Leitsatz (amtlich)
Ist streitig, ob vermietete Räume infolge des Mietgebrauchs beschädigt worden sind, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, daß die Schadensursache dem Obhutsbereich des Mieters entstammt; eine in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallende Schadensursache muß der Vermieter ausräumen.
Normenkette
BGB § 548
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.08.1992) |
LG Duisburg (Urteil vom 24.07.1991) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. August 1992 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 24. Juli 1991 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt aufgrund eines mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrages vom 19. September 1986 in Räumlichkeiten des Tiefparterres eines Parkhauses in O. einen Baumarkt. Am 15. Oktober 1987 brach dort ein Brand aus, durch den die Einrichtungen zerstört und erhebliche Gebäudeschäden verursacht wurden. Die Beklagte zahlte danach bis zur Wiederaufnahme des Betriebs für die Zeit von November 1987 bis Mai 1988 die monatliche Miete nur unter Vorbehalt.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Ersatz des durch Feuerversicherungsleistungen nicht gedeckten Schadens in Höhe von 344.066,96 DM nebst Zinsen sowie eines künftig jährlich zu zahlenden weiteren Betrages von 20.702,70 DM (als Folge der Erhöhung der Versicherungsprämien) in Anspruch genommen. Sie hat außerdem beantragt, die Ersatzpflicht der Beklagten für noch nicht bezifferbare weitere Schäden und für künftig entstehende Folgeschäden sowie die Unwirksamkeit des wegen der Mietzahlungen von der Beklagten erklärten Vorbehalts festzustellen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte habe grob fahrlässig den Brand dadurch verursacht, daß sie einen Punktstrahler in einem Abstand von höchstens 20 cm vor einer leicht brennbaren Teppichrolle mit der Folge habe anbringen lassen, daß diese sich entzündet habe. Die Beklagte bestreitet, daß der Brand auf diese Weise entstanden sei oder habe entstehen können; die Brandursache habe vielmehr in der Entzündung eines bauseits verlegten Kabels gelegen, das nicht ihrem Mietgebrauch unterlegen habe. Sie beruft sich außerdem darauf, daß sie gemäß § 10 (1), letzter Absatz, des Mietvertrages nur für vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte Schäden hafte; ein derartiges Verschulden falle ihr jedenfalls nicht zur Last.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Ursache des Brandes nicht mehr aufzuklären sei und die Klägerin die Folgen zu tragen habe; außerdem habe die Beklagte gemäß § 10 (1) des Mietvertrages nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen; für eine derartige Verletzung der Sorgfaltspflicht spreche nichts. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil geändert und die begehrten Feststellungen getroffen; ferner hat es zum Zahlungsantrag die Beklagte dem Grunde nach für verpflichtet erklärt, der Klägerin den aus dem Brand entstandenen Schaden zu ersetzen, und den Rechtsstreit zur Entscheidung über den Betrag an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg; die Klage ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, zwischen den Parteien sei unstreitig, daß die genaue Ursache für das Entstehen des Brandes nicht habe geklärt werden können und auch nicht mehr zu klären sei. Die Ungewißheit, ob sie die Schadensursache zu vertreten habe, gehe aber zu Lasten der Beklagten, denn im Verhältnis zum Vermieter treffe den Mieter die Beweislast dafür, daß eingetretene Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache nicht von ihm zu vertreten seien. Der Mieter trage diese Beweislast nicht nur, wenn feststehe, daß die Beschädigung der Mietsache eine Folge des Mietgebrauches sei, sondern auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, ungeklärt sei, ob der Schaden durch Mietgebrauch oder durch eine andere, dem Mieter nicht zuzurechnende Ursache entstanden sei. Ob diese Beweislastverteilung dann nicht gelte, wenn der Mieter ausräumen könne, daß eine bestimmte, auf seinen Mietgebrauch zurückgehende mögliche Ursache nicht das auslösende Moment für den Brandausbruch gewesen sein könne, hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil sich hier eine solche Feststellung nicht treffen lasse; ein Hitzestau, ausgelöst durch einen in der Mähe von gelagerten Teppichrollen befindlichen Lichtstrahler, könne zumindest im Zusammenwirken mit anderen Umständen (leicht entzündliche Staubschicht) als Brandursache nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gelte zwar auch für eine Brandursache durch einen Kabelbrand, da Hochspannungskabel – wie sie an der Decke der Mieträumlichkeiten, in denen der Brand ausbrach, angebracht gewesen seien – bei Überlastung sehr dazu neigten sich aufzuheizen und es dann auf einer Strecke von fast 10 Metern Kabellänge zu sogenannten Durchzündungen kommen könne. Da die Beklagte die Strahlerursache aber nicht ausgeschlossen habe, verbleibe es aufgrund der Beweislastverteilung bei ihrer Haftung.
Das Oberlandesgericht führt weiter aus, die Beklagte hafte für Schäden an dem Mietobjekt nicht nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten, sondern generell bei einer schuldhaften Verursachung des Schadens durch ihre Erfüllungsgehilfen. Denn die gebotene Vertragsauslegung ergebe, daß die in § 10 (1) letzter Satz des Mietvertrages geregelte Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nur für die Verletzung der dem Mieter obliegenden und im vorangestellten Satz genannten Anzeigepflicht bezüglich eingetretener Schäden am Mietobjekt gelte.
2. Das Berufungsurteil kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil der Beurteilung des Berufungsgerichts zur Verteilung der Beweislast und den daraus zugunsten der Klägerin gezogenen Folgerungen nicht zugestimmt werden kann.
Für seine Auffassung, im Verhältnis zum Vermieter treffe den Mieter die Beweislast dafür, daß eingetretene Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache nicht von ihm zu vertreten sind, stützt sich das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. April 1976 (BGHZ 66, 349). Wie die Revision zu Recht geltend macht, bestanden in jenem Fall – anders als in der vorliegenden Sache – keine Anhaltspunkte für die Annahme, andere Umstände als der vom Mieter ausgeübte Mietgebrauch könnten als Ursache für den in einer Lagerhalle ausgebrochenen Brand in Betracht kommen (BGHZ aaO 353). Der Bundesgerichtshof brauchte nicht zu entscheiden, ob eine generelle Beweisbelastung des Mieters aufgrund des § 548 BGB gerechtfertigt ist, oder ob nicht der Umstand, daß der Pflicht des Mieters zu ausschließlich vertragsgemäßem Gebrauch auch Sach- und Gebrauchserhaltungspflichten des Vermieters gegenüberstehen, zu einer differenzierten Beurteilung der Beweislastverteilung zwingt (Wolf, Anm. zu BGHZ 66, 349 in LM § 548 BGB Nr. 3). Diese Frage gilt es hier zu entscheiden, weil nicht aufgeklärt werden kann, ob der Brandschaden durch den Mietgebrauch der Beklagten oder durch andere, außerhalb ihres Obhutsbereiches liegende Umstände verursacht worden ist.
a) Die aus § 548 BGB hergeleitete Beweislastverteilung betrifft grundsätzlich Fälle, in denen die Mietsache „durch Mietgebrauch” Schaden erlitten hat. Handelt es sich dagegen um einen Sachverhalt, bei dem sich kein „im Gebrauch” der Mietsache liegendes Risiko verwirklicht hat, greift diese Regelung so nicht ein (vgl. für den Fall der Entwendung der Mietsache BGHZ 116, 278, 289). Etwas anderes läßt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 1990 (IV ZR 342/88 – BGHR BGB § 548 Freizeichnung 1 = WM 92, 1077) herleiten. In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof – da er aus anderen Gründen zur Klageabweisung kam – zu der Streitfrage nicht Stellung genommen, sondern nur in verkürzter Form die seinerzeit im Berufungsurteil geäußerte, auf BGHZ 66, 349 gestützte Rechtsauffassung wiedergegeben. Auch in dieser Entscheidung ging es indessen um einen Brandschaden, dessen Ursache zwar ungeklärt war, der aber jedenfalls in einer Gaststätte durch den Mietgebrauch eingetreten war,
b) Auch in der neueren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird eine Beweislastverteilung zu Ungunsten des Mieters im Anwendungsbereich des § 548 BGB nur dann befürwortet, wenn feststeht, daß die schadenstiftende Handlung in dem durch den Mietgebrauch begrenzten Bereich stattgefunden bat. So hat das Oberlandesgericht München in einem Rechtsstreit zur Überprüfung von Klauseln eines Mustermietvertrages entschieden, der Vermieter müsse beweisen, daß die Schadensursache in dem Bereich gesetzt worden ist, der der Obhut und Sachherrschaft des Mieters unterliegt; hierzu müsse der Vermieter gegebenenfalls die Möglichkeit einer aus seinem eigenen Verantwortungs- und Pflichtenkreis herrührenden Schadensursache ausräumen (NJW-RR 1989, 1499, 1501). Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Rechtsentscheid über Wohnraummiete dazu ausgeführt (NJW 1985, 142), die generelle Beweisbelastung des Mieters für Schaden, die ihre Ursache nicht allein in einem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache haben können, führe zu einer mit den gesetzlichen Pflichten unvereinbaren Risikoverteilung zwischen Vermieter und Mieter; der Vermieter habe insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß von der Heizungs-, Elektro- und Sanitärinstallation des Hauses keine Gefahren für das Mietobjekt ausgehen; gerade bei Brand- und Wasserschaden sei grundsätzlich eine in diesen Verantwortungsbereich des Vermieters fallende Ursache ebenso möglich wie eine solche, die aus dem Pflichtenkreis des Mieters herrühre; eine Beweislast des Mieters komme daher solange nicht in Betracht, wie der Vermieter die Möglichkeit einer in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegenden Schadensursache nicht ausgeräumt habe (aaO 143). Auch das Oberlandesgericht Hamm ist von einer in diesem sinne eingeschränkten Beweislast des Mieters ausgegangen (ZMR 1988, 300, 301), hatte allerdings aufgrund der in jenem Fall erbrachten Beweise keinen Zweifel, daß die Brandursache in einer Bar im Rahmen des Mietgebrauches der Gaststätte entstanden war.
c) Diesen Grundsätzen zur Beweislastverteilung in Fällen ungeklärter Schadensursache stimmt der Senat zu. Sie entsprechen der Pflichtenlage zwischen den Mietvertragsparteien und führen in der Regel zu angemessenen Ergebnissen. Auch in der Literatur wird überwiegend die gleiche Auffassung vertreten (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Miete 6. Aufl. § 548 BGB Rdn. 4; Sternel, Mietrecht 3, Aufl. IV 614; Staudinger/Emmerich BGB 12. Aufl. § 548 Rdn. 16 bis 19; Soergel/Kummer BGB 11. Aufl. § 548 Rdn. 11; Palandt/Putzo BGB 53. Aufl. § 548 Rdn. 4; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht 2. Aufl. § 548 BGB Rdn. 4 und 6; vgl. ferner Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 2. Aufl. III A Rdn. 960, 961; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 6. Aufl. Rdn. 125). Biese Regelung entspricht zudem den Grundsätzen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall gelten, daß Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 1990 – VIII ZR 182/89 – und vom 13. Dezember 1990 – III ZR 336/89 – BGHR BGB vor § 1/Positive Vertragsverletzung, Beweislast 4 und 6 m.w.N.). Ähnliche Grundsätze hat der Bundesgerichtshof zu der Frage entwickelt, wer die Beweislast dafür tragt, daß der Brandschaden an einem der Bundeswehr zur Unterbringung von Soldaten überlassenen Gebäude durch diesen Gebrauch (Manöver) verursacht worden ist; steht fest, daß als Schadensursache – außer verbotswidrigem Umgang mit Feuer – auch ein Defekt an der im Dachboden verlegten elektrischen Leitung in Betracht kommt, so obliegt es dem Geschädigten, jene in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallende Gefahrenquelle als Schadensursache auszuschließen (Urteil vom 3. März 1994 – III ZR 182/92 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
3. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, es sei ungeklärt und könne auch nicht mehr geklärt werden, ob der Schaden durch Mietgebrauch oder durch eine andere, der Klägerin als Vermieterin zuzurechnende Ursache eingetreten sei; es erscheine möglich, daß der Brand infolge Durchzündung eines freiliegend unterhalb der Decke des Baumarktes entlanggeführten Kabels entstanden sei. Das Berufungsgericht hat die entsprechenden Feststellungen und Wertungen des sachverständigen Zeugen T. für ebenso überzeugend angesehen wie die des Sachverständigen R. zur sog. Strahlerursache. Es hat jedoch angenommen, der Kabelbrand als Brandursache könne der Klägerin als Vermieterin nur unter der Voraussetzung zugerechnet werden, daß nicht die Überlastung des Kabels der Beklagten anzulasten wäre; hierzu hat es nähere Ausführungen der Parteien vermißt.
Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß es angesichts der vom Berufungsgericht für überzeugend gehaltenen Darlegungen der Gutachter R. und T. an einer tatsächlichen Grundlage dafür fehlt, der Beklagten einen Mietgebrauch bezüglich der an der Decke des Baumarktes verlegten Kabel zuzuschreiben.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verliefen durch den Kellerraum, in dem der Brand ausgebrochen ist, mehrere Kabel, die mittels sog. Pritschen und Bühnen entlang der Decke angebracht waren. Dabei handelte es sich nach den eigenen Darlegungen der Klägerin in der Berufungsbegründung, die sich insoweit mit der Darstellung der Beklagten decken, nicht ausschließlich um Leitungen, die den Betrieb der Beklagten – etwa die Lichtstrahler und die Antriebsmotoren der Teppichpaternoster – mit elektrischem Strom versorgten, sondern es befanden sich dort Energiekabel auch größeren Querschnitts, die der Stromversorgung anderer (fremder) Betriebe in dem Gesamtkomplex des Parkhauses – z. B. eines Kinos – dienten. Es ist nach den getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen, daß es in einem dieser Fremdkabel durch Isolationsfehler oder Überlastung zu einem Kurzschluß mit Lichtbogenbildung gekommen ist, wodurch der Brand verursacht worden ist. Diese Kabel zur Versorgung anderer Betriebe unterlagen nicht dem Mietgebrauch der Beklagten. Die dem Mieter gemäß § 10 (1) Satz 5 des Mietvertrages obliegende Wartung und Unterhaltung aller technischen Anlagen innerhalb des Mietobjekts erstreckte sich jedenfalls nicht auf derartige Fremdkabel, so daß offenbleiben kann, ob die Beklagte – wie die Klägerin in der Revisionserwiderung geltend gemacht hat – für die Ordnungsmäßigkeit der Stromleitungen zu den von ihr genutzten Strahlern und Motoren verantwortlich wäre.
4. Nach alledem kommt es nicht mehr auf die weiteren Rügen der Revision an, die sich sowohl gegen die Auslegung des § 10 (1) des Mietvertrages durch das Berufungsgericht wie gegen dessen Feststellungen zu der Möglichkeit richten, der Brand könne durch die Entzündung von Staub auf den Teppichrollen infolge der Hitzeentwicklung durch einen Strahler verursacht worden sein. Das Berufungsurteil ist vielmehr schon deshalb aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, weil nicht auszuschließen ist, daß der Brand durch die Entzündung eines Deckenkabels, das nicht dem Mietgebrauch der Beklagten unterlag, entstanden ist und die Klägerin die Folgen dieser Unaufklärbarkeit trägt.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Nonnenkamp, Knauber, Sprick
Fundstellen
Haufe-Index 542458 |
BGHZ |
BGHZ, 124 |
BB 1994, 2028 |
NJW 1994, 2019 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 1027 |
JZ 1995, 310 |