Leitsatz (amtlich)
Erklärt der Beklagte nach Klagezustellung mit einer bereits vor Klageerhebung der Klageforderung aufrechenbar gegenüberstehenden Forderung gegen diese die Aufrechnung, so ist trotz der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) erst die Aufrechnungserklärung das "erledigende Ereignis" für eine bis dahin zulässige und begründete Klage.
Normenkette
ZPO §§ 91, 91a; BGB § 387 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Landshut v. 23.10.2002 wird auf Kosten des Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin hat Zahlung eines restlichen Steuerberaterhonorars i. H. v. 3.916,32 Euro verlangt, das sie den Beklagten mit Schreiben v. 10.12.1999 in Rechnung gestellt hat. Sie hat die Klageforderung mit Mahnbescheid v. 29.12.2000 rechtshängig gemacht. Die Beklagten haben eingewendet, Auftraggeber der Klägerin sei lediglich der Beklagte zu 1) gewesen, und haben weiter einzelne Ansätze der Rechnung bestritten. Im Verlaufe des Rechtsstreites hat der Beklagte zu 1) mit einer ihm durch rechtskräftiges Urteil des AG Landshut v. 14.3.2001 zugesprochenen Forderung gegen die Klägerin i. H. v. 3.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.5.1998 gegen die Klageforderung aufgerechnet. Die Klägerin hat die Hauptsache i. H. v. 1.632,72 Euro (= 3.193,33 DM) für erledigt erklärt, die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.283,59 Euro (= 4.466,32 DM) und, da die Beklagten der Erledigungserklärung nicht zustimmten, die Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache begehrt.
Das AG hat den Beklagten zu 1) zur Zahlung von 1.401,43 Euro nebst 10,5 % Zinsen seit dem 20.9.2000 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) stehe der Klägerin nicht zu, weil diese nicht Auftraggeberin der Klägerin sei. Aus der Rechnung v. 10.12.1999 seien die dort angesetzten Beträge für Bericht und Antrag zur Bilanz zu streichen, weil die Klägerin insoweit keinen Auftrag des Beklagten zu 1) gehabt habe; ferner seien weitere Vorschusszahlungen sowie die zur Aufrechnung gestellte Forderung i. H. v. 1.632,72 Euro abzuziehen. Der Feststellungsantrag der Klägerin, dass sich die Hauptsache in dieser Höhe erledigt habe, sei zurückzuweisen. Die Forderung des Beklagten zu 1) sei bereits vor Rechtshängigkeit der Klageforderung entstanden. Wegen § 389 BGB sei auf den Eintritt der Aufrechnungslage abzustellen, so dass die Klage unbegründet gewesen sei.
Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg, soweit sie die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Zahlung eines weiteren Betrages von 679,05 Euro begehrte. Hingegen stellte das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin fest, dass sich der Rechtsstreit in Bezug auf den Beklagten zu 1) i. H. v. 1.632,72 Euro erledigt habe. Entgegen der Auffassung des AG stelle nicht die Aufrechnungslage, sondern die im Prozess abgegebene Aufrechnungserklärung das erledigende Ereignis dar, durch das die zunächst zulässige und begründete Klage unbegründet geworden sei. Dagegen wendet sich der Beklagte zu 1) mit der - zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
1. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, da sie vom Berufungsgericht im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen worden ist. Dass in den Entscheidungsgründen von der Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO die Rede ist, berührt die Bindung des Revisionsgerichts an die Zulassung (§ 543 Abs. 2 S. 2 ZPO) nicht, weil die Zulassungsgründe für die Rechtsbeschwerde mit denjenigen für die Revision übereinstimmen (§ 543 Abs. 2 S. 1, § 574 Abs. 2 ZPO). Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass das Berufungsgericht die Revision nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes zugelassen hat. Denn es führt dort zur Zulassung aus, zu der hier für einen Teil des Streitgegenstandes streitentscheidenden Frage, ob bei einer Erledigung durch Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung oder der Aufrechnungslage abzustellen sei, liege eine divergierende obergerichtliche Rechtsprechung vor. Diese Ausführungen lassen deutlich erkennen, dass das Berufungsgericht nur hinsichtlich eines rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Streitstoffes, über den gesondert hätte entschieden werden können (Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache durch die von dem Beklagten zu 1) erklärte Aufrechnung), eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage gesehen hat. In einem solchen Fall ist die Zulassung trotz der uneingeschränkten Zulassung der Revision im Tenor auf diesen Teil des Streitgegenstandes beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - III ZR 103/97, MDR 1998, 489 = NJW 1998, 1138 [1139 f.]; v. 9.1.2001 - VI ZR 407/99, MDR 2001, 520 = BGHReport 2001, 242 = GmbHR 2001, 236 = NJW 2001, 969 [970]; v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536).
2. Die gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Revision ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ergibt sich - ungeachtet der weiten Antragsfassung - aus der Revisionsbegründung hinreichend deutlich, dass mit der Revision nur die Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich des zugelassenen Teils des Streitgegenstandes begehrt wird. Denn nur insoweit ist der Beklagte zu 1) durch die angefochtene Entscheidung beschwert.
II.
Die Revision ist jedoch unbegründet.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsurteil enthalte keine hinreichenden Gründe i. S. d. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil die Berufungsanträge nicht aufgenommen seien. Es genügt, dass aus den Ausführungen des Berufungsgerichts hinreichend deutlich wird, was die Parteien mit ihren Rechtsmitteln erstrebt haben (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629; Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, z.V.b.). Das ist hier der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Rechtsstreit in Bezug auf den Beklagten zu 1) i. H. v. 1.632,72 Euro in der Hauptsache erledigt ist.
a) Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGH v. 8.2.1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 [366 f.] = MDR 1989, 523; Urt. v. 6.12.1984 - VII ZR 64/84, MDR 1985, 570 = NJW 1986, 588 [589]). Ein vor Rechtshängigkeit liegendes Ereignis kann die Hauptsache nicht erledigen (BGH v. 15.1.1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12 [14] = MDR 1982, 657; v. 5.10.1994 - XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156 [163] = MDR 1995, 687).
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob die Klage durch die von dem Beklagten zu 1) erklärte Aufrechnung i. H. v. 1.632,72 Euro (nachträglich) unbegründet geworden ist oder ob sie, wie der Beklagte zu 1) meint, wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung gem. § 389 BGB von Anfang an unbegründet war. Die Feststellung der Vorinstanzen, dass die Klageforderung in dieser Höhe bis zur Aufrechnung gegen den Beklagten zu 1) bestanden hat und durch die Aufrechnung mit der dem Beklagten zu 1) vor Rechtshängigkeit der Klageforderung aufrechenbar zustehenden Gegenforderung i. H. v. 1.632,72 Euro erloschen ist, wird von den Parteien nicht beanstandet. Sie lässt einen Rechtsfehler auch nicht erkennen.
Ebensowenig bestehen an der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des durch Aufrechnung erloschenen Teils der Klageforderung Bedenken wegen eines möglicherweise fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. Axel Schulte, Die Kostenentscheidung bei der Aufrechnung durch den Beklagten im Zivilprozess, 1990 S. 56; N. Schneider MDR 2000, 507 [508]). Insbesondere war die Klägerin nicht gehalten, ihrerseits gegen die Forderung des Beklagten zu 1) mit ihrer Honorarforderung aufzurechnen, statt diese in vollem Umfange klageweise geltend zu machen. Bei der Gegenforderung des Beklagten zu 1) handelte es sich um eine von der Klägerin zunächst bestrittene Kaufpreisforderung, die in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Honorarforderung der Klägerin stand. In dem über diese Forderung des Beklagten zu 1) anhängigen Rechtsstreit musste sich die Klägerin schon wegen § 145 Abs. 3 ZPO nicht mit einer (Hilfs-)Aufrechnung verteidigen. Da sie die Gegenforderung des Beklagten zu 1) bestritt, war es ihr bis zu deren rechtskräftiger Feststellung auch nicht zuzumuten, von einer gerichtlichen Geltendmachung ihrer eigenen Forderung in Höhe der Gegenforderung des Beklagten zu 1) abzusehen und sich stattdessen durch Aufrechnung zu befriedigen. Nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung zur Bezahlung der Forderung des Beklagten zu 1) war ihr die Verteidigung gegen diese Forderung im Wege der Aufrechnung durch § 767 Abs. 2 ZPO verwehrt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH beurteilt sich die Frage, wann eine gegen den festgestellten Anspruch geltend gemachte Einwendung entstanden ist, nach materiellem Recht, wobei für die Aufrechnung nicht auf die Ausübung dieses Gestaltungsrechts, sondern ohne Rücksicht auf eine etwaige Kenntnis auf die Aufrechnungslage, also darauf abzustellen ist, wann sich die Forderungen objektiv aufrechenbar gegenübergestanden haben (BGHZ 24, 97 [98]; BGHZ 34, 274 [279]; BGH v. 19.3.1987 - IX ZR 148/86, BGHZ 100, 222 [225] = MDR 1987, 578).
b) Wenn die Aufrechnungslage (§ 387 BGB) - wie im Vorliegenden Fall - bereits vor Zustellung der Klage bestanden hat, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob das erledigende Ereignis die Aufrechnungslage oder die Aufrechnungserklärung (§ 388 S. 1 BGB) ist.
aa) Ein Teil der jüngeren Rechtsprechung und die überwiegende Kommentarliteratur sehen wegen der materiell-rechtlichen Rückwirkung nach § 389 BGB die Aufrechnungslage als erledigendes Ereignis an und verneinen demnach, wenn die Aufrechnungslage schon vor Klageerhebung bestanden hat, eine Erledigung der Hauptsache, weil diese nur durch ein nach Klagezustellung liegendes Ereignis eintreten kann (vgl. OLG Hamm v. 6.12.1999 - 22 U 81/99, MDR 2000, 296 [297] = OLG-Report Hamm 2000, 100; OLG Jena v. 12.3.1996 - 3 U 853/95, OLG-Report Jena 1997, 135 [136]; Lindacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91a Rz. 134; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rz. 57; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 91a Rz. 58 "Aufrechnung"; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, § 389 Rz. 3; Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 389 Rz. 5; Schlüter in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 389 Rz. 11; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 389 Rz. 2).
bb) Die Gegenansicht hält demgegenüber die durch § 389 BGB angeordnete Rückwirkung als lediglich materiell-rechtliche Fiktion für die verfahrensmäßige Frage der Erledigung der Hauptsache für bedeutungslos und stellt auf den tatsächlichen Vorgang der Erledigungserklärung als erledigendes Ereignis ab (vgl. BayObLG v. 7.6.2001 - 2Z BR 32/01, NJW-RR 2002, 373 f; OLG Düsseldorf v. 21.6.1999 - 9 U 217/98, OLGReport Düsseldorf 2000, 76 = MDR 2000, 540 = NJW-RR 2001, 432; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rz. 4 a. E.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 91a Rz. 6 Fn. 12; Heistermann NJW 2001, 3527 f; N. Schneider, MDR 2000, 507 [508]; Schulte, Axel Schulte, Die Kostenentscheidung bei der Aufrechnung durch den Beklagten im Zivilprozess, 1990, S. 58 ff., 64).
cc) Das Reichsgericht hat kurz nach dem In-Kraft-Treten des BGB - ohne nähere Begründung - ausgesprochen, dass der Kläger wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung nach § 389 BGB kostenfällig sei, wenn schon vor Beginn des Prozesses die beiden Forderungen einander gegenüber gestanden hätten, obgleich in einem solchen Falle die Beseitigung des Klageanspruchs erst durch die Erklärung erfolge (RGZ 50, 389 [391]). Später hat es die Erledigung der Hauptsache nur in einem Fall angenommen, in dem die zur Aufrechnung gestellte Forderung im Laufe des Rechtsstreites für die beklagte Partei entstanden war (RGZ 57, 381 [384]). In der Entscheidung RGZ 58, 414, in der es um die Kostenentscheidung bei der Fortsetzung eines von dem Konkursverwalter angestrengten Anfechtungsrechtsstreites nach Aufhebung des Konkurses zwischen dem bisherigen Gemeinschuldner und dem Anfechtungsgegner ging, hat das Reichsgericht offen gelassen, ob in dem Falle, dass die Aufrechnungslage bereits vor Beginn des Rechtsstreites bestand, "die rückwirkende Kraft der Aufrechnung zu einem abweichenden Resultate führen kann" (RGZ 58, 414 [417]).
Der BGH hatte sich in der Entsch. v. 6.12.1984 (BGH v. 6.12.1984 - VII ZR 64/84, MDR, 1985, 570 = NJW 1986, 588) mit dem Sachverhalt zu befassen, dass der Kläger mit einem Teil der in einem Erstprozess im Jahre 1976 rechtshängig gemachten Klageforderung gegen eine Forderung des Beklagten in einem von diesem im Jahre 1980 angestrengten Zwischenprozess aufgerechnet und sodann im Erstprozess die Hauptsache im Hinblick auf die im Zwischenprozess erklärte Aufrechnung insoweit für erledigt erklärt hatte. Der BGH hat eine Erledigung mit der Begründung angenommen, diese sei materiell eingetreten durch die begründete Aufrechnung der streitgegenständlichen Forderung mit ebenfalls begründeten Gegenforderungen des Beklagten; dies sei das "erledigende Ereignis". Da die Klage bis zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen sei, sei somit Erledigung eingetreten (BGH v. 6.12.1984 - VII ZR 64/84, MDR, 1985, 570 = NJW 1986, 588 [589]). Nach dem festgestellten Sachverhalt bestand allerdings kein Anhaltspunkt dafür, dass die Aufrechnungslage bereits vor Klageerhebung in dem Erstprozess bestanden haben könnte.
c) Der Senat schließt sich auch für den Fall, dass die Aufrechnungslage bereits vor Rechtshängigkeit der Klageforderung bestanden hat, der Auffassung an, dass nicht die Aufrechnungslage, sondern erst die Aufrechnung als solche, also die Aufrechnungserklärung, das erledigende Ereignis darstellt.
aa) Ein erledigendes Ereignis ist der Eintritt einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rz. 10). Die materiell-rechtliche Wirkung, die bei der Aufrechnung die Geltendmachung der Klageforderung berührt, ist deren Erlöschen. Dieser Erfolg wird aber, wie § 389 BGB eindeutig besagt, (erst) durch die Aufrechnung, d. h. durch die Aufrechnungserklärung (§ 388 S. 1 BGB) "bewirkt" und nicht (bereits) durch die Aufrechnungslage (vgl. BGH v. 12.10.1989 - IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 [51] = MDR 1990, 238). Das Vorliegen einer Aufrechnungslage führt, wenn und solange die Aufrechnung nicht erklärt wird, noch nicht zum Erlöschen der beiderseitigen Forderungen (BGHZ 2, 300 [303 f]).
bb) Tritt die Erlöschenswirkung erst mit der Erklärung der Aufrechnung ein, so war die Klage bis dahin zulässig und begründet. Die von § 389 BGB angeordnete Fiktion ("gilt") der Rückwirkung des Erlöschens auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage ändert daran nichts. Diese Fiktion der Rückwirkung hat lediglich zur Folge, dass nicht nur die Hauptforderungen erlöschen, sondern auch Ansprüche z. B. auf Verzugszinsen für den Zeitraum bis zur Erklärung der Aufrechnung, die ohne die Rückwirkung nach wie vor bestünden, ab dem Zeitpunkt der Aufrechnungslage wegfallen (vgl. BGH v. 6.5.1981 - IVa ZR 170/80, BGHZ 80, 269 [278 f.] = MDR 1981, 735). Diese materiell-rechtliche Rückwirkung tritt aber gleichfalls erst mit Abgabe der Aufrechnungserklärung ein. Sie steht damit der Auffassung, dass prozessual die Aufrechnungserklärung und nicht die Aufrechnungslage das erledigende Ereignis darstellt, nicht entgegen.
cc) Weder die Abwägung der Interessen der Beteiligten noch sonstige Billigkeitserwägungen vermögen ein abweichendes Ergebnis zu rechtfertigen. Zwar mag es zutreffen, dass sich der Inhaber einer aufrechenbaren Forderung wegen § 389 BGB ab Bestehen der Aufrechnungslage "wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner zu fühlen" braucht (so Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 389 Rz. 2), weil er jederzeit durch Erklärung der Aufrechnung die Forderung seines Gläubigers rückwirkend zum Erlöschen bringen kann. Gleichwohl wird damit nicht schon die Aufrechnungslage zum "relevanten" Erledigungsereignis (vgl. aber Lindacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91a Rz. 134). Es ist grundsätzlich dem beklagten Schuldner zur freien Entscheidung überlassen, ob und wann er durch Erklärung der Aufrechnung (§ 388 S. 1 BGB) die Erlöschenswirkung (mit der materiell-rechtlichen Folge des § 389 BGB) eintreten lassen will. Fordert ihn der Kläger vorprozessual zur Zahlung auf, so vermag der Schuldner, dem die Aufrechnungslage bekannt ist, durch Erklärung der Aufrechnung vor Rechtshängigkeit eine etwaige Klage von Anfang an unbegründet zu machen. Sieht der Kläger von einer vorprozessualen Aufforderung ab, können ihm gem. § 93 ZPO die Prozesskosten zur Last fallen.
Dagegen besteht für den klagenden Gläubiger nicht in jedem Falle die Möglichkeit, sich seinerseits vor Klageerhebung durch Erklärung der Aufrechnung gegen die Forderung des beklagten Schuldners zu befriedigen. Für ihn kann die Aufrechnung aus Rechtsgründen ausgeschlossen sein, z. B. wenn dem Beklagten eine Schadensersatzforderung gegen ihn zusteht (§ 393 BGB) oder die Forderung des Klägers vor Klageerhebung noch einredebehaftet ist (§ 390 S. 1 BGB). Die Aufrechnung vor Klageerhebung kann dem Kläger/Gläubiger ferner aus tatsächlichen Gründen unmöglich sein, wenn etwa der Beklagte die Gegenforderung durch Abtretung oder im Wege der Erbfolge erlangt hat (möglicherweise sogar erst nach Klageerhebung) und dies dem Kläger nicht bekannt ist. Im Übrigen kann der Kläger - wie der Beklagte - gute Gründe haben, von einer Aufrechnungserklärung zunächst abzusehen, so wenn Kläger und/oder Beklagter mehrere Forderungen haben, mit denen und gegen die aufgerechnet werden kann. Für den Kläger kann es ferner beispielsweise nahe liegen, von einer Aufrechnung abzusehen, wenn die Forderung des Beklagten demnächst verjährt (vgl. § 390 S. 2 BGB).
Würde man bei einer vor Rechtshängigkeit gegebenen Aufrechnungslage bereits diese grundsätzlich als erledigendes Ereignis ansehen, so dass bei einer erst im Prozess erklärten Aufrechnung des Beklagten die Klage gleichwohl als von Anfang an unbegründet zu behandeln wäre, hätte dies zur Folge, dass auch in den soeben genannten Fällen der Kläger weder durch Klagerücknahme noch durch eine Erledigungserklärung verhindern könnte, mit den durch die Klageerhebung verursachten Kosten belastet zu werden, sofern der Beklagte der Erledigung nicht zustimmt (§§ 91, 269 Abs. 3 ZPO a. F.). Auch § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 2 EGZPO) zwingt den Kläger nicht, die Klage zurückzunehmen, statt sie für erledigt zu erklären. Ist dagegen die Erledigung der Hauptsache durch Erklärung der Aufrechnung im Prozess eingetreten, erlaubt es die bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung, bei der Verteilung der Kostenlast zu berücksichtigen, ob und ggf. welcher Partei es billigerweise zuzumuten war, die Aufrechnung bereits vorgerichtlich zu erklären.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 972520 |
BGHZ 2004, 392 |
BB 2003, 2313 |
NJW 2003, 3134 |
BGHR 2003, 1302 |
FamRZ 2003, 1641 |
JR 2004, 240 |
WM 2004, 438 |
WuB 2004, 383 |
JA 2004, 10 |
JZ 2004, 414 |
MDR 2003, 1433 |
VersR 2004, 126 |
ZGS 2003, 364 |
JT 2004, 54 |
LL 2003, 765 |
LMK 2004, 13 |
ProzRB 2004, 57 |