Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 02.06.1971) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Juni 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind die Witwe und der Sohn eines am 23. Juni 1967 verstorbenen Schöpfwerkmeisters, der seit dem 1. September 1961 bei dem Entwässerungsverband N. tätig war. Dieser Verband hat mit der Beklagten eine ab 1. November 1963 wirksame Beteiligungsvereinbarung zur zusätzlichen Versorgung seiner (derzeit vier) Angestellten geschlossen und die verlangte, auf die Versicherung nicht anzurechnende „Einmalzahlung” von 8.010,– DM geleistet. Die Parteien streiten darum, ob den Klägern Rentenansprüche aus dieser Zusatzversicherung zustehen.
Nach der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden „alten”) Satzung war die Zahlung der vollen Witwen- und Waisenrente davon abhängig, daß der Versicherte bis zu seinem Tode eine Wartezeit von 60 Beitragsmonaten erfüllt hatte. Fehlte es an dieser Voraussetzung, so betrug die Witwenrente lediglich 0,5 % und die Rente eines Halbwaisen 0,25 % der Summe der Arbeitsentgelte, die der Beitragsbemessung zugrunde lagen. Der Schöpfwerkmeister ist nach 42 Beitragsmonaten verstorben.
Mit der am 1. Januar 1967 in Kraft getretenen „neuen”) Satzung wurde die dynamische Rente auch in der Zusatzversorgung eingeführt. Die Wartezeit von 60 Monaten blieb bestehen. Dagegen entfiel die andernfalls zu zahlende geringere Rente. Durch einen vor Inkrafttreten der neuen Satzung zu zahlenden versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag konnte unter bestimmten Voraussetzungen bewirkt werden, daß die Wartezeit als erfüllt galt (§ 92 Abs. 3). Die Beklagte unterrichtete den Entwässerungsverband über die neue Satzung vor deren Inkrafttreten und übersandte ihm fünf Stücke des Textes zur Verteilung an die Bediensteten. Der Verband zahlte die Beiträge ab 1. Januar 1967 in Höhe der neuen Sätze.
Die Kläger haben in erster Linie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Versorgungsrenten in der durch die neue Satzung (§ 92) vorgeschriebenen Höhe zu verurteilen. Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt, der Verband habe mit der Einmalzahlung von 8.010,– DM den versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag geleistet, der die Wartezeit als erfüllt gelten ließ. Hilfsweise haben die Kläger die Feststellung begehrt, daß ihnen die Beklagte Witwen- und Waisenrente in der Höhe zu gewähren habe, wie sie die alte Satzung für den Fall der Nichterfüllung der Wartezeit vorsah. Sie haben ausgeführt, diese Ansprüche hätten ihnen nicht ohne Zustimmung der, Versicherten im Wege der Satzungsänderung genommen werden können.
Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Gegen den Hauptantrag hat sie eingewandt, der Entwässerungsverhand habe jene 8.010,– DM nicht als versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag zugunsten der Versicherten gezahlt, sondern als Voraussetzung für das Zustandekommen der Beteiligungsvereinbarung. Sie hat ferner den Hilfsantrag für unbegründet gehalten, weil die Satzungsänderung nicht der Zustimmung der versicherten Bediensteten bedurft habe. Einmal habe § 64 Abs. 2 der alten Satzung bestimmt, daß Satzungsänderungen Wirksamkeit auch für die bestehenden Versicherungsverhältnisse und die bereits bewilligten laufenden Bezüge haben sollten. Überdies handle es sich um eine allein mit dem Arbeitgeber abgeschlossene Gruppenversicherung; der Entwässerungsverband als Versicherungsnehmer habe der Satzungsänderung durch sein Verhalten zugestimmt. Endlich ergebe sich die Wirksamkeit der Satzungsänderung auch aus dem Zusammenhang der Zusatzversicherung mit den jeweiligen Arbeits- und Tarifverträgen.
Das Landgericht hat die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Renten nach den Bestimmungen der alten Satzung festgestellt und die Klage im übrigen abgewiesen. Die hiergegen allein von der Beklagten eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die gänzliche Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Da den Klägern die zuerkannten Renten unstreitig zustehen, wenn die einschlägigen Bestimmungen der alten Satzung (§ 40 Abs. 2, § 43 Abs. 7) angewandt werden, hängt die Entscheidung allein davon ab, ob diese Vorschriften durch die am 1. Januar 1967 in Kraft getretene Satzungsänderung mit Wirkung gegen die Kläger aufgehoben worden sind. Das hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint.
Die Vorinstanzen haben im Anschluß an die Entscheidung BGHZ 48, 35, 41 zutreffend dargelegt, daß der den Rentenansprüchen zugrunde liegende privatrechtliche Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Bediensteten selbst als Versicherungsnehmer geschlossen worden ist. Der erkennende Senat hat diese Auffassung in seinem gegen die Beklagte ergangenen Urteil vom 22. September 1971 (IV ZR 15/70 = VersR 1971, 1116) bestätigt. Aus der rechtlichen Einordnung in BGHZ 48, 35 folgt zugleich, daß das Versicherungsverhältnis unter der Herrschaft der alten Satzung nicht als Gruppenversicherung anzusehen war. Da die Revision insoweit keine Rügen erhebt, kann auf die angezogenen Entscheidungen verwiesen werden.
Der erkennende Senat hat in seinem angeführten Urteil ferner ausgesprochen, daß dem Änderungsvorbehalt in § 64 Abs. 2 der alten Satzung nicht die Wirkung einer vorweg erklärten Einwilligung des Versicherungsnehmers in künftige Satzungsänderungen beigelegt werden kann, weil sich die allgemein gefaßte Vorschrift nicht darauf beschränkt, bestimmte Vertragspunkte in einer dem Versicherungsnehmer eindeutig erkennbaren Weise als satzungsmäßig abänderbar zu bezeichnen. Auch hieran ist festzuhalten. Weiterer Darlegungen bedarf es nicht, weil die Revision insoweit ebenfalls keine Rügen vorbringt.
Das Berufungsgericht ist nach alledem zutreffend davon ausgegangen, daß die in Rede stehende Satzungsänderung, durch die Rentenansprüche bei nicht erfüllter Wartezeit entfielen, der Zustimmung des Versicherungsnehmers bedurft hätte. Es hat tatrichterlich unangreifbar festgestellt, daß eine solche Zustimmung weder von dem Versicherungsnehmer selbst noch von seinem Arbeitgeber als Vertreter erklärt worden ist.
Die Revision beschränkt sich hiernach auf den Versuch, die Wirksamkeit der Satzungsänderung auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers aus der Verknüpfung des Versicherungsverhältnisses mit dem Arbeitsvertrag und den zugrunde liegenden Tarifverträgen herzuleiten. Sie rügt als übersehen, daß sich das Arbeitsverhältnis nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 1962 nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtete. Die Revision bezeichnet als solche abändernde Vorschrift den Versorgungs-Tarifvertrag vom 4. November 1966 (GemMinBl. 1966, 627), durch den mit Wirkung vom 1. Januar 1967 die bisherigen Tarifverträge des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung vom 31. Juli 1955 und 4. Februar 1957 außer Kraft gesetzt worden sind.
Die Rüge kann keinen Erfolg haben. Es trifft zu, daß der vorgelegte Finzelarbeitsvertrag durch die in Bezug genommenen, jeweils geltenden Tarifverträge ergänzt und ausgestaltet wurde. Es kann ferner davon ausgegangen werden, daß damit auch die jeweiligen Versorgungs-Tarifvertrage einbezogen worden sind. Die Ablösung der Tarifbestimmungen, die bei dem Abschluß des in Rede stehenden Versicherungsvertrages galten, durch den am 1. Januar 1967 in Kraft getretenen neuen Versorgungs-Tarifvertrag ergibt nichts für den Standpunkt der Beklagten.
Es braucht nicht entschieden zu werden, ob durch eine Änderung des für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Versorgungs-Tarifvertrages dergestalt in bereits bestehende Versicherungsverhältnisse eingegriffen werden kann, daß für den einzelnen Versicherungsnehmer Ansprüche auf Versicherungsleistungen entfallen, die ihm bei Abschluß des Vertrages in der geltenden Satzung der Beklagten zugesichert worden waren. Selbst wenn das für möglich gehalten würde, wäre unerläßliche Voraussetzung, daß ein derartiger von den Tarifpartnern beabsichtigter Eingriff seinen Niederschlag unmißverständlich in einer ausdrücklichen Bestimmung gefunden hätte. Eine solche, auf die Beseitigung der Rentenansprüche nach §§ 40 Abs. 2, 43 Abs. 7 der alten Satzung abzielende Vorschrift enthält der am 1. Januar 1967 in Kraft getretene Versorgungs-Tarifvertrag an keiner Stelle, insbesondere nicht in seinen eingehenden Übergangs- und. Schlußvorschriften. Auch die Revision vermag insoweit nur auf § 5 zu verweisen, wonach der Arbeitnehmer, sofern er bestimmte, hier vorliegende Voraussetzungen erfüllt, bei der Beklagten nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern ist. Das ist geschehen. Die Vorschrift verhält sich nicht über Satzungsänderungen der Beklagten, insbesondere nicht über deren Auswirkung auf bestehende Versicherungsverhältnisse. In § 4 und der mitveröffentlichten Protokollnotiz wird im Gegenteil davon ausgegangen, daß die Bestimmungen des Versorgungs-Tarifvertrages überhaupt kein unmittelbar anwendbares Recht zwischen der Beklagten und ihren Versicherungsnehmern schaffen, sondern daß hierfür allein die Satzung maßgebend ist. Unter diesen Umständen kann aus der Tatsache, daß zugleich mit dem neuen Versorgungs-Tarifvertrag auch eine (gewiß im Zusammenhang hiermit ausgehandelte) neue Satzung der Beklagten in Kraft getreten ist, nicht auf deren uneingeschränkte und schlechthin rechtsverbindliche Geltung für alle laufenden Versicherungsverträge geschlossen werden, auch soweit sie den Versicherungsnehmern Nachteile bringt. Eine Grundlage hierfür hätte – ungeachtet der Geltung der Tarifbestimmungen für den Arbeitsvertrag – nur die Satzung selbst abgeben können. Insoweit muß es aber dabei verbleiben, daß der (offenbar fehlsam für ausreichend erachtete) generelle Änderungsvorbehalt in § 64 der alten Satzung der Beklagten nicht das Recht verschaffen konnte, zugesagte Rentenleistungen mit dem Inkrafttreten einer neuen Satzung ohne Zustimmung des einzelnen Versicherungsnehmers fortfallen zu lassen. Wie der erkennende Senat bereits in seinem angezogenen Urteil ausgeführt hat, kann die Wirksamkeit einer solchen Änderung ohne Zustimmung des Vertragspartners auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sie auf die Gesamtheit der Versicherungsnehmer bezogen nicht unbillig (oder, wie möglicherweise vorliegend, im ganzen sogar vorteilhaft) erscheint. Damit läßt sich der teilweise Entzug des Versicherungsschutzes gegenüber dem gerade davon Betroffenen nicht rechtfertigen.
Die Revision der Beklagten mußte nach alledem als unbegründet zurückgewiesen werden.
Unterschriften
Johannsen, Dr. Pfretzschner, Dr. Reinhardt, Dr. Bukow, Dr. Buchholz
Fundstellen