Leitsatz (amtlich)
Ersatzansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluß verjähren grundsätzlich in 30 Jahren. Verlangt jedoch der Geschädigte, so gestellt zu werden, wie wenn er aus dem Vertrag, der auf Grund eines Verschuldens seines Verhandlungspartners nicht zustande gekommen ist, einen Erfüllungsanspruch erworben hätte, so verjährt dieser Ersatzanspruch in der kurzen Verjährungsfrist, die für den Erfüllungsanspruch aus dem angebahnten Vertragsverhältnis gilt, wobei über den Beginn dieses Fristlaufes hier nicht grundsätzlich entschieden wird.
Normenkette
BGB §§ 195, 276
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 09.11.1966) |
LG Weiden i.d.OPf. |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. November 1966 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz, weil die Beklagte die Bauarbeiten für den Neubau der Berufsschule in Weiden schuldhaft pflichtwidrig nicht an ihn vergeben habe.
Diese Bauarbeiten waren am 13. April 1960 von dem Stadtrat der Beklagten nach Maßgabe der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB) ausgeschrieben worden. Es bewarben sich drei Firmen mit folgenden Angeboten:
Der Kläger mit einem Gebot von |
1.003.573,61 DM |
Die Firma Hans Wü. in W. mit einem Gebot von |
1.132.517,27 DM |
Die Arbeitsgemeinschaft S./K. in W mit einem Gebot von |
1.274.300,85 DM |
Da die Rohbauarbeiten bis 31. Dezember 1960 abgeschlossen werden sollten, wurden die Bieter am 13. Mai 1960 aufgefordert, einen genauen Nachweis über die zeitliche Abwicklung der Rohbauarbeiten und den Einsatz von technischem Personal, Arbeitskräften, Maschinen und Material durch Ausfüllen von Fragebogen zu geben. Am 17. Mai 1960 übertrug der Bauausschuß, dem der Inhaber der Firma S. als Mitglied und zweiter ehrenamtlicher Bürgermeister der Beklagten angehörte, der aber an der Beratung nicht teilnahm, die Bauarbeiten an die Arbeitsgemeinschaft S./K. und gab für seine Entscheidung folgende Begründung ab:
„Nach Feststellung der Architekten H.-M. sind, um die Rohbauarbeiten bis zum Einbruch des Winters ordnungsgemäß zu beenden, mindestens 100 Arbeitskräfte für die Baustelle notwendig. Obwohl die Angebote der Firma Wolfgang B. und der Firma Hans Wü. um 180.808,– DM bzw, 141.864,– DM niedriger sind, hat der Ausschuß mit jeweils 9: 1 Stimmen es abgelehnt, die Leistungsfähigkeit der beiden Firmen in bezug auf die fristgemäße Ausführung der Bauarbeiten und die fachliche Ausbildung des technischen Personals zu bejahen. Diese Feststellung wurde auf Grund der abgegebenen Erklärungen der drei anbietenden Firmen vom 17. Mai 1960 getroffen …”
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Beklagte habe sich pflicht- und treuwidrig über die Bestimmungen der VOB und sonstige für das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren zu beachtende Regeln hinweggesetzt, um die Arbeitsgemeinschaft S./K. zu bevorzugen, und damit nicht nur gegen Amtspflichten, den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG und preisrechtliche Vorschriften verstoßen, sondern auch einem unlauteren Wettbewerb Vorschub geleistet. Bei richtiger und sachgerechter Behandlung der Angebote hätte die Beklagte den Auftrag ihm erteilen müssen. Er habe nicht nur das preiswerteste Angebot abgegeben, sondern auch nachweisen können, daß er in der Lage gewesen sei, den Bautermin einzuhalten. Dies habe die Beklagte auf Grund früherer Aufträge gewußt; jedenfalls habe sie sich durch Rückfrage bei ihm davon vergewissern können. Auch das Gutachten des städtischen Rechnungsprüfungsamts vom 16. Mai 1960 habe sich eindeutig dafür ausgesprochen, daß er – der Kläger – den Zuschlag bekommen sollte. Der unmittelbare Schaden, der ihm durch die Nichterteilung des Bauauftrages für die Berufsschule entstanden sei, betrage mindestens 5 % der Bausumme, also mindestens 30.000 DM.
Nachdem der Kläger am 18. Mai 1960 wegen des Verhaltens der Beklagten Beschwerde zur Regierung der Oberpfalz und mit Schriftsatz vom 22. Juni 1960 eine Klage gegen den Oberbürgermeister der Beklagten bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erhoben hatte, hat er mit der am 27. August 1965 bei dem Landgericht eingegangenen und der Beklagten am 3. September 1965 zugestellten Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.000 DM nebst 10 % Zinsen daraus seit 1. November 1961 zu bezahlen.
Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Sie hat im wesentlichen vorgetragen:
Alle drei Baubewerber seien gleich behandelt worden. Die Mitglieder des Vergabeausschusses hätten die Angebote sachgemäß beraten und nicht ermessensmißbräuchlich oder pflichtwidrig gehandelt. Sie hätten so entschieden, wie sie es nach Prüfung der eingereichten Unterlagen und vor allem der Stellungnahme der verantwortlichen bauleitenden Architekten mit ihrem Gewissen hätten verantworten können.
Außerdem hat sich die Beklagte auf Verjährung berufen und dazu geltend gemacht: Der Kläger habe bereits im Jahre 1960, wie sich aus seiner Beschwerde an die Regierung der Oberpfalz und seiner Klage zum Verwaltungsgericht ergebe, spätestens aber mit der gegen ihn 1962 wegen übler Nachrede erhobenen Anklage von den Umständen Kenntnis gehabt, auf die er seinen Schadensersatzanspruch nunmehr stütze.
Der Kläger ist dem im einzelnen entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten bei der Auswahl der Bewerber nicht festzustellen sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zusätzlich vorgetragen: Soweit die Klage auf eine sittenwidrige Benachteiligung des Klägers gestutzt werde, sei sie nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Mitglieder des Bauausschusses der Beklagten zu richten, und deshalb in der vorliegenden Form nicht zulässig.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht erörtert den Ersatzanspruch des Klägers allein nach den Vorschriften der unerlaubten Handlung (§§ 823 ff BGB). Dabei läßt es dahinstehen, ob der Kläger nach diesen Bestimmungen überhaupt einen Ersatzanspruch erworben hat, da nach der Ansicht des Berufungsgerichts jedenfalls die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede nach § 852 Abs. 1 BGB durchgreife, so daß schon aus diesem Grunde die Klage keinen Erfolg haben könne.
Nach dieser Vorschrift verjährt ein Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Das Berufungsgericht würdigt den Vortrag des Klägers in den Verfahren, die er am 18. Mai 1960 bei der Regierung der Oberpfalz und am 23. Juni 1960 bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht in Regensburg wegen desselben Sachverhalts anhängig gemacht hat, sowie seine Einlassung bei seiner Vernehmung am 9. Januar 1961 als Beschuldigter in den damals gegen ihn wegen seiner Äußerungen über das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es kommt hierbei zu dem Ergebnis, daß die dreijährige Verjährungsfrist spätestens im Januar 1961 zu laufen begonnen habe und deshalb bei Klageerhebung im Herbst 1965 abgelaufen gewesen sei. Denn der Kläger habe, so führt das Berufungsgericht naher aus, spätestens bei seiner Vernehmung als Beschuldigter am 9. Januar 1961 nicht nur Kenntnis von dem ihm durch die Nichterteilung des Auftrags entstandenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen gehabt, sondern damals bereits auch alle wesentlichen Punkte gekannt, auf die er später seine Klage vom 27. August 1965 gestützt habe.
Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Die Revision meint, die Beklagte habe zugestanden, daß der Kläger die seine Klage begründenden Tatsachen erst bei Zustellung der Anklage in dem in dieser Angelegenheit gegen ihn betriebenen Strafverfahren am 22. November 1962 erfahren habe; die Wirkungen dieses Geständnisses habe das Berufungsgericht unter Verletzung von § 288 ZPO nicht beachtet. Sie beruft sich hierzu auf Bl. 2 der Berufungserwiderung der Beklagten vom 1. Juni 1966, in der es heißt: „Spätestens bei Erhebung der Anklage konnte der Kläger die gesamten Aussagen prüfen und die angeblichen Zusammenhänge erfahren, falls dies überhaupt notwendig gewesen sein sollte.” Mit diesem Vortrag hat die Beklagte nicht erklärt, daß der Kläger erst bei Anklageerhebung die für den Lauf der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis erhalten habe, sondern nur einen Zeitpunkt genannt, zu dem nach ihrer Ansicht spätestens diese Kenntnis bei dem Kläger vorgelegen hat. Ein Geständnis mit dem von der Revision behaupteten Inhalt hat die Beklagte daher nicht abgegeben.
2. Vergeblich beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Verjährungsfrist des § 852 BGS begonnen hat, die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze verkannt habe, die dahin gehen: Die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen im Sinne dieser Vorschrift ist nicht schon dann gegeben, wenn der Geschädigte weiß, welche Person als Anspruchsschuldner in Betracht kommt. Vielmehr muß ihm auch so viel an Tatsachen für ein schuldhaftes Verhalten, das den Schaden verursacht haben kann, bekannt sein, daß er gegen eine bestimmte Person eine Schadenersatzklage, sei es auch nur in der Form der Feststellungsklage, mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg erheben kann. Die Frist des § 852 Abs. 1 BGB läuft also erst von dem Zeitpunkt ab, in dem der Verletzte zuerst vernünftigerweise alle Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs mit Ausnahme des Schadensbetrages für gegeben halten mußte (BGHZ 6, 195, 201, 202; BGH VersR 1963, 254 m.w.N.).
Die Revision meint, daß erst das im Strafverfahren erstattete Gutachten des Dipl.Ing. R. vom 9. Juli 1964 dem Kläger beweiskräftige Aufklärung über Tatsachen gebracht habe, die er habe kennen müssen, um gegen die Beklagte mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich vorgehen zu können. Das habe das Berufungsgericht unter Verletzung des § 286 ZPO außer acht gelassen.
In diesem Gutachten hatte der Sachverständige auf Veranlassung des Schöffengerichts Weiden zu der Frage Stellung genommen, ob das Vergabeverfahren unsachlich und unwirtschaftlich durchgeführt worden sei. Hierzu hatte der Sachverständige im wesentlichen erörtert, ob die für das Verfahren geltende Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB) von der Beklagten beachtet worden war, und war zu dem Ergebnis gelangt, daß weder bei der Ausschreibung noch bei der Prüfung und Wertung der Angebote die Bestimmungen der VOB in allen Punkten von der Beklagten richtig angewendet worden seien.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger erst durch diese Ausführungen des Sachverständigen Kenntnis von sämtlichen Verstößen der Beklagten gegen die VOB erhalten hat. Der Kläger brauchte jedenfalls nicht notwendig sämtliche bei dem Ausschreibungsverfahren etwa begangenen Verstöße gegen die Bestimmungen der VOB in allen Einzelheiten zu kennen, um wegen ihres angeblich treu- und pflichtwidrigen Verhaltens gegen die Beklagte vorgehen zu können. Vielmehr genügte es, daß der Kläger die Art und Weise, in der die Beklagte bei der Ausschreibung vorgegangen ist, in ihren Grundzügen kannte, um hieraus die Überzeugung für den Erfolg einer Klage zu gewinnen.
Diese Tatsachen hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem unstreitigen Sachverhalt bereits am 9. Januar 1961 gekannt. Danach kannte er damals bereits die Beziehungen des Inhabers der Firma S. zu der Beklagten. Er wußte, daß die Arbeitsgemeinschaft S./K. den Zuschlag erhalten hatte, obwohl ihr Angebot um mehr als 180.000,– DM über seinem eigenen gelegen hatte. Er konnte beurteilen, ob es sich bei seinem eigenen Angebot um ein vollwertiges Gesamtangebot oder um ein unzulässiges Unterangebot gehandelt hatte, ob das Angebot seiner Mitbewerber preisrechtlich zulässig war und ob ein objektiver Betrachter seinen Preisen den Vorzug vor dem Angebot der Arbeitsgemeinschaft S./K. gegeben hätte. Ihm war bekannt, daß ihm als dem billigsten Bieter der Zuschlag versagt worden war, obwohl sich die Rechnungsprüfungsstelle für die Vergabe des Bauauftrages an den billigsten Bieter ausgesprochen hatte. Er wußte, daß die Ablehnung seines Angebots allein damit begründet worden war, daß der Bauausschuß seine Leistungsfähigkeit in bezug auf die fristgemäße Ausführung der Bauarbeiten und die fachliche Ausbildung des technischen Personals verneint hatte, obwohl der Kläger damals bereits der festen Überzeugung gewesen ist, daß diese Bedenken durch eine kurze Rücksprache mit ihm hätten ausgeräumt werden können, und daß der Zeitdruck, mit dem das Unterbleiben einer solchen Verhandlung begründet worden war, nur „vorgeschützt” worden war. Bereits in seinem Schriftsatz vom 12. Juli 1960 an das Bayerische Verwaltungsgericht in Regensburg hatte der Kläger behauptet, daß absichtlich schnell und überstürzt beraten und beschlossen worden sei, um den schon vorgefaßten Beschluß unter Dach und Fach zu bringen.
Auf Grund dieser Feststellungen konnte das Berufungsgericht die Überzeugung gewinnen, daß der Kläger bereits Anfang 1961 in ausreichendem Maß konkrete Tatsachen kannte, aus denen auf eine bewußte Begünstigung der Arbeitsgemeinschaft S./K.geschlossen werden konnte und auf Grund derer dem Kläger eine Klageerhebung zuzumuten war. Das gilt um so mehr, als der Kläger selbst weder in seiner Klagebegründung noch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zur Unterstützung seiner dahingehenden Behauptung neue Umstände vorgetragen hat, die ihm etwa erst nach dem 9. Januar 1961 bekannt geworden sein können. Auch die Revision vermag solche Umstände, die in dieser Hinsicht von Bedeutung sein könnten, nicht aufzuzeigen.
3. Die Revision meint, daß dem Kläger die Klageerhebung erst habe zugemutet werden können, nachdem er Beweise für seine Behauptung zur Verfügung gehabt habe. Dazu habe ihm erst das fachkundige Urteil des unabhängigen Sachverständigen R. vom 9. Juli 1964 verholfen; vorher habe er befürchten müssen, daß die Gerichte die Ersatzpflicht der Beklagten verneinen würden. Mit dieser Auffassung dehnt die Revision jedoch den Satz, daß für den Beginn der Verjährungsfrist des § 852 BGB eine einigermaßen sichere Erfolgsaussicht gegeben sein muß, zu weit aus. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß etwaige Zweifel des Verletzten an der Beweisbarkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts den Beginn des Fristablaufs nach § 852 Abs. 1 BGB nicht hindern können (BGH VersR 1959, 274; VersR 1961, 831, 833; VersR 1957, 181, 182; VersR 1961, 415; VersR 1963, 254 f; M BGB § 852 Nr. 17). Denn der Verjährungsbeginn kann nicht davon abhängig sein, daß der zu beginnende Prozeß mehr oder weniger risikolos erscheint, vielmehr muß jeder Kläger immer damit rechnen, daß seine scheinbare Kenntnis sich als irrig erweist oder seine Kenntnis nicht beweisbar ist. Der Gesetzgeber hat diesem Risiko bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß er dem Verletzten eine Frist von drei Jahren für seine Überlegungen zubilligt, ob er das Risiko eingehen soll; eine Ausdehnung dieser Frist durch Hinausschieben des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt, zu dem der Verletzte nicht nur die seinen Ersatzanspruch begründenden Tatsachen, sondern auch das voraussichtliche Ergebnis einer etwa erforderlich werdenden Beweisaufnahme kennt, ist mit dem Sinn des § 852 BGB unvereinbar.
4. Sofern die Revision mit ihrem Vorbringen darauf abheben möchte, daß der Sachverständige dem Kläger erst die Kenntnis von Rechtsvorschriften vermittelt habe, die durch das Verhalten der Beklagten angeblich verletzt worden sind, kann sie hiermit ebenfalls keinen Erfolg haben. Für den Verjährungsbeginn kommt es auf diese Kenntnis nur in Ausnahmefällen bei besonders verwickelten und schwierigen Rechtsfragen und in aller Regel nur dann an, wenn die Frage, wer der Ersatzpflichtige ist, für alle Beteiligten unklar und zweifelhaft ist (BGHZ 6, 195, 202; BGH VersR 1959, 1040; VersR 1961, 831, 833; VersR 1961, 910; VersR 1963, 254, 255). Das trifft auf den vorliegenden Fall, dessen Schwierigkeiten im tatsächlichen liegen, nicht zu.
Daraus folgt, daß die dreijährige Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB für einen Ersatzanspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung spätestens am 9. Januar 1961 in Lauf gesetzt worden ist und der Anspruch daher bereits verjährt war, als der Kläger seine am 27. August 1965 bei Gericht eingegangene und der Beklagten am 3. September 1965 zugestellte Klage erhoben hat. Zu Recht ist deshalb das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger schon aus diesem Grunde seinen Ersatzanspruch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt gegen die Beklagte nicht durchsetzen kann.
II.
Nicht erörtert hat das Berufungsgericht, ob der Kläger seinen Ersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Verschuldens der Beklagten bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) geltend machen kann. Zu einer Erörterung dieses Gesichtspunkts bestand Anlaß, zumal der Kläger seine Klage nicht ausdrücklich auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung beschränkt hat.
Es kann offenbleiben, ob die Grundsätze des Privatrechts über die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluß im hoheitlichen Bereich anwendbar sind. Sind die Beziehungen zwischen den an der öffentlichen Ausschreibung Beteiligten nach Privatrecht zu beurteilen, so besteht während des Ausschreibungsverfahrens zwischen den Beteiligten ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten erzeugt, deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt der „culpa in contrahendo” zu begründen vermag (BGH Urteile vom 8. April 1965 – III ZR 230/65 – S. 9; vom 3. März 1966 – III ZR 123/64 – S. 6). Das trifft auf den vorliegenden Fall zu, weil die Beklagte bei der Vergabe des Bauauftrages den Teilnehmern des Ausschreibungsverfahrens nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt, d.h. hoheitlich, sondern auf dem Boden des Privatrechts als gleichberechtigte Partnerin gegenübergetreten ist. Ebenso wie die Vergabe des Bauauftrags grundsätzlich zwischen der den Auftrag erteilenden Behörde und dem beauftragten Bauunternehmer ein privatrechtliches Verhältnis auch dann schafft, wenn das Bauvorhaben im öffentlichen Interesse liegt, gehört auch das vorausgehende Ausschreibungsverfahren in aller Regel dem nach Privatrecht zu beurteilenden fiskalischen und nicht dem hoheitlichen Bereich an (BGH Urteil vom 12. Oktober 1956 – VI ZR 51/56 –; BVerwGE 5, 325, 327; 7, 89, 90/91; 14, 65, 72). Etwas anderes mag gelten, wenn und soweit in diesem Verfahren von der Behörde Entscheidungen auf Grund Anweisung einer vorgesetzten Dienststelle oder sonst in Wahrnehmung und zur Erfüllung besonderer öffentlicher Aufgaben und Pflichten getroffen werden, wie z.B. in denjenigen Fällen, in denen es darum geht, einen Flüchtling oder Vertriebenen nach § 74 BVFG oder § 68 BUG bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu bevorzugen (vgl. BGH Urteile vom 8. April 1965 – III ZR 230/63 – S. 6 ff; vom 3. März 1966 – III ZR 123/64 – S. 5); ein solcher Sachverhalt ist von dem Kläger nicht vorgetragen worden.
Es kann indessen dahinstehen, ob und inwieweit die von dem Kläger behaupteten Verstöße der Beklagten gegen die Bestimmungen der VOB geeignet sind, Ersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu begründen. Wenn ein solcher Anspruch entstanden wäre, wäre auch er bei Erhebung der Klage bereits verjährt gewesen.
Allerdings werden Schadensersatzansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluß nicht von der Verjährungsvorschrift des § 852 BGB erfaßt, die nur für Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gilt. Für sie läuft vielmehr eine eigene Verjährungsfrist. Nach § 195 BGB verjähren Ansprüche in 30 Jahren, sofern das Gesetz für sie nicht kürzere Verjährungsfristen vorsieht. Diese Bestimmung gilt grundsätzlich auch für Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß. Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Ansprüche in jedem Fall erst nach 30 Jahren deshalb verjähren, weil diese Ansprüche von dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen über die kürzeren Verjährungsfristen nicht erfaßt werden. Daß die Verjährung derartiger Ansprüche im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, beruht allein darauf, daß das Rechtsinstitut der „culpa in contrahendo” im BGB nicht geregelt, vielmehr erst von der Rechtslehre und Rechtsprechung entwickelt worden ist, und besagt nicht, daß nicht in Ausnahmefällen die Vorschriften über eine kürzere Verjährung vertraglicher Ansprüche entsprechend anzuwenden sind. So hat das Reichsgericht die Bestimmung des § 477 BGB, die für Gewährleistungsansprüche des Käufers eine kurze Verjährungsfrist vorsieht, mit Rücksicht auf den gesetzgeberischen Grund der Vorschrift auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens des Verkäufers bei Vertragsschluß entsprechend angewendet, wenn dieser Anspruch unmittelbar Mängel der Kaufsache betrifft (RGZ 129, 280, 282 f).
Im vorliegenden Fall rechtfertigt es das Ziel des geltend gemachten Anspruchs, die Verjährungsfrist für den Ersatzanspruch nach denselben Verjährungsfristen zu bestimmen, die für den Erfüllungsanspruch aus dem angebahnten Vertragsverhältnis gelten. Das bedeutet, daß hier die Verjährungsvorschriften der §§ 196 Abs. 1 Ziff. 1, 198, 201 BGB anzuwenden sind.
Danach verjähren die Ansprüche der Handwerker für die Ausführung von Arbeiten grundsätzlich in zwei und in Ausnahme fällen in vier Jahren; die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Hierzu gehören auch die Ansprüche der Bauunternehmer auf Vergütung für ihre Bauleistungen, und zwar auch dann, wenn sie nicht selbst handwerksmäßig in ihrem Betrieb mitarbeiten, sondern nur die Oberaufsicht über diesen ausüben (BGHZ 39, 255). Zu diesen Ansprüchen müssen im Sinne dieser Vorschriften auch Ansprüche eines Bauunternehmers auf Ersatz des ihm durch ein Verschulden des Bauherrn bei Vertragsschluß zugefügten Schadens dann gerechnet werden, wenn dieser Anspruch – wie im vorliegenden Fall – im Ergebnis allein darauf gerichtet ist, dem Bauunternehmer einen Ausgleich für den ihm entgangenen Vergütungsanspruch zu gewähren.
Allerdings betrifft § 196 Abs. 1 Ziff 1. BGB seinem Wortlaut nach nur den Vergütungsanspruch des Bauunternehmers aus einem mit dem Bauherrn zustandegekommenen Vertrag. Um einen solchen Anspruch handelt es sich bei dem Ersatzanspruch aus „culpa in contrahendo” nicht. Moser hat vielmehr seine Grundlage in den Rechtsbeziehungen, die zwischen den Beteiligten während der vorvertraglichen Verhandlungen bestehen. Er setzt nicht voraus, daß es zwischen den Beteiligten auf Grund der Verhandlungen zu einem Vertragsschluß kommt. Er soll dem Betrofenen nicht die Erfüllung aus dem Vertrag verschaffen, sondern ist darauf gerichtet, ihm einen Ausgleich für den Schaden zu geben, der ihm durch die Verletzung seines in den Vertragspartner gesetzten Vertrauens während der Vertragsverhandlungen entstanden ist. Dieses Vertrauensinteresse ist deshalb nicht mit dem Erfüllungsinteresse identisch; anders als der Ersatzanspruch auf den Vertrauensschaden nach den Vorschriften der §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2, 307 SGB, aus denen die Haftung für „culpa in contrahendo” zunächst entwickelt worden ist, bildet nicht einmal das Erfüllungsinteresse die obere Grenze für den Schadensersatzanspruch (BGZ 151, 357, 358 ff; BGH Urteil vom 4. März 1955 – V ZR 66/54 – S. 10; Nirk in Festschrift f. Philipp Möhring 1965 S. 397 f m.w.N.). Schon mit Rücksicht auf diese Wesensverschiedenheit können Schadensersatzansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluß in aller Regel den für das angebahnte Vertragsverhältnis etwa geltenden besonderen Verjährungsfristen nicht unterstellt werden. Etwas anderes muß jedoch für den Fall gelten, daß der durch ein vorvertragliches Verschulden seines Verhandlungspartners Verletzte verlangt, so gestellt zu werden, als wenn der Vertrag, dessen Abschluß durch ein Verschulden seines Verhandlungspartners vereitelt worden ist, zustandegekommen wäre, er also einen vertraglichen Erfüllungsanspruch erworben haben würde. Will der durch ein vorvertragliches Verschulden Geschädigte auf diesem Wege im Ergebnis den Zustand herbeiführen, der im Falle eines Vertragsschlusses bestanden haben würde, so kann er keine stärkere Rechtsstellung für sich in Anspruch nehmen, als er bei Zustandekommen des Vertrages besessen haben würde.
Es ist anerkannt, daß ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses in seiner „Intensität” (vgl. Staudinger-Coing BGB 11. Auf. § 195 Rdn. 5) nicht über den Erfüllungsanspruch ausgedehnt werden darf, wenn er, z.B. durch §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2, § 307 Abs. 1 BGB, kraft Gesetzes der Höhe nach durch das Erfüllungsinteresse begrenzt ist (vgl. Staudinger-Coing a.a.O., Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 14. Bearb. § 43 III S. 184; Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil BGB 15. Bearb. S. 1407; Soergel-Siebert BGB 9. Aufl. § 195 Anm. 8; Erman-Hefermehl BGB 3. Aufl. § 195 Anm. 6; Palandt-Danckelmann BGB 25. Aufl. § 195 Anm. 2); der diesem Rechtssatz zugrunde liegende Gedanke trifft auch für den Fall zu, daß das mit dem Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß verlangte Vertrauensinteresse sich inhaltlich mit dem Interesse an der Erfüllung des angebahnten Vertrags deckt. In einem solchen Fall kann für den Schadensersatzanspruch keine längere Verjährungsfrist laufen als für den Erfüllungsanspruch, dessen Entstehung durch das Verschulden des Verhandlungspartners vereitelt worden ist.
Daraus folgt, daß ein etwaiger Ersatzanspruch aus einem Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluß wegen des dem Kläger infolge der Nichterteilung des Bauauftrags entstandenen Schadens, den der Kläger mit mindestens 5 % der Bausumme beziffert hat und damit ersichtlich als „entgangenen Gewinn” geltend macht, nach denselben Regeln verjährt wie der Vergütungsanspruch, den er im Falle der Erteilung des Bauauftrags an ihn erworben haben würde und für den, da die Bauleistung nicht für den Gewerbebetrieb der Beklagten bestimmt war, die zweijährige Verjährung des § 196 Abs. 1 Ziff. 1 BGB gegolten haben würde. Ob für den Zeitpunkt, an den § 201 BGB den Beginn der kurzen Verjährungsfrist anknüpft, allein die Entstehung des Ersatzanspruchs maßgebend ist (§ 198 BGB) oder ob es auch darauf ankommt, wann nach dem angebahnten Vertragsverhältnis der Erfüllungsanspruch fällig geworden wäre und oder wann der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, braucht nicht entschieden zu werden. Denn nach den Ausschreibungsbedingungen wäre der Vergütungsanspruch im Januar 1961 fällig geworden, und spätestens am 9. Januar 1961 hat der Kläger alle Umstände für eine klageweise Geltendmachung des Ersatzanspruchs gekannt, so daß die Verjährungsfrist spätestens am 1. Januar 1962 zu laufen begann und spätestens mit dem 31. Dezember 1963, also vor Klagerhebung, abgelaufen war.
Daraus ergibt sich, daß der Kläger Ersatzansprüche gegen die Beklagte schon deshalb nicht geltend machen kann, weil diese verjährt sind. Da das Berufungsurteil auch sonst einen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers nicht erkennen läßt, erweist sich somit die Revision des Klägers als unbegründet und muß zurückgewiesen werden. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger nach § 97 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Pagendarm, Dr. Arndt, Dr. Beyer, Dr. Hußla, Keßler
Fundstellen
Haufe-Index 1502422 |
BGHZ |
BGHZ, 77 |
NJW 1968, 547 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1968, 216 |