Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Satzungsbestimmung, wonach die Gesellschafter verpflichtet sind, auf Beschluß der Gesellschafterversammlung die ihnen als öffentlichrechtlichen Körperschaften von der Gesellschaft geschuldeten Abgabenbeträge dieser in Form von Darlehen zur Verfügung zu stellen.
Orientierungssatz
Nebenpflichten gem GmbHG § 3 Abs 2 müssen in der Satzung so konkret festgelegt werden, daß die verpflichteten Gesellschafter – auch zukünftig – das Ausmaß der auf sie zukommenden Verpflichtungen ohne weiteres zu überschauen vermögen. Hierzu zählt auch, welches Ausmaß diese Leistungen im Laufe der Jahre annehmen können und ob durch Auslegung eine vernünftige betragsmäßige und zeitliche Eingrenzung der den Gesellschaftern auferlegten Pflicht möglich ist.
Tatbestand
Die verklagte Gemeinde hält 15% des Stammkapitals der Klägerin, die im Jahre 1955 zum Zweck des Betriebs des Flugplatzes E. gegründet worden ist; weitere Gesellschafter sind zur Zeit der Landkreis O., die Stadtwerke O. GmbH und die Stadt L.. § 5 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 8. Juni 1971, nach dessen Abschnitt A das Stammkapital 900.000 DM beträgt, enthält in Abschnitt B folgende Bestimmungen:
„Darüber hinaus verpflichten sich die Gesellschafter, der Gesellschaft bis zum 1.3.1967 ein zunächst zinsloses und für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft unkündbares Darlehen wie folgt zu gewähren:”
Es folgen die der jeweiligen Beteiligungsquote entsprechenden Teilbeträge einer Gesamtdarlehenssumme von 700.000 DM sowie nähere Bestimmungen über ihre Aufbringung. Sodann heißt es in Absatz 4 weiter:
„Die Gesellschafter verpflichten sich, auf Beschluß der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Darlehen in Höhe der öffentlichen Abgaben zu gewähren, die ihnen durch die Gesellschaft zufließen.”
Mit Bescheid vom 27. Mai 1982 setzte die Beklagte anläßlich der Erneuerung und Erweiterung der örtlichen Abwasserbeseitigungsanlagen gemäß § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes für die Klägerin einen Abwasserbeitrag von 848.432 DM fest; ein weiterer Betrag von 172.800 DM wurde bis zu einer späteren Bebauung zinslos gestundet. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Nachdem das Verwaltungsgericht diesem Antrag stattgegeben und die Beklagte dagegen Beschwerde eingelegt hatte, faßte die Gesellschafterversammlung der Klägerin am 14. Januar 1985 gegen die Stimmen der Beklagten einen Beschluß, dessen Nummer 2 folgenden Wortlaut hat:
„Die Gesellschafterversammlung beschließt vorsorglich und für den Fall, daß die Kanalbeitragsforderung – entgegen der Auffassung der Gesellschaft – im übrigen ganz oder teilweise rechtlich Bestand haben sollte, angesichts der finanziellen Lage der Gesellschaft die Gemeinde E. als Gesellschafterin aus der Verpflichtung gemäß § 5 B Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags zur Gewährung eines zinslosen Darlehens in Höhe des ihr aus der zunächst mit 848.432,00 DM fällig gestellten Kanalbeitragsforderung (bzw. eines etwa verbleibenden, rechtlich begründeten Teilbetrags) zufließenden Betrags rückwirkend ab Fälligkeit der Kanalbeitragsforderung in Anspruch zu nehmen und diesen Darlehensanspruch geltend zu machen.”
Durch Beschluß vom 2. Juli 1985 wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Beklagten zurück; gleichzeitig gab er jedoch der Klägerin auf, in einem Zivilrechtsstreit feststellen zu lassen, daß der Gesellschafterbeschluß vom 14. Januar 1985 verbindlich sei.
Die mit diesem Ziel erhobene Klage hat das Landgericht abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage geändert und Feststellung beantragt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr ein zinsloses und für die Dauer der Gesellschaft unkündbares Darlehen in Höhe und rückwirkend ab Fälligkeit der Beitragsforderung zu gewähren, wenn und soweit diese rechtlich Bestand habe. Diesem Klageantrag hat das Berufungsgericht stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Das Berufungsgericht hat der – zutreffend als zulässig angesehenen – Feststellungsklage mit der Begründung stattgegeben, der Gesellschafterbeschluß vom 14. Januar 1985 sei, da er nicht angefochten worden sei, wirksam; damit stehe fest, daß die Klägerin das als zinslos und unkündbar verlangte Darlehen zu beanspruchen habe. Ersteres ist richtig, letzteres dagegen nicht. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht geltend macht, den Beschluß vom 14. Januar 1985 auf der Grundlage einer unzutreffenden Rechtsauffassung falsch verstanden, wenn es gemeint hat, damit habe der Anspruch gegen die Beklagte als solcher mit bindender Wirkung festgestellt werden sollen. Das sollte und konnte der auf der Grundlage des § 5 Abschn. B Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages ergangene Beschluß nicht bewirken. Bei den in dieser Satzungsbestimmung niedergelegten Verpflichtungen der Gesellschafter handelt es sich um Nebenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 2 GmbHG. Diese werden zwar im Gegensatz zu den Nachschüssen (§ 26 GmbHG) in der Regel ohne vorausgehenden Gesellschafterbeschluß geschuldet; die Satzung kann aber auch die Geltendmachung solcher Nebenleistungsansprüche – durch die Geschäftsführer – von einer Beschlußfassung der Gesellschafter abhängig machen (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG 7. Aufl. Ergänzungsband § 3 Rdnr. 56). So ist es im vorliegenden Fall. Ein derartiger Beschluß stellt die Verpflichtung, die Nebenleistung zu erbringen, nicht bindend fest, sondern ist nur Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Anspruchs. Das ist nicht anders als beispielsweise in den Fällen des § 46 Nrn. 2 und 8 GmbHG, wonach die Einforderung der Stammeinlagen und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer und Gesellschafter einen entsprechenden Gesellschafterbeschluß voraussetzen. Dementsprechend ist im Prozeß über die Anfechtung eines solchen Beschlusses nicht zu prüfen, ob der Anspruch, der geltend gemacht werden soll, tatsächlich besteht (vgl. zum Fall der Geltendmachung von Ersatzansprüchen BGHZ 97, 28, 36).
§ 5 Abschn. B Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin, in dem die Gesellschafter sich „auf Beschluß der Gesellschafterversammlung” zur Darlehensgewährung verpflichtet haben, enthält keinen Hinweis darauf, daß sie sich damit der Entscheidung der Gesellschaftermehrheit darüber hätten unterwerfen wollen, ob die – sonstigen – satzungsmäßigen Voraussetzungen für die geforderte Leistung gegeben sind. Daran hat sich der Beschluß vom 14. Januar 1985 gehalten, wo es nur heißt, daß die Beklagte auf Gewährung des für den Abwasserbeitrag – in der letztlich zutreffenden Höhe – benötigten Darlehens „in Anspruch zu nehmen” und dieser Anspruch „geltend zu machen” sei.
Die beantragte Feststellung kann danach nicht aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen getroffen werden.
2. Das Berufungsurteil läßt sich auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten, die satzungsmäßigen Voraussetzungen des geltend gemachten Darlehensgewährungsanspruchs lägen vor. Im Gegenteil besteht ein solcher Anspruch nach § 5 Abschn. B Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages nicht; diese Bestimmung kann der Senat wegen ihres körperschaftlichen Inhalts selbständig auslegen.
Die Satzungsbestimmung ist – jedenfalls, wenn man sie so versteht, wie die Klägerin es tut – nicht unbedenklich. Nebenleistungspflichten müssen in der Satzung so konkret festgelegt werden, daß die verpflichteten Gesellschafter – auch zukünftige – das Ausmaß der auf sie zukommenden Verpflichtungen ohne weiteres zu überschauen vermögen (Scholz/Emmerich, GmbHG 7. Aufl. § 3 Rdnr. 44). Im vorliegenden Fall sind zwar entgegen den von der Beklagten in der ersten Instanz geäußerten Zweifeln die Leistungen in dem Zeitpunkt, in dem sie zu erbringen sind, bestimmbar; denn sie decken sich jeweils mit den vom betroffenen Gesellschafter festgesetzten Abgabenforderungen. Welches Ausmaß diese im Laufe der Jahre annehmen können, ließ sich aber bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages im Jahre 1955 nicht absehen. Anders als in einem vom Reichsgericht im Jahre 1937 entschiedenen Fall (JW 1937, 2836f.; kritisch zu dieser Entscheidung Hachenburg/Ulmer aaO § 3 Rdnr. 72) läßt sich hier schwerlich durch Auslegung eine vernünftige betragsmäßige und zeitliche Eingrenzung der den Gesellschaftern auferlegten Pflichten vornehmen.
Es braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die den Gesellschaftern auferlegten Verpflichtungen dadurch auf ein hinnehmbares Ausmaß begrenzen lassen, daß man jener Bestimmung, wie das Landgericht es getan hat, im Wege der Auslegung eine Pflicht zu angemessener Verzinsung entnimmt. Die mit der Feststellungsklage geltend gemachte Forderung, der Gesellschaft den Betrag von annähernd 1 Mio DM zinslos zur Verfügung zu stellen, läßt sich jedenfalls aus § 5 Abschn. B Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages nicht entnehmen. Der Gesellschafter, den eine so weitgehende Pflicht träfe, müßte damit eine Leistung erbringen, durch die er den anderen Gesellschaftern gegenüber, die keine entsprechend hohen Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft haben, erheblich benachteiligt würde. Dieser Nachteil ist besonders einschneidend, wenn es sich, wie hier, nicht um allgemeine Steuerforderungen handelt, sondern wenn die Abgabe eine konkrete Leistung an die Gesellschaft ausgleichen soll, für die dem Gesellschafter selbst erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Wäre eine solche Belastung des jeweils betroffenen Gesellschafters gewollt gewesen, hätte das in der Satzung deutlicher zum Ausdruck gebracht werden müssen. Daß das mit einem Erfolg der Klage verbundene Ergebnis von der Satzungsbestimmung nicht gedeckt ist, wird auch dadurch bestätigt, daß in der Vergangenheit nur ein einziges Mal von dieser Regelung Gebrauch gemacht worden ist. Damals (im Jahre 1962) handelte es sich um verhältnismäßig geringfügige Grund- und Gewerbesteuerforderungen der Beklagten in Höhe von zusammen knapp 6.000 DM. Dieser Betrag ist unstreitig einige Jahre später auf die der Kapitalbeteiligung der Beklagten entsprechende Quote an von allen Gesellschaftern gleichmäßig zur Verfügung gestellten Darlehen von insgesamt 1 Mio DM verrechnet worden.
Daß die Parteien nicht über die Pflicht zur Darlehensgewährung als solche, sondern nur über die Fragen der Unverzinslichkeit und Unkündbarkeit streiten, hindert nicht, den Anspruch als solchen zu verneinen; denn da sie sich auf bestimmte Darlehensbedingungen nicht einigen können, ist der gesamte Anspruch im Streit.
3. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist danach zurückzuweisen.
Fundstellen