Leitsatz (amtlich)
Zur Bestimmtheit eines in notarieller Urkunde begründeten Vollstreckungstitels.
Normenkette
ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 28.05.1996) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28. Mai 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 15. Juli 1994 veräußerte der Beklagte die Geschäftsanteile der O. Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH je zur Hälfte an den Kläger und W. H.. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelung:
„VI.
Kaufpreis
Der Kaufpreis beträgt 4.500.000,00 DM – in Worten: vier Millionen fünfhunderttausend Deutsche Mark –.
Hiervon entfallen auf … den Käufer W. H. 2,25 Millionen DM den Käufer P. W. (= Kläger) 2,25 Millionen DM Eine gesamtschuldnerische Haftung besteht nicht.
Zur Überprüfung des Kaufpreises werden Verkäufer und Käufer gemeinsam aus den Abschlüssen von O. und T. zum 30. Juni 1994 die Aktiva oder Passiva einvernehmlich feststellen, die gemäß der Präambeln gegenständlich und wirtschaftlich zu verschaffen waren. Sich so bei O. und T. ergebende Gewinnvorträge oder Verlustvorträge zuzüglich/abzüglich Jahresüberschüsse oder Jahresfehlbeträge erhöhen bei positiven Salden den Kaufpreis und vermindern bei negativen Salden den Kaufpreis. Soweit die vorstehenden Bezugsgrößen durch Aufwendungen oder Erträge aus dem Bauvorhaben M. beeinflußt sind, hat ein Ausgleich über den Kaufpreis zu erfolgen.
Gemäß der Ergänzungsvereinbarung zum Mietvertrag vom 25. Februar/01. März 1994 (insbesondere § 3) gewährt die Vermieterin dem Mieter einen Nachlaß in Höhe von 615.565,33 DM. Des weiteren wurde (§ 2) eine Verzinsung der bereits erfolgten Mietvorauszahlung vereinbart. Soweit Nachlaß und Zinszahlungsverpflichtung nicht an die Erwerber im Rahmen der Bauträgerverträge weitergegeben werden können, führen die bei O. eintretenden, entsprechenden Nachteile und sonstigen insoweit zu befriedigenden Ansprüche dieser Erwerber ebenfalls zu einer Minderung des Kaufpreises.
Ein Kaufpreis in Höhe von 2.000.000,00 DM ist zur Zahlung fällig 10 Tage nach Eingang folgender Unterlagen beim Käufer:
- grundbuchamtliche Vollzugsmitteilung über die Eintragung der vorbezeichneten Eigentümergrundschulden zu 7,25 Millionen bzw. 45 Millionen DM bzw. Bestätigung des Notars, der die Grundschuld-Beurkundungen durchgeführt hat, daß keine Umstände bekannt sind, die der Eintragung des Grundpfandrechts im Range nach den unter Ziffer II aufgeführten Belastungen entgegenstehen und der entsprechenden Grundschuldbriefe;
Abänderungsvereinbarung gemäß Ziffer VII, 4. Absatz (S. 13 Abs. 2, W. B. Terminfestlegung).
Ein weiterer Kaufpreisteil in Höhe von 2.500.000,00 DM ist zur Zahlung fällig 10 Tage nach Eingang folgender Unterlagen beim Käufer, nicht jedoch vor Fälligkeit des Kaufpreisteils in Höhe von 2.000.000,00 DM.
- Bürgschaftsurkunde gemäß Ziffer XIII. 1;
- Einigung über die Bilanzierung gemäß Seite 17.
Der Kaufpreis ist bis zur Fälligkeit nicht zu verzinsen.
Der Käufer unterwirft sich wegen der vorstehend eingegangenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.
Der Verkäufer ist jederzeit berechtigt, sich ohne weitere Nachweise der die Fälligkeit begründenden Tatsachen vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde auf Kosten des Käufers erteilen zu lassen. Die Beweislast ändert sich nicht.”
Der erste Kaufpreisteil in Höhe von 2.000.000 DM ist bezahlt. Zwischen den Parteien herrscht Streit über Höhe und Fälligkeit des Restkaufpreises sowie über zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen. Der Beklagte beziffert den auf den Kläger entfallenden Teil der Restforderung auf 1.686.232,06 DM. Wegen dieses Betrages hat er sich Anfang November 1994 eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde erteilen lassen und die Zwangsvollstreckung angedroht. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Vollstreckungsabwehrklage.
Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, hinsichtlich eines Betrages von mehr als 1,25 Mio. DM fehle es an einem wirksamen Vollstreckungstitel, hinsichtlich eines Kaufpreisteilbetrages von 1,25 Mio. DM an der Fälligkeit.
Der Beklagte hat das Urteil insoweit angefochten, als die Zwangsvollstreckung wegen des vom Landgericht als wirksam tituliert angesehenen Kaufpreisteilbetrages von 1,25 Mio. DM für unzulässig erklärt worden ist. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Eine gegen eine vollstreckbare Urkunde gerichtete Vollstreckungsabwehrklage sei nur dann zulässig, wenn die vollstreckbare Urkunde nach Inhalt und Form eine geeignete Grundlage für die Vollstreckung darstelle. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Schuldner sich wegen der Zahlung einer bestimmten Geldsumme der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Dazu sei es erforderlich, daß der zu zahlende Betrag ziffernmäßig festgelegt sei oder sich aus der Urkunde selbst durch einfache Rechenvorgänge unschwer ermitteln lasse. Äußerstenfalls sei dem Vollstreckungsorgan ein gewisses einfaches Rechenwerk unter Heranziehung allgemein zugänglicher, in der Urkunde in Bezug genommener Daten zumutbar.
Diese Voraussetzungen erfülle die unter VI. des notariellen Vertrages getroffene Regelung nicht. Dies gelte auch für den vom Landgericht als wirksam tituliert angesehenen Mindest- oder Teilbetrag von 1,25 Mio. DM. Der als „Kaufpreis” bezeichnete Betrag von 4,5 Mio. DM habe nur der Ausgangspunkt eines Rechenwerkes sein sollen, dessen Endresultat erst den eigentlichen Kaufpreis ergebe. Da die hierzu erforderlichen Rechenoperationen nicht aus der Urkunde selbst oder aus allgemein zugänglichen Daten durch ein einfaches Rechenwerk ermittelt werden könnten, sei die zu zahlende Geldsumme nicht in der Urkunde bestimmt und die Vollstreckungsunterwerfung infolgedessen unwirksam. Für die Geltendmachung dieses Mangels sei nach §§ 732, 797 ZPO mit der Erinnerung gegen die Klauselerteilung beim Amtsgericht ein besonderer und wesentlich einfacherer Rechtsschutzweg gegeben. Für eine Vollstreckungsabwehrklage fehle es daher am Rechtsschutzinteresse.
II. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vollstreckungsabwehrklage zulässig.
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 22, 54, 56) ist zur Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage stets das Vorhandensein eines wirksamen Vollstreckungstitels erforderlich, während bei einem nicht vollstreckbaren Titel, der irrig mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist, nur der Rechtsbehelf des § 732 ZPO gegeben ist. In der Folgezeit wurden von der Rechtsprechung Zweifel geäußert, ob die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vollstreckungsabwehrklage anzusehen ist (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1987 – III ZR 261/86 = NJW 1988, 707 = WM 1988, 109 unter I; vgl. Beschluß vom 13. November 1989 – III ZR 40/89 = WM 1990, 304 unter 1 c). Für den Fall eines aus materiellrechtlichen Gründen unwirksamen, nach Form und Inhalt aber zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage mit der Begründung bejaht, ein solcher, zudem mit einer Vollstreckungsklausel versehener Titel sei vollstreckungsfähig; die Vollstreckungsfähigkeit könne sich nicht an materiell-rechtlichen Kriterien orientieren (BGHZ 118, 229, 233 f). Das Berufungsgericht hat die zu vollstreckende Forderung als nicht bestimmt genug bezeichnet angesehen und die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage wegen Fehlens dieses formellen Kriteriums mangels Vollstreckungsfähigkeit der Urkunde (vgl. BGHZ 118, 229, 232 m.w.Nachw.) verneint. Demgegenüber ist die Revision der Ansicht, für die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage müsse ausreichen, daß eine dem äußeren Anschein nach vollstreckbare Urkunde vorliege, deren Vollstreckbarkeit nicht oder jedenfalls nicht sicher im Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO beseitigt werden könne (MünchKomm/Wolfsteiner, ZPO, § 797 Rdnr. 34 m.w.Nachw.). Wie die Revision zutreffend ausführt, kommt diese Streitfrage hier aber nicht zum Tragen. Gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil die Gründe, aus denen das Berufungsgericht die Vollstreckungsfähigkeit der notariellen Urkunde verneint hat, nicht zutreffen.
1. Richtig ist, daß eine notarielle Urkunde nur dann ein gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel ist, wenn sie die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat und der Schuldner sich in der Urkunde wegen dieser bestimmten Geldforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat (vgl. oben zu II und BGH aaO). Das ist indessen entgegen der Auffassung der Vorinstanz hier der Fall. Unter VI. des notariellen Vertrages haben die Käufer sich wegen der beiden in der Urkunde selbst bezifferten Kaufpreisteile von 2 Mio. und 2,5 Mio. DM der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen.
2. Eine andere, hiervon zu trennende Frage ist es, ob sich unter Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Zuschläge und Abzüge materiell-rechtlich ein Kaufpreisanspruch des Klägers in Höhe des titulierten Kaufpreises von insgesamt 4,5 Mio. DM errechnet (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1996 – VIII ZR 212/94 = WM 1996, 1931 unter II 1). Auch wenn sich letzten Endes aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ein Betrag von weniger als 4,5 Mio. DM ergeben sollte, nimmt dies den in der notariellen Urkunde titulierten Teilbeträgen nicht ihre Bestimmtheit. Es ist rechtlich unbedenklich und entspricht einem praktischen Bedürfnis, den in der Unterwerfungserklärung vollstreckbar gestellten Anspruch von vornherein weiter zu fassen als die zugrundegelegte materielle Forderung, deren endgültige Höhe erst nach Vertragsabschluss unter Einbeziehung künftig eintretender Umstände ermittelt werden muß (Senatsurteil vom 6. März 1996 aaO). Ergibt sich hierbei, daß der materiell-rechtlich geschuldete hinter dem titulierten Betrag zurückbleibt, so kann der Schuldner die hierauf gegründete materiell-rechtliche Einwendung mit Hilfe der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen (Senatsurteil vom 6. März 1996 aaO). Wollte man mit dem Berufungsgericht dagegen schon die Titelqualität einer solchen notariellen Urkunde mit Unterwerfungserklärung verneinen, so gäbe man, worauf die Revision zutreffend hinweist, beiden Parteien Steine statt Brot. Der Schuldner müßte – überdies mit unsicherem Ausgang – nach herrschender Meinung den Rechtsbehelf der Klauselerinnerung ergreifen, um die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde abzuwenden (vgl. oben zu II). Materiell-rechtliche Streitpunkte können im Erinnerungsverfahren aber nicht geklärt werden, so daß die Parteien zusätzlich noch einen Zivilprozeß führen müßten. Damit würde sich der mit der Vollstreckungsunterwerfung verfolgte Zweck in sein Gegenteil verkehren. Bezeichnenderweise ist es im vorliegenden Fall der Vollstreckungsschuldner, der sich auf die Vollstreckungsfähigkeit des gegen ihn gerichteten Titels beruft, um eine gerichtliche Prüfung seiner materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die titulierte Forderung zu erreichen.
3. Der Senat vermag der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu folgen, die Käufer hätten sich nur wegen des „eigentlichen Kaufpreises”, also des nach Berücksichtigung aller vereinbarten Ab- und Zuschläge sich errechnenden Endbetrages, der Zwangsvollstreckung unterworfen. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß zwischen der prozessualen Unterwerfungserklärung und der ihr zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Forderung unterschieden werden muß (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. März 1996 aaO). Davon abgesehen spricht aber auch der Wortlaut der Unterwerfungserklärung gegen das Verständnis der Vorinstanz. Im Vertragstext heißt es, „der Käufer” (Singular) unterwerfe sich wegen „der vorstehend eingegangenen Zahlungsverpflichtungen” (Plural) der sofortigen Zwangsvollstreckung. Gegenstand der Unterwerfungserklärung sind damit nach dem Wortlaut zumindest auch die beiden im voranstehenden Absatz des notariellen Vertrages geregelten Teilzahlungsverpflichtungen. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Unterwerfungserklärung der Käufer in der Deutung des Berufungsgerichts den Interessen beider Vertragsteile widerspräche, weil sie dem Verkäufer keinen Vorteil bringt und die Käufer zusätzlichen Kosten und erheblicher Rechtsunsicherheit aussetzt.
III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist. Der Senat ist gehindert, selbst in der Sache zu entscheiden, weil das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – zu den vom Kläger erhobenen materiell-rechtlichen Einwendungen keine Feststellungen getroffen hat. Damit dies nachgeholt werden kann, war die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Fundstellen
Haufe-Index 1128066 |
NJW 1997, 2887 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1999, 37 |
MDR 1997, 776 |