Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. November 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für die Anfertigung und Montage von Festpunkten und Zwangsführungen in Anspruch.
Das Landgericht hat durch sein am Schluß der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1998 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen. Protokollabschrift nebst Urteil wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 20. November 1998 zugestellt. Am 4. Dezember 1998 wurde ihm dasselbe Urteil als „Versäumnisurteil” bezeichnet zugestellt. Am 11. Januar 1999 erfolgte erneute Zustellung des Urteils.
Mit ihrer am 8. Januar 1999 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin wegen Verfristung verworfen. Mit ihrer Revision erstrebt diese Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der beanspruchten Vergütung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig (§ 547 ZPO); sie hat auch Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig angesehen. Es hat angenommen, eine Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Halle vom 4. November 1998 sei dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wirksam am 20. November 1998 zugestellt worden. Die Berufungsfrist sei mit dieser Zustellung angelaufen. Sie sei bei Einlegung der Berufung am 8. Januar 1999 bereits abgelaufen gewesen.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
2. Nach § 516 ZPO beginnt die Berufungsfrist mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils. Um die Frist in Lauf zu setzen, ist es deshalb nicht ausreichend, wenn lediglich eine abgekürzte Urteilsausfertigung (§ 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zugestellt worden ist. Die geltende Regelung soll es dem Zustellungsempfänger ermöglichen, auf der Grundlage des vollständigen und mit Gründen versehenen Urteils und damit auf gesicherter Grundlage innerhalb der gesetzlichen Frist zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob er ein Rechtsmittel nach den §§ 511 ff. ZPO einlegt. Eine Partei soll nicht gezwungen sein, Rechtsmittel gegen ein Urteil einzulegen, dessen Begründung sie nicht kennt. Die Zustellung einer abgekürzten Urteilsausfertigung ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe setzt daher die Berufungsfrist nicht in Lauf (BGH, Beschl. v. 31.5.1990 – VII ZB 1/90, NJW-RR 1991, 255; BGH, Beschl. v. 23.9.1992 – I ZB 2/92, ZIP 1993, 74, 75; Sen.Beschl. BGHZ 138, 166, 168).
3. Nach diesen Grundsätzen war die Berufung der Klägerin nicht verfristet. Das Landgericht Halle hat ausweislich des Protokolls am Schluß der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1998 gemäß § 310 Abs. 1 ZPO das klageabweisende Urteil verkündet. Dieses Urteil bestand aus dem Rubrum und dem Tenor der Entscheidung, der von den Richtern unterzeichnet worden war. Am 13. November 1998 verfügte die Vorsitzende Richterin die Zustellung einer Abschrift des Protokolls nebst Urteil an die Prozeßbevollmächtigten sowie die Vorlage der Akten an den Berichterstatter „wg. TB + EG”. Die Verfügung der Vorsitzenden trägt einen Erledigungsvermerk der Geschäftsstelle vom 19. November 1998. Die am 20. November 1998 dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellte Urteilsausfertigung ist laut Vermerk auf der Urkunde als „Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 4.11.1998” bezeichnet und enthielt weder den Tatbestand noch die Entscheidungsgründe, so daß durch deren Zustellung die Berufungsfrist nicht in Lauf gesetzt werden konnte. Zum Zeitpunkt der Zustellung lag das Urteil vom 4. November 1998 noch nicht in vollständiger Fassung vor. Erst unter dem 1. Dezember 1998 verfügte die Vorsitzende Richterin die Zustellung der vollständigen Fassung des Urteils. Dieses ging ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle am 3. Dezember 1998 mit den Unterschriften der Richter versehen bei dieser ein. Die Verfügung der Vorsitzenden wurde am 7. Dezember 1998 ausgeführt. Laut Empfangsbekenntnis wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 9. Dezember 1998 Ausfertigung und Abschrift des Urteils vom 4. November 1998 zugestellt. Hiergegen hat die Klägerin am 8. Januar 1999 rechtzeitig Berufung eingelegt, so daß ihr Rechtsmittel nicht verfristet ist.
4. Eine Verfristung ist auch nicht durch die am 4. Dezember 1998 erfolgte Zustellung einer Ausfertigung der als „Versäumnisurteil” bezeichneten Entscheidung vom 4. November 1998 eingetreten. Ausweislich der von der Revision vorgelegten Abschrift, deren Ausfertigung sich aus den Gerichtsakten nicht nachvollziehen läßt, handelt es sich um eine „Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 4.11.1998”, die mit Ausnahme des Wortes „Versäumnisurteil” der am 20. November der Klägerin zugestellten Abschrift entspricht und weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält.
5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben; der Rechtsstreit ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung in der Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden hat.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen