Leitsatz (amtlich)
Vertragspartner können mit der Hinterlegung beim Notar ein eigenständiges Recht des Gläubigers begründen, sich aus dem hinterlegten Betrag bei Bestehen des gesicherten Anspruchs unabhängig von dessen Verjährung zu befriedigen.
Normenkette
BGB § 223 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
Thüringer OLG |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 23. Dezember 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als mit der Berufung auch der Hilfsantrag abgewiesen worden ist, die Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des hinterlegten Betrages von 90.032,66 DM einzuwilligen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den beiden Beklagten restlichen Werklohn für die Verlegung von Bodenbelägen.
Der Kläger hatte durch einstweilige Verfügung erreicht, daß die Vormerkung einer Bauhandwerkersicherungshypothek ins Grundbuch eingetragen wurde. Das anschließende Streitverfahren endete mit einem Vergleich, in dem der Kläger die Löschung der Vormerkung bewilligt hat. Zugleich haben die Parteien erklärt, daß der von den Beklagten auf Notaranderkonto hinterlegte Betrag von 90.032,66 DM unwiderruflich zugunsten des Klägers hinterlegt worden ist (Ziffer 1 des Vergleichs). Ferner soll dieser Betrag an den Kläger „erst und insoweit” ausgezahlt werden, „als ein entsprechender Werklohnanspruch … einvernehmlich oder streitig rechtskräftig festgestellt ist” (Ziffer 2 des Vergleichs).
Da die Parteien über den Werklohnanspruch kein Einvernehmen erzielen konnten, hat der Kläger seine Restforderung von 101.091,48 DM eingeklagt. Er hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hält die Werklohnforderung für verjährt.
Der Senat hat das bestätigt und die Revision des Klägers nur insoweit angenommen, als dieser hilfsweise begehrt, die Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des zur Sicherheit hinterlegten Betrages von 90.032,66 DM einzuwilligen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat sich mit den Fragen auseinandergesetzt, ob die Werklohnforderung verjährt ist und ob es den Beklagten verwehrt ist, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Dagegen hat es nicht geprüft, ob der Kläger durch den Vergleich eine von der festgestellten Verjährung unabhängige Sicherheit erhalten hat, auf die er gegebenenfalls zurückgreifen kann (Hilfsantrag).
II.
Dieses beanstandet die Revision zu Recht. Das Berufungsgericht hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die rechtliche Bedeutung der Vereinbarung der Parteien vom 7. September 1994 zu ermitteln. Diese kann der Senat selbst auslegen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.
Dem Wortlaut und dem Zweck des Vergleichs ist zu entnehmen, daß die Parteien eine Sicherheit zugunsten des Klägers vereinbart haben, aus der er sich wegen seiner Werklohnforderung, soweit sie besteht, unabhängig von deren Verjährung befriedigen kann.
1. Ein Gläubiger kann sich vor drohenden Rechtsnachteilen unter anderem dadurch schützen, daß er seinen Anspruch durch ein zusätzliches Recht sichert, welches er verwerten kann, wenn er den zugrundeliegenden Anspruch nicht durchsetzen kann. Das gilt auch gegenüber der Verjährung. Im Gesetz sind hierzu mehrere Fälle geregelt. Ist für einen Anspruch eine Hypothek oder ein Pfandrecht bestellt, so hindert die Verjährung des Anspruchs den berechtigten Gläubiger nicht, seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstand zu suchen (§ 223 Abs. 1 BGB). Ist zur Sicherung des Anspruchs ein Recht übertragen worden, so kann die Rückübertragung nicht aufgrund der Verjährung des Anspruches gefordert werden (§ 223 Abs. 2 BGB). Sicherheit kann auch durch die förmliche Hinterlegung von Geld (§ 232 BGB) geleistet werden; deren Rechtsfolge ist ein Pfandrecht an dem hinterlegten Geld (§ 233 BGB), aus dem wiederum unabhängig von der Verjährung des gesicherten Anspruchs Befriedigung gesucht werden kann (§ 223 Abs. 1 BGB).
Diese gesetzlichen Regelungen bestimmen im Kern, daß der Gläubiger unabhängig von der Verjährung des gesicherten Anspruchs die Realsicherheit, die er bereits hat, verwerten kann. Dem liegt zugrunde, daß die Verjährung nicht den verjährten Anspruch beseitigt; sie gibt lediglich dem Schuldner ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB).
Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, daß Vertragspartner nicht auch eine andere, ihren Interessen am besten entsprechende Sicherheit vereinbaren können. Eine Hinterlegung beispielsweise muß nicht immer die förmliche Hinterlegung im Sinne des § 223 BGB sein. Ebensogut kann die Hinterlegung beim Notar gewählt werden. Dieser verbreiteten Sicherungsart fehlt zwar die Rechtsfolge des § 233 BGB. Die Vertragspartner können aber mit der Hinterlegung beim Notar ein eigenständiges Recht des Gläubigers begründen, sich aus dem hinterlegten Betrag bei Bestehen des gesicherten Anspruchs unabhängig von dessen Verjährung zu befriedigen. So liegt der Fall hier.
2. Nach der Vereinbarung der Parteien haben die Beklagten dem Kläger ein in diesem Sinne zusätzliches, von der Verjährung des Werklohnanspruchs unabhängiges Recht als Sicherheit eingeräumt. Sie haben den Betrag von 90.032,66 DM aus ihrer Verfügungsgewalt entlassen und ihn unwiderruflich beim Notar hinterlegt. Zugleich haben sie dem Kläger das Recht eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen die Auszahlung dieses Betrages an sich zu verlangen. Dieses Recht ist ein eigenständiges Recht, das neben dem gesicherten Werklohnanspruch besteht. Es wird von dessen Verjährung nicht berührt. Als Voraussetzung ist zunächst genannt, daß der gesicherte Anspruch wirklich besteht, was für die Verwertung von Sicherheiten ohnehin stets erforderlich ist. Ferner soll die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Werklohnanspruchs entweder „einvernehmlich” oder aber „streitig rechtskräftig” vorgenommen werden.
a) Daß die Frage der Verjährung für die Verwertung der Sicherheit unbeachtlich sein soll, liegt bei „einvernehmlicher” Feststellung des Anspruchs auf der Hand; es gilt aber auch für den Fall der „streitig rechtskräftigen” Feststellung. Denn ein Streit um die Verjährung des Werklohnanspruchs könnte nicht mit der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens dieses Anspruchs enden. Wenn Verjährung eingetreten ist, bleibt als Ergebnis eines Rechtsstreites nur die Feststellung, daß der Schuldner zur Leistungsverweigerung berechtigt ist. Die Frage, ob der gesicherte Anspruch besteht, bleibt dann offen. Soll dagegen, wie es die Parteien vereinbart haben, der Bestand des Werklohnanspruchs festgestellt werden, können die Beklagten dieses nicht dadurch verhindern, daß sie die Klärung in der Sache unter Berufung auf die Verjährung verweigern. Das ist durch den Vergleich ausgeschlossen.
b) Die Beklagten haben den Vergleich geschlossen, um eine Belastung ihres Grundstückes zu vermeiden, das sie weiter verwerten wollten. Der Kläger ist dem entgegengekommen und hat seinerseits auf eine dingliche Sicherung seines Werklohnanspruchs durch das Grundstück verzichtet. Er hatte bis zum Vergleichsschluß zwar erst eine Vormerkung im Grundbuch erreicht, die ihn nicht gegen die Verjährung seines Werklohnanspruchs hätte schützen können (§ 886 BGB). Mit dem Vergleich hat er sich aber zugunsten der Beklagten der weiteren Möglichkeit begeben, im Range der Vormerkung (§ 883 Abs. 3 BGB) die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zu betreiben, die ihn gemäß § 223 Abs. 1 BGB vor den Folgen der Verjährung seines Werklohnanspruches geschützt hätte.
III.
Das Berufungsurteil kann danach im Umfang der Annahme keinen Bestand haben. Nach Aufhebung insoweit und Zurückverweisung wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob dem Kläger bis zur Höhe des hinterlegten Betrages der geltend gemachte Werklohnanspruch zusteht. Soweit dies der Fall ist, werden die Beklagten unabhängig von der Verjährung des Werklohnanspruchs in die Verwertung des zur Sicherheit hinterlegten Betrages durch dessen Auszahlung an den Kläger einzuwilligen haben.
Unterschriften
Ullmann, Hausmann, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.02.2000 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556336 |
BGHZ |
BGHZ, 397 |
BB 2000, 794 |
DB 2000, 1759 |
NJW 2000, 1331 |
BauR 2000, 885 |
EBE/BGH 2000, 92 |
EWiR 2000, 465 |
IBR 2000, 229 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 876 |
WuB 2000, 677 |
ZAP 2000, 519 |
ZIP 2000, 584 |
ZfIR 2000, 523 |
JZ 2000, 891 |
MDR 2000, 691 |
NJ 2000, 262 |
ZfBR 2000, 262 |