Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmangel einer vermieteten Gaststätte in einer Wohnungseigentumsanlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Sondereigentümer einer Gewerbeeinheit in einer Wohnanlage diese zum Betrieb einer Gaststätte vermietet, obwohl er bei Vertragsschluß wußte, daß die Nutzung als Gaststätte nach der Teilungserklärung unzulässig ist und daß die Mehrheit der Wohnungseigentümer entschlossen war, diese Nutzung nicht hinzunehmen, liegt ein Rechtsmangel im Sinne des BGB § 541 vor, weil die anderen Wohnungseigentümer nicht nur gegenüber dem Sondereigentümer, sondern auch gegenüber seinen Mietern wegen der von der Gaststätte ausgehenden Störung, die sie nach der Teilungserklärung nicht hinnehmen müssen einen Beseitigungsanspruch nach BGB § 1004 haben.
2. Ein Rechtsmangel liegt zwar nur vor, wenn sich das Recht des Dritten (hier: der anderen Wohnungseigentümer) für den Mieter in Form einer Gebrauchshinderung auswirkt. Es genügt aber die - hier erfolgte - Androhung des Rechtsinhabers sein Recht geltend zu machen.
Normenkette
BGB § § 536-537, §§ 541, 1004
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 10.12.1992; Aktenzeichen 2 U 3060/92) |
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 26.06.1992; Aktenzeichen 7 O 9051/89) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 10. Dezember 1992 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts sowie gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung von 42.000 DM nebst Zinsen (Nr. 2 des Berufungsantrages) und auf Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht des Beklagten (Nr. 4 des Berufungsantrages) zurückgewiesen worden ist.
Die Anschlußrevision des Beklagten wird nicht angenommen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In einem einer Eigentümergemeinschaft gehörenden Anwesen hat der Beklagte Sondereigentum an einer im Erdgeschoß und im Kellergeschoß gelegenen Gewerbeeinheit. Sie ist in der mit der notariellen Teilungserklärung verbundenen Anlage A als „Sondereigentum an dem Laden im Erdgeschoß” bezeichnet. Der Teilungserklärung ist als Vertragsbestandteil Anlage B angeschlossen, nach der eine wesentliche Nutzungsänderung der gewerblich genutzten Sondereigentumseinheiten der Genehmigung bedarf.
Der Beklagte vermietete die Räume zunächst an die Zeugen K. S. und D. S., die sie als Gaststätte nutzten. Die Zeugen schlossen im Zusammenhang mit der Beendigung dieses Mietvertrages im Namen des Beklagten mit den Klägern einen schriftlichen Mietvertrag ab. Sie benutzten dazu ein Vertragsformular, das von dem Beklagten im voraus unterschrieben worden war. Nach der Vertragsurkunde sollte das Mietverhältnis zwischen den Parteien ohne die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vom 1. Juni 1988 bis zum 30. Mai 1998 bestehen. Den Mietern wurde das Recht zur Untervermietung eingeräumt mit der Maßgabe, daß die Untervermietung dem Vermieter vor Abschluß des Untermietvertrages mitgeteilt werden müsse. Nach dem Mietvertrag sollten die Räume als Gaststätte genutzt werden.
Kurz nach Abschluß dieses Mietvertrages – noch vor Beginn des Mietverhältnisses am 1. Juni 1988 – machte der Beklagte geltend, die Vermieter seien von ihm nicht bevollmächtigt gewesen, in seinem Namen mit den Klägern einen Mietvertrag abzuschließen und das von ihm blanko unterzeichnete Mietvertragsformular hierzu zu verwenden. Dennoch übernahmen die Kläger die Räume und eröffneten darin eine „Pilsbar”. Im Zusammenhang damit schlossen sie u. a. mit einer Brauerei einen Bierlieferungsvertrag und einen Darlehensvertrag ab. Sie betrieben die „Pilsbar” aber nur für kurze Zeit selbst, anschließend vermieteten sie die Räume – jeweils auch nur für kurze Zeit – zweimal weiter, und zwar zum Betrieb einer Gaststätte zu einem Mietpreis von 2.500 DM im Monat. Sie selbst zahlten an den Beklagten 1.450 DM im Monat.
Die übrigen Wohnungseigentümer wollten nicht dulden, daß in dem Anwesen – entgegen den Nutzungsangaben im Teilungsplan – eine Gaststätte betrieben wurde. Sie erwirkten einen Beschluß des Amtsgerichts vom 9. Juni 1989, mit welchem dem Beklagten untersagt wurde, die „Pilsbar” an Werktagen außerhalb der Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr und an Samstagen außerhalb der Zeit von 8.00 bis 13.00 Uhr offenzuhalten. Auf Beschwerde der Wohnungseigentümer untersagte das Landgericht mit Beschluß vom 10. Oktober 1990 dem Beklagten jegliche gastronomische Nutzung der Räume.
Der Vertrag zwischen den Klägern und ihren zweiten Untermietern wurde zum 30. Juni 1989 aufgelöst. Seit dem 1. Juli 1989 steht das Lokal leer. Seit August 1989 zahlen die Kläger keine Miete mehr.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 1. Januar 1990, vom 5. Mai 1990, vom 16. Dezember 1990 und vom 19. September 1991 vorsorglich die Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses erklärt. Die Brauerei hat den Darlehensvertrag und den Bierlieferungsvertrag gekündigt und macht gegen die Kläger Schadensersatzansprüche wegen der Nichterfüllung der Bierabnahmeverpflichtung geltend. Die Kläger verlangen mit der Klage als entgangenen Gewinn die Differenz der von ihnen zuletzt erzielten Untermiete (monatlich 2.500 DM) und der von ihnen zu zahlenden Miete (1.450 DM). Für die zurückliegende Zeit haben sie diesbezüglich einen bezifferten – im Laufe des Verfahrens mehrfach (auch in der Berufungsinstanz) erhöhten – Klageantrag gestellt; in der Berufungsinstanz haben sie zuletzt ab Juli 1989 für 40 Monate 42.000 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht. Sie begehren weiter die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihnen sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihnen deshalb entstehen könnten, weil dem Beklagten gerichtlich untersagt worden sei, die an sie vermieteten Räume gastronomisch zu nutzen oder nutzen zu lassen. Außerdem verlangen sie von dem Beklagten die Freistellung von Schadensersatzansprüchen der Brauerei.
Mit der Widerklage verlangt der Beklagte die Räumung und Herausgabe der Gewerbefläche und (soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung) als Miete oder Nutzungsentschädigung die Zahlung von 10.994 DM für die Zeit ab Zahlungseinstellung durch die Kläger bis Januar 1990.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die Kläger verurteilt, das Mietobjekt zu räumen und herauszugeben und an den Beklagten 12.209,34 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. In diesem Betrag sind die 10.994 DM enthalten, die der Beklagte als Nutzungsentschädigung geltend macht. Die Kläger haben Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz zusätzlich die Feststellung beantragt, daß die von dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Mai 1990, 16. Dezember 1990 und 19. September 1991 ausgesprochenen fristlosen Kündigungen unwirksam seien. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Widerklage wegen der geltend gemachten 10.994 DM und der damit zusammenhängenden Zinsen abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die in der Berufungsinstanz erstmals geltend gemachten Klageanträge abgewiesen.
Die Kläger haben Revision eingelegt. Sie nehmen das Berufungsurteil hin, soweit sie auf die Widerklage hin zur Zahlung verurteilt worden sind. Im übrigen verfolgen sie ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Durch Beschluß vom 26. Oktober 1994, der dem Beklagten am 7. November 1994 zugestellt worden ist, hat der Senat die Revision angenommen, soweit die Berufung der Kläger gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts sowie gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung von 42.000 DM nebst Zinsen und auf Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht des Beklagten zurückgewiesen worden ist. Im übrigen hat der Senat die Revision nicht angenommen. Mit einem am 7. Dezember 1994 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte Anschlußrevision eingelegt, mit der er den Anspruch auf Zahlung von 10.994 DM zuzüglich Zinsen weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision der Kläger führt in dem Umfang, in dem sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht führt aus, zwischen den Parteien sei ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen, bei dessen Abschluß für den Beklagten und mit dessen Vollmacht die Zeugen K.S. und D.S. gehandelt hätten, denen der Beklagte ein von ihm blanko unterschriebenes Vertragsformular übergeben habe. Nach dem Vertrag seien die Räume als Gaststätte zu nutzen gewesen. Die Kläger seien berechtigt gewesen, die Gaststätte unterzuvermieten. Der Beklagte habe bei Abschluß des Vertrages gewußt, daß die Nutzung als Gaststätte nach der Teilungserklärung unzulässig gewesen sei und daß die Mehrheit der Wohnungseigentümer entschlossen gewesen sei, diese Nutzung nicht hinzunehmen. Dennoch habe er bzw. hätten die Zeugen K.S. und D.S. die Kläger nicht – jedenfalls nicht ausreichend deutlich – auf dieses Problem hingewiesen. Die mangelnde Nutzungsmöglichkeit als Gaststätte stelle einen Mangel im Sinne des § 537 BGB dar. Die Kläger seien deshalb berechtigt gewesen, die Miete auf null zu mindern. Außerdem seien sie jedenfalls dem Grunde nach berechtigt, nach § 538 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Die Rechte der Kläger aus §§ 537 und 538 BGB seien nicht nach § 539 BGB ausgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne man nämlich nicht davon ausgehen, daß sie bei Abschluß des Mietvertrages Kenntnis davon gehabt hätten, die Räume dürften nicht als Gaststätte genutzt werden, oder daß ihnen dies aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt gewesen sei. Es liege auch kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor und die Kläger hätten – zumindest zunächst – nicht treuwidrig gehandelt, indem sie auf der Erfüllung des Vertrages bestanden hätten.
Insoweit werden die Ausführungen des Berufungsgerichts von der Revision als ihr günstig hingenommen. Sie sind jedenfalls im Ergebnis auch nicht zu beanstanden. Unzutreffend ist lediglich die Annahme des Berufungsgerichts, es handele sich um einen Sachmangel im Sinne des § 537 BGB. Weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Vortrag der Parteien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß die Beschaffenheit der Mieträume in irgendeiner Weise dem Betrieb einer Gaststätte entgegensteht. Es liegt vielmehr ein Rechtsmangel im Sinne des § 541 BGB vor, weil die anderen Wohnungseigentümer nicht nur gegenüber dem Beklagten, sondern auch gegenüber seinen Mietern – den Klägern – wegen der von der Gaststätte ausgehenden Störung, die sie nach der Teilungserklärung nicht hinnehmen müssen, einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB haben (so zutreffend OLG München. NJW-RR 1992, 1492, 1493 und OLG-Rp München 1994, 38, 39; OLG Stuttgart OLGZ 1993, 65, 67; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 981, 982; OLG Karlsruhe. NJW-RR 1994, 146, 147, jeweils m.N.). Ein Rechtsmangel liegt zwar nur vor, wenn sich das Recht des Dritten (hier: der anderen Wohnungseigentümer) für den Mieter (hier: die Kläger) in Form einer Gebrauchshinderung auswirkt. Es genügt aber die – hier erfolgte – Androhung des Rechtsinhabers, sein Recht geltend zu machen (vgl. BGHZ 63, 132, 137 f.; BGB-RGRK/Gelhaar, 12. Aufl. § 541 Rdn. 1; MünchKomm. BGB/Voelskow. 2. Aufl. § 541 Rdn. 5; Sternel, Mietrecht 3. Aufl. II Rdn. 593; Bub/Treier/Kraemer. Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl. III Rdn. 1424; Emmerich/Sonnenschein, Miete 6. Aufl. § 541 Rdn. 5). Beim Vorliegen eines Rechtsmangels sind nach der Verweisung des § 541 BGB die §§ 537, 538 BGB entsprechend anwendbar.
2. Den (bezifferten) Anspruch der Kläger auf entgangenen Gewinn hat das Berufungsgericht abgewiesen mit der Begründung, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, sie hätten das Mietobjekt weiterhin für 2.500 DM im Monat untervermieten können, wenn die Räume als Gaststätte nutzbar gewesen seien. Zum Beweis für diese Behauptung hätten die Kläger zwar ein Sachverständigengutachten angeboten, es fehlten jedoch „die notwendigen Anknüpfungstatsachen, um ein solches Gutachten erholen zu können”. Die Kläger hätten nichts vorgetragen über die Beschaffenheit des Lokals, über seine Größe, wieviel Sitzplätze vorhanden seien, wie es eingerichtet sei und wie die Küche beschaffen sei. Ebensowenig hätten sie das Umfeld dargestellt, nämlich die Parkmöglichkeiten, die Beschaffenheit der Umgebung, die Art und Dichte der Besiedelung und die „soziale Struktur”. Aus dem vorgelegten Mietvertrag ergebe sich lediglich die Quadratmeterfläche. Den Aussagen der vernommenen Zeugen sei zu entnehmen, daß die Gaststätte sehr schlecht gegangen sei. Es bestehe der erhebliche „Verdacht”, daß auch aus der Sicht der Kläger bei einem solchen – oder auch einem etwas niedrigeren – Mietzins das Betreiben der Gaststätte wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen sei. Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Erfolg. Sie rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht das beantragte Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat.
Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache mangels hinreichenden Sachvortrages ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (BGH, Urteil vom 23. April 1991 – X ZR 77/89 – NJW 1991, 2707, 2709; Urteil vom 21. April 1993 – IV ZR 41/92 – NJW-RR 1993, 1116, 1117). Die Behauptung der Kläger, das Mietobjekt sei, wenn es als Gaststätte nutzbar gewesen wäre, weiterhin für 2.500 DM im Monat zu vermieten gewesen, reicht aus, um den geltend gemachten Anspruch der Kläger auf entgangenen Gewinn schlüssig zu begründen. Davon geht erkennbar auch das Berufungsgericht aus. Das beantragte Sachverständigengutachten ist geeignet, den Nachweis für die aufgestellte Behauptung zu erbringen, ohne daß es weiteren Sachvortrages bedarf. Das Mietobjekt ist genau bezeichnet. Es ist eine selbstverständliche Pflicht des Sachverständigen, das Mietobjekt vor der Erstattung seines Gutachtens in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit kann er sich selbst ein Bild von den Eigenschaften des Mietobjektes machen, die aus seiner Sicht Bedeutung haben für die Vermietbarkeit. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der vorliegende Prozeß gefördert oder die Erstattung des Gutachtens auch nur erleichtert worden wäre, wenn die Kläger die vom Berufungsgericht vermißten „Anknüpfungstatsachen” vorgetragen hätten.
Soweit das Berufungsgericht die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ergänzend darauf stützt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Gaststätte ohnehin schlecht gegangen und auch das spreche entscheidend gegen die von den Klägern behauptete Vermietbarkeit, handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
3. Zu dem Feststellungsantrag der Kläger wegen ihres weiteren Schadens führt das Berufungsgericht aus: Soweit dieser Feststellungsantrag entgangenen Gewinn für die Zukunft betreffe, sei er nicht begründet, weil die Kläger die von ihnen behauptete Vermietbarkeit nicht nachgewiesen hätten. Welcher weitere Schaden mit der Feststellungsklage erfaßt sein solle, mache die Berufungsbegründung entgegen § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht deutlich. Die in erster Instanz geltend gemachten Positionen (Maklerprovision, Kosten für Um- und Ausbau der Gaststätte usw.) hätten die Kläger beziffern können. Sie hätten deshalb Leistungsklage erheben müssen; die Feststellungsklage sei unzulässig. Das Gericht habe davon abgesehen, hierauf nach § 139 ZPO hinzuweisen, weil „eine eventuelle Antragsänderung … wegen der notwendig werdenden Beweisaufnahme zu einer beträchtlichen Verzögerung des entscheidungsreifen Rechtsstreits geführt” hätte.
Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist bereits ausgeführt, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der Behauptung der Kläger, das Mietobjekt sei als Gaststätte weiterhin für 2.500 DM im Monat zu vermieten gewesen, einen Beweisantrag der Kläger übergangen hat. Dieser Verfahrensfehler wirkt sich auch auf die Annahme des Berufungsgerichts aus, die Kläger hätten keine Tatsachen nachgewiesen, aus denen sich ein Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn für die Zukunft ergeben könne. Schon aus diesem Grunde kann die Abweisung dieses Feststellungsantrages keinen Bestand haben.
4. Zu dem mit der Widerklage geltend gemachten Räumungsanspruch führt das Berufungsgericht aus: Nachdem sich endgültig herausgestellt habe, daß das Mietobjekt nicht als Gaststätte genutzt werden könne, hätten die Kläger zwar eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen können, „um dennoch eine wirtschaftliche Nutzung der vertraglichen Rechtsposition zu erreichen zu versuchen”. Nachdem sie jedoch bis Ende des Jahres 1989 zu keinem Ergebnis gekommen seien und auch offensichtlich keine weiteren Schritte mehr unternommen hätten, das Objekt in irgendeiner Form zu nutzen, seien sie nicht mehr berechtigt gewesen, die Herausgabe zu verweigern. Sie nutzten damit treuwidrig eine nicht mehr verwertbare Rechtsposition aus. Besonders vorwerfbar sei, daß sie sich nur so verhielten, „um einen Schadensersatz verlangen zu können”. Sie hätten nicht vorgetragen, daß sie etwas unternehmen wollten, um bei der gegebenen Situation weiteren Schaden zu vermeiden. Deshalb gebiete „die Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 BGB) und die Rücksicht auf Treu und Glauben, das Mietobjekt zurückzugeben”. Die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 1. Januar 1990 beende deshalb das Mietverhältnis zum 31. März 1990. Hierbei sei den Klägern ausreichend Zeit eingeräumt, „das Mietobjekt in einen für die Rückgabe vertragsgemäßen Zustand zu versetzen”.
Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
a) Das Berufungsgericht führt selbst aus, daß die von dem Beklagten mit Schreiben vom 1. Januar 1990 ausgesprochene fristlose Kündigung „nicht gerechtfertigt” gewesen sei, insbesondere weil die Kläger mit der Zahlung des Mietzinses nicht in Rückstand gewesen seien. Der Beklagte habe diese fristlose Kündigung ebensowenig auf die von ihm behauptete ungenehmigte Veränderung der Fassade stützen können. Es ist nicht erkennbar, wie diese nicht gerechtfertigte Kündigung drei Monate später – nämlich zum 31. März 1990 – zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt haben soll.
b) Es ist auch nicht als rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 242 BGB anzusehen, daß die Beklagten auf der Erfüllung des Vertrages bis zum Ende der fest vereinbarten Mietzeit bestehen und als Schadensersatz wegen Nichterfüllung den entgangenen Gewinn geltend machen wollen. Ob ein treuwidriges Verhalten der Kläger vorliegt, kann der Senat selbst entscheiden. Die Anknüpfungstatsachen, die bei dieser Beurteilung eine Rolle spielen können, sind vom Berufungsgericht festgestellt worden. Im übrigen kann der diesbezügliche Tatsachenvortrag des Beklagten als richtig unterstellt werden. Weitere tatsächliche Feststellungen sind weder erforderlich noch zu erwarten. Ob sich aus diesen Anknüpfungstatsachen die rechtliche Bewertung ergibt, die Kläger handelten treuwidrig, ist keine dem Tatrichter vorbehaltene Frage (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1993 – V ZR 234/91 – ZIP 1993, 1120, 1123; Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. §§ 549, 550 Rdn. 28 und 30 und § 565 Rdn. 22). Da der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 538 Abs. 1 BGB und das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 542 BGB nicht alternativ, sondern nebeneinander bestehen, führt der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht zu einer Gesamtabrechnung unter Rückgabe der Mietsache (MünchKomm. BGB/Voelskow aaO § 538 Rdn. 14; Pieper JuS 1962, 459, 462). Der Mieter ist nicht zur Kündigung verpflichtet (so ausdrücklich auch RGZ 82, 363, 373: Diese Entscheidung wird von BGB-RGRK/Gelhaar aaO § 538 Rdn. 19 verkürzt und dadurch mißverständlich dafür zitiert, der Mieter dürfe die Kündigung nicht verzögern, sonst könne er Schadensersatz nur bis zu dem angemessenen Kündigungszeitpunkt verlangen). Kündigt der Mieter nicht, so steht ihm der Schadensersatzanspruch nach § 538 Abs. 1 BGB grundsätzlich für die gesamte fest vereinbarte Mietdauer zu, gegebenenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter nach dem Mietvertrag kündigen kann. Das Berufungsgericht sieht deshalb zu Unrecht ein treuwidriges Verhalten der Kläger darin, daß die Kläger den Beklagten an dem Mietvertrag nur festhalten wollen, um Schadensersatz von ihm zu verlangen. Mit diesem Verhalten nehmen die Kläger lediglich die Rechte wahr, die ihnen das Gesetz ausdrücklich einräumt. Zusätzliche Gesichtspunkte, die ihr Verhalten als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind weder von dem Berufungsgericht festgestellt noch von dem Beklagten vorgetragen worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte Räume, von denen er wußte, daß sie nicht als Gaststätte genutzt werden durften, langfristig zum Betrieb einer Gaststätte vermietet. Die Konsequenzen daraus muß er tragen und es besteht kein Anlaß, in seine Verpflichtung zum Schadensersatz – soweit sie der Höhe nach besteht – durch eine Anwendung der Generalklausel des § 242 BGB einzugreifen.
c) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Beklagten auf eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses auch nicht aus § 254 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift hängt bei einem Schadensersatzanspruch die Verpflichtung zum Schadensersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit ein Verschulden des zum Schadensersatz Berechtigten den Schaden mit verursacht hat. Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, die Kläger dürften die von ihnen gemieteten Geschäftsräume nicht jahrelang ungenutzt leerstehen lassen, nur weil sie nicht, wie im Mietvertrag vorgesehen, als Gaststätte unterzuvermieten seien. Notfalls seien sie verpflichtet, zur Minderung des Schadens die Räume als Ladenlokal zu vermieten. Daraus ergibt sich aber lediglich, daß sich die Kläger auf ihren Schadensersatzanspruch die Einkünfte anrechnen lassen müssen, die sie durch eine anderweitige Nutzung der Geschäftsräume erzielen könnten und schuldhaft nicht erzielt haben. Diese Anrechnung kann je nachdem, welcher Mietzins bei einer Untervermietung als Gaststätte und welcher Mietzins bei einer Untervermietung als Ladenlokal zu erzielen wäre, im Ergebnis dazu führen, daß die Kläger gar keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten geltend machen können (möglicherweise, daß sie zumindest einen Teil des vereinbarten Mietzinses an den Beklagten zahlen müssen). Aus § 254 Abs. 1 BGB läßt sich aber jedenfalls nicht eine Beendigung des Mietverhältnisses oder eine Berechtigung des Beklagten zur vorzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses herleiten.
5. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Sie muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die fehlenden Feststellungen nachholen, insbesondere das von den Klägern beantragte Sachverständigengutachten einholen kann.
6. Die Annahme der nach § 556 Abs. 1 ZPO zulässigen unselbständigen Anschlußrevision des Beklagten war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Entscheidung über die Nichtannahme muß nicht in einem vorgeschalteten Beschlußverfahren getroffen werden, sie kann auch nach mündlicher Verhandlung durch Urteil ausgesprochen werden (Senatsurteil vom 30. November 1994 – XII ZR 59/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Urteil vom 29. September 1992 – XI ZR 265/91 – ZIP 1992, 1534, 1536 m.w.N.).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Nonnenkamp, Gerber, Sprick
Fundstellen