Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag eines Richters auf Altersdienstermäßigung. Zuständigkeit des Dienstgerichts
Leitsatz (amtlich)
a) § 78 DRiG steht einer durch Landesgesetz erfolgten Zuweisung der Entscheidungen über die Bewilligung von Altersteilzeit bei Richtern an die Dienstgerichte nicht entgegen.
b) Diese Entscheidungen unterfallen kraft Sachzusammenhangs der Prüfungszuständigkeit der Dienstgerichte nach § 78 Nr. 4 f. DRiG.
c) Bei der in § 76e DRiG genannten Altersgrenze von 55 Jahren handelt es sich um das vom Landesgesetzgeber zu beachtende Mindestalter für die Gewährung von Altersteilzeit.
Normenkette
DRiG § 71 Abs. 1 S. 1, §§ 76e, 78 Nr. 4 f.; BayRiG Art. 8c, 8d (Fassungen bis 31.12.2002 und ab 1.1.2003), Art. 57 Abs. 1 Nr. 4g
Tenor
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Bayerischen Dienstgerichts für Richter v. 21.10.2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Antragsteller, der mit Ablauf des 2003 das 56. Lebensjahr vollendete, ist als Vorsitzender Richter am LG tätig.
Er beantragte mit Schreiben v. 12.2.2001, ihm für die Zeit v. 1.8.2003 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres Altersdienstermäßigung im sog. Blockmodell gem. Art. 8c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayRiG zu gewähren. Der Antragsgegner stellte in Aussicht, dem Antrag zu entsprechen, sofern die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung dies zulasse, und teilte mit, er werde Anfang 2003 über den Antrag befinden. Mit Bescheid v. 20.12.2002 lehnte er den Antrag mit Rücksicht auf eine zum 1.1.2003 in Kraft tretende Änderung des Art. 8c BayRiG ab, nach welcher das Mindestalter für die Bewilligung von Altersdienstermäßigung auf das vollendete 60. Lebensjahr heraufgesetzt wurde. Zur Begründung verwies er darauf, der Antragsteller erfülle zum Zeitpunkt der Entscheidung die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Altersdienstermäßigung noch nicht und werde sie auf Grund der zum 1.1.2003 voraussichtlich in Kraft tretenden Änderung des Bayerischen Richtergesetzes auch in absehbarer Zeit nicht erfüllen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Antragstellers hatte keinen Erfolg.
Mit seiner vor dem Dienstgericht für Richter erhobenen Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung der vorausgegangenen Bescheide und die Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung der beantragten Altersdienstermäßigung. Er beruft sich darauf, der Antragsgegner habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aus welchem sich trotz der zum 1.1.2003 wirksam gewordenen Gesetzesänderung ein Anspruch auf Bewilligung der frühzeitig beantragten Altersdienstermäßigung ergebe. Die Anhebung der Altersgrenze in Art. 8c BayRiG auf das 60. Lebensjahr stehe zudem nicht in Einklang mit § 71 Abs. 1 S. 1, § 76e DRiG. Schließlich ist der Antragsteller der Auffassung, entgegen der in Art. 57 Abs. 1 Nr. 4g, Art. 8c BayRiG getroffenen Regelung sei zur Entscheidung des Streitfalles wegen der abschließenden Aufzählung der Zuständigkeiten in § 78 Nr. 4 f DRiG nicht das Dienstgericht, sondern das VG zuständig.
Das Bayerische Dienstgericht für Richter hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit des Richterdienstgerichts ergebe sich aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 4g i.V.m. Art. 8c BayRiG. Eine rechtlich relevante Kollision mit den Regelungen des Deutschen Richtergesetzes liege nicht vor. Dem Antragsteller stehe ein Anspruch auf Bewilligung der beantragten Altersdienstermäßigung nicht zu, da er zu keinem Zeitpunkt die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung nach Art. 8c BayRiG erfüllt habe. Die nach der früheren gesetzlichen Regelung ab 1.8.2002 maßgebliche Altersgrenze von 56 Jahren habe der Antragsteller nicht erreicht gehabt. Die gesetzliche Regelung, nach der er die persönlichen Voraussetzungen ab August 2003 mit der Vollendung des 55. Lebensjahres erfüllt hätte, gelte nach der zum 1.1.2003 in Kraft getretenen Änderung des Art. 8c BayRiG nicht mehr. Da der Antragsteller das 56. Lebensjahr erst nach dem 31.12.2002 vollendet habe, greife auch die für vor dem 1.1.2003 gestellte Anträge geltende Übergangsregelung des Art. 8c Abs. 5 S. 1 BayRiG (GVBl. 2002, 937, 945) nicht. Die Bedenken des Antragstellers gegen die Wirksamkeit und Verfassungsmäßigkeit von Art. 8c BayRiG teile der Senat nicht. Der durch § 71 Abs. 1 DRiG vorgegebene Rahmen werde durch die Heraufsetzung des Antragsalters nicht beeinträchtigt.
Mit seiner Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die begehrte Altersdienstermäßigung gem. Art. 8c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayRiG zu genehmigen, hilfsweise, über seinen Antrag auf Altersdienstermäßigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Wegen seines Vorbringens wird auf die Revisionsbegründungsschrift v. 22.1.2004 Bezug genommen. Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG, Art. 73 Abs. 2 BayRiG), über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 80 Abs. 1 S. 1 DRiG, §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 S. 1, 141 S. 1 VwGO), ist unbegründet.
I.
Der Prüfungsantrag des Antragstellers ist zulässig. Das Dienstgericht hat seine Zuständigkeit zu Recht aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 4g i.V.m. Art. 8c BayRiG hergeleitet. Dort ist bestimmt, dass über die Anfechtung einer Verfügung über Ermäßigung des Dienstes oder Urlaub (Art. 8 bis 8c BayRiG) die Dienstgerichte entscheiden.
Entgegen der Auffassung der Revision verstößt Art. 57 Abs. 1 Nr. 4g BayRiG nicht gegen vorrangiges Bundesrecht. Es trifft allerdings zu, dass die Länder nach § 71 Abs. 1 S. 1 DRiG verpflichtet sind, die Rechtsverhältnisse der Richter im Landesdienst gem. den §§ 72 bis 84 DRiG zu regeln. Richtig ist auch, dass in § 78 DRiG, der die Zuständigkeit der Dienstgerichte bestimmt, die Entscheidung über die Gewährung von Altersteilzeit gem. § 76e DRiG nicht erwähnt wird. Die Zuständigkeit der Dienstgerichtsbarkeit ergibt sich jedoch kraft Sachzusammenhangs mit der in § 78 Nr. 4 f DRiG übertragenen Befugnis der Dienstgerichte, über eine Ermäßigung des Dienstes und Beurlaubung nach §§ 76a bis 76c DRiG zu entscheiden.
Der Revision ist im Ansatz darin zuzustimmen, dass der Zuständigkeitskatalog in § 78 DRiG grundsätzlich abschließend ist. Der Landesgesetzgeber kann jedoch mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, die einen möglichst umfassenden Schutz der Unabhängigkeit der Richter durch besondere Richterdienstgerichte sicherstellen soll, dem Dienstgerichtsweg über den Wortlaut des § 78 DRiG hinaus solche Verfahren zuweisen, die in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den dort genannten Verfahren stehen (BGH, Urt. v. 23.8.1976 - RiZ(R) 2/76, BGHZ 67, 159 [161]; v. 14.10.1980 - RiZ(R) 5/80, BGHZ 78, 245 [246]; BVerfG v. 8.7.1992 - 2 BvL 27/91, 2 BvL 31/91, BVerfGE 87, 68 [78 f., 86] jew. m.w.N.). Um eine solche Streitigkeit geht es hier.
Wie in den in § 78 DRiG genannten §§ 76a bis c DRiG, die die Teilzeitbeschäftigung und die Beurlaubung von Richtern aus Arbeitsmarktgründen oder aus familiären Gründen vorsehen, geht es auch bei der Entscheidung über die Bewilligung von Altersteilzeit um die Reduzierung der Arbeitszeit des Richters. Diese Entscheidung berührt die Unabhängigkeit des Richters ebenso wie die aus diesem Grund den Dienstgerichten zur Prüfung zugewiesenen Verfügungen über die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung und die Beurlaubung. Dass der Bundesgesetzgeber die Bewilligung der Altersteilzeit nicht in § 78 Nr. 4 f DRiG erwähnt hat, ist ersichtlich ein Redaktionsversehen. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass § 78 Nr. 4 f DRiG zuletzt durch Gesetz v. 29.6.1998 (BGBl. I, 1666, 1685) geändert, § 76e DRiG jedoch erst durch Gesetz v. 6.8.1998 (BGBl. I, 2026, 2027 f.) eingeführt worden ist. In diesem Gesetzgebungsverfahren stand außer Zweifel, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Altersteilzeit für Richter deren verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit betrifft (BT-Drucks. 13/10942, 3; BR-Drucks. 367/98 (Beschluss), 5; BR-Drucks. 367/1/98, 7; BR-Drucks. 367/4/98, 2).
II.
Das Dienstgericht hat den Antrag des Richters auf Altersdienstermäßigung zu Recht für unbegründet erachtet.
1. Wie auch der Antragsteller nicht verkennt, erfüllte er zum Zeitpunkt der Entscheidung im Dezember 2002 weder nach Art. 8c BayRiG in der bis zum 31.12.2002 gültigen Fassung (im Folgenden: A.F.) noch nach der zum 1.1.2003 in Kraft getretenen Fassung des Art. 8c BayRiG die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Altersdienstermäßigung. Der seinerzeit 55-jährige Antragsteller hatte die nach Art. 8c BayRiG a.F. maßgebliche Altersgrenze von 56 Lebensjahren noch nicht erreicht und erreichte in absehbarer Zeit auch nicht das nach der Novellierung des Art. 8c BayRiG maßgebliche Lebensalter von 60 Jahren. Die Voraussetzungen der in Art. 8c Abs. 5 BayRiG vorgesehenen Übergangsregelung für vor dem 1.1.2003 gestellte Anträge lagen ebenfalls nicht vor, da der Antragsteller das 56. Lebensjahr nicht vor dem 31.12.2002 vollendet hat.
2. Wie die Revision zu Recht nicht in Zweifel zieht, war der Antragsgegner auch nicht verpflichtet, frühzeitig vor der Novellierung des Art. 8c BayRiG auf der Grundlage der bisherigen Regelung eine abschließende Entscheidung zu treffen. Da der Dienstherr vor Bewilligung der beantragten Altersdienstermäßigung u.a. zu prüfen hat, ob dieser nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen (Art. 8c Abs. 2 Nr. 4 BayRiG) und ob das Aufgabengebiet des richterlichen Amts eine Ermäßigung des Dienstes zulässt (Art. 8c Abs. 2 Nr. 1 BayRiG), muss die Prüfung zeitnah vor dem beantragten Bewilligungszeitraum erfolgen. Der vom Antragsgegner entsprechend seiner ständigen Entscheidungspraxis gewählte Zeitraum von drei bis sechs Monaten vor dem Bewilligungszeitraum ist insoweit nicht zu beanstanden. Da der Antragsteller die Bewilligung der Altersdienstermäßigung für den Zeitraum ab 1.8.2003 beantragt hatte, bestand vor Dezember 2002 zu einer Entscheidung kein Anlass.
3. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Neufassung des Art. 8c BayRiG verstoße gegen § 71 Abs. 1 S. 1 DRiG i.V.m. § 76e DRiG und sei daher unwirksam.
Der Senat teilt bereits nicht die Auffassung der Revision, die Festlegung der Altersgrenze in Art. 8c BayRiG auf 60 Jahre widerspreche der in § 76e DRiG getroffenen bundesgesetzlichen Regelung, nach welcher bestimmt werden kann, dass einem Richter auf Antrag Teilzeitbeschäftigung als Altersteilzeit zu bewilligen ist, wenn er u.a. das 55. Lebensjahr vollendet hat (§ 76e Abs. 1 Nr. 2 DRiG).
Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei der in § 76e DRiG genannten Altersgrenze von 55 Jahren nicht um eine vom Landesgesetzgeber zu beachtende feste Grenze, ab der der Anspruch auf die begehrte Altersteilzeit besteht, sondern lediglich um eine Mindestvoraussetzung, die der Landesgesetzgeber nicht unterschreiten darf. Mit der Schaffung der Altersteilzeit für Beamte und Richter wollte der Bundesgesetzgeber die besoldungs- und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen (BT-Drucks. 13/10942, 3) für eine dem Altersteilzeitgesetz entsprechende Regelung treffen (BT-Drucks. 13/11018, 1; BR-Drucks. 367/98, 10). Dort aber waren erklärtermaßen ausschließlich Mindestvoraussetzungen bestimmt und ein Rahmen für die Sozialpartner geschaffen worden, für Arbeitnehmer ab Vollendung des 55. Lebensjahres einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu vereinbaren, wobei die Ausgestaltung der Altersteilzeitarbeit, insb. auch die Regelung ihrer Dauer, den Tarifvertragsparteien oblag (BR-Drucks. 208/96, 24, 26). Entsprechend bestand auch bei der Schaffung der Rahmenbedingungen einer Altersteilzeit für Beamte und Richter Einigkeit, dass den Landesgesetzgebern in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich ein weiter Spielraum verbleiben sollte, über das Ob und das Wie der von ihnen zu treffenden Regelungen zu bestimmen (BT-Drucks. 13/10942, 4; BT-Drucks. 13/11018, 11 f.), und dass ihnen innerhalb des geregelten Rahmens keine rechtlich bindenden Vorgaben gemacht werden sollten (BT-Drucks. 13/10942, 4). Danach steht - wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht - eine durch Landesgesetz bestimmte höhere Altersgrenze, wie sie Art. 8c BayRiG vorsieht, im Einklang mit der Rahmenvorschrift des § 76e DRiG.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 S. 1 DRiG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4.000 EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 1 S. 1 GKG in der bis 30.6.2004 geltenden Fassung, § 72 Nr. 1 GKG in der ab 1.7.2004 geltenden Fassung).
Fundstellen