Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen einer Berufsausübungsregelung und einem enteignungsgleichen Eingriff in die Praxis eines zugelassenen Kassenarztes (hier: rechtswidrige Weigerung einer Kassenärztlichen Vereinigung, der Erbringung kassenärztlicher Leistungen mit einem Computertomographen zuzustimmen.)
Normenkette
GG Art. 12, 14
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 22.09.1994) |
LG München (Urteil vom 24.11.1993) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. September 1994 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 24. November 1993 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Fachärztin für Radiologie und zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Sie beabsichtigte im Jahr 1984, ihre Praxis durch Aufnahme einer zweiten Ärztin zu einer Gemeinschaftspraxis zu erweitern, um kassenärztliche Leistungen auch auf den Gebieten der Computertomographie und Nuklearmedizin erbringen zu können; die dafür erforderliche Befähigung sollte ihre in Aussicht genommene ärztliche Partnerin nachweisen. Mit Schreiben vom 30. Mai und 20. August 1984 teilte sie dies der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, mit und bat uni Zustimmung, diese Untersuchungen abrechnen zu dürfen. Im März 1985 kaufte sie einen Computertomographen, im Januar 1986 eine Gamma-Kamera und eine DSA (digitale Subtraktionsangiographie)-Anlage. Mit den baulichen Vorarbeiten zur Installation des Tomographen in den Praxisräumen der Klägerin wurde in der Folgezeit begonnen; die Geräte selbst blieben jedoch vorerst bei den Lieferfirmen.
Am 10. Dezember 1985 erließ der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Richtlinien für den bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Einsatz von medizinisch-technischen Großgeräten (Großgeräte-Richtlinien-Ärzte [GGR-Ä]), die am 27. März 1986 im Bundesanzeiger veröffentlicht und am 23. September 1986 ergänzt wurden. Gleichzeitig wurde der Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) dahin geändert, daß der Arzt zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten im Sinne der Großgeräte-Richtlinien-Ärzte der Zustimmung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung bedürfe. Die Geräte, die die Klägerin gekauft hatte, waren medizinisch-technische Großgeräte im Sinne dieser Richtlinien.
Mit Bescheid vom 25. August 1986 verweigerte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung der Klägerin die Zustimmung zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen mit dem Computertomographen. Eine Anerkennung des Vorhabens der Klägerin als „Übergangsfall” im Sinne der Großgeräte-Richtlinien lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin habe persönlich die erforderliche fachliche Qualifikation für die Erbringung von Leistungen mit dem Computertomographen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinien nicht nachgewiesen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos; ihre gegen die Ablehnung gerichtete sozialgerichtliche Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Bayerische Landessozialgericht durch Urteil vom 4. April 1990 die erstinstanzliche Entscheidung ab und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin die Zustimmung zur Durchführung der ärztlichen Sachleistungen im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung mit dem angezeigten Computertomographen zu erteilen und die mit diesem Gerät erbrachten kassen- und vertragsärztlichen Leistungen ab Inbetriebnahme des Geräts zu vergüten. Dieses Urteil wurde nicht mit einer Begründung versehen; vielmehr schlossen die Parteien am 27. Juli 1990 einen gerichtlichen Vergleich, in dem der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Bayern das von der Klägerin angezeigte Computertomographiegerät als Übergangsfall im Sinne der Großgeräte-Richtlinien anerkannte und in dem die Beklagte der Leistungserbringung mit dem Computertomographiegerät zustimmte und sich verpflichtete, der Klägerin die mit dem Gerät erbrachten Leistungen zu vergüten.
Die Klägerin hatte im Jahre 1988 die für die Bedienung des Computertomographen erforderliche Weiterbildung erfolgreich beendet und am 18. November 1988 die Genehmigung für die Durchführung von Ganzkörpercomputertomographien einschließlich des Schädels erhalten.
Die Klägerin verlangt nunmehr von der Beklagten Schadensersatz und/oder Entschädigung mit der Begründung, die anfänglichen Bescheide, durch die die Zustimmung zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen mit dem Computertomographen versagt worden waren, seien rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe insoweit auch schuldhaft gehandelt, so daß ein Amtshaftungsanspruch bestehe. Außerdem habe die Verweigerung der Zustimmung einen enteignungsgleichen Eingriff in ihre, der Klägerin, Arztpraxis dargestellt.
Nach mehrfacher Änderung ihrer Klageanträge hat die Klägerin im Berufungsrechtszug zuletzt die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr, der Klägerin, den Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten habe, daß die Beklagte ihr mit Bescheid vom 25. August 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 1986 rechtswidrig die Zustimmung zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen (im Rahmen der ambulanten kassen- und vertragsärztlichen Versorgung) mit einem Computertomographen versagt und ihr damit in der Zeit vom 1. Juli 1986 bis einschließlich 27. Juli 1990 die Erbringung und Abrechnung von CT-Leistungen in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung unmöglich gemacht habe. Außerdem hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung darüber zu verurteilen, wieviele niedergelassene Radiologen im Bereich des KV-Bezirks M. Stadt und Land mit Computertomographen gearbeitet hätten, und zwar im dritten und vierten Quartal 1986, jeweils in den einzelnen Quartalen der Jahre 1987, 1988 und 1989, sowie jeweils im ersten und zweiten Quartal 1990; ferner die Beklagte zur Auskunftserteilung darüber zu verurteilen, in welcher Höhe die im Bereich des KV-Bezirks M. Stadt und Land niedergelassenen Radiologen in den vorbezeichneten Abrechnungsquartalen Gebühren verdient hätten, und zwar jeweils für die Tätigkeit in der kassenärztlichen Versorgung und in der vertragsärztlichen Versorgung.
Die Beklagte hat eine Pflichtverletzung in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs Entschädigung dafür zu leisten, daß ihr diese in der Zeit vom 19. November 1988 bis einschließlich 27. Juli 1990 die Zustimmung zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen im Rahmen der ambulanten kassen- und vertragsärztlichen Versorgung mit einem Computertomographen versagt und damit die Erbringung und Abrechnung von CT-Leistungen in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung unmöglich gemacht habe. Im übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin erstrebt die Verurteilung der Beklagten im Gesamtumfang des zuletzt gestellten Klageantrages; die Beklagte erstrebt die völlige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet, diejenige der Beklagten hingegen begründet.
I.
Die Revision der Beklagten:
1. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 1. Oktober 1990 (BSGE 67, 256 = NJW 1991, 778) entschieden, daß es der Bestimmung des § 25 Abs. 4 BMV-Ä zusammen mit der Vorschrift des Satzes 2 Nr. 3 Abschn. E GGR-Ä (i.d.F. vom 4. Dezember 1986) an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage gefehlt habe. Die betroffene Vorschrift der GGR-Ä sah vor, daß die kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesverbände der Krankenkassen einschließlich der Bundesknappschaft Regelungen über den Ausschluß der Vergütung für Leistungen zu treffen hatten, die mit nicht in die Standortplanung einbezogenen medizinisch-technischen Großgeräten erbracht wurden. Dementsprechend wurde § 25 BMV-Ä um einen neuen Absatz 4 ergänzt, der wie folgt lautete:
„Zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten im Sinne der Großgeräte-Richtlinien-Ärzte des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bedarf der Arzt der Zustimmung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Die Zustimmung ist zu versagen, wenn die vom Arzt beabsichtigte Anschaffung, Nutzung oder Mitbenutzung eines solchen Gerätes mit der Standortplanung für medizinisch-technische Großgeräte nach Maßgabe der im Satz 1 genannten Richtlinien nicht übereinstimmt. Die Zustimmung kann mit Auflagen versehen werden, die einen bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Einsatz des Gerätes und die Möglichkeit einer Mitbenutzung durch andere Ärzte oder durch Krankenhäuser sichern. Das Nähere regeln die Partner der Gesamtverträge.”
Das Bundessozialgericht führt dazu im einzelnen aus, diese Regelung, die auf einen Ausschluß des Arztes mit planungswidrig angeschafften Großgeräten hinauslaufe, werde durch die seinerzeitigen (noch bis zum 31. Dezember 1988 in Kraft gewesenen) Gesetzesvorschriften des § 368 n Abs. 8 und des § 368 p Abs. 1 RVO (i.d.F. des Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 BGBl. I S. 1568) nicht gedeckt und finde auch keine Rechtsgrundlage in einer eigenverantwortlichen Normsetzungsbefugnis des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen als des Richtliniengebers. Dieser Auffassung, die auch von keiner der Parteien des vorliegenden Revisionsverfahrens in Zweifel gezogen wird, schließt sich der erkennende Senat an.
2. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob dieser Ausschluß des Kassenarztes mit Großgeräten der Berufsfreiheit bzw. der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG oder dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG widerspricht. Jedoch hat es darauf hingewiesen, daß ein solcher Ausschluß gegenüber dem bisherigen System gänzlich neue, die Freiheit der Berufungsausübung wesentlich beschränkende Strukturen setzt. Der Kassenarzt, dem die Wahl und Anwendung auch seiner der Diagnose und Therapie dienenden technischen Geräte, sofern deren Einsatz nur zweckmäßig und wirtschaftlich war, schon immer freigestanden hat, büßt durch den genannten Ausschluß diese Freiheit in einem Ausmaß ein, das bis zur Verhinderung derjenigen Berufsausübung reichen kann, die als Facharzttätigkeit zwingend mit den Einsatz eines solchen Gerätes verbunden ist, etwa als Radiologe oder Nuklearmediziner (BSGE 67, 256 = NJW 1991, 779, 781/782).
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die fortgesetzte Weigerung der Beklagten, der Klägerin die Zustimmung zur Erbringung ärztlicher Sachleistungen mit dem Computertomographen zu erteilen, während des Zeitraums vom 19. November 1988 – dem Zeitpunkt, als die Klägerin den erforderlichen Befähigungsnachweis erworben hatte – bis einschließlich 27. Juli 1990, dem Abschluß des Vergleichs, durch den das sozialgerichtliche Verfahren erledigt wurde, einen enteignungsgleichen Eingriff der Beklagten in die Arztpraxis der Klägerin als eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dargestellt habe. Dabei hat sich das Berufungsgericht an den Grundsätzen des Senatsurteils BGHZ 81, 21 orientiert, in welchem der Senat entschieden hat, daß die Praxis des zugelassenen Kassenarztes durch die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt ist. Den Eingriffstatbestand hatte der Senat damals in einer unmittelbar nachteiligen Einwirkung auf den „Zulassungsstatus” des betroffenen Arztes erblickt, indem dieser durch Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung gehindert worden war, von seiner Zulassung, d.h. dem Recht, Patienten auch ohne vorherige Überweisung kassenärztlich zu behandeln, vollen Gebrauch zu machen. Geschützter Gewerbebetrieb im Sinne des Enteigungsrechts ist auch die eingerichtete und ausgeübte Arztpraxis als Gesamtheit alles dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des praktizierenden Arztes bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet (Senatsurteil a.a.O. S. 33).
4. Diese Grundsätze lassen sich indessen auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht übertragen. Hier ging es lediglich um die Erweiterung der Praxis der Klägerin durch Anschaffung eines Computertomographen. Eine derartige Expansion ist nicht dem eigentumsmäßig geschützten Gewerbebetrieb im Sinne des Art. 14 GG, sondern ausschließlich der Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 GG zuzuordnen. Für die Abgrenzung zwischen Berufungsausübungsregelung und enteignungsgleichem Eingriff gelten die Grundsätze, die der Senat in BGHZ 111, 349 (Kakao-Verordnung) aufgestellt hat: Danach kommt dem Eigentum im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen. Die Gewährleistung des Eigentums ergänzt insoweit die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit, indem sie dem einzelnen vor allem den durch eigene Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an Vermögenswerten Gütern anerkennt. Mit dieser „objektbezogenen” Gewährleistungsfunktion schützt Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, insbesondere schützt er keine Chancen und Verdienstmöglichkeiten; Art. 14 Abs. 1 GG schützt – anders ausgedrückt – das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst. Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht (Senatsurteil a.a.O. S. 357/358).
In diesem Sinne hat der Senat bereits mehrfach entschieden, daß nur das Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang nach den schon getroffenen betrieblichen Maßnahmen eigentumsmäßig geschützt ist und daß zu den künftigen Chancen und Erwerbsmöglichkeiten, auf die sich die geschützte Rechtsposition des Inhabers eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht erstreckt, auch beabsichtigte Betriebserweiterungen gehören (Senatsurteile BGHZ 98, 341, 351; 92, 34, 46; 34, 188, 190; ferner Senatsurteil vom 26. April 1979 – III ZR 100/77 = NJW 1980, 387).
5. Eine andere Betrachtungsweise wird im vorliegenden Fall nicht dadurch geboten, daß die Klägerin den Kaufvertrag über den Computertomographen bereits abgeschlossen hatte. Bei diesem Kauf handelte es sich um eine vorbereitende Maßnahme, die der Klägerin „Chancen und Verdienstmöglichkeiten” im vorbezeichneten Sinne erst eröffnen sollte; der eigentumsmäßig geschützte Kern ihres Gewerbebetriebs als das Ergebnis der bisherigen Betätigung der Klägerin wurde dadurch nicht erweitert. Das Vertrauen der Klägerin, das Gerät künftig in ihrer Praxis nutzen und damit ihre Erwerbsmöglichkeiten steigern zu können, war als solches nicht eigentumsmäßig geschützt. Indem sie das Gerät gekauft hat, ohne die berufsrechtlichen Voraussetzungen einer sachgerechten Nutzung geklärt zu haben, hat sie auf eigenes Risiko gehandelt. Dabei ging es auch nicht um eine Anpassung an wirtschaftliche Notwendigkeiten; insbesondere konnte keine Rede davon sein, daß ein Computertomograph zur Standardausstattung einer Radiologiepraxis zählte. Dies wird bereits dadurch unterstrichen, daß es für die Bedienung eines solchen Gerätes einer zusätzlichen beruflichen Weiterbildung und der Erlangung entsprechender Befähigungsnachweise bedurfte. Dementsprechend war die Anschaffung des Geräts aus damaliger Sicht eine Investition auf rechtlich ungesicherter Grundlage, die lediglich eine nicht in den Schutztbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallende bloße Erwartung begründete. Daß sich aufgrund anderer, nämlich an Art. 12 Abs. 1 GG orientierter rechtlicher Bewertung die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte im nachhinein als rechtswidrig erwiesen hat, ändert daran nichts. Ein eigentumsmäßig geschützter Vertrauenstatbestand wurde dadurch nicht geschaffen (vgl. dazu auch Senatsurteil BGHZ 78, 41, 45 ff mit Bezugnahme auf BGHZ 25, 266, 269 und 45, 83, 87; ferner Senatsbeschluß vom 11. März 1993 – III ZR 110/92 = BGHR GG vor Art. 1/enteignungsgleicher Eingriff Gewerbebetrieb 1; BGHZ 30, 338, 356; Urteil vom 10. Januar 1972 – III ZR 139/70 = WM 1972, 371, 372 mit Bezugnahme auf BGHZ 34, 188, 190; Urteil vom 29. Mai 1972 – III ZR 119/70 = DVBl. 1972, 827; zusammenfassend Rinne, DVBl. 1993, 869, 872).
6. Für eine Ausdehnung des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs auch auf den durch Art. 12 GG gegebenenfalls gewährleisteten Erwerbsschutz gibt es keine Grundlage, ebensowenig für die Zuerkennung eines analogen Entschädigungsanspruchs wegen aufopferungsgleichen Eingriffs (Senatsbeschluß vom 27. Mai 1993 – III ZR 142/92 = BGHR GG Art. 12 Abs. 1 Berufsfreiheit 1).
II.
Die Revision der Klägerin:
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen die Beklagte nicht zusteht.
a) Zwar waren der Bescheid vom 25. August 1986 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1986, durch die der Klägerin die Zustimmung zur Ausführung von Sachleistungen mit dem Computertomographen versagt wurde, objektiv rechtswidrig. Da es den einschlägigen Bestimmungen der GGR-Ä und des BMV-Ä, auf denen diese Bescheide beruhten, an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage fehlte (siehe oben), bestand ein derartiges Zustimmungserfordernis objektiv nicht.
b) Indessen kann den Amtsträgern der Beklagten kein Schuldvorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen nicht erkannt haben, sondern von deren Wirksamkeit ausgegangen sind und die Regelungen angewandt haben. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind. Die Anforderungen an ein amtspflichtgemäßes Verhalten sind am Maßstab des pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten zu messen. Jeder staatliche Amtsträger muß die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat er die Gesetz- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund objektiv vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnenene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, so kann aus der Mißbilligung seiner Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet worden (st.Rspr., vgl. die in BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 3, 13, 15, 18, 21, 22, 25, 26 abgedruckten Senatsentscheidungen). Die Verfassungswidrigkeit jener Bestimmungen wurde erst durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 1. Oktober 1990 (BSGE 67, 256 = NJW 1991, 778) festgestellt. Bis zu dieser Klärung durften die mit der Anwendung dieser Bestimmungen befaßten Amtsträger von deren Wirksamkeit ausgehen, ohne damit ihre Sorgfaltspflichten zu verletzen. Um so mehr gilt dies, als auch die Rechtsprechung der Sozialgerichte, beispielsweise in dem von der Klägerin betriebenen sozialgerichtlichen Verfahren, die Wirksamkeit und Anwendbarkeit dieser Vorschriften bejaht hatte. Das Bayerische Landessozialgericht hat in seinen – nicht mit einer Begründung versehenen – der Klägerin günstigen Urteil die Beklagte zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet, die Wirksamkeit des Zustimmungserfordernisses selbst also nicht in Frage gestellt.
c) Die Handhabung der als wirksam angesehenen Bestimmungen der GGR-Ä und des BMV-Ä durch die Beklagte und die auf dieser Grundlage getroffenen Entscheidungen begründen auch für sich allein betrachtet, d.h. ohne Rücksicht auf die Verfassungswidrigkeit, keinen Schuldvorwurf. Insbesondere handelte die Beklagte nicht schuldhaft, als sie es ablehnte, die Klägerin als „Übergangsfall” im Sinne des Abschn. F Nr. 2 GGR-Ä anzuerkennen. Diese Bestimmung lautete (i.d.F. vom 23. September 1986) wie folgt:
„In die Standortplanung sind die bei Inkrafttreten der Richtlinien vorhandenen medizinisch-technischen Großgeräte einzubeziehen; dies gilt auch für die Ersatzbeschaffung. Den vorhandenen Geräten im Sinne dieser Richtlinien sind auch solche Geräte gleichgestellt, deren beabsichtigte Anschaffung vor Inkrafttreten der Richtlinien (28. März 1986) der Kassenärztlichen Vereinigung angezeigt wurde und für die darüber hinaus der Beginn der Installation zu diesem Tage nachgewiesen wird”.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung darauf gestützt, daß die Klägerin zum Stichzeitpunkt die erforderliche fachliche Qualifikation für die Erbringung von Leistungen mit dem Computertomographen (unstreitig) nicht nachgewiesen habe. Das Sozialgericht M. hat in seinem Urteil vom 12. November 1987 diese Rechtsauffassung der Beklagten gebilligt. Es hat ausgeführt, § 25 Abs. 4 BMV-Ä sei eine besondere Regelung für die Erbringung ärztlicher Sachleistungen bei Kassenpatienten, die die allgemeinen Vorschriften um ein weiteres objektbezogenes Kriterium (Übereinstimmung mit der Standortplanung für medizinisch-technische Großgeräte) erweitert habe. Die Erbringung ärztlicher Sachleistungen setzen jedoch voraus, daß der Arzt auch bestimmte persönliche Voraussetzungen (Zulassungsvoraussetzung, spezielle Qualifikationsvoraussetzung) erfülle. Die Zustimmung zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten könne deshalb nur erteilt werden, wenn der Arzt über die entsprechende fachliche Qualifikation verfüge. Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem die persönlichen Voraussetzungen vorliegen müßten, sei bei der Anerkennung als Übergangsfall der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Großgeräte-Richtlinien (28. März 1986); denn die Übergangsregelung in Abschn. F Ziff. 2 der Großgeräte-Richtlinien stelle sowohl in Satz 1 als auch in Satz 2 hinsichtlich der in objektiver Hinsicht erreichten Rechtsposition auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens ab. Für die in subjektiver Hinsicht erlangte Rechtsposition könne nichts anderes gelten. Eine Anerkennung als Übergangsfall nach Satz 1 sei demnach nur möglich, wenn der ärztliche Betreiber im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmte persönliche Voraussetzungen erfülle. Das gleiche gelte für die Anerkennung eines Übergangsfalls nach Satz 2. Danach müßten im Zeitpunkt des Inkrafttretens in objektiver Hinsicht alle notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen sein. Dasselbe müsse dann auch für den Arzt gelten. Auch dieser müsse im Zeitpunkt des Inkrafttretens alle persönlichen Genehmigungen eingeholt haben, die das Betreiben des Geräts bei Inbetriebnahme gestatteten.
d) Zwar ist im vorliegenden Fall die allgemeine Richtlinie nicht anwendbar, daß dem Beamten dann kein Schuldvorwurf gemacht werden kann, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht das Vorgehen dieses Beamten für objektiv amtspflichtgemäß gehalten hat; denn an der Entscheidungsfindung des Sozialgerichts war lediglich ein Berufsrichter beteiligt. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis der Nachprüfung durch die Berufungsinstanz nicht standgehalten hat. Gleichwohl sind die Erwägungen des Sozialgerichts keineswegs als sachfremd zu bezeichnen. Deswegen kann auch den Amtsträgern der Beklagten, wenn sie aufgrund inhaltsgleicher Erwägungen zu ihrer der Klägerin ungünstigen Entscheidung gelangt sind, nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätten sich so weit von Wortlaut und Sinn der anzuwendenden Bestimmungen entfernt, daß das gewonnene Ergebnis (die Wirksamkeit jener Bestimmungen unterstellt) nicht mehr als vertretbar angesehen werden könne. Deshalb liegt ein Verstoß gegen den objektivierten Sorgfaltsmaßstab im oben bei zeichneten Sinne nicht vor.
e) Unerheblich war, daß die Klägerin beabsichtigte, die entsprechenden Leistungen durch die in die zu gründende Gemeinschaftspraxis aufzunehmende ärztliche Partnerin erbringen zu lassen. Das Berufungsgericht hat unstreitig gestellt, daß die Klägerin im eigenen Namen um die Abrechnungsgenehmigung nachgesucht habe, nicht im Namen einer Gemeinschaftspraxis und nicht im Namen eines ärztlichen Partners, der über die entsprechende Weiterbildung verfügte. Deswegen war in subjektiver Hinsicht allein auf die Person der Klägerin abzustellen. Um so mehr gilt dies, als nach den Feststellungen des sozialgerichtlichen Urteils die in Aussicht genommene Partnerin im Stichzeitpunkt die persönlichen Voraussetzungen für die Leistungserbringung mit den Computertomographen ebenfalls noch nicht erfüllte, sie war zu diesem Zeitpunkt weder als Kassenärztin zugelassen, noch besaß sie die erforderliche Genehmigung nach den Radiologie-Richtlinien. Dieser Befähigungsnachweis wurde nach Angaben der Klägerin erst am 19. April 1986 erteilt. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte etwa Belehrungs- oder Hinweispflichten dahin getroffen hätten, daß der Antrag von einem Arzt hätte gestellt werden müssen, der persönlich die Qualifikation für die Erbringung von Leistungen mit dem Gerät nachweisen konnte.
f) Unerheblich ist auch das weitere Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe anderen Ärzten die Zustimmung erteilt, obwohl diese die subjektive Qualifikation ebenfalls nicht besessen hätten. Wenn die Beklagte bei objektiv zweifelhafter Rechtslage in Einzelfällen zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangte, so läßt dies keinen Rückschluß darauf zu, daß speziell im Fall der Klägerin die objektivierten Sorgfaltspflichten mißachtet worden sind. Um so mehr gilt dies, als die Klägerin selbst vorträgt, die von ihr benannten Ärzte hätten die jeweiligen Geräte durch andere Ärzte bedienen lassen, die über die entsprechenden Befähigungsnachweise verfügt hätten. Gerade dies war indessen im Stichzeitpunkt weder bei der Klägerin noch bei ihrer in Aussicht genommenen Partnerin der Fall gewesen. Deshalb ist nicht ersichtlich, daß die Sachverhalte überhaupt vergleichbar gewesen waren.
2. Ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff steht der Klägerin nicht zu, da die Versagung der Zustimmung seitens der Beklagten den eigentumsmäßigen Schutzbereich der Arztpraxis der Klägerin als eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht tangiert hat (siehe dazu die Ausführungen oben I.).
3. Da nach alledem die mit der Klage geltend gemachten Amtshaftungs- und/oder Entschädigungsansprüche nicht bestehen, fehlt auch den zu deren Vorbereitung und Durchsetzung dienenden Auskunftsansprüchen von vornherein die Grundlage.
III.
Aufgrund des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts ist die Sache im Sinne einer abschließenden Entscheidung reif. Auf die Revision der Beklagten ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Rechtsmittel der Klägerin wiederherzustellen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Deppert, Streck, Schlick
Fundstellen
Haufe-Index 1398923 |
BGHZ |
BGHZ, 181 |
NJW 1996, 2422 |
BGHR |
JR 1997, 107 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1996, 1122 |
DVBl. 1996, 797 |