Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob bei der Beurteilung der Beschlußfähigkeit eines Stiftungskuratoriums auch solche Kuratoriumsmitglieder mitzuzählen sind, denen die Stiftungsaufsichtsbehörde die Wahrnehmung ihrer Geschäfte einstweilen untersagt hat.

 

Normenkette

BGB § 80 ff.; NRWStifG § 22

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.09.1991)

LG Düsseldorf (Urteil vom 15.08.1990)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. September 1991 teilweise aufgehoben und das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15. August 1990 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Beschluß des Kuratoriums der Beklagten vom 10. März 1990 über die Zuwahl der Mitglieder B., N., B. und M. (TOP 5 der Sitzung) unwirksam ist.

Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts, deren Zweck es ist, die kulturellen und wissenschaftlichen Belange ethnischer Minderheiten sowie deutsche Volksangehörige bei der Übersiedlung in das deutsche Sprachgebiet zu unterstützen. Die Organe der Beklagten sind der Vorstand und das Kuratorium. Dieses hat die Aufgabe, Vorstand und Geschäftsführer bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beraten und zu überwachen. Das Kuratorium besteht aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern, mindestens aus fünf Personen. Es ergänzt sich durch Zuwahl.

§ 9 der Stiftungssatzung lautet:

  1. „Das Kuratorium ist beschlußfähig, wenn die betreffende Sitzung satzungsgemäß einberufen wurde und mindestens die Hälfte der Mitglieder, darunter der Vorsitzende oder sein Stellvertreter, anwesend sind Ordentliche Sitzungen müssen mindestens 14 Tage vorher schriftlich einberufen werden. Außerordentliche Sitzungen können in dringenden Fällen innerhalb von drei Tagen einberufen werden. Wenn nicht mindestens zwei Drittel der Kuratoriumsmitglieder bei einer solchen Sitzung anwesend sind, bedürfen allfällig gefaßte Beschlüsse für ihre Rechtswirksamkeit einer Bestätigung durch die nächste ordentliche Kuratoriumssitzung. Zu den Sitzungen des Kuratoriums lädt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter, ein. Das Kuratorium muß einberufen werden, wenn dies mindestens von der Hälfte der Kuratoriumsmitglieder schriftlich verlangt wird. Ordentliche Sitzungen des Kuratoriums müssen mindestens einmal jährlich einberufen werden.
  2. Die Beschlüsse des Kuratoriums werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt.”

Durch Verfügungen vom 1. Dezember 1989 untersagte der Regierungspräsident D. als Stiftungsaufsichtsbehörde dem Kuratoriumsvorsitzenden K. und dem Mitglied Dr. H. einstweilen die Wahrnehmung ihrer Geschäfte im Kuratorium. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Am 10. März 1990 fand eine satzungsgemäß einberufene ordentliche Sitzung des Kuratoriums statt, das zu diesem Zeitpunkt aus elf Mitgliedern bestand. Fünf Mitglieder, darunter der stellvertretende Vorsitzende D., waren zu der Sitzung erschienen. Nicht erschienen waren der Vorsitzende K. und das Mitglied Dr. H., denen die Wahrnehmung ihrer Geschäfte einstweilen untersagt worden war, der Kläger sowie drei weitere Mitglieder. Die anwesenden Mitglieder erklärten das Kuratorium für beschlußfähig und wählten vier weitere Kuratoriumsmitglieder. Zwei der neu gewählten Mitglieder, die in der Sitzung anwesend waren, wirkten sodann bei weiteren Beschlüssen mit.

Die Parteien streiten darüber, ob das Kuratorium in der Sitzung vom 10. März 1990 beschlußfähig war. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, daß die an diesem Tage gefaßten Beschlüsse unwirksam seien. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung, der Kläger habe kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat zwar die Zulässigkeit der Klage, soweit sie den Beschluß über die Zuwahl von vier weiteren Kuratoriumsmitgliedern betrifft, bejaht, das Begehren des Klägers in diesem Punkt aber für unbegründet erachtet. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat teilweise Erfolg.

I.

1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß der vom Kuratorium der Beklagten in der Sitzung vom 10. März 1990 gefaßte Beschluß über die Zuwahl von vier weiteren Kuratoriumsmitgliedern unwirksam sei, hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage mit Recht bejaht. War der Beschluß wirksam, so erhöhte sich die Zahl der stimmberechtigten Kuratoriumsmitglieder von neun auf dreizehn mit der Folge, daß sich das Gewicht der Stimme des Klägers – bei Anwesenheit aller Kuratoriumsmitglieder – von 1/9 auf 1/13 verringerte. Eine solche Veränderung der internen Struktur des Kuratoriums berührte die organisationsrechtliche Stellung des Klägers als Mitglied dieses Stiftungsorgans. Das begründet sein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (vgl. Senatsurteil BGHZ 84, 352, 355 f.).

Das Feststellungsinteresse ist auch nicht entfallen, wenn die Mandatszeit des Klägers als Kuratoriumsmitglied, wie die Beklagte im Revisionsrechtszug vorträgt, bereits am 1. Oktober 1991 abgelaufen ist. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger, wie er zur Begründung seines fortbestehenden Feststellungsinteresses geltend macht, in einer außerordentlichen Kuratoriums Sitzung am 9. Mai 1991 auf die Dauer von sechs Jahren wirksam als Kuratoriumsmitglied wiedergewählt worden ist. Denn schon die Ungewißheit über die Wirksamkeit der Kuratoriumsbeschlüsse vom 10. März 1990, die über den Ablauf der Mandatszeit des Klägers hinaus fortbestanden hat und Auswirkungen auch auf seinen Verbleib und seine Stellung im Kuratorium gehabt haben kann, begründet sein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

2. Dagegen ist die Feststellungsklage unzulässig, soweit sie die Wirksamkeit der übrigen in der Kuratoriums Sitzung vom 10. März 1990 gefaßten Beschlüsse betrifft. Diese dienten, wie das Berufungsgericht unangegriffen feststellt, allein der Verwirklichung des Stiftungszwecks und der ordnungsgemäßen Verwaltung der Beklagten. Mitwirkungsrechte des Klägers im Kuratorium wurden dadurch nicht berührt.

Zu Unrecht meint die Revision, der Kläger müsse kraft seiner Stellung als Organmitglied das Recht haben, Beschlüsse des Organs gerichtlich daraufhin überprüfen zu lassen, ob sie gemäß den bei der Beschlußfassung zu beachtenden Verfahrensvorschriften zustande gekommen seien. Eine allgemeine Befugnis der Organmitglieder, Beschlüsse des Organs im eigenen Namen einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen, ist dem Stiftungsrecht fremd. Ein Organmitglied hat nur dann ein schutzwürdiges Interesse daran, die Unwirksamkeit eines solchen Beschlusses gerichtlich feststellen zu lassen, wenn es durch den Beschluß in seinen organschaftlichen Rechten beeinträchtigt wird (Ebersbach, Handbuch des Deutschen Stiftungsrechts S. 105; Seifart/Hof, Handbuch des Stiftungsrechts § 9 Rn. 130). Dies gilt auch bei behaupteten Verfahrensverstößen. Das von der Revision in diesem Zusammenhang zitierte Urteil BGHZ 49, 209 betrifft einen anderen Sachverhalt.

II.

Soweit danach die Feststellungsklage zulässig ist, hat sie auch in der Sache Erfolg. Das Kuratorium der Beklagten war bei der Beschlußfassung über die Zuwahl von vier weiteren Mitgliedern nicht beschlußfähig. Das hat die Unwirksamkeit dieses Beschlusses zur Folge (MünchKomm-Reuter 3. Aufl. § 32 Rn. 43). Die Sondervorschriften der §§ 241 ff AktG, § 51 GenG finden insoweit keine Anwendung (vgl. BGHZ 59, 369).

1. Die Parteien streiten darüber, ob die Kuratoriumsmitglieder K. und Dr. H., denen die Stiftungsaufsichtsbehörde die Wahrnehmung ihrer Geschäfte im Kuratorium einstweilen untersagt hatte, bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit des Kuratoriums mitzuzählen waren. Das Berufungsgericht verneint dies und führt dazu im wesentlichen aus: Die Satzung regele nur den Fall, daß Kuratoriumsmitglieder zur Sitzung nicht erschienen, nicht auch denjenigen, daß sie aus Rechtsgründen an der Ausübung ihres Stimmrechts gehindert seien. Die sich daraus für die Frage der Beschlußfähigkeit ergebende Regelungslücke sei nach dem Sinn und Zweck der Satzung unter Berücksichtigung des Stifterwillens zu schließen. Der Stifter habe der persönlichen Integrität der Kuratoriumsmitglieder besondere Bedeutung beigemessen. Sein Anliegen sei es gewesen, die Kontinuität im Kuratorium dadurch sicherzustellen, daß die von ihm berufenen Mitglieder gegebenenfalls weitere Mitglieder wählen sollten, die ihrerseits die Gewähr böten, entsprechend den Intentionen des Stifters zu handeln. Es liege auf der Hand, daß der Stifter auch die Handlungsfähigkeit des Kuratoriums habe erhalten und ausschließen wollen, daß Mitglieder bei Beschlußfassungen mitwirkten, gegen die die Stiftungsaufsichtsbehörde den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens erhoben habe. Hätte der Stifter den hier eingetretenen Fall bedacht, so hätte er in der Satzung bestimmt, daß suspendierte Mitglieder bei der Frage der Beschlußfähigkeit nicht mitgezählt werden dürften.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Satzung einer Stiftung im Revisionsverfahren frei nachgeprüft und ausgelegt werden (Senatsurteile BGHZ 68, 142, 146; 70, 313, 321; 99, 344, 353; vom 26. April 1976 – III ZR 21/74 – WM 1976, 869, 872; vom 28. Oktober 1976 – III ZR 136/74 – WM 1977, 168, 169; BGH Urteil vom 16. Januar 1957 – IV ZR 221/56 – NJW 1957, 708).

Dabei kommt dem im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Stifterwillen maßgebende Bedeutung zu (Senatsurteil BGHZ 99, 344, 347 f m.w.N.).

3. Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 der Stiftungssatzung der Beklagten hängt die Beschlußfähigkeit des Kuratoriums u. a. davon ab, daß mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Bei der Prüfung, unter welchen Voraussetzungen das Kuratorium danach beschlußfähig ist, ist zunächst zu fragen, ob ein Kuratoriumsmitglied, dem die Stiftungsaufsichtsbehörde die Wahrnehmung seiner Geschäfte einstweilen untersagt hat, überhaupt „Mitglied” im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 1 der Satzung und deshalb bei der Beurteilung der für die Beschlußfähigkeit maßgeblichen Mitgliederzahl mitzuzählen ist oder ob es von vornherein unberücksichtigt bleibt. Zum anderen bedarf der Prüfung, ob ein suspendiertes Mitglied, das ungeachtet seiner Suspendierung in einer Kuratoriumssitzung anwesend ist, bei der Ermittlung des Quorums mitzuzählen ist oder nicht.

4. Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, daß ein suspendiertes Kuratoriumsmitglied nicht „Mitglied” im Sinne der Satzungsbestimmung über die Beschlußfähigkeit des Kuratoriums ist, so ist es nur folgerichtig, es bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit schlechthin unberücksichtigt zu lassen. Ein in der Kuratoriumssitzung anwesendes suspendiertes Mitglied darf aber bei der Prüfung, ob das Kuratorium beschlußfähig ist, auch dann nicht mitgezählt werden, wenn es trotz seiner Suspendierung weiterhin als „Mitglied” im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 1 der Satzung anzusehen ist. Wollte man dies anders beurteilen, wären der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Das suspendierte Mitglied könnte dann gerade in umstrittenen Fragen durch sein Erscheinen, sein Fernbleiben oder durch – vorübergehendes – Verlassen einer Sitzung von Fall zu Fall, auch im Zusammenwirken mit anderen Kuratoriumsmitgliedern, nach seinem Belieben die Beschlußfähigkeit herbeiführen oder verhindern. Daß dies dem Stifterwillen zuwiderlaufen würde, bedarf keiner weiteren Begründung. Das bedeutet, daß unter den „anwesenden” Mitgliedern im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 1 der Satzung nur die stimmberechtigten zu verstehen sind.

5. a) Der Auffassung des Berufungsgerichts, ein suspendiertes Kuratoriumsmitglied müsse bei der Beurteilung der Beschlußfähigkeit von vornherein unberücksichtigt bleiben, vermag der Senat indes nicht zu folgen. Diese Auffassung läßt sich nicht damit begründen, daß anwesende Mitglieder im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 1 der Satzung nur die stimmberechtigten sind. Die Satzung stellt in dieser Frage allein auf die Zahl der Mitglieder ab. Sie erfaßt damit ihrem Wortlaut nach, der im Zweifel den Stifterwillen zutreffend wiedergibt, auch diejenigen Personen, denen die Stiftungsaufsichtsbehörde die Wahrnehmung ihrer Geschäfte – mit sofortiger Wirkung – einstweilen untersagt hat (§ 22 Abs. 3 Satz 2 StiftG NW). Der von einer solchen Maßnahme Betroffene bleibt – gegebenenfalls bis zu seiner Abberufung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 StiftG NW) – Mitglied des Kuratoriums; er ist lediglich gehindert, die Geschäfte eines Kuratoriumsmitglieds wahrzunehmen.

b) Die vom Berufungsgericht in der Frage der Beschlußfähigkeit des Kuratoriums angenommene Regelungslücke existiert danach nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, der Stifter habe die Möglichkeit einer Suspendierung von Kuratoriumsmitgliedern durch die Stiftungsaufsichtsbehörde nicht bedacht. Das Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 1977 ist zwar erst am 1. Januar 1978, also nach Unterzeichnung der Stiftungssatzung (1. Dezember 1977), in Kraft getreten. Es ist aber bereits am 11. Juli 1977 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen veröffentlicht worden (GVBl. 1977 S. 274). Selbst wenn der Stifter die Folgen einer Suspendierung für die Beschlußfähigkeit des Kuratoriums nicht in Erwägung gezogen haben sollte, würde dies noch nicht zu der Annahme berechtigen, die in § 9 Nr. 1 Satz 1 der Satzung getroffene, in sich schlüssige und sinnvolle Regelung, die ohne weiteres auch die Ermittlung des Quorums im Falle der Suspendierung einzelner Kuratoriumsmitglieder ermöglicht, sei lückenhaft und deshalb ergänzungsbedürftig (vgl. BGHZ 40, 91, 103; 77, 301, 304).

c) Hiernach ist für die weitere Auslegung der Satzung nicht auf den hypothetischen, sondern auf den im Stiftungsgeschäft tatsächlich zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen abzustellen. Ziel der Auslegung ist es, eine dem Sinn und Zweck der Satzung entsprechende Lösung zu finden, bei der der Stifterwille am stärksten zur Geltung kommt (Seifart/Hof aaO § 8 Rn. 13). Dabei geht es nicht darum, welche Regelung ein Stifter bei Berücksichtigung des eingetretenen Falles vernünftigerweise getroffen hätte. Zu fragen ist vielmehr, ob sich aus der Satzung der Beklagten hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Regelungsvorstellung des Stifters H. N. gewinnen lassen, die ungeachtet des Wortlauts der Satzung dazu zwingen würde, suspendierte Kuratoriumsmitglieder nicht als „Mitglieder” im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 1 der Stiftungssatzung zu behandeln. Das ist nicht der Fall.

aa) Der Satzung der Beklagten sind keine konkreten Gesichtspunkte zu entnehmen, die es erfordern könnten, § 9 Nr. 1 Satz 1 restriktiv dahin auszulegen, daß bei der Beurteilung der Beschlußfähigkeit des Kuratoriums suspendierte Mitglieder von vornherein nicht mitzuzählen seien. Ein entsprechender Stifterwille ist nicht erkennbar. Das Berufungsgericht weist zwar zutreffend darauf hin, daß der Stifter der persönlichen Integrität der Kuratoriumsmitglieder besondere Bedeutung beigemessen hat. Auch mag es, wie der Satzungsbestimmung über die Zuwahl von Kuratoriumsmitgliedern entnommen werden kann, sein Anliegen gewesen sein, die Handlungsfähigkeit des Kuratoriums zu gewährleisten. Keiner dieser Gesichtspunkte rechtfertigt aber die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung.

bb) Dem Erfordernis, nur integren Persönlichkeiten den Zugang zu den Entscheidungsprozessen des Kuratoriums zu eröffnen, wird zum einen durch entsprechende Anforderungen im Wahlverfahren Rechnung getragen. Kuratoriumsmitglieder müssen bei Übernahme ihrer Ämter geloben, nach bestem Wissen und Gewissen den Stifterwillen zu erfüllen, alles zu tun, um die Interessen der Stiftung zu fördern, und alles zu unterlassen, was der Stiftung schaden könnte (§ 10 Nr. 1 der Stiftungssatzung). Daraus folgt, daß das Kuratorium nur solche Personen zu Mitgliedern wählen soll, die nach seiner Überzeugung den durch das Gelöbnis bestimmten Anforderungen genügen. Zum anderen soll durch die Stiftungsaufsicht sichergestellt werden, daß Kuratoriumsmitglieder, bei denen die persönlichen Voraussetzungen für eine dem Stifterwillen gemäße Mitarbeit im Kuratorium nicht gegeben sind, von der Mitwirkung im Kuratorium ausgeschlossen werden. Dies kann dadurch geschehen, daß die Aufsichtsbehörde Mitgliedern, die ihre Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, die Wahrnehmung ihrer Geschäfte einstweilen untersagt und gegebenenfalls ihre Abberufung anordnet. Dagegen spielt das Erfordernis der persönlichen Integrität keine Rolle für die Frage, ob ein suspendiertes Mitglied bei der Ermittlung des Quorums mitzuzählen ist. Dem aus dem Stifterwillen abzuleitenden Gebot, solchen Personen die Mitwirkung im Kuratorium zu verwehren, die nicht die hinreichende Gewähr für die pflichtgemäße Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe bieten, ist bereits durch die Suspendierungsmöglichkeit als solche genügt. Die Suspendierung bewirkt, daß das betroffene Mitglied, dessen Integrität ins Zwielicht geraten ist, von den Entscheidungsprozessen des Kuratoriums einstweilen ausgeschlossen bleibt. Die Ermittlung der Beschlußfähigkeit unter Einschluß der suspendierten Mitglieder begründet nicht die konkrete Gefahr satzungswidriger Manipulationen und stellt auch sonst nicht die Verwirklichung des Stiftungszwecks in Frage. Ein Widerspruch zum Stifterwillen ist insoweit nicht ersichtlich.

cc) Entsprechendes gilt für das vom Berufungsgericht besonders hervorgehobene Erfordernis der Handlungsfähigkeit des Kuratoriums. Sind bei der Frage der Beschlußfähigkeit suspendierte Kuratoriumsmitglieder mitzuzählen, so berührt dies die Handlungsfähigkeit des Kuratoriums grundsätzlich nicht. Schwierigkeiten können sich nur in dem Extremfall ergeben, daß mehr als der Hälfte der Kuratoriumsmitglieder die Wahrnehmung ihrer Geschäfte – mit sofortiger Wirkung – einstweilen untersagt wird. Dann sind die Voraussetzungen für eine Einberufung des Kuratoriums nach § 9 Nr. 1 Satz 6 der Satzung nicht mehr erfüllbar. In einem solchen Fall, in dem regelmäßig die Funktionsfähigkeit der Stiftung insgesamt in Frage gestellt sein wird, ist es Aufgabe der Stiftungsaufsichtsbehörde, dem eingetretenen Notstand durch geeignete Maßnahmen – etwa durch Bestellung eines Sachwalters (§ 23 StiftG NW), gegebenfalls auch durch Notbestellung von Kuratoriumsmitgliedern (§ 24 StiftG NW) – unverzüglich zu begegnen. Solche Maßnahmen sind nicht notwendig mit erheblichem Zeitverlust verbunden. Sie hängen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht davon ab, daß die Aufsichtsbehörde die gegen Kuratoriumsmitglieder erhobenen Vorwürfe prüft. Dessen bedarf es nur bei Maßnahmen nach § 22 Abs. 3, nicht dagegen bei solchen nach §§ 23, 24 StiftG NW, Dafür, daß das vorhandene Instrumentarium, das die Handlungsfähigkeit des Kuratoriums gewährleisten soll, aus der Sicht des Stifters gleichwohl nicht ausgereicht haben, es diesem vielmehr darauf angekommen sein könnte, die Handlungsfähigkeit auch in dem genannten Extremfall durch restriktive Handhabung des § 9 Nr. 1 der Satzung in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne sicherzustellen, sind der Satzung konkrete Anhaltspunkte nicht zu entnehmen. Der Umstand, daß sich das Kuratorium im Interesse seiner Funktionsfähigkeit durch Zuwahl ergänzen soll und die Amtszeit der zugewählten Mitglieder so zu bemessen ist, daß nicht mehr als zwei Mitglieder gleichzeitig ausscheiden (§ 7 Nr. 2 der Satzung), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß dem Gesichtspunkt der jederzeitigen Handlungsfähigkeit von Organen im Vereins- wie auch im Stiftungsrecht grundsätzlich ein geringeres Gewicht zukommt als im Aktien- und Genossenschaftsrecht (vgl. BGHZ 59, 369). Dies hier anders zu beurteilen, ist schon deswegen nicht veranlaßt, weil die Beschlußfähigkeit des Kuratoriums rechtlich nicht in Frage gestellt und auch die Fortführung der laufenden Geschäfte durch den Vorstand gewährleistet war.

6. Die vereinsrechtlichen Vorschriften der §§ 28 Abs. 1, 32, 34 BGB, die auf Stiftungen entsprechend anzuwenden sind (§ 86 BGB), bieten für die hier zu beurteilende Frage keine Lösung. Im Vereinsrecht entscheidet bei der Beschlußfähigkeit die Mehrheit der erschienenen Mitglieder. Die hier entscheidungserhebliche Frage stellt sich dabei nicht.

7. Der Senat verkennt nicht, daß die vorstehende Auslegung der Stiftungssatzung im Falle einer durch die Suspendierung von Kuratoriumsmitgliedern bewirkten Beschlußunfähigkeit des Kuratoriums die Schwelle für Maßnahmen der Stiftungsaufsicht zur Wiederherstellung der Beschlußfähigkeit niedriger ansetzt, als dies bei der vom Berufungsgericht befürworteten Lösung der Fall wäre. Daraus können jedoch unter dem Gesichtspunkt des im Stiftungsrecht zu beachtenden Prinzips der Subsidiarität staatlicher Eingriffe (vgl. Seifart/Hof § 11 Rdn. 11) Bedenken gegen den vom Senat vertretenen Standpunkt nicht hergeleitet werden; denn der Subsidiaritätsgrundsatz kann sich bei der Auslegung der Stiftungssatzung grundsätzlich nicht gegen den Stifterwillen durchsetzen, sofern dieser – wie im Streitfall – hinreichend deutlich hervortritt. Im übrigen ist davon auszugehen, daß in der Praxis, wenn mehr als der Hälfte der Kuratoriumsmitglieder die Wahrnehmung ihrer Geschäfte einstweilen untersagt wird, Maßnahmen der Stiftungsaufsicht ohnehin in aller Regel unumgänglich sind.

8. Daraus folgt: Das Kuratorium der Beklagten wäre bei der Beschlußfassung über die Zuwahl weiterer Mitglieder in der Sitzung vom 10. März 1990 nur dann beschlußfähig gewesen, wenn von den elf Mitgliedern mindestens sechs stimmberechtigte Mitglieder mitgewirkt hätten. Da diese satzungsmäßige Voraussetzung nicht erfüllt war, ist der Beschluß unwirksam.

 

Unterschriften

Krohn, Engelhardt, Rinne, Wurm, Deppert

 

Fundstellen

Haufe-Index 970727

NJW 1994, 184

BGHR

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