unterschieden werden soll.

b) Demgegenüber ist ohne Bedeutung, daß der Begriff "adäquat" in § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB, der zur näheren Kennzeichnung der Ursächlichkeit des Verstoßes verwendet wird, wie auch sonst im Sinne einer wertenden Beurteilung ausgelegt werden muß, die von praktisch vernünftigen Abgrenzungskriterien ausgeht. Diese wertende Beurteilung kann die vom Berufungsgericht als "Kolorit" bezeichneten Umstände als für § 14 Abs. 3 ARB unmaßgeblich ausscheiden. Auch wenn danach in Grenzfällen eine eindeutige Prognose nicht immer zu treffen ist, muß das hingenommen werden. Die Beschreibung eines Versicherungsfalles im Bedingungswerk kann häufig nicht anders als generalisierend und pauschalierend sein, um nicht in Kasuistik ihre Übersichtlichkeit zu verlieren. Solche Folgen in Grenzfällen können umso eher hingenommen werden, als sie nur zu Beginn der Rechtsschutzversicherung auftreten, die doch aber in der Regel für längere Zeiträume abgeschlossen wird.

c) Für das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts spricht entscheidend die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Die Entstehungsgeschichte kann bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die Absichten des Versicherers in den auszulegenden Bestimmungen einen hinreichend deutlichen, dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Niederschlag gefunden haben (Senatsurteil BGHZ 79, 76, 88). Das ist hier wie ausgeführt der Fall.

Die früheren Sonderbedingungen für Vertragsrechtsschutz (VerBAV 1963, 107; 1964, 159) unterschieden ausdrücklich Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung und ordneten ersterer die Verstöße des Gegners, letzterer aber die des Versicherungsnehmers als Versicherungsfall zu. Diese Unterscheidung wurde bei der Neufassung der ARB aufgegeben, weil sich gezeigt hatte, daß auch in den Fällen einer Rechtsverfolgung durch den Versicherungsnehmer sich der Konflikt an einem von diesem angeblich begangenen Verstoß entzünden konnte (vgl. Ridder in Studien zur Rechtsschutzversicherung 1975 S. 121; Matzen VersR 1977, 762).

d) Auch eine ergänzende Regelung der ARB deutet in diese Richtung. Nach § 2 Abs. 3 e ARB trägt der Versicherer nicht die Kosten, die dem Versicherungsnehmer infolge einer Widerklage oder einer Aufrechnung des Gegners auferlegt werden, für deren Abwehr nach den ARB kein Versicherungsschutz zu gewähren ist. Der mangelnde Versicherungsschutz kann darauf zurückzuführen sein, daß der der Widerklage oder Aufrechnung zugrunde liegende Verstoß des Versicherungsnehmers, auf den es also ankommt, in die nichtversicherte Zeit fällt. Diese Regelung in § 2 Abs. 3 e ARB dient nur der Klarstellung (Harbauer aaO § 2 Rdn. 246). Daß sie gerade für den Aktivprozeß des Versicherungsnehmers, nicht aber für die ebenso zu behandelnde, an sich gedeckte Widerklage oder Aufrechnung des Versicherungsnehmers gegen die nichtgedeckte Klage des Gegners in das Bedingungswerk aufgenommen wurde, unterstreicht dessen unterschiedslose Geltung für Leistungs- und Abwehrbegehren des Versicherungsnehmers.

e) Schließlich hat das Berufungsgericht mit Recht auf das bei der Interessenabwägung bedeutsame Schutzbedürfnis des Versicherers hingewiesen. Mit der Regelung des § 14 Abs. 3 ARB soll erkennbar vermieden werden, daß die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluß des Versicherungsvertrages bereits die erste Stufe der konkreten Gefahrverwirklichung erreicht haben, also gewissermaßen "vorprogrammiert" sind (so schon OLG Hamm VersR 1980, 669; Harbauer aaO § 14 Rdn. 53).

Nun kann allerdings ein Versicherungsnehmer nach einem möglichen eigenen Verstoß ein Jahr mit dem Abschluß einer Rechtsschutzversicherung warten und seine eigenen Ansprüche dann nach Ablauf der Wartezeit geltend machen. Weil dann der eigene Verstoß nach § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB außer Betracht bleibt, mag er sich gezielt Deckungsschutz verschaffen können. Ob ein solches Vorgehen angesichts der häufig sehr kurzen Verjährungsfristen im Vertragsrecht sinnvoll ist, ob es häufig vorkommt und deshalb Gewicht haben kann, braucht nicht geprüft zu werden. Diese Möglichkeit ist mit der Fassung des § 14 Abs. 3 ARB hingenommen.

4. Das Berufungsgericht hat aufgrund rechtsfehlerfreier Auslegung der Korrespondenz zwischen der Klägerin und der ARGE festgestellt, daß die ARGE der Klägerin keine vor dem 4. Mai 1979 liegenden Rechtsverstöße vorgeworfen hat. Danach ist der Versicherungsfall innerhalb des versicherten Zeitraumes eingetreten. Zu dieser Feststellung beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, daß der Beklagten bei ihrer Entschließung, den Versicherungsschutz zu versagen, die nunmehr herangezogenen Unterlagen nicht vollständig vorgelegen hätten. Die ihr übermittelten Dokumente hätten darauf hingedeutet, daß die ARGE sich gegen die beabsichtigte Klage mit Einwendungen verteidigen wolle, die aus der Zeit vor Versicherungsbeginn herrührten. Auf die zur Ergänzung vorgelegten Unterlagen dürfe nicht zurückgegriffen werden. § 14 Abs. 3 ARB stelle nämlich nicht darauf ab, daß sich die Behauptung eines Verstoßes später als richtig erweise.

Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Für die Feststellung des Versicherungsfalles kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Verstoß vorgelegen hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die Behauptung eines Verstoßes zur Grundlage eines Rechtsstreits wird. Das ist der Fall, wenn eine der streitenden Parteien den angeblichen Verstoß der Gegenseite zur Stützung ihrer Position heranzieht (Senatsurteil vom 20.10.1982 - IVa ZR 48/81 - VersR 1983, 125). Unbeachtet bleiben demgegenüber - wie ausgeführt - solche Vorwürfe, die zwar erhoben werden, jedoch nur als Beiwerk ("Kolorit") dienen.

Die Feststellung des Versicherungsfalles im Deckungsprozeß ist weder an den Zeitpunkt der Entschließung des Versicherers über seine Eintrittspflicht noch an das damals vorliegende Material geknüpft. Entgegen der Ansicht der Revision beschränkt sich die Deckungsklage nicht auf die Prüfung der Frage, ob der Versicherer aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen den Versicherungsschutz versagen durfte. Im Deckungsprozeß ist vielmehr umfassend zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf die vertragsgemäße Versicherungsleistung zusteht. Dabei können neu vorgetragene Umstände auch erhellen, daß ein in nichtversicherte Zeiten fallender Verstoß entgegen früherem Anschein weder vom Versicherungsnehmer noch von dessen Gegner zur Rechtswahrung herangezogen wird. Beschränkungen der Leistungspflicht des Versicherers ergeben sich in diesem Zusammenhang allenfalls aus § 15 Abs. 1 a Abs. 2 ARB bei Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers (dazu unten 6).

5. Die Feststellung des Berufungsgerichts, die beabsichtigte Klage sei weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig, wird von der Revision nicht angegriffen. Diese Ausführungen sind auch rechtsfehlerfrei.

6. Soweit sich die Beklagte nunmehr auf eine Verletzung der die Klägerin aus § 15 Abs. 1 a ARB treffenden Obliegenheit beruft, ist sie mit diesem Vorbringen in der Revisionsinstanz ausgeschlossen. Die Beklagte hat sich in den Tatsacheninstanzen nicht mit ihrer Leistungsfreiheit nach den §§ 15 Abs. 1 a, Abs. 2 ARB, § 6 Abs. 3 VVG verteidigt. Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung treten aber nur dann ein, wenn der Versicherer die Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer unter Berufung auf die Obliegenheitsverletzung geltend macht (BGH Urteil vom 24.4.1974 - IV ZR 202/72 - VersR 1974, 689). Das ist ein tatsächlicher Vorgang, dessen Vortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr nachgeholt werden kann.

II. Revision der Klägerin

Den Zahlungsanspruch hat das Berufungsgericht der Klägerin mit der Begründung versagt, diese könne erst dann Zahlung an sich verlangen, wenn sie die ihr zugegangenen Kostenrechnungen bezahlt habe.

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin ohne Erfolg.

Der Rechtsschutzversicherer hat bei Vorliegen eines Versicherungsfalles gemäß § 1 Abs. 1 ARB die bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten zu tragen. Der Anspruch des Versicherungsnehmers geht auf Befreiung von diesen Kosten (Harbauer aaO § 2 Rdn. 150, 151). Dem Versicherer steht grundsätzlich frei, wie er diese Verpflichtung erfüllt (zur Haftpflichtversicherung: BGH Urteil vom 13.7.1959 - II ZR 45/58 - VersR 1959, 701, 702). Neben der Zahlung an den Versicherungsnehmer kommt eine Leistung an den Kostengläubiger oder - bei Gerichtskosten - an den Prozeßbevollmächtigten zur Weiterleitung an die Gerichtskasse in Betracht. Zudem mag der Versicherer mit den Anwälten vereinbaren, daß vorläufig von der Erhebung von Vorschüssen abgesehen wird. Das Wahlrecht des Versicherers wird - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - nur dann eingeschränkt, wenn der Versicherungsnehmer die an ihn gerichteten Kostenforderungen bereits erfüllt hat. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992730

MDR 1984, 919

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