Leitsatz (amtlich)
Das pauschale Geltendmachen eines „Erlöschens” der Klageforderung allein zwingt den Gläubiger gegenüber einem später pfändenden anderen Gläubiger nicht dazu, den Fortbestand seiner Forderung näher darzulegen.
Normenkette
BGB § 362; ZPO §§ 138, 805
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Erlös aus der Versteigerung von 5.000 Kassettenrekordern. Diese waren von der in Hongkong ansässigen S. E. Ltd. (nachfolgend: S.) an die A. E. H. GmbH (im folgenden: E.) mit Sitz in F. verkauft worden. Die S. erhielt über die Verladung einen Bill of lading, den sie indossiert an die klagende Bank sandte. Der Beklagte erwirkte einen dinglichen Arrest wegen eines Anspruchs von 74.149,88 DM zuzüglich Kosten gegen die E. und pfändete aufgrund dessen die Kassettenrekorder nach ihrer Ankunft in Deutschland. Sie wurden 1988 versteigert; der Erlös von 117.845 DM wurde zugunsten des Beklagten, des Gerichtsvollziehers und der S. hinterlegt. Diese hat der Auszahlung des Erlöses an eine Bank zugestimmt, die ihre Rechte an die Klägerin abgetreten hat und inzwischen ihr aufgegangen ist.
Beide Parteien haben mit Klage und Widerklage die Verurteilung der jeweils anderen auf vorrangige Befriedigung verlangt. Das Landgericht hat – nur – der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten auch die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat mit Bezug auf die Klage ausgeführt: § 805 ZPO greife nicht ein. Sogar wenn die Klägerin nach dem für die Begründung eines Pfandrechts maßgeblichen Recht von Hongkong zunächst ein Pfandrecht an den versteigerten Geräten erlangt hätte, sei es jedenfalls inzwischen erloschen. Der Untergang von Rechten an Sachen sei gemäß dem Recht desjenigen Ortes zu beurteilen, an dem sich die Sache zum maßgeblichen Zeitpunkt befinde, hier also nach deutschem Recht (§ 1252 BGB). Die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung der Klägerin habe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr bestanden. Zwar trage der Beklagte die Beweislast für das Erlöschen der Forderung. Der Beklagte habe aber die Erfüllung der Forderung behauptet und die Klägerin habe das nicht hinreichend substantiiert bestritten.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Das Berufungsgericht unterstellt, daß ein wirksames Pfandrecht der Klägerin an den versteigerten Geräten entstanden ist. Davon ist für das Revisionsverfahren – auch im Hinblick auf § 549 Abs. 1 ZPO – auszugehen. Ein solches Pfandrecht vermag die Klage aus § 805 ZPO zu stützen.
2. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, daß auch bei einem akzessorischen Pfandrecht nicht der Gläubiger, sondern dessen Gegner das Erlöschen der gesicherten Forderung zu beweisen hat (Senatsurt. v. 20. März 1986 – IX ZR 42/85, NJW 1986, 2426, 2427). Es hat aber folgendes, in Bezug genommenes Vorbringen des Beklagten als Behauptung einer Erfüllung der gesicherten Forderung ausreichen lassen:
„Es streitet eine Vermutung dafür, daß sich die Klägerin, die ein Kreditinstitut betreibt, für die von ihr behauptete Vorfinanzierung des Kaufpreises im Hinblick auf die mittlerweile verstrichene Zeit bei der … S…. bereits anderweitig befriedigt hat. Ein solches Vorgehen entspricht bei Banken den branchenüblichen Gepflogenheiten und damit der allgemeinen Lebenserfahrung….
Bei einem derartigen Kreditengagement, wie es hier von der Klägerin behauptet wird, warten Banken zur Befriedigung ihrer Forderungen in der Regel nicht den Ausgang jahrelanger Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten ab, sondern versuchen im Hinblick auf eine Risikoreduzierung den Ausgleich ihrer Forderungen bei nächstmöglicher Gelegenheit.”
Ein solches Vorbringen genügt jedoch aus Rechtsgründen nicht.
a) Kern des Vortrags ist eine angebliche Übung von Kreditinstituten, einen baldigen Ausgleich ihrer Forderungen anzustreben. Daraus leitet der Beklagte eine allgemeine „Vermutung” ab, jedenfalls nach sechs Jahren sei jede gesicherte Forderung notfalls auch anderweitig ausgeglichen.
Für eine solche allgemeine Lebenserfahrung hat das Berufungsgericht keine Grundlage festgestellt. Auch dem Senat ist sie nicht bekannt. Die Gedankenführung des Beklagten ist nicht einmal in sich geschlossen, weil er aus einem bloßen Bemühen der Kreditinstitute ohne weiteres dessen regelmäßigen Erfolg – zudem in voller Höhe aller Forderungen – nach einer bestimmten Zeit ableitet. Träfe das zu, könnten Kreditinstitute sogar mit ungesicherten Forderungen in aller Regel nicht ausfallen. Das Vorbringen des Beklagten läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß jedes Kreditinstitut nach Ablauf einiger Jahre stets seinerseits beweisen müsse, daß seine jeweiligen Forderungen im Einzelfall nicht erfüllt worden sind. Für eine solche Veränderung der Beweislast fehlt jede Rechtsgrundlage.
b) Mit Bezug auf die Besonderheiten gerade des vorliegenden Klageanspruchs hat der Beklagte nur behauptet:
„Nur äußerst hilfsweise wird zum Beweis dafür, daß die von der Klägerin behauptete Forderung gegen die … S. … bereits wieder erloschen ist, das Zeugnis derjenigen Personen angeboten, die nach Angaben der Klägerin (in einem ihrer Schriftsätze) mit der Angelegenheit befaßt waren.
Zum anderen ist auch vernünftigerweise nicht anzunehmen, daß die … S. … ihrerseits nach wie vor die von der Klägerin behauptete Kaufpreisvorfinanzierung in Anspruch nimmt und hierfür – vermutlich nicht unerhebliche – Zinsen entrichtet.”
Das ist in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend substantiiert. Es gibt rechtlich keinen einheitlichen Erlöschenstatbestand für Forderungen. Vielmehr muß derjenige, der das Erlöschen zu beweisen hat, angeben, auf welche Weise – z.B. gemäß §§ 362, 365, 382, 387 oder 397 BGB – die Forderung erloschen sein soll. Dazu sind regelmäßig bestimmte Tatsachen zu behaupten, die wenigstens einen einzelnen Lebensvorgang erkennen lassen, dem aus Rechtsgründen ein Erlöschen der geltend gemachten Forderung zu entnehmen ist. Daran fehlt es hier. Nicht einmal die vom Beklagten unterstellte Lästigkeit der Kreditbelastung für die Verkäuferin läßt einen konkreten Erfüllungsvorgang erkennen.
Das Berufungsgericht hat sich statt dessen auf den prozessualen Grundsatz gestützt, daß die an sich beweisbegünstigte Partei dann ein nur pauschales Vorbringen des darlegungsbelasteten Gegners substantiiert bestreiten muß, wenn dieser außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während die andere Partei sie kennt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urt. v. 9. November 1995 – III ZR 226/94, NJW 1996, 315, 317; Zöller/Greger, ZPO 19. Aufl. Vorbem. Rdnr. 34 vor § 284). Eine solche Zumutbarkeit setzt aber stets besondere Anknüpfungspunkte voraus. Diese wurden beispielsweise angenommen für einen gemäß § 3 UWG auf Unterlassung verklagten Pressedienst, der mit der großen Anzahl und dem Rang seiner Korrespondenten geworben hatte und diese dementsprechend im Prozeß zwar nicht namentlich, aber wenigstens der Zahl nach mitteilen mußte (BGH, Urt. v. 20. Januar 1961 – I ZR 79/59, NJW 1961, 826, 828; vgl. ergänzend auch RGZ 166, 240, 242; BGHZ 120, 320, 327 f.), für die persönlichen Verhältnisse des Schadensersatz einklagenden Geschädigten wegen des Mitverschuldenseinwands gemäß § 254 Abs. 2 BGB dahin, daß der Geschädigte sich nicht um eine zumutbare Ersatzarbeit bemüht habe (BGH, Urt. v. 23. Januar 1979 – VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, 425; vgl. ergänzend auch BGH, Urt. v. 15. Oktober 1986 – IVb ZR 78/85, NJW 1987, 1201), für den Geschäftsführer einer GmbH, dem die vertragswidrige Verwendung von Gesellschaftsmitteln vorgeworfen wird (BGHZ 100, 190, 195 f.), und für die Darlegungslast eines als Drittschuldner Verklagten, nachdem der auf Zahlung klagende Pfändungsgläubiger Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der zuvor gemäß § 840 Abs. 1 ZPO erteilten Auskunft vorgetragen hatte (BGHZ 86, 23, 28 f.). Es lagen also stets besondere Umstände durch die Art des vorangegangenen Tuns der beweisbegünstigten Partei oder ihrer persönlichen Verhältnisse und Beziehungen zum Gegner vor. Andererseits ist grundsätzlich keine Partei – über materiell-rechtliche Auskunftspflichten hinaus – verpflichtet, dem Gegner das Material für den Prozeßsieg zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH, Urt. v. 11. Juni 1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 f.; vom 12. November 1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819 m. w. N.; Zöller/Greger a.a.O. § 138 Rdnr. 8 a). Der Umstand, daß die Darlegung im Einzelfall der beweisbelasteten Partei wesentlich schwerer fällt als ihrem Gegner, genügt allein nicht, um diesem eine erweiterte Obliegenheit zum Bestreiten aufzuerlegen.
Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung im vorliegenden Falle rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die Parteien machen nur jeweils dingliche Rechte am selben Pfandgegenstand geltend. Der Beklagte leitet seine Forderung aus einem Vertragsverhältnis zur E. ab, während die Klägerin lediglich mit der S. in vertraglichen Beziehungen stand. Für Auskunftspflichten zwischen ihnen fehlt jede Rechtsgrundlage. Es kommt hier noch hinzu, daß das Berufungsgericht der Klägerin nähere Angaben über die Entwicklung des Schuldsaldos der unbeteiligten S. abverlangt, obwohl diese kraft Geschäftsbesorgungsvertrages üblicherweise Anspruch auf vertrauliche Behandlung hat. Eine solche vertragswidrige Verhaltensweise kann der Klägerin nicht zugunsten des außenstehenden Beklagten zugemutet werden.
Demgegenüber muß der Beklagte wenigstens einen einzelnen, bestimmten Tilgungsvorgang näher dartun. Dazu bleibt es ihm vorbehalten, sich ggf. an seine eigene Vertragspartei – die E. zu wenden, die ihrerseits wieder in Geschäftsbeziehungen zur S. stand. Erst gegenüber einer solchen substantiierten Behauptung wäre die Klägerin dann gehalten, nähere Angaben mit Bezug darauf zu unterbreiten.
III.
Das rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht hat – von der Frage der Erfüllung abgesehen – die Klage zutreffend für schlüssig gehalten.
Andererseits kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Beklagte hat unter anderem den rechtzeitig gebildeten Willen der S., durch Indossierung des Bill of lading nach dem Recht Hongkongs ein Pfandrecht zu bestellen, ebenso bestritten wie das Entstehen einer gesicherten Forderung als consideration. Damit wird sich der Tatrichter befassen müssen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 609795 |
NJW 1997, 128 |
MDR 1997, 193 |