Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkaufsaktionen. eBay-Internetplatform. Erklärungen der Teilnehmer. eBay-AGB. Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen. Anfechtungserklärung. Scheinkaufpreis. Abrücken von den Regelungen der eBay-AGB. Bestimmung des Vertragsinhalts. Auslegung der Preisvereinbarung. Sofortkauf-Button. Inhaltsirrtum
Leitsatz (amtlich)
a) Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (Fortführung der BGH vom 7.11.2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; v. 11.5.2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rz. 21; v. 10.12.2014 - VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rz. 19).
b) Zum Vorliegen einer Anfechtungserklärung kann es schon genügen, dass der Anfechtende eine Verpflichtung, die er nach dem objektiven Erklärungswert seiner - ggf. durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen hat, bestreitet oder nicht anerkennt oder ihr sonst widerspricht, sofern sich unzweideutig der Wille ergibt, dass er das Geschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehenlassen will. Dies ist auch in Form einer Eventualanfechtung möglich, die für den Fall erklärt wird, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (Bestätigung von BGH, Urt. v. 15.5.1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III m. w. N.; v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rz. 17).
Normenkette
BGB §§ 119, 133, 143, 157
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 10.02.2016; Aktenzeichen 22 S 129/15) |
AG Bielefeld (Entscheidung vom 11.05.2015; Aktenzeichen 419 C 89/15) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des LG Bielefeld vom 10.2.2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte bot im Oktober 2014 über die Internet-Plattform eBay unter Nutzung der Festpreis-Funktion "Sofort-Kaufen" ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen Sofortkaufpreis von 100 EUR und Versandkosten von 39,90 EUR ein. Die auf der Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung lautete:
"Pedelec neu einmalig 2600 EUR Beschreibung lesen!!"
Rz. 2
Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte - wiederum in Großbuchstaben - folgende Angaben hinzugefügt:
"Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 EUR eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 EUR mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie mir einfach ein Angebot! Danke."
Rz. 3
Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16.10.2014 die Schaltfläche ("Button") "Sofort-Kaufen" auf der Angebotsseite, um das E-Bike zu erwerben. In einer noch am gleichen Tage durch E-Mails über die Höhe des Kaufpreises geführten Korrespondenz wies der Beklagte den Kläger auf den in der Artikelbeschreibung angegebenen Kaufpreis von 2.600 EUR als aus seiner Sicht maßgeblich hin, während sich der Kläger auf den eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von eBay einschließlich der Versandkosten angezeigten Kaufpreis von 139,90 EUR berief. Auf die am Folgetag übersandte Aufforderung des Beklagen, den nach seiner Auffassung angefallenen Kaufpreis binnen fünf Tagen zu bezahlen, zahlte der Kläger nur 139,90 EUR und bat um den Versand des E-Bikes an seine Anschrift. Als der Beklagte dem nicht nachkam, verlangte der Kläger von diesem mit Anwaltsschreiben vom 31.10.2014 unter Hinweis auf das von ihm durch Betätigung des Buttons lediglich zu 100 EUR zzgl. Versandkosten angenommene Angebot erneut die Übersendung des E-Bikes.
Rz. 4
Seine auf Herausgabe und Übereignung des E-Bikes sowie auf einen Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des E-Bikes aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil zwischen den Parteien ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei. Hierbei könne im Ergebnis dahin stehen, ob es im Rahmen der Auslegung des Festpreisangebots des Beklagten nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auf den Inhalt der gesamten Artikelbeschreibung ankomme, zumal die Hinweise zu § 6 Nr. 3 eBay-AGB einem Käufer auch bei Sofortkauf-Angeboten insoweit eine Angebotsprüfung anrieten. Denn ein Angebot des Beklagten mit dem Inhalt, das E-Bike für 100 EUR zu verkaufen, sei jedenfalls wegen fehlender Ernstlichkeit nach § 118 BGB nichtig.
Rz. 8
Die fehlende Ernstlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte am Ende der Artikelbeschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen habe, der angegebene Sofortkaufpreis sei nicht der wirkliche Angebotspreis, sondern ein mit Rücksicht auf die eBay-Gebühren bewusst niedrig gehaltener "Scheinkaufpreis". Der Beklagte habe ersichtlich in der Erwartung gehandelt, der Interessent werde die gesamte Artikelbeschreibung lesen und erkennen, dass der angegebene Sofortkaufpreis nicht ernst gemeint sei. Ob der Kläger durch Betätigen des "Sofort-Kaufen-Buttons" ein (eigenes) Angebot über 100 EUR abgegeben habe, bedürfe keiner Entscheidung, da der Beklagte ein solches Angebot jedenfalls nicht angenommen habe.
II.
Rz. 9
Diese Beurteilung hält - allerdings nur im Ergebnis - rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 10
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen E-Bikes (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zu. Zwar ist - wenn auch zu einem Kaufpreis von 2.600 EUR - zwischen den Parteien ursprünglich ein Kaufvertrag zustande gekommen, so dass der Kläger - den (Fort-)Bestand dieses Vertrages vorausgesetzt - die Übergabe und Übereignung des gekauften E-Bikes, allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung des zwischen den Parteien gem. § 433 Abs. 2 BGB vereinbarten (Rest-)Kaufpreises i. H. v. 2.500 EUR, hätte verlangen können (vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.2015 - V ZR 111/14, juris m. w. N.). Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich aber zugleich, dass der Kläger seine nach dem Empfängerhorizont des Beklagten objektiv auf einen Kaufpreis von 2.600 EUR lautende Annahmeerklärung anschließend gem. §§ 119 Abs. 1, 121 Abs. 1, 143 Abs. 1, 2 BGB wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hat, so dass es wegen der dadurch als von Anfang an als nichtig anzusehenden Annahmeerklärung (§ 142 Abs. 1 BGB) letztlich an einem die Klageforderung tragenden Vertragsschluss der Parteien fehlt.
Rz. 11
1. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte das E-Bike nicht für 100 EUR, sondern für 2.600 EUR an den Kläger verkauft.
Rz. 12
a) Durch die Nutzung der von eBay zur Verfügung gestellten Option "Sofort-Kaufen" hat der Beklagte das E-Bike zu einem von ihm vorgegebenen Festpreis zum Verkauf angeboten. Auch in diesem Fall richtet sich der Erklärungsgehalt der zu beurteilenden Willenserklärungen neben den sich dafür aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (im Folgenden: eBay-AGB), denen die Parteien vor der Teilnahme an der Verkaufsaktion zugestimmt haben (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2011 - VIII ZR 305/10, WM 2011, 2146 Rz. 15; v. 28.3.2012 - VIII ZR 244/10, WM 2012, 2299 Rz. 29; v. 24.8.2016 - VIII ZR 100/15, NJW 2017, 468 Rz. 19 [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt]; jeweils m. w. N.). Deren Aussagegehalt ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsaktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, dann entsprechend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen (BGH vom 7.11.2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; v. 11.5.2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rz. 21; v. 10.12.2014 - VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rz. 19).
Rz. 13
Rückt jedoch einer der Teilnehmer an der Verkaufsaktion erkennbar von den Regelungen der eBay-AGB in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Denn diese Bedingungen werden nur zwischen eBay und dem Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart, so dass ihnen keine unmittelbare Geltung im Verhältnis zwischen Anbieter und Kaufinteressent zukommt. In diesem Verhältnis ist vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2001 - VIII ZR 13/01, a. a. O., S. 136 f.; v. 11.5.2011 - VIII ZR 289/09, a. a. O.; v. 10.12.2014 - VIII ZR 90/14, a. a. O.). So verhält es sich auch im Streitfall.
Rz. 14
b) Der Beklagte hat - wovon auch das Berufungsgericht noch zutreffend ausgegangen ist - in dem von ihm auf der eBay-Plattform eingestellten Angebot unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Preis für das zum Verkauf stehende E-Bike nicht nur 100 EUR, sondern 2.600 EUR betragen sollte.
Rz. 15
aa) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine Auslegung des Angebots sich nicht auf den Umstand beschränken, dass das E-Bike aufgrund der Wahl der Verkaufsform und des neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Festpreises auf den ersten Blick für einen Preis von 100 EUR zum (Sofort-)Kauf stehen sollte. Denn eine Auslegung darf sich jedenfalls bei einem - wie hier - Individualangebot, auf das § 305c Abs. 1 BGB mit dem darin geregelten Schutz vor überraschenden Klauselinhalten keine Anwendung findet, nicht auf einzelne Aussagen gründen, sondern hat die im Wortlaut des Angebots getroffenen Aussagen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und darf sich nicht nur auf die einem Anspruchsteller günstigen Erklärungsbestandteile stützen (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1989 - II ZR 2/89, WM 1990, 13 unter 2; v. 13.3.2003 - IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235 unter II 1; v. 28.5.2014 - VIII ZR 179/13, BGHZ 201, 271 Rz. 23, 34).
Rz. 16
bb) Die Auslegung des vom Beklagten geschalteten Angebots in seiner Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 EUR zum Verkauf gestellt war. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite nach seinem Empfängerhorizont zunächst davon ausgehen, dass der neben der Schaltfläche "Sofort-Kaufen" erscheinende und optisch hervorgehobene Festpreis betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht. Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen.
Rz. 17
Bei der danach gebotenen Vorgehensweise zur Erfassung des Angebotsinhalts fällt zwar zunächst ein Widerspruch auf zwischen dem ins Auge springenden Sofortkauf-Angebot über 100 EUR und der nachfolgend in der Beschreibung enthaltenen Erklärung, nach der bei einer Gebotsabgabe Einverständnis mit einem Verkaufspreis von 2.600 EUR besteht. Dieser Widerspruch löst sich jedoch allein schon durch die abgegebenen Erklärungen unmissverständlich dahin auf, dass der im Eingang genannte Angebotspreis von 100 EUR nur zwecks Einsparung von Verkaufsgebühren genannt, in Wirklichkeit aber nicht gewollt war, sondern auf 2.600 EUR lauten sollte, und dass das Angebot bei einer Betätigung des Buttons zu diesem Preis angenommen würde. Zudem hatte der Beklagte bereits in der direkt über dem Sofortkauf-Button platzierten Angebotsüberschrift einen Preis von 2.600 EUR deutlich sichtbar hervorgehoben und zur Erläuterung auf die nachgestellte Beschreibung verwiesen.
Rz. 18
cc) Diese Gegebenheiten verkennt das Berufungsgericht auch, wenn es - ohne das Angebot auf das erkennbar Gewollte hin auszulegen - sich im Kern nur damit befasst, was der Beklagte nicht gewollt hat, um daraus ein nicht ernstlich gemeintes und deshalb gem. § 118 BGB nichtiges Angebot über 100 EUR herzuleiten. Denn es versteht sich von selbst, dass das Angebot, ein E-Bike für 2.600 EUR zu verkaufen, nicht gleichzeitig ein nicht ernstlich gemeintes Verkaufsangebot über 100 EUR sein kann, sondern sich auf den erkennbar gewollten Angebotsgehalt beschränkt und kein dazu im Widerspruch stehendes weiteres Angebot enthält.
Rz. 19
dd) Die Auslegung des Sofortkauf-Angebots, wonach der Beklagte das E-Bike nur zum Preis von 2.600 EUR und zu keinem anderen Preis zum Verkauf gestellt hat, kann der Senat auch selbst vornehmen. Zwar ist die Auslegung von Individualerklärungen und -vereinbarungen grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.12.2014 - VIII ZR 89/13, juris Rz. 34; v. 27.4.2016 - VIII ZR 61/15, NJW-RR 2016, 910 Rz. 26; jeweils m. w. N.). Hat das Tatgericht jedoch unter Verkennung anerkannter Auslegungsregeln die gebotene Auslegung zur Ermittlung des mit einer Willenserklärung wirklich Gewollten unterlassen, kann diese Auslegung durch das Revisionsgericht erfolgen, wenn die erforderlichen Feststellungen getroffen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112; v. 16.6.2010 - VIII ZR 280/09, NJW-RR 2010, 1310 Rz. 10; vom 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 61; jeweils m. w. N.). Dies ist nach den vorstehend wiedergegebenen und für den Vertragsschluss allein maßgeblichen Erklärungen in ihrer Gesamtheit, namentlich dem Wortlaut und der Gestaltung der Angebotsseite durch den Beklagten, hier der Fall. Danach hat der Beklagte nur ein einheitliches Angebot zum Verkauf des E-Bikes für 2.600 EUR abgegeben.
Rz. 20
ee) Ohne Erfolg wendet die Revision dagegen ein, es widerspreche dem Sinn und Zweck der Option "Sofort-Kaufen", wenn vom Käufer verlangt werde, vor Annahme das gesamte Angebot einschließlich der Artikelbeschreibung zu lesen, da dieses Angebotsformat gerade besonders schnell Entschlossenen die Möglichkeit einräumen wolle, einen Artikel zum Schnäppchenpreis zu erwerben. Für eine derartige Sichtweise des Verkehrs besteht jedoch kein Anhalt. Sie wäre im Streitfall zudem auch angesichts ihres Widerspruchs zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, insb. der in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden Maßgeblichkeit eines - wie hier - hinreichend deutlich geäußerten Parteiwillens, unbeachtlich. Das gilt umso mehr, als der Plattformbetreiber eBay den Kaufinteressenten in seinen auch im Berufungsurteil herangezogenen "Weiteren Informationen zur Sofort-Kaufen-Option" ausdrücklich empfiehlt, den "Sofort-Kaufen-Preis" wie auch die Versandkosten sowie andere sich eventuell aus der Artikelbeschreibung ergebende zusätzliche Kosten vor Annahme des Angebots zu überprüfen.
Rz. 21
ff) Vergeblich macht die Revision weiter geltend, eine Auslegung der abgegebenen Erklärung, dass ein Kaufpreis i. H. v. 2.600 EUR gefordert sei, verstoße gegen den Auslegungsgrundsatz, wonach die Vertragsparteien im Zweifel eine gesetzeskonforme Regelung gewollt hätten und deshalb diejenige Auslegung den Vorzug verdiene, bei der die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vermieden werde. Denn ein auf 2.600 EUR lautender Kaufpreis liefe wegen der dann anfallenden höheren Transaktionsgebühren auf eine betrügerische Manipulation zu Lasten von eBay hinaus und hätte gem. § 134 BGB die Nichtigkeit einer solchen Preisvereinbarung zur Folge.
Rz. 22
Dieser Einwand berührt das genannte Auslegungsergebnis schon deshalb nicht, weil bei der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der Preisvereinbarung von deren Wortlaut und deren erkennbarem Sinn und Zweck auszugehen ist, ohne dass es jedenfalls bei einem danach - wie im Streitfall - eindeutigen Auslegungsergebnis noch zusätzlich darauf ankommt, ob die sich hierbei ergebende Vertragsbestimmung gesetzeskonform ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rz. 15; v. 21.1.1957 - II ZR 147/56, WM 1957, 512 unter III). Darüber hinaus verkennt die Revision, dass das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zum Plattformbetreiber eBay unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt, auch wenn es mit den eBay-AGB nicht im Einklang steht (dazu vorstehend II 1a; vgl. ferner OLG Hamm MMR 2011, 241 f.). Letztlich steht auch die erkennbare Akzessorietät des Gebührenanspruchs der Annahme entgegen, eine zu niedrige Kaufpreisangabe könne die nach der tatsächlichen Höhe angefallene Transaktionsgebühr beeinflussen oder führe sogar zu einer (Teil-)Nichtigkeit der Preisvereinbarung und damit des Kaufvertrages.
Rz. 23
c) Das auf einen Kaufpreis von 2.600 EUR lautende Angebot hat - wie der Senat wegen Unterbleibens der gebotenen eigenen Auslegung durch das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenfalls selbst abschließend beurteilen kann - der Kläger angenommen. Der Beklagte durfte zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der den Vertragsschluss vollendenden Annahmeerklärung des Klägers (vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2006 - VIII ZR 384/04, WM 2006, 1358 Rz. 12; v. 12.10.2012 - V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789 Rz. 32; jeweils m. w. N.) mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach seinem Empfängerhorizont davon ausgehen, dass der Kläger durch die vorbehaltlose Betätigung des Sofortkauf-Buttons die Annahme seines vorstehend beschriebenen Angebots uneingeschränkt erklärt hat. Denn auch bei Benutzung elektronischer Kommunikationsmittel zur Abgabe und zum Empfang von Willenserklärungen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln, wonach empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen sind, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH, Urt. v. 16.10.2012 - X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 Rz. 18 f.). Einen das Vertrauen des Beklagten in eine vorbehaltslose Angebotsannahme beseitigenden Willen, die Annahmeerklärung auf einen Kaufpreisbetrag von 100 EUR zu beschränken, hat der Kläger bei dieser Gelegenheit (noch) nicht zum Ausdruck gebracht.
Rz. 24
2. Der danach aufgrund des wirksam geschlossenen Kaufvertrages zunächst entstandene, wenn auch vom Beklagten gem. § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Zug um Zug gegen Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 2.500 EUR zu erfüllende Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung des E-Bikes (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch erloschen (§ 142 Abs. 1 BGB), weil der Kläger seine auf einen Kaufpreis von 2.600 EUR lautende Annahmeerklärung wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hat (§§ 119 Abs. 1, 121 Abs. 1, 143 Abs. 1, 2 BGB). Das Berufungsgericht hat zwar die nach seinem Rechtsstandpunkt nicht entscheidungserhebliche Frage offengelassen, ob der Kläger durch die Betätigung des Sofortkauf-Buttons lediglich ein Angebot über 100 EUR abgegeben hat oder - wie das AG angenommen hat - abgeben wollte. Dass der Kläger aber nur die neben dem Sofortkauf-Button angegebenen 100 EUR bieten und sich an einen Vertrag mit einem Kaufpreis von 2.600 EUR nicht gebunden wissen wollte, hat er nach dem festgestellten und nicht weiter ergänzungsbedürftigen Geschehensablauf alsbald unmissverständlich im Sinne einer Anfechtung gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht, so dass der Senat in der Lage ist, hieraus selbst die erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Rz. 25
a) Der Kläger ist, als er den Sofortkauf-Button betätigt hat, einem Inhaltsirrtum i. S. v. § 119 Abs. 1 BGB über den von ihm damit angenommenen Kaufpreisvorschlag unterlegen. Ein solcher Irrtum setzt ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus. Der Erklärende muss also, ohne dies zu bemerken, gegenüber dem Erklärungsempfänger aus dessen Sicht etwas anderes zum Ausdruck gebracht haben als das, was er in Wirklichkeit erklären wollte; er hat seine Erklärung zwar so, wie sie lautet, auch tatsächlich abgeben wollen, sich aber über die Bedeutung, die dem Erklärten unter den gegebenen Umständen im Rechtsverkehr zukam, geirrt (BGH, Urt. v. 28.4.1991 - V ZR 201/68, WM 1971, 745 unter 5; Beschl. v. 5.6.2008 - V ZB 150/07, BGHZ 177, 62 Rz. 15; jeweils m. w. N.). So verhält es sich auch im Streitfall.
Rz. 26
Bereits in der am Tage des Kaufs mittels E-Mail geführten Korrespondenz hat der Kläger den vom Beklagten verlangten Kaufpreis von 2.600 EUR nicht gelten lassen wollen, sondern sich auf den eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von eBay angezeigten Kaufpreis von 100 EUR als maßgeblich berufen sowie auch nur diesen kurz darauf bezahlt, um wenig später durch Anwaltsschreiben vom Beklagten seinerseits die Erfüllung des Kaufvertrags nach diesen Bedingungen einzufordern. Allein schon ein derartiger Ablauf lässt mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen, dass diese Sichtweise bei dem Kläger bereits vorhanden war, als er kurz zuvor den Sofortkauf-Button betätigt hat, nämlich mit dem Willen, das Kaufangebot des Beklagten lediglich zu dem neben dem Button aufgeführten Preis von 100 EUR anzunehmen.
Rz. 27
Insoweit kann dahin stehen, ob der Kläger, wie er behauptet hat, das Kaufangebot nicht zu Ende gelesen und deshalb die nach seiner Sicht im "Kleingedruckten" stehende Erläuterung nicht zur Kenntnis genommen hat, oder ob er die Erläuterung aus sonstigen Gründen, etwa wegen einer unzulässigen Abweichung von den durch eBay vorgegebenen Regeln, für unmaßgeblich gehalten hat. Selbst wenn er das Angebot nicht zu Ende gelesen hätte, stünde dies einem Inhaltsirrtum nicht entgegen. Denn auch derjenige, der ein Schriftstück ganz oder teilweise ungelesen unterschrieben hat, darf anfechten, wenn er sich - wie hier - von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat und dadurch bei Abgabe einer hierauf bezogenen Erklärung Erklärungsinhalt und Erklärungswille miteinander nicht im Einklang stehen (BGH, Urt. v. 27.10.1994 - IX ZR 168/93, WM 1994, 2274 unter II 2a; v. 15.1.2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436 unter III 1a; Beschl. v. 30.10.2013 - V ZB 9/13, NJW 2014, 1242 Rz. 8; jeweils m. w. N.).
Rz. 28
b) Wegen dieses Irrtums hat der Kläger seine Annahmeerklärung unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) und damit rechtzeitig gegenüber dem Beklagten angefochten.
Rz. 29
aa) Eine Anfechtungserklärung i. S. d. § 143 Abs. 1 BGB ist jede Willenserklärung, die unzweideutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden soll. Dazu bedarf es nicht des ausdrücklichen Gebrauchs des Wortes "anfechten". Es kann vielmehr nach den Umständen genügen, wenn eine Verpflichtung, die nach dem objektiven Erklärungswert der - ggf. durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen worden ist, bestritten oder nicht anerkannt wird oder wenn ihr sonst widersprochen wird. Erforderlich ist nur, dass sich unzweideutig der Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehenlassen zu wollen (BGH, Urt. v. 22.9.1983 - VII ZR 43/83, BGHZ 88, 240, 245; v. 7.6.1984 - IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, 331 f.; v. 22.2.1995 - IV ZR 58/94, VersR 1995, 648 unter 1b; jeweils m. w. N.). So liegt es nach dem dargestellten Geschehensablauf auch hier.
Rz. 30
bb) Der Kläger hat bereits in der unmittelbar nach Abschluss des Geschäfts mittels E-Mail geführten Korrespondenz gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung in der vom Beklagten verlangten Höhe anzuerkennen, und dies in der wenige Tage später erfolgten Zahlung des nach seiner Auffassung geschuldeten Kaufpreises von lediglich 100 EUR nachdrücklich wiederholt. Dadurch ist die von § 121 Abs. 1 BGB geforderte Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung gewahrt.
Rz. 31
cc) Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen, dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages durch den Beklagten nach Maßgabe des von ihm angenommenen Vertragsinhalts begehrt und insoweit von einem (Fort-)Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urt. v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rz. 17 m. w. N.). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist. Denn streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts und will die eine Partei an den Vertrag nur gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich an, ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte) Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem der Auffassung des Anfechtenden widersprechenden Sinne erfolgt. Nur für diesen Fall will er an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes (BGH, Urt. v. 15.5.1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III m. w. N.; v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, a. a. O.). So verhält es sich auch im Streitfall.
Fundstellen
Haufe-Index 10472743 |
BB 2017, 594 |
DB 2017, 7 |
DB 2017, 784 |
NJW 2017, 1660 |
CR 2017, 523 |
EWiR 2017, 465 |
JurBüro 2017, 609 |
NZG 2017, 6 |
WM 2017, 1380 |
ZIP 2017, 19 |
ZIP 2017, 928 |
DAR 2017, 518 |
JZ 2017, 288 |
JZ 2017, 634 |
MDR 2017, 446 |
NJ 2017, 148 |
VersR 2018, 304 |
ITRB 2017, 99 |
K&R 2017, 278 |
MMR 2017, 15 |
MMR 2017, 612 |
Jura 2017, 985 |
LL 2017, 449 |