Leitsatz (amtlich)
Den Werkunternehmer trifft in der Regel auch ohne besondere Zusage eine Pflicht, sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten Sachen zu vergewissern, daß diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks geeignet sind. Diese Prüfungspflicht besteht regelmäßig unabhängig davon, ob der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit gegeben oder der Besteller es übernommen hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern.
Normenkette
BGB § 631 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 22 U 161/96) |
LG Wuppertal (Aktenzeichen 11 O 29/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 2. Mai 1997 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Insoweit wird die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten von Revision und Anschlußrevision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hatte in Ungarn gefertigte, teilweise geschlossene Hohlwalzen zu schleifen, zu nitrieren (härten) und anschließend zu verchromen. Wegen der Nitrierarbeiten verhandelte sie mit der Klägerin zu 1. Dabei wurde die Beklagte mündlich darauf hingewiesen, daß die Walzen im Innenraum absolut trocken, fettfrei und sauber sein müßten. Ihr wurde außerdem die Nitrierpreisliste der Klägerin zu 1 ausgehändigt, in der es in Rotdruck heißt:
„Geschlossene Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein. …
Alle wärmezubehandelnden geschlossenen Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein.”
Im April 1991 erteilte die Beklagte der Klägerin zu 1 den Auftrag zum Nitrieren von 25 Walzen. Die ersten in Teillieferungen angelieferten 24 Walzen wurden von der Klägerin zu 1 problemlos gehärtet und wieder ausgeliefert. Die 25. Walze wurde am 31. Oktober 1991 zusammen mit Werkstücken anderer Auftraggeber in den Nitrierofen der Klägerin zu 1 gegeben. Während des Härtungsvorganges kam es zu einer Explosion mit erheblichen Sachschäden.
Die Klägerin zu 1, die behauptet hat, Schäden, die den anderen Auftraggebern entstanden seien, ersetzt zu haben, und die Klägerin zu 2, die als Versicherer der Klägerin zu 1 deren Eigenschäden ersetzt hat, beanspruchen deshalb von der Beklagten Schadensersatz.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage dem Grunde nach zu 2/3 des entstandenen Schadens für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerinnen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beklagte Revision und die Klägerinnen Anschlußrevision eingelegt. Die Anschlußrevision der Klägerinnen hat der Senat nicht angenommen. Mit der angenommenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Rechtsstreit nicht infolge der Nichtannahme der Anschlußrevision der Klägerinnen bereits sachlich entschieden ist.
1. Das Berufungsgericht hat die entstandenen Schäden darauf zurückgeführt, daß Wasser innerhalb der letzten zur Klägerin zu 1 angelieferten Walze vorhanden gewesen sei, weshalb es während des Nitriervorganges im Nitrierofen der Klägerin zu 1 zur Explosion gekommen sei. Eine andere Ursache für die Schäden der Klägerin zu 1 und der Auftraggeber, deren Sachen zusammen mit der Walze der Beklagten hätten nitriert werden sollen, komme nicht in Betracht. Einen Rechtsfehler vermag die Revision der Beklagten insoweit nicht aufzuzeigen. Die von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene und als Anlage A 9 zu den Gerichtsakten gereichte gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. V. bildet eine tragfähige Grundlage für die tatrichterliche Überzeugung des Berufungsgerichts.
2. Das Berufungsgericht hat die Behauptung der Beklagten nicht als erwiesen erachtet, daß die Klägerin zu 1 zugesagt gehabt habe, die von der Beklagten angelieferte Walze vor der Nitrierung daraufhin zu untersuchen, ob sie im Innenraum absolut trocken sei. Auch diese Feststellung beanstandet die Revision der Beklagten ohne Erfolg. Sie ist aufgrund einer Würdigung der Aussagen vernommener Zeugen getroffen und als solche auf die Revision hin nur eingeschränkt überprüfbar, ob die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist und ob sie nicht gegen Denk-, Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.01.1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937 m.w.N.). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das Oberlandesgericht hat der in einem Vorprozeß gemachten und erst auf Vorhalt vor dem Landgericht bestätigten Aussage des Zeugen W., wonach es die Klägerin zu 1 übernommen habe, bei Eingang der Walzen noch eine Kontrolle durchzuführen, vor allem deshalb nicht geglaubt, weil dieser Zeuge und ein weiterer vernommener Zeuge sich zuvor vor dem Landgericht in eher entgegengesetztem Sinne geäußert hatten. Diese Bewertung ist ohne weiteres möglich und läßt die tatrichterliche Überzeugung vertretbar erscheinen. Auf die ergänzenden Überlegungen des Berufungsgerichts, gegen die sich die Revision der Beklagten ferner wendet, kommt es daher nicht mehr an.
3. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei wegen Vertragsverletzung überwiegend, nämlich zu 2/3 schadensersatzpflichtig.
Hierzu hat es ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, durch Überprüfung der letzten Walze sicherzustellen, daß der zum Nitrieren unerläßliche Zustand vorhanden sei. Denn es habe sich nichts dafür ergeben, daß die Klägerin zu 1 die Walze zu überprüfen gehabt habe. Wie die Revision der Beklagten zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht dabei übersehen, daß den Unternehmer in der Regel eine originäre Pflicht zur Überprüfung trifft.
a) Ist eine Sache herzustellen oder zu bearbeiten, so ist der bei einem Werkvertrag vom Unternehmer geschuldete Erfolg, das mangelfreie Werk, zuverlässig nur zu erreichen, wenn die zur Herstellung des Werks verwendeten Materialien eine hierzu geeignete Beschaffenheit haben. Da der Unternehmer durch den Werkvertrag die Erreichung des Erfolges verspricht, gehört es auch ohne besondere Zusage als selbstverständlicher Teil zu der übernommenen Hauptleistungspflicht des Unternehmers, dafür zu sorgen, daß zur Herstellung des Werks nur Sachen verwendet werden, welche die erforderliche Eignung aufweisen. In den dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages entsprechenden Fällen, in denen seitens des Bestellers zur Verfügung gestellte Sachen verwendet werden müssen und in denen der Unternehmer deshalb nicht schon durch die Auswahl der benötigten Materialien auf deren Beschaffenheit Einfluß nehmen und deren Eignung sicherstellen kann, hat dies zur Folge, daß der Unternehmer vom Besteller gelieferte Teile, die er zu ver- oder bearbeiten hat, nicht unbesehen verwenden darf. Den Werkunternehmer trifft vielmehr eine originäre Pflicht, sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten Sachen zu vergewissern, daß diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks geeignet sind. Läßt sich die Eignung nicht hinreichend zuverlässig feststellen, hat der Unternehmer den Besteller unverzüglich zu unterrichten und eine Werkerstellung unter Verwendung der angelieferten Sachen vorerst zu unterlassen. Die aus dem Wesen des Werkvertrages folgende Pflicht des Unternehmers zur Prüfung vom Besteller gelieferter Sachen und zur Mitteilung von Bedenken an den Besteller ist in ständiger Rechtsprechung höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 24.06.1963 - VII ZR 10/62, Umdr. S. 3 f., m.w.N.; Urt. v. 23.10.1986 - VII ZR 48/85, NJW 1987, 643 m.w.N.; vgl. auch Rechtsprechungsübersicht in ZfBR 1998, 241 f.). § 4 Nr. 3 VOB/B geht hiervon aus, indem er die Prüfungspflicht voraussetzt (vgl. Kaiser, NJW 1974, 445) und die Mitteilungspflicht für diesem Regelwerk unterfallende Werkverträge näher bestimmt.
b) An der Prüfungspflicht des Werkunternehmers und der Folge, daß ihre Nichterfüllung eine Vertragsverletzung durch den Unternehmer darstellt, ändert sich regelmäßig auch dann nichts, wenn der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung, etwa anläßlich von Vertragsverhandlungen oder während des Vertragsschlusses einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit der vom Besteller zu liefernden Sachen gegeben hat oder wenn der Besteller es übernommen hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern. Zu einem Hinweis kann je nach den Umständen des Einzelfalls, etwa in Anbetracht eines ungenügenden Wissensstandes des Bestellers (vgl. Sen.Urt. v. 02.11.1995 - X ZR 81/93, NJW-RR 1996, 789; Urt. v. 25.11.1986 - X ZR 38/95, NJW-RR 1987, 664, 665) und/oder aus Gründen einer Verkehrssicherungspflicht, durchaus Anlaß bestehen, so daß auch ein solcher Hinweis vom Unternehmer aufgrund des Werkvertrages geschuldet sein kann. Die Erfüllung dieser Pflicht stellt jedoch ebensowenig wie etwaige Zusagen des Bestellers die Mangelfreiheit des vom Unternehmer geschuldeten eigentlichen Leistungsgegenstandes sicher. Dies kann zur Gewährleistung der Herstellung eines mangelfreien Werks ungenügend sein, weil ungewiß bleibt, ob der Besteller tatsächlich bereit und in der Lage gewesen ist, eine geeignete Sache zu besorgen bzw. zur Verfügung zu stellen. Diese Ungewißheit kann in der Regel nur eine nachträgliche Überprüfung ausräumen, weshalb der Werkunternehmer hierzu im Rahmen der von ihm zu erbringenden Hauptleistung verpflichtet bleibt.
Eine Ausnahme von dieser Regel kann in Betracht zu ziehen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die auch ohne Überprüfung der angelieferten Sachen vergleichbare Gewähr dafür bieten, daß sie die zur Herstellung eines mangelfreien Werks erforderliche Eignung aufweisen. Außerdem ist eine einverständlich getroffene Vereinbarung zwischen Besteller und Unternehmer geeignet, den Unternehmer von der Überprüfungspflicht zu entbinden. Die Vertragsfreiheit erlaubt, auch solche Pflichten zu beseitigen oder der anderen Partei aufzuerlegen, die nach dem gesetzlichen Leitbild des betreffenden Vertragstyps zu der Hauptleistungspflicht einer bestimmten Vertragspartei gehören. Als Abweichung von der gesetzlichen Pflichtenverteilung wäre das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung aber vom Unternehmer darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 295).
c) Diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht Rechnung getragen.
Besondere Umstände, aus denen die Klägerin zu 1 zuverlässig hätte schließen können, daß die 25. angelieferte Hohlwalze innen trocken, fettfrei und sauber sei, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Rahmen der von ihm im Hinblick auf ein Mitverschulden der Klägerin zu 1 vorgenommenen Abwägung hat es im Gegenteil angenommen, die Klägerin zu 1 habe sich nicht unbedingt darauf verlassen dürfen, daß sich das Walzeninnere auf jeden Fall in einem nitriergeeigneten Zustand befinde. Dem kann nur beigetreten werden. Zweifel ergaben sich – wie auch das Berufungsgericht angenommen hat –, weil nach dessen Feststellungen Vertreter der Beklagten auf den Hinweis bzw. trotz des Hinweises über die erforderliche Beschaffenheit des Inneren der zu nitrierenden Walzen erklärt hatten, die Innenbeschaffenheit der Walzen liege nicht im Einflußbereich der Beklagten. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Umstandes, daß die Beklagte nicht selbst die Walzen hergestellt, sondern sie aus Ungarn erhalten hatte, bot deshalb auch die Tatsache, daß die Beklagte in ihrem Auftragsschreiben ausschließlich die Notwendigkeit des Abdeckens angebrachter Zapfen und der Stirnseiten erwähnt und außerdem auf einen durchgeführten Glühvorgang verwiesen hatte, keine Gewähr für das Vorhandensein eines nitrierfähigen Zustandes. Auch dem Umstand, daß die Walzen der ersten fünf Teillieferungen problemlos hatten nitriert werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen, weil damals anders als in dem jetzt zu beurteilenden Fall eine Kontrolle vorgenommen und im Inneren der Walzen eventuell noch vorhandenes Wasser vor der Nitrierung entfernt worden sein kann.
Trotz des in diese Richtung deutenden Vortrages der Klägerinnen, bei den Vertragsverhandlungen sei den Mitarbeitern der Beklagten verdeutlicht worden, daß sich die Eignungsprüfung der Klägerin zu 1 ausschließlich auf die Untersuchung hinsichtlich etwaiger Beschädigungen der Oberfläche der Werkstücke beschränken werde, während sämtliche weiteren Überprüfungen Sache der Beklagten selbst seien, hat das Berufungsgericht auch eine Vereinbarung der Parteien nicht festgestellt, wonach die Klägerin zu 1 nicht untersuchungspflichtig bzw. allein die Beklagte für den nitriergeeigneten Zustand des Inneren der Walzen verantwortlich sein solle. Das Berufungsgericht hat lediglich verschiedene Erklärungen der Klägerin zu 1, daß die Walzen innen unbedingt trocken und sauber sein müßten, als gegeben erachtet. Selbst wenn hierin ein Vertragsangebot der Klägerin zu 1 zu sehen sein könnte, die vom Gesetz vorgesehenen Unternehmerpflichten zu ihren Gunsten abzuändern, fehlte es deshalb an der für eine entsprechende Vereinbarung nötigen Feststellung einer Annahmeerklärung der Beklagten. Die statt dessen angestellten, bereits unter Nr. 2 abgehandelten Erwägungen des Berufungsgerichts, ob die Beklagte habe nachweisen können, daß eine Kontrolle durch die Klägerin zu 1 vereinbart gewesen sei, sind in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Die Kontrollpflicht des Unternehmers ist eine gesetzliche Folge der Übernahme des Werkleistungsauftrages. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war deshalb auch im vorliegenden Fall von ihr auszugehen, ohne daß es hierzu neben dem Abschluß des Werkvertrages einer besonderen Vereinbarung der Parteien bedurft hätte.
Ihrer Überprüfungspflicht nachzukommen, war die Klägerin zu 1 schließlich auch nicht etwa deshalb enthoben, weil – wie die Klägerinnen geltend gemacht haben – eine Untersuchung des Inneren der 25. Walze zu Schäden an dem Werkstück hätte führen können. Insoweit zu Recht weist auch das Berufungsgericht darauf hin, daß dann der Klägerin zu 1 jedenfalls der Weg einer Anfrage bei der Beklagten möglich gewesen wäre. Nach dem Vorgesagten hätte die Klägerin zu 1 in dieser Weise verfahren und mit der Nitrierung vorerst zuwarten müssen.
4. Revisionsrechtlich ist nach allem davon auszugehen, daß die Klägerin zu 1 aufgrund des Werkvertrages gehalten war, die angelieferte 25. Walze daraufhin zu untersuchen, ob sie innen absolut trocken sei, bzw. diese Walze erst nach Klärung dieser Frage in den Nitrierofen zu geben. Da die Klägerin zu 1 diese vertragliche Pflicht unstreitig nicht erfüllt hat, hat danach entgegen der Meinung des Berufungsgerichts bei der Entstehung der streitgegenständlichen Schäden nicht nur ein Verschulden der Klägerin zu 1 gegen sich selbst mitgewirkt; die Klägerin zu 1 hat vielmehr wegen positiver Vertragsverletzung für den eingetretenen Schaden einzustehen. Dies ist ein Gesichtspunkt, der auch im Rahmen einer nach § 254 BGB notwendigen Abwägung Beachtung verdient und deshalb im zu entscheidenden Fall zu einer anderen Schadensverteilung führen kann, als sie das Berufungsgericht bisher vorgenommen hat. Es ist mithin unerheblich, daß die Anwendung von § 254 BGB nach wie vor in Betracht kommt, weil nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt die Beklagte den von der Klägerin zu 1 zu vertretenden Schaden jedenfalls durch eigenes Mitverschulden mitverursacht hat, wie auch die Revision der Beklagten letztlich nicht in Zweifel zieht. Die Feststellung eines Mitverschuldens einer Partei und die nach § 254 BGB gebotene Abwägung sind grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Berufungsgericht wird deshalb hierüber nunmehr unter Berücksichtigung des Umstandes zu befinden haben, daß die Überprüfung des Walzeninneren nach den getroffenen Feststellungen nicht der Beklagten, sondern der Klägerin zu 1 oblag.
5. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu erwägen haben, ob der Beklagten ebenfalls ein – wenn auch anderes als im angefochtenen Urteil angenommenes – Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, das eine Verletzung des abgeschlossenen Werkvertrages darstellt.
Wie § 642 BGB zeigt, kann ein Werkvertrag für den Besteller im Einzelfall mehr Pflichten als Zahlung der Vergütung und Abnahme des mangelfreien Werks begründen. Insbesondere wenn der Besteller – wie hier – die Sache, die der Unternehmer bearbeiten soll, zur Verfügung zu stellen hat, können weitere vertragliche Pflichten entstehen. Dies gilt entgegen der Meinung der Revision auch dann, wenn solche Pflichten nicht ausdrücklich schriftlich oder mündlich zum Vertragsinhalt gemacht worden sind. Auch ein Werkvertrag ist so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§§ 133, 157 BGB). Als Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben können sich in Anbetracht der in diesem Rahmen zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessen vor allem für jede Partei Auskunfts-, Aufklärungs- oder Obhutspflichten ergeben. Da das Gelingen des Werks vertragsgemäßes Ziel beider Parteien eines Werkvertrages ist, können hieraus solche Pflichten für beide Parteien eines Werkvertrages ohne besondere vertragliche Regelung insbesondere dann folgen, wenn Gefahren für das Gelingen des Werks bestehen (Sen.Urt. v. 25.11.1986 - X ZR 38/85, NJW-RR 1987, 664, 665 m.w.N.). Diesen Gefahren muß – soweit möglich – begegnet werden. Dem hat jede Vertragspartei nach eigenem Erkenntnisstand und eigener Erkenntnismöglichkeit Rechnung zu tragen. Auch der Besteller hat deshalb jedenfalls dann, wenn er um Gefahren weiß, aus Gründen der vertraglichen Fürsorge die Pflicht, durch Handlungen, die geeignet und unschwer (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1989 - I ZR 62/88, GRUR 1990, 54) möglich sind, dazu beizutragen, daß die Gefahr sich nicht realisiert.
Auch die Beklagte kann eine solche Fürsorgepflicht im vorliegenden Fall getroffen haben. Durch die mehrfachen Mitteilungen der Klägerin zu 1 wußte die Beklagte nämlich, daß die anzuliefernden Walzen innen trocken, fettfrei und sauber sein mußten. Die Bedeutung dieser Notwendigkeit war außerdem durch Rotdruck auf der ihr ausgehändigten Nitrierpreisliste hervorgehoben. Da die Beklagte gleichwohl aus Stabilitätsgründen eine während des Transports mit Wasser gefüllte Walze anlieferte bzw. anliefern ließ, mußte sie annehmen, daß dieses Wasser bei bzw. nach der Anlieferung abgelassen werden mußte. Der eigene Vortrag der Beklagten spricht ferner dafür, daß dieses Ablassen den im Auftrag der Beklagten handelnden, zur Anlieferung eingesetzten Personen ohne weiteres möglich gewesen wäre. Denn die Revision selbst stellt darauf ab, es seien nur angebrachte Bohrungen durch Wegnahme vorhandener Stopfen zu öffnen gewesen. Jedenfalls aber hätte die Beklagte durch das die Anlieferung bewerkstelligende Personal die Klägerin zu 1 unschwer darauf hinweisen lassen können, daß die angelieferte 25. Walze noch Wasser enthalte und deshalb vor dem Nitrieren noch entleert werden müsse, was durch Lösen der Stopfen geschehen könne. Zu diesem Hinweis könnte die Beklagte deshalb verpflichtet gewesen sein. Ein durch Unterlassen eines solchen Hinweises erfolgter Schadensbeitrag der Beklagten würde schließlich besonderes Gewicht erlangen, wenn – wofür bislang allerdings tatrichterliche Feststellungen fehlen – die Beklagte um das wahre Ausmaß der Gefahr im Falle des Nitrierens innen nicht absolut trockener Walzen, also um die Explosionsgefahr, gewußt hätte, die sich dann am 31. Oktober 1991 auch realisiert hat.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.1999 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 2477 |
DB 1999, 2563 |
NJW 2000, 280 |
NWB 1999, 4742 |
BGHR |
BauR 2000, 262 |
IBR 2000, 113 |
JurBüro 2000, 220 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 83 |
ZAP 1999, 1236 |
MDR 2000, 259 |
ZfBR 2000, 42 |
NZBau 2000, 196 |
RdW 2000, 84 |