Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein Rechtsverlust des Dritten eintritt, der eine bei ihm gepfändete Sache aufgrund der Pfändung herausgegeben hat.
Normenkette
ZPO § 809
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 1976 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter in dem am 26. April 1974 eröffneten Konkurs über das Vermögen der Firma N. Z. – Pelze Nikolaos Z… GmbH & Co. KG, E… (Gemeinschuldnerin). Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin war Nikolaos Z… alleinige Kommanditistin dessen Ehefrau. Die Gemeinschuldnerin hatte am 6. Juli 1973 in M… ein weiteres Geschäftslokal gemietet und dort unter der Firma „A… Pelzsalon Nikolaos Z…, M…” eine Betriebsstätte eröffnet, deren Firmierung allerdings auf eine Beanstandung der örtlichen Industrie- und Handelskammer hin geändert werden mußte.
Die Beklagte stand mit der Gemeinschuldnerin in Geschäftsverbindung. Am 8. September 1973 eröffnete Nikolaos Z… unter seinem Namen mit dem Zusatz „A… Pelzsalon M…” ein Kontokorrentkonto bei der Düsseldorfer Filiale der Beklagten.
Am 9. April 1974 erwirkte die Beklagte gegen Nikolaos persönlich wegen eines Anspruchs von 550.000 DM nebst Zinsen beim Amtsgericht Mönchengladbach einen dinglichen Arrest, zu dessen Vollzug am gleichen Tage im Geschäftslokal in Mönchengladbach zahlreiche Pelze und Pelzfabrikate gepfändet und von dem dort tätigen Angestellten der Gemeinschuldnerin K… an den Gerichtsvollzieher herausgegeben wurden. Am 21. Mai 1974 erging gegen Nikolaos Z… auf Antrag der Beklagten ein Versäumnisurteil über den Hauptsachebetrag des Arrestes, das rechtskräftig geworden ist.
Der Kläger hat gegen die Pfändung Drittwiderspruchsklage erhoben mit der Behauptung, es habe sich bei dem Pfandgut um Gegenstände gehandelt, an denen der Gemeinschuldnerin die Veräußerung hindernde Rechte zustünden. Entsprechend einer Vereinbarung der Parteien sind die gepfändeten Rauchwaren in der Folgezeit für 315.000 DM freihändig verkauft und der Erlös bei der Beklagten hinterlegt worden.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Auszahlung von 315.000 DM nebst 4 % Zinsen zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr unter Abzug der für die Verwertung der Pelze angefallenen Kosten in Höhe von 284.916,73 DM nebst Zinsen stattgegeben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Beide Tatsacheninstanzen sind davon ausgegangen, daß der Verwertungserlös aus dem Verkauf der gepfändeten Rauchwaren nach der Vereinbarung der Parteien derjenigen von ihnen zustehen sollte, die in dem Drittwiderspruchsverfahren (§ 771 ZPO) Erfolg gehabt hätte. Soweit die Revision hierin einen Verstoß gegen die Denkgesetze und allgemeine Auslegungsregeln sieht, weil es sich nach ihrer Ansicht nur um eine Vereinbarung über die Verwertung des Pfandgutes gehandelt habe, verkennt sie, daß das Verhalten der Parteien, die nach dem bereits im ersten Rechtszug erfolgten freihändigen Verkauf der Pfandsachen nur noch um den hinterlegten Erlös gestritten haben, die Auslegung des Berufungsgerichts möglich und naheliegend erscheinen läßt. Das Berufungsurteil läßt insoweit einen im Revisionsverfahren zu beachtenden Rechtsfehler nicht erkennen.
II. 1. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die sämtlichen gepfändeten Rauchwaren zum Betrieb der unselbständigen Betriebsstätte der Gemeinschuldnerin in M… gehörten und nicht dem Schuldner der Beklagten, Nikolaos Z…, überlassen waren. Die Pelze standen – so das Berufungsgericht – entweder im Eigentum der Gemeinschuldnerin, oder die Gemeinschuldnerin hatte, soweit ihr die Ware unter Eigentumsvorbehalt geliefert war, Anwartschaftsrechte. Nikolaos Z… persönlich dagegen, gegen den der von der Beklagten erwirkte Vollstreckungstitel gerichtet war, aufgrund dessen die Pfändung erfolgte, habe keine Rechte an den Pfandsachen gehabt. Der Kläger habe, ohne daß die Beklagte dem entgegengetreten sei, behauptet, für die Lieferanten, die sich das Eigentum an gelieferten Waren vorbehalten hätten, mit deren Zustimmung in Prozeßstandschaft zu handeln. Bei dieser Sachlage müsse der Kläger nicht im einzelnen darlegen, welche Rauchwaren im Eigentum der Gemeinschuldnerin und welche noch im Eigentum Dritter gestanden hätten.
2. a) Die Revision meint, der Kläger könne Auszahlung des Erlöses der gepfändeten Sachen nach Bereicherungsgrundsätzen nur in denjenigen Fällen verlangen, in denen die Gemeinschuldnerin Eigentümerin der verwerteten Waren gewesen sei. Hinsichtlich der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware stünden die Bereicherungsansprüche teilweise oder gänzlich den Vorbehaltsverkäufern der Gemeinschuldnerin zu. Insoweit könne der Kläger nicht Auszahlung an sich verlangen, zumal er das Vorliegen einer Einziehungsermächtigung seitens der Vorbehaltseigentümer nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB nicht behauptet habe. Das Berufungsgericht hätte daher die Entscheidung der Frage, wem jeweils das Eigentum an den gepfändeten Gegenständen zugestanden habe, nicht dahingestellt lassen dürfen.
b) Voraussetzung für eine gewillkürte Prozeßstandschaft des Klägers, die das Berufungsgericht angenommen habe, wäre außerdem gewesen, daß der Kläger die Lieferanten namentlich benannt und ein schutzwürdiges rechtliches Interesse daran dargelegt hätte, hier fremde Rechte gerichtlich geltend zu machen.
3. Das angefochtene Urteil hält diesen Revisionsangriffen stand. Wenn die auf einen Titel der Beklagten persönlich gestützte Pfändung am 9. April 1974 in einem Geschäftslokal der Gemeinschuldnerin erfolgte, was das Berufungsgericht festgestellt hat und die Revision nicht mehr in Zweifel zieht, und wenn sie ausschließlich Waren betraf, die im Eigentum der Gemeinschuldnerin standen oder an denen diese ein Anwartschaftsrecht erworben hatte, während Nikolaos Z… kein Recht an ihnen zustand, dann war sie unzulässig (vgl. BGH Urteil vom 26. September 1957 – III ZR 67/56 = NJW 1957, 1877); denn nur das Vermögen des Schuldners unterliegt Rechtens dem Zugriff seiner Gläubiger (BGHZ 55, 20, 26 f.). Sie bezog sich noch nicht einmal auf Sachen im Gewahrsam des Schuldners (§ 808 Abs. 1 ZPO, denn die Gemeinschuldnerin als Geschäftsinhaberin – nicht aber Z… – hatte Gewahrsam an den Waren in ihren Geschäftsräumen in M…. Bei der Pfändung von Sachen, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen, sondern wirtschaftlich, sei es wegen Eigentums- oder wegen eines Anwartschaftsrechts auf das Eigentum (BGHZ a.a.O.), zum Vermögen eines Dritten gehören, hat der Dritte – hier die Gemeinschuldnerin – ein die Veräußerung hinderndes Recht an den Pfandsachen, das der Kläger im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend gemacht hat. Daß sich unter den gepfändeten Waren auch Gegenstände befunden hätten, die der Gemeinschuldnerin nicht von Lieferanten zum Verkauf überlassen gewesen waren, ist nicht vorgetragen. Bei dieser Sachlage brauchte der Kläger nicht im einzelnen darzulegen, an welchen gepfändeten und im Einverständnis der Parteien freihändig verkauften Gegenständen die Gemeinschuldnerin bereits Eigentum erworben oder erst ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum hatte; denn nach der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Berufungsgerichts sollte nach der Vereinbarung der Parteien der Erlös der Pfandsachen an deren Stelle treten und der Partei zufallen, die im Widerspruchstreit obsiegt hätte. Das wäre, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, der Kläger gewesen, weil hier nicht Gegenstände aus dem Vermögen des Schuldners Nikolaos Z…, sondern der Gemeinschuldnerin von der Beklagten gepfändet worden waren. Der Gemeinschuldnerin hätte auch dann ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne von § 771 ZPO zugestanden, wenn ihr an einzelnen der gepfändeten Sachen etwa ein Verkaufskommissionsrecht oder ein Pfandrecht von ihren Lieferanten eingeräumt gewesen wäre.
III. Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, daß ein Angestellter der Gemeinschuldnerin die gepfändeten Sachen dem Gerichtsvollzieher herausgegeben (§ 809 ZPO) und die Gemeinschuldnerin deshalb ihr Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO verloren habe.
Nach § 809 ZPO können diejenigen Sachen des Pfändungsschuldners nach den Vorschriften der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen gepfändet werden, die sich im Gewahrsam eines herausgabebereiten Dritten befinden. Der herausgabebereite Dritte verliert in einem solchen Falle sein etwaiges Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO, das er als berechtigter Besitzer der Sachen geltend machen könnte. Voraussetzung einer statthaften Pfändung nach § 809 ZPO ist aber immer, daß es sich um Sachen aus dem Vermögen des Pfändungsschuldners handelt, in die vollstreckt werden soll. Nur hinsichtlich solcher Sachen kann durch die Herausgabe ein Rechtsverlust des Dritten eintreten. § 809 ZPO führt aber nicht dazu, daß der Dritte auch dann einen Rechtsverlust erleidet, wenn er irrtümlich etwa eigene Sachen, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören, an den pfändenden Gerichtsvollzieher herausgibt; denn mit der Regelung des § 809 ZPO wird kein Pfändungspfandrecht kraft guten Glaubens geschaffen. Der Dritte kann in diesem Falle sein materielles, die Veräußerung der Pfandsache hinderndes Recht vielmehr außer durch Erinnerungen nach § 766 ZPO auch im Wege des § 771 ZPO geltend machen, weil er durch die Herausgabe keinen anderen Rechtsverlust als denjenigen des Besitzes erleidet. Ob ein Verzicht auf ein die Veräußerung der Pfandsache hinderndes materielles Recht durch den Dritten (Thomas/Putzo, ZPO, 9. Aufl. § 809 Anm. 3 b) in der Herausgabe an den Gerichtsvollzieher bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden kann (zweifelnd Wieczorek, ZPO, 1. Aufl. § 809 Anm. B II) etwa wenn der Dritte bewußt zur Unterstützung des Pfändungsschuldners eigene Sachen freigeben wollte, kann offenbleiben. Dafür ist hier nämlich nichts vorgetragen.
Die Genehmigung der Herausgabe der Sachen der Gemeinschuldnerin zur Pfändung, die der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin einem Vertreter der Beklagten im Sommer 1974 erklärt hat, lag bereits nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Sie war nach § 7 KO deshalb unwirksam.
IV. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch kein arglistiges Handeln darin gesehen, daß der Kläger sich darauf berufen hat, daß die Pfändung wegen eines Titels gegen Nikolaos Z… persönlich, in einem Geschäftslokal der Gemeinschuldnerin erfolgt ist. Es war Sache der Beklagten sich zu vergewissern, gegen wen sie einen Titel erwirken mußte, um in dem Geschäft in M… pfänden zu können, wenn sie auch Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin hatte.
V. Die Revision war demnach auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609677 |
JZ 1978, 199 |