Leitsatz (amtlich)

Die in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens enthaltene formularmäßige Klausel, nach der der geschädigte Auftraggeber dem Sachverständigen in Bezug auf dessen Honoraranspruch "erfüllungshalber" seinen auf Ersatz der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger abtritt, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn die Klausel zugleich die Regelung enthält

"Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich [geschädigter Auftraggeber] geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 Bg

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 15.03.2019; Aktenzeichen 17 S 43/18)

AG Hannover (Urteil vom 13.06.2018; Aktenzeichen 428 C 13398/17)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Hannover vom 15.3.2019 aufgehoben und das Urteil des AG Hannover vom 13.6.2018 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Das klagende Inkassounternehmen nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus doppelt abgetretenem Recht auf Ersatz von Kosten für das Schadensgutachten eines Sachverständigen in Anspruch.

Rz. 2

Die Geschädigte eines Verkehrsunfalls erteilte am 17.10.2014 der Sachverständigenbüro B. GmbH (im Folgenden: S.) den Auftrag, ein Schadensgutachten für ein Kraftfahrzeug zu erstellen. Das dabei verwendete und von der Geschädigten unterzeichnete Formular enthält u.a. folgenden Text:

"Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber) Aus Anlass des oben beschriebenen Schadensfalles habe ich das o.g. Kfz-Sachverständigenbüro beauftragt, ein Gutachten zur Schadenshöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar [...] Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des [...] Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des beteiligten Fahrzeugs an das Sachverständigenbüro ab. Ich weise den regulierungspflichtigen Versicherer an, Sachverständigenkosten unmittelbar an das von mir beauftragte Sachverständigenbüro oder dessen Abrechnungsstelle zu zahlen. Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Sachverständige diese Forderung zum Zwecke der Einziehung weiter abtritt. Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

Rz. 3

Die S. erstellte eine Rechnung an die Geschädigte über 2.138,29 EUR. Vorprozessual zahlte die Beklagte an die Klägerin 634,27 EUR. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, den Restbetrag des von der S. an die Klägerin abgetretenen Anspruchs i.H.v. 1.504,02 EUR an sie zu zahlen.

Rz. 4

Das AG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.254,50 EUR nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

A.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat - soweit hier relevant - ausgeführt, dass die Klägerin aktivlegitimiert sei. Den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten habe die Geschädigte an die S. und diese an die Klägerin abgetreten. Die Formulierungen in dem von der Geschädigten unterschriebenen Auftragsformular seien eindeutig und klar verständlich.

B.

Rz. 6

Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

I.

Rz. 7

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten nicht zu, da bereits dessen Abtretung durch die Geschädigte an die S. nicht wirksam war. Die im Auftragsformular enthaltenen Regelungen über diese Abtretung an die S. sind gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Klausel "Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber)" des Auftragsformulars die Auftraggeber der S. insoweit unangemessen benachteiligt.

Rz. 8

1. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 - VI ZR 156/18 NJW-RR 2020, 112 Rz. 23; v. 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 9; BGH, Urt. v. 12.12.2019 - IX ZR 77/19 ZIP 2020, 310 Rz. 24; v. 16.1.2020 - IX ZR 351/18, juris Rz. 25; jeweils m.w.N.). Der Vertragspartner soll u.a. davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden. Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 - VI ZR 156/18 NJW-RR 2020, 112 Rz. 23; BGH, Urt. v. 16.1.2020 - IX ZR 351/18, juris Rz. 25). Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 - VI ZR 156/18 NJW-RR 2020, 112 Rz. 23; vom 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 10; jeweils m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 - VI ZR 156/18 NJW-RR 2020, 112 Rz. 23; vom 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 9; BGH, Urt. v. 12.12.2019 - IX ZR 77/19 ZIP 2020, 310 Rz. 24; v. 16.1.2020 - IX ZR 351/18, juris Rz. 25; jeweils m.w.N.). Für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in erster Linie ihr Wortlaut relevant (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 10; vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 NJW 2018, 455 Rz. 22; jeweils m.w.N.).

Rz. 9

Die in diesem Zusammenhang erforderliche Auslegung der Klausel kann der Senat ungeachtet der Frage, ob die Klausel über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wird, selbst vornehmen (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 - VI ZR 156/18 NJW-RR 2020, 112 Rz. 21; BGH, Urt. v. 12.12.2019 - IX ZR 77/19 ZIP 2020, 310 Rz. 21; v. 9.4.2014 - VIII ZR 404/12 BGHZ 200, 362 Rz. 25).

Rz. 10

2. Diesen Anforderungen entspricht die Klausel nicht. Aus ihr wird für den durchschnittlichen Auftraggeber (Unfallgeschädigten) nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat. Der vorletzte Satz der Klausel sieht vor, dass die S. die Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen kann, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Im letzten Satz der Klausel heißt es, dass der Auftraggeber in diesem Fall die Forderung zurückerhält, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner geltend zu machen. Insoweit bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt genau der Auftraggeber die Forderung zurückerhalten soll. In Betracht kommen drei Möglichkeiten (und ggf. eine entsprechende Vorleistungspflicht): Erstens bereits bei Zahlungsanforderung durch die S., zweitens gleichzeitig mit der Zahlung des Auftraggebers oder drittens erst danach. Abweichendes ergibt sich nicht aus der Annahme der Revisionserwiderung, die S. sei bei Geltendmachung ihres (Rest-)Anspruchs insoweit verpflichtet, den Schadensersatzanspruch zurück abzutreten, und dem Auftraggeber stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu, wenn die S. nicht in der Lage sei, die Schadensersatzforderung in Höhe der Inanspruchnahme rückabzutreten. Denn zu einem solchen Recht des Auftraggebers, eine Zug-um-Zug-Leistung verlangen zu können, würden erst interessenbezogene Erwägungen führen, die so von einem durchschnittlichen Auftraggeber (Unfallgeschädigten) nicht erwartet werden können (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 10).

Rz. 11

Die danach in der Klausel intransparent geregelte Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber den erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzanspruch (teilweise) zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der Regelung der erfüllungshalber erfolgenden Anspruchsabtretung selbst und führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2018 - VI ZR 274/17 NJW 2019, 51 Rz. 11).

II.

Rz. 12

Somit bedarf keiner Klärung, ob die (zweifache) Abtretung aus weiteren von der Revision geltend gemachten Gründen unwirksam ist (vgl. dazu Katzenstein, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess 28. Aufl., Kap. 3 Rz. 268 ff.) oder deren Einwände gegen die Anspruchshöhe durchgreifen (vgl. dazu zuletzt BGH, Urt. v. 29.10.2019 - VI ZR 104/19 VersR 2020, 245 Rz. 12 ff.; v. 17.12.2019 - VI ZR 315/18, juris Rz. 12 ff.; weiter Katzenstein, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess 28. Aufl., Kap. 3 Rz. 245, 247, 252 ff.).

III.

Rz. 13

Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da sie zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13792156

BB 2020, 1025

NJW 2020, 1888

NJW 2020, 9

WM 2020, 1890

WuB 2020, 624

ZIP 2020, 919

DAR 2020, 311

JZ 2020, 320

MDR 2020, 670

VRS 2020, 125

VersR 2020, 692

WRP 2020, 749

NJW-Spezial 2020, 297

SVR 2021, 17

VRA 2020, 96

VRR 2020, 3

r+s 2020, 357

DS 2020, 328

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