Leitsatz (amtlich)
Tritt ein Insolvenzgläubiger eine zur Tabelle angemeldete und bestrittene Forderung, über die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit anhängig war, nach der Anmeldung ab, so kann der Zessionar den Rechtsstreit auch ohne Zustimmung des Prozessgegners aufnehmen, wenn die Rechtsnachfolge zwischen Zessionar, Prozessgegner und dem Zedenten unstreitig ist und gegenüber dem Insolvenzgericht nachgewiesen, in der Tabelle vermerkt und dem Prozessgegner angezeigt worden ist.
Normenkette
InsO § 180 Abs. 2; ZPO § 240 S. 1, § 265 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Antragstellerin werden das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2022 und das Zwischenurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29. Juni 2021 aufgehoben.
Die Antragstellerin hat den Rechtsstreit gegen die Beklagte wirksam als neue Klägerin aufgenommen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Im November 2015 erhob die e. GmbH i.L. gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer B. (im Folgenden: Schuldner) Stufenklage auf Erteilung von Auskunft über den Verbleib von Gerüstbauteilen sowie auf Zahlung von zunächst noch unbeziffertem Schadensersatz wegen behaupteter Entziehung dieser Bauteile. Der Schuldner wurde in erster Stufe durch Teil-Versäumnisurteil vom 16. August 2016 zur Auskunftserteilung verurteilt und legte hiergegen Einspruch ein.
Rz. 2
Am 7. April 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der e. GmbH i.L. eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 8. Juni 2018 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Der Kläger meldete am 19. Mai 2020 unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens und mit der Bezeichnung "Herausgabe/Schadensersatz von Gerüsten" eine Forderung in Höhe von 99.444,67 € als eine von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommene Forderung nebst Zinsen und Kosten zur Tabelle an. Im Prüfungstermin widersprachen die Beklagte und der Schuldner der Feststellung der Forderung.
Rz. 3
Mit Vertrag vom 23. November 2020 trat der Kläger die angemeldete Forderung an die Antragstellerin ab. Die Antragstellerin wurde in das nachträgliche Schlussverzeichnis vom 3. Dezember 2020 als Gläubigerin von Forderungen in Höhe von insgesamt 354.550,33 € aufgenommen.
Rz. 4
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2020 hat die Antragstellerin die Aufnahme des Rechtsstreits als neue Forderungsinhaberin und nunmehrige Klägerin erklärt und beantragt, die angemeldete Forderung nebst Zinsen und Kosten als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zur Insolvenztabelle festzustellen. Die Beklagte hat einer Fortführung des Rechtsstreits durch die Antragstellerin widersprochen.
Rz. 5
Das Landgericht hat durch Zwischenurteil die Aufnahme des Verfahrens durch die Antragstellerin abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragstellerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Rz. 6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Antragstellerin die Aufnahme des Rechtsstreits weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Feststellung, dass die Antragstellerin den Rechtsstreit gegen die Beklagte wirksam als neue Klägerin aufgenommen hat.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Unterbrechung des Rechtsstreits dauere an. Die Antragstellerin sei mangels Zustimmung der Beklagten gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht anstelle des Klägers in den Rechtsstreit eingetreten und könne das unterbrochene Verfahren deshalb nicht aufnehmen.
Rz. 9
§ 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei auf die prozessuale Ausgangslage des Streitfalls anwendbar. Die Beklagte habe ein schützenswertes Interesse daran, dass es zu keinem weiteren Parteiwechsel komme, nachdem bereits der Kläger als Partei kraft Amtes in den Rechtsstreit eingetreten sei. Denn bei einer Aufnahme des Rechtsstreits durch den Kläger sei eine zumindest teilweise Kostenerstattung denkbar, während bei einer Aufnahme durch die Antragstellerin, einer Unternehmergesellschaft, die Werthaltigkeit eines etwaigen Kostenerstattungsanspruchs nicht abgeschätzt werden könne.
Rz. 10
Es seien auch keine sachlichen Gründe aus dem Insolvenzrecht ersichtlich, die es rechtfertigten, von einer Anwendbarkeit des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO abzusehen. Dies wäre allenfalls dann denkbar, wenn aufgrund der Eintragung der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin im Schlussverzeichnis der Feststellungsstreit nach § 179 InsO nur durch sie geführt werden könne. Hier sei aber das Gegenteil der Fall. Da der Kläger das Prüfungsverfahren mit seiner Anmeldung vom 19. Mai 2020 eingeleitet habe und er in die Insolvenztabelle eingetragen worden sei, könne nur er und nicht die Antragstellerin den unterbrochenen Rechtsstreit aufnehmen. Die Antragstellerin sei erst nach ihrer Aufnahmeerklärung vom 1. Dezember 2020 im Schlussverzeichnis als Gläubigerin geführt worden. Selbst wenn jedoch eine Rechtsnachfolge schon vor dem 1. Dezember 2020 im Insolvenzverfahren festgestellt worden wäre, bestätige dies nur, dass die materielle Forderungsinhaberschaft der Antragstellerin unstreitig sei. Hierdurch entfalle aber nicht nachträglich die mit der Einleitung des Prüfungsverfahrens entstandene Berechtigung des Klägers zur Führung des Feststellungsstreits.
II.
Rz. 11
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 12
1. Die Berufung der Antragstellerin war zulässig. Dies hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218 Rn. 8 mwN). Auch wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung 600 € nicht überstieg (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), war sie statthaft, weil das Landgericht keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen hat (§ 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO), das Berufungsgericht diese Entscheidung jedoch hätte nachholen müssen und dies als nachgeholt angesehen werden muss.
Rz. 13
a) Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 500 €. Bei einer Klage auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle kommt es gemäß § 4 ZPO, § 182 InsO darauf an, welche Quote für die Forderung zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung zu erwarten war (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - IX ZB 57/15, WM 2016, 365 Rn. 13). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten ist mit keiner Quotenzahlung für die Insolvenzgläubiger zu rechnen. Dann ist die Beschwer auf die niedrigste Gebührenstufe von 500 € festzusetzen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 - III ZR 190/18, ZInsO 2019, 1748 Rn. 3 mwN).
Rz. 14
b) Landgericht und Berufungsgericht haben den Streitwert jeweils auf über 600 € festgesetzt und sind von einer entsprechenden Beschwer ausgegangen. Beide haben damit keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Dies ist jedoch unschädlich, weil das Berufungsgericht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zugelassen hat. Dann ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO ebenso als erfüllt angesehen und demgemäß die Berufung als zugelassen behandelt hätte, wenn ihm die Notwendigkeit seiner Entscheidung hierüber bewusst gewesen wäre (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 14. November 2007, aaO Rn. 12 f; Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZB 66/15, MDR 2016, 608 Rn. 15 mwN).
Rz. 15
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits nicht anwendbar.
Rz. 16
a) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der e. GmbH i.L. und über das Vermögen des Schuldners ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO zweifach (vgl. BAG, ZInsO 2022, 144, 145: "Doppelunterbrechung") unterbrochen worden. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt eine Aufnahme ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2022 - IX ZR 78/21, WM 2022, 1786 Rn. 13). Dabei steht die Insolvenz der e. GmbH i.L. einer Aufnahme durch die Antragstellerin schon deshalb nicht gemäß § 85 InsO entgegen, weil der Prozess nicht (mehr) diese Insolvenzmasse betrifft. Die streitbefangene Forderung der e. GmbH i.L. gegen den Schuldner ist aufgrund der nach Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen erfolgten Abtretung durch den Kläger an die Antragstellerin aus der Insolvenzmasse ausgeschieden.
Rz. 17
b) Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, dass die Aufnahme gemäß § 180 Abs. 2 InsO durch die Antragstellerin deshalb ausgeschlossen sei, weil die Beklagte der Übernahme des Prozesses durch die Antragstellerin an Stelle des Klägers nicht zugestimmt hat. Die Frage, wer befugt ist, einen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen, richtet sich allein nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist hinsichtlich der Aufnahmebefugnis nicht anwendbar.
Rz. 18
aa) § 4 InsO enthält eine allgemeine Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl., § 4 Rn. 3). Die Vorschriften der Zivilprozessordnung sind nach § 4 InsO allerdings auf das Insolvenzverfahren nur entsprechend und nur insoweit anzuwenden, als sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung keine Abweichungen ergeben.
Rz. 19
bb) Die Insolvenzordnung regelt in den §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO, wer befugt ist, einen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen. Hinsichtlich der Feststellung von Insolvenzforderungen zur Tabelle regeln §§ 174 ff InsO das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren. Dabei steht es nicht zur Disposition des Bestreitenden, welcher Gläubiger gegen ihn die Feststellung in der Form des § 180 InsO betreiben kann. Die Parteien des Feststellungsverfahrens werden vielmehr insolvenzrechtlich durch §§ 174 ff, 180 f InsO bestimmt. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist daher auf die Aufnahme eines durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreits nicht anzuwenden.
Rz. 20
(1) Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer Rechtsverfolgung durch Forderungsanmeldung (vgl. § 87 InsO) ist die Zulässigkeit einer insolvenzrechtlichen Feststellungsklage an die Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung der geltend gemachten Forderung nach §§ 174 ff InsO gekoppelt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12, WM 2013, 574 Rn. 21; vom 11. April 2019 - IX ZR 79/18, WM 2019, 988 Rn. 25). Eine nicht angemeldete, ungeprüfte Forderung kann nicht im Klageweg durchgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1961 - VIII ZR 149/60, NJW 1962, 153, 154 zu § 146 KO; vom 5. Juli 2007 - IX ZR 221/05, BGHZ 173, 103 Rn. 12; vom 22. Januar 2009 - IX ZR 3/08, WM 2009, 468 Rn. 8).
Rz. 21
(2) Gemäß § 181 InsO kann die Feststellung nach Grund, Betrag und Rang der Forderung nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung (§ 174 InsO) oder im Prüfungstermin (§ 176 InsO) bezeichnet worden ist. § 181 InsO dient dem Interesse der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - IX ZR 261/12, WM 2014, 1487 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 181 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 9. Aufl., § 181 Rn. 7). Dies geschieht (auch) durch die Festlegung der am Feststellungsstreit beteiligten Parteien.
Rz. 22
(a) § 174 Abs. 2 InsO meint mit dem Grund der Forderung den Klagegrund und damit den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3 InsO), muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden (BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 20 mwN). Die Angabe des Grundes der Forderung nach § 174 Abs. 2 InsO zielt mithin allein auf den den Streitgegenstand bildenden Lebenssachverhalt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020, aaO; vom 8. April 2021 - III ZR 62/20, WM 2021, 1330 Rn. 31). Wegen dieser Bedeutung muss der Anspruchsgrund gemäß § 174 Abs. 2 InsO bei der Anmeldung zur Tabelle angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2001 - IX ZR 71/00, NZI 2002, 37 zu §§ 139, 145 KO).
Rz. 23
(b) Die Aufnahmebefugnis steht nicht zur Disposition des Bestreitenden. Dies folgt daraus, dass auch die Frage, wer sich der Insolvenzforderung berühmt, zum Grund der Forderung im Sinne der § 174 Abs. 2, § 181 InsO gehört (vgl. bereits RG, LZ 1911, Sp. 862 zu § 146 KO; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 181 Rn. 8; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 181 Rn. 10). Demgemäß wird ausschließlich durch die Anmeldung, die Verhandlung im Prüfungstermin und die entsprechenden Eintragungen in die Insolvenztabelle das Streitverhältnis für den Feststellungsprozess auch hinsichtlich der Parteien festgelegt (vgl. Motive II S. 364 zu § 134 KO-E, abgedruckt in Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 4. Bd., S. 327; RG, LZ 1911, Sp. 862 f; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 146 Anm. 33, S. 387; Jaeger/Preuß, InsO, 2. Aufl., § 180 Rn. 15).
Rz. 24
§ 179 Abs. 3 InsO bestätigt diesen Befund. Danach erteilt das Insolvenzgericht von Amts wegen (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO § 179 Rn. 45; Schmidt/Jungmann, InsO, 20. Aufl., § 179 Rn. 35) dem Gläubiger der bestrittenen Forderung (§ 179 Abs. 3 Satz 1 InsO) und bei im Sinne des § 179 Abs. 2 InsO titulierten Forderungen auch dem Bestreitenden (§ 179 Abs. 3 Satz 2 InsO) einen beglaubigten Auszug aus der Insolvenztabelle. Durch den - zweckmäßigerweise bereits der Aufnahmeerklärung beizufügenden - Tabellenauszug soll derjenige, dem gemäß § 179 Abs. 1 oder Abs. 2 InsO die Betreibungslast obliegt, in die Lage versetzt werden, die Übereinstimmung von Anmeldung, Prüfung und Widerspruch mit dem Klageantrag nachzuweisen (vgl. Uhlenbruck/Sinz, aaO § 181 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO; FK-InsO/Kießner, 9. Aufl., § 180 Rn. 7; HmbKomm-InsO/Herchen, aaO § 179 Rn. 52; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 181 Rn. 3).
Rz. 25
(3) Der Bestreitende kann nicht verhindern, dass derjenige, der nach erfolgtem Prüfungsverfahren als Insolvenzgläubiger mit einer von ihm angemeldeten Forderung in die Insolvenztabelle eingetragen ist, die Feststellung durch Klageerhebung (§ 180 Abs. 1 InsO) oder durch Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits (§ 180 Abs. 2 InsO) betreibt. Dies gilt auch dann, wenn der die Feststellung betreibende Insolvenzgläubiger erst als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Gläubigers in die Insolvenztabelle eingetragen worden ist.
Rz. 26
(a) Allerdings bedarf es grundsätzlich einer neuen - ergänzenden - Anmeldung und Prüfung, wenn der Anspruchsgrund nach der insolvenzrechtlichen Prüfung geändert wird (vgl. §§ 87, 177 Abs. 1 InsO); ohne sie ist eine auf den anderen Anspruchsgrund gestützte Feststellungsklage ebenso unzulässig wie eine Klage ohne jede Anmeldung. Ist diesen Anforderungen genügt, so hat das Prozessgericht über die Feststellungsklage des Insolvenzgläubigers sachlich zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2001 - IX ZR 71/00, NZI 2002, 37; vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2432; HmbKomm-InsO/Herchen, 9. Aufl., § 181 Rn. 4 f).
Rz. 27
Der (Einzel-)Rechtsnachfolger eines Insolvenzgläubigers ist daher stets dann nach § 180 Abs. 2 InsO zur Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits berechtigt, wenn die bestrittene Forderung nach der Anmeldung und Prüfung, aber vor der Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits auf ihn übergegangen ist und er seinerseits die Forderung im eigenen Namen angemeldet und das Prüfungsverfahren durchlaufen hat (vgl. §§ 175, 178 Abs. 2 InsO). Hier ergibt sich die Aufnahmeberechtigung schon daraus, dass jeder Gläubiger, der eine bestimmte Forderung als seine Forderung zur Insolvenztabelle anmeldet, zur Aufnahme eines Rechtsstreits über die Forderung berechtigt ist. Auf welche Weise Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden und eine Anmeldung einer bestrittenen Forderung nachträglich geändert werden kann, richtet sich nach insolvenzrechtlichen Vorschriften; § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist unanwendbar (vgl. im Ergebnis auch: MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 179 Rn. 13; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 179 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Herchen, 9. Aufl., § 179 Rn. 36 f; Jaeger/Preuß, InsO, 2. Aufl., § 174 Rn. 86).
Rz. 28
(aa) Nur die Anmeldung der Forderung (§ 174 InsO) ermöglicht dem Insolvenzgläubiger die Teilnahme am Insolvenzverfahren. Die Anmeldung ist Voraussetzung für die Prüfung und Feststellung und für die Teilnahme an der insolvenzmäßigen Befriedigung (vgl. Jaeger/Preuß, aaO § 174 Rn. 12; HmbKomm-InsO/Preß/Henningsmeier, aaO § 174 Rn. 1, 35). Es hängt nicht von der Zustimmung des Bestreitenden ab, ob und welcher Insolvenzgläubiger eine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden kann. Das gilt sowohl für die Anmeldung als auch für nachträgliche Änderungen im Sinne des § 177 Abs. 1 InsO.
Rz. 29
(bb) Einer Aufnahme durch den Rechtsnachfolger steht nicht entgegen, dass dieser ursprünglich an dem gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit nicht beteiligt war. Maßgeblich ist allein seine Rolle als anmeldender Insolvenzgläubiger. Der nach § 180 Abs. 2 InsO aufzunehmende Rechtsstreit wird nicht durch die Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Unterbrechung bestimmt und auf Dauer festgelegt mit der Folge, dass das Verfahren als Feststellungsstreit nur zwischen diesen Beteiligten wieder aufgenommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 12). Dies folgt aus der besonderen, durch die Bestimmungen der §§ 179 ff InsO begründeten prozessualen Verflechtung von anhängigem Zivilprozess einerseits und Insolvenzverfahren andererseits. Nach § 180 Abs. 2 InsO ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Feststellung kann im Falle des § 179 Abs. 1 InsO nur von dem anmeldenden Gläubiger der bestrittenen Forderung betrieben werden. Die Anerkennung der nachträglichen Änderung des angemeldeten Anspruchsgrundes bedeutet damit zwingend, dass der Rechtsnachfolger, dessen Insolvenzgläubigerrecht vor Aufnahme des Rechtsstreits den Anforderungen der §§ 174, 181 InsO entsprechend erfasst ist, durch Aufnahme in den Rechtsstreit eintreten kann, obwohl er an diesem bis zur Unterbrechung nicht beteiligt war.
Rz. 30
(b) Den Anforderungen der §§ 174 ff, 181 InsO kann bei einem Wechsel der Rechtsinhaberschaft auch ohne Neuanmeldung und Prüfung genügt sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Rechtsnachfolge - wie hier - zwischen dem Bestreitenden (vgl. § 179 Abs. 1 InsO), dem ursprünglichen Gläubiger und seinem Rechtsnachfolger unstreitig ist. Hat in einem solchen Fall der Gläubiger die in einem Rechtsstreit befangene Forderung erst nach der Anmeldung abgetreten, so kann der Rechtsnachfolger den Rechtsstreit aufnehmen, falls die Rechtsnachfolge gegenüber dem Insolvenzgericht nachgewiesen, die Rechtsnachfolge in der Tabelle vermerkt und dem Bestreitenden angezeigt ist (vgl. bereits RG, LZ 1911, Sp. 862 f; LG Hannover, KTS 1976, 311; OLG Jena, Urteil vom 2. März 2011 - 2 U 619/09, juris Rn. 144; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 181 Rn. 10; Jaeger/Preuß, InsO, 2. Aufl., § 177 Rn. 9, § 180 Rn. 18, § 181 Rn. 13; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 177 Rn. 25 ff, § 181 Rn. 11; Schmidt/Jungmann, InsO, 20. Aufl., § 177 Rn. 12; Braun/Specovius, InsO, 9. Aufl., § 177 Rn. 27; FK-InsO/Kießner, 9. Aufl., § 177 Rn. 41; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 177 Rn. 13, § 181 Rn. 7; BeckOK-InsR/Zenker, 2022, § 177 InsO Rn. 2.1; Skrotzki, KTS 1976, 311, 312; Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 880; Cymutta, VIA 2022, 65, 66; wohl auch MünchKomm-InsO/Riedel, 4. Aufl., § 177 Rn. 14; aA - allerdings jeweils ohne Differenzierung zwischen streitiger und unstreitiger Rechtsnachfolge - MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 181 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Herchen, 9. Aufl., § 181 Rn. 8; Smid, ZInsO 2016, 1838, 1841). Diese im Vergleich zu einer Neuanmeldung und Prüfung reduzierten formalen Anforderungen sind einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend, um den von §§ 174 ff, 181 InsO intendierten Schutz der Widerspruchsberechtigten zu gewährleisten. Deren Interesse, Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Feststellung der Insolvenzforderungen zu erhalten, ist bei unstreitiger Rechtsnachfolge hinsichtlich einer im Übrigen bestrittenen Forderung nicht beeinträchtigt (vgl. Jaeger/Preuß, aaO § 180 Rn. 18; ebenso zu § 146 KO Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 146 Anm. 33).
III.
Rz. 31
Der Zwischenstreit über die Aufnahme des Rechtsstreits gegen die Beklagte ist zur Endentscheidung reif. Die Aufnahme ist auf Grundlage der für den Senat bindenden (vgl. § 559 Abs. 2 ZPO) Feststellungen des Berufungsgerichts wirksam.
Rz. 32
1. Die Feststellung ist durch Aufnahme des Rechtsstreits zwischen der e. GmbH i.L. und dem Schuldner zu betreiben. Die ursprünglich von der e. GmbH i.L. erhobene Stufenklage dient der Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Schuldner. Bei diesem Anspruch handelt es sich um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 87 InsO, so dass eine Fortsetzung des Rechtsstreits zur Weiterverfolgung des Anspruchs ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 174 ff, 179, 180 Abs. 2 InsO in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 181/19, NZI 2021, 669 Rn. 13; vom 11. August 2022 - IX ZR 78/21, WM 2022, 1786 Rn. 15).
Rz. 33
2. Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufnahme dieses Rechtsstreits durch die Antragstellerin gemäß § 180 Abs. 2 InsO sind erfüllt.
Rz. 34
a) Das Gericht hat als besondere Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ob die Forderung in der geltend gemachten Form zur Insolvenztabelle angemeldet und geprüft worden ist. Darlegungs- und beweisbelastet ist die Antragstellerin als Insolvenzgläubigerin, da sie die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits gegen die Insolvenzverwalterin des Schuldners erstrebt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2000 - II ZR 231/98, WM 2000, 891, 892; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 180 Rn. 25). Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für die insolvenzrechtliche Erfassung der Rechtsnachfolge, wenn - wie im Streitfall - der Rechtsnachfolger einen noch von dem Rechtsvorgänger eingeleiteten Prozess als Feststellungsklage aufnehmen will.
Rz. 35
b) Gemessen hieran ist die Antragstellerin die zur Feststellungsklage gemäß § 179 Abs. 1, §§ 180, 181 InsO berechtigte Gläubigerin, denn sie ist in der Insolvenztabelle als Rechtsnachfolgerin erfasst worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, zu denen auch die gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils gehören (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - II ZR 227/09, WM 2011, 1271 Rn. 19), ist die Insolvenztabelle hinsichtlich der streitbefangenen Forderung auf die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin umgeschrieben worden. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings die Umschreibung der Tabelle - und demgemäß auch die Erfassung der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin im Schlussverzeichnis, das die Tabelle fortschreibt und berichtigt (vgl. Schmidt/Jungmann, InsO, 20. Aufl., § 188 Rn. 2) - für unerheblich gehalten, weil die Umschreibung nach den zweitinstanzlichen Feststellungen nicht vor dem 3. Dezember 2020 und damit erst nach Eingang der Aufnahmeerklärung mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2020 erfolgt ist. Zum einen erfolgt die Aufnahme nicht bereits mit Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht, sondern gemäß § 250 ZPO erst durch Zustellung des Schriftsatzes, die hier am 13. Januar 2021 bewirkt wurde. Zum anderen genügt es, wenn - wie auch im Streitfall - die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen des § 181 InsO jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz vorliegen (vgl. Schmidt/Jungmann, InsO, 20. Aufl., § 181 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 181 Rn. 4 mwN).
Rz. 36
c) Die Anmeldung war auch wirksam. Die Wirksamkeit der Forderungsanmeldung ist im Rahmen der Frage zu prüfen, ob die Aufnahme des Prozesses wirksam ist. Dies gilt namentlich für die Frage, ob die Forderungsanmeldung den Anforderungen des § 174 InsO entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 11 f).
Rz. 37
aa) Eine wirksame Forderungsanmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO erfordert die Darlegung eines Lebenssachverhalts, der in Verbindung mit einem - nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden - Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt. Diese Anforderungen beziehen sich allein darauf, ob der Streitgegenstand des geltend gemachten Anspruchs hinreichend bestimmt ist. Hingegen ist es für eine wirksame Forderungsanmeldung nicht erforderlich, dass der Gläubiger einen Sachverhalt vorträgt, aus dem sich bei zutreffender rechtlicher Würdigung schlüssig die geltend gemachte Forderung ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020, aaO Rn. 15 f).
Rz. 38
bb) Im Streitfall genügt die Anmeldung den vorgenannten Anforderungen. Bei der Anmeldung ist die streitbefangene Forderung als "Herausgabe/Schadensersatz von Gerüsten" bezeichnet und in Höhe von 99.444,67 € beziffert worden. Zur Erläuterung dieses Anspruchs ist unter Mitteilung des Aktenzeichens auf den bei dem Landgericht anhängigen Rechtsstreit verwiesen worden, in dem die dem Schuldner vorgeworfene Handlung - hier: die behauptete Gerüstentziehung - schriftsätzlich präzisiert worden ist. Mit diesen Angaben sind Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bezeichnet. Durch die Angabe des erstinstanzlichen Verfahrens, in dem der (zunächst noch unbezifferte) Zahlungsanspruch geltend gemacht worden ist, ist die Forderung unverwechselbar einem Lebenssachverhalt zugeordnet worden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 29 f).
Rz. 39
d) Die angemeldete Forderung stimmt mit dem Gegenstand des in erster Instanz anhängigen Klageverfahrens überein. Dies ist anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die insoweit den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung vorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2022 - IX ZR 78/21, WM 2022, 1786 Rn. 20 mwN). Dabei kommt es darauf an, ob die zur Tabelle angemeldete Forderung Gegenstand des unterbrochenen Rechtsstreits ist und der Rechtsstreit Fragen betrifft, die für die Feststellung der Forderung zur Tabelle erheblich sind (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2022, aaO).
Rz. 40
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass das Klageverfahren vor seiner Unterbrechung noch nicht in die Stufe des bezifferten Zahlungsantrags eingetreten war. Die Stufenklage (§ 254 ZPO) begründet die Rechtshängigkeit aller damit erhobenen Ansprüche. Der Zahlungsanspruch wird in jeder Höhe auch ohne Bezifferung rechtshängig. Das ist auch dann der Fall, wenn über den Zahlungsanspruch nicht verhandelt wird, weil der Hauptantrag in der Verhandlung (noch) nicht gestellt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 - IX ZR 267/13, WM 2015, 786 Rn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 254 Rn. 19 mwN).
IV.
Rz. 41
Die angefochtenen Entscheidungen sind daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Wirksamkeit der Aufnahme gegen die Beklagte ist auszusprechen. Das Landgericht wird sodann über die - bereits erstinstanzlich gestellten, aber dort nicht beschiedenen - weiteren Anträge der Antragstellerin zu entscheiden haben. Dies betrifft insbesondere die ebenfalls erklärte Aufnahme gegenüber dem Schuldner und den Antrag, den Feststellungsstreit auf den Schuldner zu erweitern (vgl. § 184 Abs. 1 InsO).
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