Leitsatz (amtlich)
a) Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage zwischen zwei möglichen Schuldnern, mit welcher der eine die Feststellung der Haftung des anderen für eine bestimmte Verbindlichkeit begehrt.
b) Die Interventionswirkungen nach §§ 74, 68 ZPO treten nicht ein, wenn dadurch eine Bindung des Streitverkündeten in einem späteren Verfahren, für welches ein anderer Rechtsweg gegeben ist (hier: Arbeitsgerichtsbarkeit), herbeigeführt würde.
Normenkette
ZPO §§ 256, 68, 72, 74
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 17.09.1992) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. September 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in Prozeßstandschaft ihrer Tochtergesellschaft, der Firma K. GmbH – im folgenden: K. GmbH (neu) –, die Feststellung, daß der Beklagte als Träger der Insolvenzsicherung gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG für Versorgungsanwartschaften, die zehn Arbeitnehmer der K. GmbH (neu) bei der in Konkurs gefallenen Firma A. K. GmbH – im folgenden: K. GmbH (alt) – aufgrund betrieblicher Versorgungszusagen erdient hatten, zeitanteilig hafte. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Anfang des Jahres 1987 geriet die K. GmbH (alt), ein Handwerksbetrieb im Heizungs- und Lüftungsbau sowie im Sanitärbereich mit rund 120 Arbeitnehmern, in Zahlungsschwierigkeiten. Im Februar 1987 gliederte sie den gewinnbringenden Servicebereich aus und brachte ihn in die neu gegründete Firma K.-Service GmbH ein. Auf den von der K. GmbH (alt) am 14. April 1987 gestellten Konkursantrag ordnete das Amtsgericht Baden-Baden am 15. April 1987 die Sequestration des Geschäftsbetriebes an und bestellte Rechtsanwalt Dr. B. zum Sequester. Dieser strebte im Hinblick auf den vorhandenen Kundenstamm und die gute Auftragslage der K. GmbH (alt) einen Firmenverkauf an, wobei er u.a. auch mit der Klägerin Übernahmeverhandlungen führte, in deren Verlauf diese kaufmännisches und technisches Personal in den Betrieb der Gemeinschuldnerin entsandte. Bis Mitte Mai 1987 hatte die Klägerin mit dem Sequester ein unterschriftsreifes Übernahmeangebot ausgehandelt. Am 15. Mai 1987 wurde über das Vermögen der K. GmbH (alt) das Konkursverfahren eröffnet und der bisherige Sequester zum Konkursverwalter bestellt; dieser nahm alsbald danach mit Zustimmung des Gläubigerausschusses das Übernahmeangebot der Klägerin an. Die Klägerin ihrerseits übertrug den übernommenen Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin auf die K. GmbH (neu), die aus der Firma K.-Service GmbH hervorgegangen und nicht in Konkurs geraten war.
Mit der Behauptung, sie habe die Leitung des Betriebs der Gemeinschuldnerin erst nach Konkurseröffnung am 15. Mai 1987 übernommen, begehrt die Klägerin die Feststellung, daß der Beklagte die Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin zu erfüllen habe, welche bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits erdient waren.
Das zuerst angerufene Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen. Dieses hat der Feststellungsklage der Klägerin stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie dagegen als unzulässig abgewiesen.
Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält die erhobene Feststellungsklage für unzulässig, weil die von der Klägerin begehrte Feststellung im vorliegenden Rechtsstreit nicht mit endgültiger Bindungswirkung für die Parteien getroffen werden könne. Das Feststellungsurteil mit dem von der Klägerin erstrebten Inhalt verschaffe dieser nicht die von ihr begehrte Gewißheit, von den zehn Pensionsanwärtern für die zeitanteilig bei der K. GmbH (alt) erworbenen Anwartschaften nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das Urteil schaffe keine rechtsverbindliche Klärung im Verhältnis zwischen den zehn Pensionsanwärtern und dem Beklagten, ebensowenig im Verhältnis der Pensionsanwärter und der Klägerin oder der K. GmbH (neu). Schließlich könne die begehrte Feststellung auch keine Rechtsklarheit darüber schaffen, ob die Klägerin oder die K. GmbH (neu) für die bei der K. GmbH (alt) erdienten Versorgungsanwartschaften der zehn Pensionsanwärter anteilig finanzielle Rückstellungen machen müsse. Die Rechtsfrage, ob der Beklagte zeitanteilig für die bei der K. GmbH (alt) erworbenen Versorgungsanwartschaften der zehn Pensionsanwärter hafte, könne verbindlich nur vor dem dafür sachlich zuständigen Arbeitsgericht geklärt werden, sei es, daß die Klägerin die Pensionsanwärter veranlasse, dort gegen den Beklagten oder die Klägerin oder die K. GmbH (neu) auf Feststellung der anteiligen Haftung zu klagen, sei es, daß die Klägerin oder die K. GmbH (neu) gegen die Pensionsanwärter eine negative Feststellungsklage erhebe.
Ob ein Rechtsverhältnis zwischen den Prozeßparteien bestehe, sei nicht Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach feststehender Rechtsprechung kann Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO auch ein Rechtsverhältnis sein, das zwischen einer Partei und einem Dritten besteht. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf ein solches Vertragsverhältnis gerichteten Feststellungsklage ist jedoch, daß dieses Rechtsverhältnis zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung dieser Frage hat (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1990 – VIII ZR 165/89 = WM 1990, 2128 unter B II 1 = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 negative Feststellung 5; Senatsurteil vom 22. Januar 1992 – VIII ZR 374/89 = WM 1992, 951 unter III 1 b = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 negative Feststellung 7, jeweils m.w. Nachw.). Dabei ist es als ausreichend angesehen worden, wenn der Kläger vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten in seinem Rechtsbereich nur mittelbar betroffen wird (RGZ 170, 358, 374; BGH, Urteil vom 2. März 1960 – V ZR 131/58 = LM § 256 ZPO Nr. 59; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Oktober 1968 – III ZR 155/66 = NJW 1969, 136 f; BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – II ZR 125/89 = WM 1990, 1240 f = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 17).
Für den Fall des Prätendentenstreits ist anerkannt, daß dieser zwischen den Forderungsprätendenten ein Rechtsverhältnis schafft, das grundsätzlich eine Feststellungsklage ermöglicht. Auch wenn das in einem solchen Rechtsstreit ergehende Urteil nur den Verlierer des Prätendentenstreits gegenüber dem Gewinner, nicht aber auch den Schuldner und den Verlierer diesem gegenüber bindet, die Klärung somit nur zwischen den beiden streitenden Gläubigern, nicht aber auch gegenüber dem Schuldner erreicht wird, ist aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ein Feststellungsinteresse des klagenden Forderungsprätendenten regelmäßig zu bejahen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1987 – II ZR 198/86 = NJW-RR 1987, 1439 unter 2 = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 7; BGH, Urteil vom 20. Mai 1992 – IV ZR 231/91 = NJW-RR 1992, 1151 unter 2, jeweils m.w. Nachw.).
2. Es ist nicht einzusehen, daß diese Grundsätze nicht auch auf den umgekehrten Fall anzuwenden sind, in dem zwischen zwei möglichen Schuldnern durch eine Feststellungsklage des einen gegen den anderen Schuldner geklärt werden soll, wer von beiden für die betreffende Verbindlichkeit haftet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Klägerin ein schutzwertes Interesse an der Klärung hat, ob sie zur Erfüllung der bei der K. GmbH (alt) erdienten Versorgungsanwartschaften der bezeichneten Arbeitnehmer gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB Rückstellungen bilden muß. Zwar würde das beantragte Feststellungsurteil nur im Verhältnis der Parteien bindend feststellen, daß für diese Versorgungsanwartschaften zeitanteilig die Beklagte und nicht die Klägerin gemäß § 613 a BGB einzustehen hat. Sofern aber die vorgenannten Pensionsanwärter gleichwohl die Klägerin auf Erfüllung ihrer Versorgungsanwartschaften in Anspruch nehmen und insoweit auch ein obsiegendes Urteil gegen die Klägerin erzielen würden, stünde letzterer ein Rückgriff gegen die Beklagte zu, da im Verhältnis der Parteien rechtskräftig festgestellt wäre, daß die Klägerin eine Verbindlichkeit der Beklagten erfüllt hat (vgl. BGHZ 70, 389, 396 f; Senatsurteil vom 22. Oktober 1975 – VIII ZR 80/74 = WM 1975, 1235 unter II).
3. Der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage steht auch nicht entgegen, daß mit dieser ein Rechtsverhältnis festgestellt werden soll, das zwischen den Arbeitnehmern und dem Beklagten besteht und über das ausschließlich die Arbeitsgerichte zu entscheiden haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG). Zwar können Gegenstand der Feststellungsklage nur Rechtsverhältnisse des Privatrechts und solche sein, hinsichtlich deren der ordentliche Rechtsweg zulässig ist (BGH, Urteil vom 2. März 1960 – V ZR 131/58 a.a.O.; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rdnr. 35; Zöller/Stephan, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rdnr. 3). Abgesehen davon, daß das Arbeitsgericht den Rechtsstreit mit bindender Wirkung an das Landgericht verwiesen hat, liegt ein Eingriff in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zur Entscheidung über Streitigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 ArbGG deshalb nicht vor, weil die Pensionsanwärter, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in ihrer Entscheidung frei sind, die Klägerin oder den Beklagten auf Erfüllung ihrer Versorgungsanwartschaften in Anspruch zu nehmen; das hierfür zuständige Arbeitsgericht wäre dann an die im vorliegenden Rechtsstreit ergangene Entscheidung nicht gebunden. In die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte könnte allerdings eingegriffen werden, wenn den Pensionsanwärtern im Prozeß der Schuldner anteiliger Versorgungsanwartschaften – was hier nicht geschehen ist – der Streit verkündet werden dürfte. An die Interventionswirkungen nach §§ 74, 68 ZPO wäre das Arbeitsgericht bei derartiger Fallgestaltung im Prozeß der Pensionsanwärter gegen die Beklagten oder die Kläger gebunden, die Pensionsanwärter mithin darin beeinträchtigt, ihr Recht vor den Arbeitsgerichten zu suchen. Das geht nicht an. Nach § 68 ZPO kann der Nebenintervenient bzw. der Streitverkündete der Interventionswirkung den Einwand entgegensetzen, daß er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts verhindert worden war, Angriffs-, Verteidigungs- oder Beweismittel geltend zu machen, was ihn im Folgeprozeß unangemessen belaste und auch mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs unvereinbar sei (MünchKommZPO-Schilken § 68 Rdnr. 19). Dies muß erst recht gelten, wenn durch eine Streitverkündung in einem Verfahren außerhalb der für das spätere Verfahren ausschließlich zuständigen Gerichtsbarkeit Bindungen für den später geführten Rechtsstreit erzeugt und dadurch die Parteien den speziellen Ausgestaltungen dieses Verfahrens entzogen werden könnten.
4. Nachdem das Berufungsgericht zur Begründetheit des Feststellungsbegehrens der Klägerin, der Beklagte hafte für die bis zur Konkurseröffnung über das Vermögen der K. GmbH (alt) am 15. Mai 1987 zeitanteilig bereits erdienten Teile der Versorgungsanwartschaften der genannten Arbeitnehmer, nicht entschieden hat, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Dabei kommt es, worüber der Streit der Parteien in der Sache geht, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entscheidend darauf an, ob der Betrieb der Gemeinschuldnerin auf die K. GmbH (neu) schon vor Konkurseröffnung am 15. Mai 1987 oder erst nach dieser übergegangen ist, wobei maßgeblich auf die Möglichkeit des Erwerbers zur Ausübung der Leitungsmacht abzustellen ist (BAGE 32, 326 ff; 62, 224 ff; BAG ZIP 1992, 49 ff; BAG ZIP 1992, 1013 ff).
Unterschriften
Wolf, Dr. Zülch, Dr. Paulusch, Dr. Hübsch, Wiechers
Fundstellen
Haufe-Index 1237748 |
BGHZ |
BGHZ, 44 |
BB 1993, 2118 |
NJW 1993, 2539 |
Nachschlagewerk BGH |