Leitsatz (amtlich)
Zu den Beratungs- und Belehrungspflichten des Anwalts bei baubegleitender Rechtsberatung.
Normenkette
BGB § 675
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Aktenzeichen 3 U 17/97) |
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 4 O 254/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. August 1997 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit schriftlichem Vertrag vom 19. November 1993 beauftragten der Kläger und seine Ehefrau (im folgenden: Eheleute H.) die TBS (im folgenden: TBS) als Generalunternehmer mit der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung zum Preis von 480.200 DM. Die Bezugsfertigkeit wurde zum 30. Juni 1994 vereinbart.
Nachdem es zwischen den Bauvertragsparteien zu Differenzen gekommen war, beauftragten die Eheleute H. am 25. Januar 1994 die verklagten Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der TBS. Das Mandat wurde von der Beklagten zu 2 bearbeitet. Im Rahmen eines umfangreichen Schriftverkehrs und zahlreicher Besprechungen – in die ab 9. Juni 1994 auch auf seiten der TBS ein Rechtsanwalt eingeschaltet war – rügte die Beklagte zu 2 eine Reihe von Mängeln, zu deren Beseitigung sie der TBS Fristen setzte.
Auf Antrag der Beklagten zu 2 vom 9. Dezember 1994 wurde mit Beschluß vom 11. Januar 1995 ein selbständiges Beweisverfahren angeordnet. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige stellte zahlreiche Mängel fest. Die für deren Beseitigung erforderlichen Kosten veranschlagte er auf 37.869,50 DM.
Mit Schreiben vom 17. Mai 1995 teilte die Beklagte zu 2 den Eheleuten H. mit, daß sie nunmehr eine „außergerichtliche Bereinigung der Angelegenheit als unmöglich” ansehe. Sie informierte die Eheleute H. umfänglich über ihre Rechte. Noch im Mai 1995 entzogen jene den Beklagten das Mandat und beauftragten einen anderen Rechtsanwalt. Auch dieser strebte an, das Bauvorhaben durch die TBS fertigstellen zu lassen. Damit waren die Eheleute H. jedenfalls zunächst einverstanden.
Der Bauvertrag mit der TBS bestand noch ungekündigt, als über deren Vermögen mit Beschluß des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. November 1995 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Eheleute H. haben im Konkursverfahren Forderungen in Höhe von 80.702,15 DM angemeldet, die im Prüfungstermin festgestellt wurden. Nach Auskunft des Konkursverwalters wird auf nicht bevorrechtigte Gläubiger keine Quote entfallen.
Die Hauptwohnung des Bauvorhabens ist – durch Dritte und Eigenleistungen des Klägers – bis Ende 1996 bezugsfertig hergestellt worden. Die Einliegerwohnung war bei Abschluß der Berufungsinstanz (18. Juli 1997) noch nicht fertiggestellt.
Der Kläger, dem seine Ehefrau ihre Schadensersatzansprüche abgetreten hat, hat die Beklagten wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen auf Zahlung von 92.117,60 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers – unter Zurückweisung im übrigen – in Höhe von 88.117,60 DM stattgegeben. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte zu 2 habe ihre Anwaltspflichten verletzt, indem sie den Eheleuten H. nicht geraten habe, spätestens im Juli 1994 den Bauvertrag gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B bzw. § 649 BGB zu kündigen oder nach § 326 BGB vorzugehen, und es in der Folgezeit unterlassen habe, die Schadensersatzansprüche der Eheleute H. mit der gebotenen Beschleunigung einzuklagen. Das dilatorische Verhalten der TBS sei ersichtlich gewesen. Die Beklagte zu 2 habe gewußt, daß den Eheleuten H. an einem baldigen Bezug des Objekts gelegen gewesen sei. Durch rechtzeitige Beauftragung von Nachfolgeunternehmern hätte die Bezugsfertigkeit spätestens zum 30. November 1994 hergestellt werden können. Dann hätten die Eheleute H. die Miete für ihre bisherige Wohnung erspart. Der Mietausfall für die Einliegerwohnung wäre nicht eingetreten. Die Mängelbeseitigungskosten und die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens hätten bei der TBS beigetrieben werden können, wenn die Beklagte zu 2 rechtzeitig gegen diese vorgegangen wäre. Falls auch dem von den Eheleuten H. nach den Beklagten eingeschalteten Rechtsanwalt eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, müsse sich der Kläger das nicht als Mitverschulden anrechnen lassen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 2 ihre anwaltlichen Pflichten verletzt hat.
a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein Rechtsanwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet ist, den Auftraggeber umfassend zu belehren und seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen. Er hat ihm diejenigen Schritte anzuraten, die geeignet sind, den angestrebten Erfolg herbeizuführen, und Nachteile zu verhindern, soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlaß gibt, muß der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern (BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 450 m.w.N.; v. 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, NJW 1996, 2929, 2931; v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168, 2169).
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es nicht ohne weiteres pflichtwidrig, daß die Beklagte zu 2 den Eheleuten H. eine Kündigung des mit der TBS geschlossenen Bauvertrages nach § 8 Nr. 3 VOB/B nicht vorgeschlagen hat. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen war die VOB/B nicht wirksam vereinbart.
Gegenüber einem weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Bauvertragsrecht bewanderten Vertragspartner kann die VOB/B nicht durch bloßen Hinweis auf ihre Geltung in den Vertrag einbezogen werden (BGHZ 109, 192, 196; BGH, Urt. v. 19. Mai 1994 - VII ZR 26/93, NJW 1994, 2547). Daß die Eheleute H. – er ist Kraftfahrer, sie Bauzeichnerin – ausreichende Kenntnisse im Bauvertragsrecht gehabt hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Desgleichen braucht nicht entschieden zu werden, ob die VOB/B dann wirksam in den Vertrag einbezogen ist, wenn der Auftraggeber auf die Geltung der VOB/B hingewiesen wird und tatsächlich die Möglichkeit hat, den Text der VOB/B einzusehen. Zwar heißt es in dem Bauvertrag, daß die VOB/B „jederzeit in unseren (der TBS) Geschäftsräumen eingesehen werden” könne. Dies reicht jedoch nicht aus, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, daß der Vertrag in den Geschäftsräumen der TBS abgeschlossen wurde und die VOB/B dort tatsächlich vorlag.
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 2 ihre anwaltlichen Pflichten nicht dadurch verletzt, daß sie den Eheleuten H. eine Kündigung des Bauvertrags nach § 649 BGB nicht angeraten hat.
aa) Zur Kündigung eines bestehenden Bauwerkvertrages gemäß § 649 BGB darf ein Rechtsanwalt einem Bauherrn, der ihn beauftragt hat, seine Interessen gegenüber dem Bauunternehmer wahrzunehmen, nur raten, wenn anzunehmen ist, daß dem Mandanten dadurch kein Schaden entsteht. Lassen sich dem Bauherrn nachteilige Folgen nicht hinreichend sicher ausschließen, und sind auch keine die Nachteile überwiegenden Vorteile erkennbar, muß die Empfehlung zur Kündigung unterbleiben.
bb) Nach dem Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte zu 2 ihm und seiner Ehefrau eine – durchaus in die Erwägungen miteinbezogene – Kündigung mit dem Hinweis „ausgeredet”, daß sie andernfalls „aller Voraussicht nach einen Prozeß nach § 649 BGB am Hals” hätten.
Daß dieser Hinweis unzutreffend gewesen sei, hat das Berufungsgericht nicht fehlerfrei festgestellt. Dessen gegenteilige Annahme beruht – wie die Revision zu Recht rügt – auf einer unvollständigen Ausschöpfung des Prozeßstoffs (§ 286 ZPO).
Zum einen wäre durch die Kündigung der Erfüllungsanspruch der Eheleute H. mit Wirkung für die Zukunft entfallen (unberührt wäre der Anspruch auf Beseitigung von Mängeln an dem teilweise hergestellten Werk geblieben, vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 1987 - VII ZR 251/86, NJW 1988, 140, 141). Die Eheleute H. hätten einen neuen Generalunternehmer suchen müssen, der bereit gewesen wäre, das angefangene Bauvorhaben zu Ende zu führen. Falls sich jemand gefunden hätte, wäre an ihn – wie der Kläger selbst vorgetragen hat – ein erheblich höherer Preis zu zahlen gewesen, als er mit der TBS vereinbart war. Nach der Behauptung der Beklagten hätten sich die Mehrkosten auf ca. 100.000 DM belaufen. Daß die Eheleute H. überhaupt – noch dazu in dieser Höhe – Mehrkosten hätten aufbringen können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Offengeblieben ist auch, ob ein Nachfolger die Arbeiten nicht erst nach Beseitigung der vorhandenen Mängel durch die TBS hätte fortsetzen können und wollen, so daß der Fortgang der Bauarbeiten von der Leistungsfähigkeit und -willigkeit der TBS abhängig geblieben wäre.
Zum andern hätte eine Empfehlung, den Bauvertrag mit der TBS zu kündigen, das Risiko heraufbeschworen, daß die Eheleute H. trotz Verlusts des eigenen Erfüllungsanspruchs verpflichtet blieben, der TBS die vertraglich vereinbarte Vergütung zu zahlen (§ 649 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Es liegt nahe, daß die Eheleute H. – selbst unter Berücksichitgung des § 649 Satz 2 Halbs. 2 BGB – dadurch überfordert worden wären. Mit dem Risiko der Doppelzahlung hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.
Dieses Risiko kann auch nicht mit den von der Revisionserwiderung angestellten Erwägungen verneint werden. Allerdings kommt eine fortbestehende Vergütungsverpflichtung gegenüber dem gekündigten Auftragnehmer dann nicht in Betracht, wenn dieser durch ein schuldhaftes, den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die Kündigung durch den Auftraggeber verursacht hat (BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 - VII ZR 45/89, WM 1990, 1756, 1757 m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht aber nicht fehlerfrei festgestellt. Es hält zwar das „dilatorische Verhalten” der TBS und ihres Anwalts, der die ungebührliche Verzögerung des Baufortschritts eingeräumt habe, für ersichtlich. Dabei kann das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, das Schreiben des Anwalts vom 9. Juni 1994 mißverstanden haben. In ihm ist zwar von einer ungebührlichen Verzögerung die Rede; zugleich werden aber „immer neue und zusätzliche Forderungen und Wünsche” der Eheleute H. erwähnt. Dies deutet darauf hin, daß der Anwalt der TBS die Ursachen der eingetretenen Verzögerung eher im Verantwortungsbereich der Eheleute H. suchte. So hat auch der Kläger das Schreiben verstanden.
Falls es bis Juni 1994 Verzögerungen im Baufortschritt gegeben hat und die bis dahin erbrachten Arbeiten teilweise mangelhaft waren, stellte dies nicht ohne weiteres einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Ein solcher Grund lag nicht vor, wenn ein hinreichender Anlaß für die Annahme bestand, daß der Auftragnehmer sich in Zukunft vertragstreu verhalten würde. Nach dem Vortrag des Klägers war dies noch im Juni/Juli 1994 nicht auszuschließen, ist er damals doch davon ausgegangen, daß daß das Bauvorhaben „durch eine qualifizierte Fachfirma, die die Firma TBS GmbH damals wohl noch war”, bis zum 1. Dezember 1994 hätte fertiggestellt werden können und müssen.
Jedenfalls mußte im Juli 1994 – und auch später – damit gerechnet werden, daß die TBS sich gegen eine Kündigung aus wichtigem Grund wehren würde. Darauf ließ schon der Hinweis in dem Anwaltsschreiben vom 9. Juni 1994 schließen, daß „immer … neue und zusätzliche Forderungen und Wünsche” die Verzögerung verursacht hätten. Es mußte mit einem aufwendigen und langwierigen Rechtsstreit gerechnet werden. Ob dieser zu einem Zeitpunkt geendet hätte, zu dem die TBS noch zahlungsfähig war, ist offen (vgl. dazu unten 2 b bb).
d) Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 2 den Eheleuten H. ein Vorgehen nach § 326 BGB hätte anraten müssen. Dadurch wären teilweise die gleichen Probleme wie im Falle einer Kündigung entstanden.
aa) Selbst wenn die TBS mit der Erbringung ihrer Leistung in Verzug gewesen sein sollte, hätten die Eheleute H. – um die Rechtsfolgen des § 326 BGB herbeizuführen – der TBS zur Bewirkung der Leistung noch eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen müssen, daß sie die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehnen würden.
Der Ansicht der Revisionserwiderung, eine Nachfristsetzung sei im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen, weil man davon habe ausgehen dürfen, daß die TBS zur Erbringung der Leistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist außerstande sei, ist nicht zu folgen. Der durch die TBS eingeschaltete Rechtsanwalt hatte unter dem 22. Juli 1994 mitgeteilt, daß der Bau bis Ende der 45. Kalenderwoche, also Mitte November 1994, bezugsfertig sein werde. Daß die TBS eine Nachfrist von dieser Länge nicht habe beanspruchen dürfen, wie die Revisionserwiderung meint, ist nicht belegt und widerspricht dem eigenen Vortrag des Klägers, auf dem seine Schadensberechnung aufbaut. Danach hätte das Bauvorhaben „bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Anwaltsvertrages” bis 1. Dezember 1994 (oder 30. November 1994) abgeschlossen werden können. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Anwaltsvertrages gehörte nach Meinung des Klägers, daß der Bauunternehmer – wer auch immer es sei – zur zügigen Beendigung des Werks angehalten wurde. Daß das Bauvorhaben – ausgehend von dem Bautenstand Ende Juli 1994 – vor dem 1. Dezember 1994 hätte fertiggestellt werden können, hat der Kläger nicht behauptet. Zum selben Ergebnis führt die Erwägung, daß der Kläger in den Tatsacheninstanzen der TBS eine Nachfrist von „mindestens acht Wochen” zugebilligt hat. In Anbetracht der Ende Juli bevorstehenden Bauferien konnte eine für Mitte November in Aussicht gestellte Fertigstellung nicht als ungebührlich verspätet angesehen werden.
bb) Die Rechtsfolgen des § 326 BGB waren ebenfalls nicht dazu angetan, alle Schwierigkeiten auszuräumen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist, also ab 1. Dezember 1994, wäre der Erfüllungsanspruch gegen die TBS erloschen. Das Bauwerk hätte nunmehr von jemand anders fertiggestellt werden müssen. Dabei wären die schon im Zusammenhang mit der Kündigung behandelten Probleme aufgetreten. Zwar wären die Eheleute H. berechtigt gewesen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrag zurückzutreten (§ 326 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Rücktritt wäre hier nicht sinnvoll gewesen. Aber auch ein Schadensersatzverlangen hätte gegen die TBS möglicherweise erst durchgesetzt werden müssen. Zu der Behauptung des Klägers, die TBS hätte noch in den ersten Monaten des Jahres 1995 freiwillig Schadensersatz geleistet, ist der angetretene Beweis nicht erhoben worden.
cc) Unter diesen Umständen kann es nicht als pflichtwidrig angesehen werden, daß die Beklagte zu 2 im Juni/Juli 1994 gemeint hat, sie erreiche für die Eheleute H. mehr, wenn sie auf der Vertragserfüllung durch die TBS beharre und dabei die Rolle eines Bauleiters übernehme.
e) Soweit das Berufungsgericht der Beklagten zu 2 vorgeworfen hat, sie sei zwar mit überdurchschnittlicher Intensität bemüht gewesen, die Interessen des Klägers und seiner Ehefrau zu vertreten, es sei ihr aber „nicht gelungen, eine mangelfreie insbesondere aber auch fristgerechte Herstellung des Gesamtwerks zu erwirken”, weist die Revision zu Recht darauf hin, daß ein derartiger Erfolg im Rahmen eines – hier vorliegenden – Anwaltsdienstvertrages nicht geschuldet wird. Der Mandant kann von dem Anwalt nur eine vertragsgerechte Beratung und Belehrung erwarten. Wenn der Anwalt freiwillig mehr tut – etwa, wie hier, als Bauleiter tätig wird – und dabei nicht den erwünschten Erfolg erzielt, ergibt sich daraus keine anwaltliche Haftung.
f) Im Rahmen der von den Beklagten übernommenen baubegleitenden Rechtsberatung waren jene zwar verpflichtet, die Eheleute H. über die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten sowie deren Vor- und Nachteile zu unterrichten. Nach der Behauptung der Beklagten sind indes „im Laufe der langen Zusammenarbeit … sämtliche Varianten erörtert und erwogen worden”. Gegenteiliges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
g) Die Behauptung des Klägers, seine Ehefrau habe im April/Mai 1994 die Beklagten angewiesen, den Bauvertrag zu kündigen und das Beweissicherungsverfahren einzuleiten, hat das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, daß eine solche Weisung nicht ausgesprochen wurde.
2. Darüber hinaus ist der Ursachenzusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Die – haftungsausfüllende – Kausalität zwischen dem konkreten Haftungsgrund und der Schadensfolge ist gegeben, wenn diese bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts nicht eingetreten wäre. Sofern die Pflichtverletzung in einer Unterlassung besteht, muß untersucht werden, was bei pflichtgemäßem positiven Handeln geschehen wäre (BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 200/91, WM 1993, 610, 614 m.w.N.). Für die haftungsausfüllende Kausalität ist gemäß § 287 ZPO das Beweismaß verringert. Jedenfalls eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit reicht für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Das Ergebnis darf nur nicht greifbarer Anhaltspunkte ermangeln und völlig in der Luft hängen (BGH, Urt. v. 9. April 1992 - IX ZR 104/91, WM 1992, 1155, 1156; v. 5. November 1992 - IX ZR 12/92, NJW 1993, 734).
b) Die Überzeugungen, die sich das Berufungsgericht zur Kausalität gebildet hat, entbehren einer gesicherten Grundlage.
aa) Das Berufungsgericht hat sich zum einen überzeugt gezeigt, daß „durch rechtzeitige Beauftragung von Nachfolgeunternehmen … jedenfalls der 30. November 1994 als Bezugsfertigstellungstermin noch (hätte) erreicht werden können”. Weitere Ausführungen hierzu fehlen. Sie wären aber nach Lage des Falles erforderlich gewesen.
(1) Bisher steht schon nicht fest, daß eine frühzeitiger erfolgte Empfehlung, den Bauvertrag zu kündigen oder nach § 326 BGB eine Frist zu setzen, den Kläger und dessen Ehefrau veranlaßt hätte, einen dieser Wege zu beschreiten und die bisher verfolgte Strategie, von der TBS Erfüllung zu verlangen, aufzugeben. Das Landgericht hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Beklagte zu 2 nach der eigenen Darstellung des Klägers spätestens mit Schreiben vom 17. Mai 1995 eine ordnungsgemäße Belehrung über das zweckmäßige Vorgehen erteilt hat. Die Eheleute H. haben daraufhin zwar das Mandat der Beklagten beendet und einen anderen Rechtsanwalt eingeschaltet, sich aber ansonsten gegenüber der TBS nicht anders verhalten als zuvor. Auch der neue Rechtsanwalt versuchte – mit Billigung der Eheleute H. –, das Bauvorhaben mit Hilfe der TBS fertigzustellen. Deshalb hatte das Landgericht Zweifel, ob sich am Schadensverlauf etwas geändert hätte, wenn die Beklagte zu 2 sich gegenüber den Eheleuten H. schon im Juli 1994 so geäußert hätte, wie es sich aus dem Schreiben vom 17. Mai 1995 ergibt.
(2) Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß sich die Eheleute H. bereits im Sommer 1994 anders entschieden hätten, falls sie entsprechend beraten worden wären, verbleiben Zweifel: Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Eheleute H. die finanziellen Mittel hatten oder sich kurzfristig durch Aufnahme von Krediten oder im Wege einer gegen die TBS gerichteten Vorschußklage hätten beschaffen können, um ein Nachfolgeunternehmen zu bezahlen. Es ist ungeklärt, ob es überhaupt Nachfolgeunternehmen gab, die die Baustelle übernehmen wollten, und zu welchem Zeitpunkt sie dazu bereit waren. Weiter fehlen Feststellungen dazu, ob ein Nachfolgeunternehmen willens und in der Lage war, die Arbeiten fortzusetzen und abzuschließen, ehe die unter der Verantwortung der TBS entstandenen Mängel beseitigt waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Mängel nach dem Klägervortrag noch am 4. November 1995 nicht behoben waren. Falls die Beseitigung der Mängel Voraussetzung für die Fertigstellung des Bauwerks war, hätte festgestellt werden müssen, ob die Eheleute H. im Sommer 1994 Bauhandwerker an der Hand hatten, die die Mängelbeseitigung anstelle der TBS übernehmen konnten und wollten. Nachdem die Hauptwohnung erst Ende 1996 fertiggestellt worden ist und die Einliegerwohnung noch bei Abschluß der Berufungsinstanz nicht bezugsfertig war, hätte das Berufungsgericht näher begründen müssen, weshalb das Bauvorhaben schon zum 30. November oder 1. Dezember 1994 hätte abgeschlossen werden können, wenn die Beklagte zu 2 die im Schreiben vom 17. Mai 1995 enthaltene Empfehlung bereits im Juli 1994 erteilt hätte.
bb) Auch die Überzeugung des Berufungsgerichts, „daß dann, wenn die Beklagten mit dem gebotenen Nachdruck zügig … gegen die TBS … ab Juli 1994 vorgegangen wären, die Schadensersatzbeträge hätten tituliert und beigetrieben werden können” (BU 14 erster Absatz), entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß die TBS Schadensersatz nicht freiwillig geleistet hätte, daß es vielmehr eines Titels und der Zwangsvollstreckung bedurft hätte. Selbst wenn bereits im Sommer 1994 eine Schadensersatzklage gegen die TBS mit Aussicht auf Erfolg hätte erhoben werden können, erscheint zweifelhaft, ob vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der TBS ein wenigstens vorläufig vollstreckbares Urteil ergangen wäre. Wann die TBS ihre Zahlungen eingestellt hat und ob vor der Zahlungseinstellung noch freies Vermögen vorhanden war, in das hätte vollstreckt werden können, steht nicht fest.
III.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, weil noch nicht entscheidungsreif, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird zu der Behauptung, die Ehefrau des Klägers habe im April/Mai 1994 die Beklagte zu 2 angewiesen, den Bauvertrag zu kündigen und das Beweissicherungsverfahren einzuleiten, den angetretenenen Beweis erheben müssen. Wenn der Beweis nicht erbracht werden sollte, wäre die Klage aufgrund des gegenwärtigen Sach- und Streitstands abzuweisen. Gelingt der Beweis, wird das Berufungsgericht die Kausalität der Zuwiderhandlung gegen die Weisung prüfen müssen. Hierbei ist der von dem Kläger angetretene Beweis zu der Behauptung zu erheben, daß die TBS noch in den ersten Monaten des Jahres 1995 freiwillig Schadensersatz bezahlt hätte. Falls dieser Beweis mißlingen sollte, wird das Berufungsgericht feststellen müssen, bis wann gegen die TBS mit Aussicht auf Erfolg hätte vollstreckt werden können.
Sollte das Berufungsgericht dem Grunde nach wiederum zu einem Anspruch des Klägers gelangen, wird es feststellen müssen, ob die Eheleute H. den nach den Beklagten mandatierten Rechtsanwalt beauftragt haben, einen aus dem Verhalten der Beklagten drohenden Schaden abzuwenden oder zu mindern. Gegebenenfalls kommt die Anrechnung eines Mitverschuldens in Betracht (BGH, Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, WM 1993, 1376, 1378; v. 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211, 1212; v. 14. Juli 1994 - IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822, 2824; v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168, 2170).
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.09.1998 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539780 |
BB 1998, 2336 |
BauR 1999, 56 |
NJW-RR 1999, 19 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2252 |
ZfIR 1999, 100 |
AnwBl 1999, 52 |
MDR 1998, 1441 |
NJ 1999, 197 |
VersR 1999, 442 |
ZfBR 1999, 32 |
IPuR 1999, 45 |
MittRKKöln 1998, 239 |