Entscheidungsstichwort (Thema)
Zukünftige Anpassung von Betriebskostenvorauszahlungen auch bei abgelaufener, nicht abgerechneter Abrechnungsperiode
Leitsatz (amtlich)
a) Nach einer Betriebskostenabrechnung ist eine Anpassung der Vorauszahlungen auch dann möglich, wenn bereits die folgende Abrechnungsperiode abgelaufen, aber noch nicht abgerechnet ist.
b) Eine Anpassung von Betriebskostenvorauszahlungen ist nur für die Zukunft möglich.
Normenkette
BGB § 560 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 30.9.2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis Juni 2009 zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Köln vom 15.1.2010 insoweit abgeändert, als der Klägerin für die Monate Januar bis Juni 2009 höhere Nebenkostenvorauszahlungen als je 84,79 EUR nebst Zinsen zugesprochen sind; insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte war bis Ende Juni 2009 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in K.; die Miete betrug zuletzt monatlich 546,84 EUR (432,10 EUR Grundmiete und 114,74 EUR Nebenkostenvorauszahlung). Die Parteien streiten über rückständige Miete und Nebenkosten.
Rz. 2
In einem vorangegangenen Prozess hatten die Parteien am 25.11.2008 einen Räumungsvergleich geschlossen. Dieser sieht u.a. vor, dass die Beklagte auf die Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2007 keine Zahlungen mehr zu leisten hat und dass aus der (noch nicht erstellten) Betriebskostenabrechnung 2007/2008 keine gegenseitigen Ansprüche bestehen sollen. Hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung 2008/2009 legt der Vergleich fest, dass für die Positionen Versicherung und Hausreinigung nur ein Betrag von je 0,14 EUR je m2 und Monat umgelegt werden kann.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 30.12.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie auf der Basis der Abrechnung 2006/2007 und der Vereinbarung zu den Kosten der Versicherung und Hausreinigung die Vorauszahlungen rückwirkend ab 1.6.2008 auf monatlich 84,79 EUR herabsetze und die sich daraus ergebenden Überzahlungen in den nächsten Monaten verrechnen werde. Dementsprechend zahlte die Beklagte für Januar bis März 2009 lediglich die Grundmiete i.H.v. je 432,10 EUR. Für die Monate April bis Juni 2009 minderte sie wegen eines von ihr behaupteten Mangels (zu geringe Öffnungszeiten der Waschküche) die Grundmiete um je 43,10 EUR und zahlte jeweils 473,68 EUR monatlich, davon je 84,79 EUR als Nebenkostenvorauszahlung. Die Zahlung für Juni 2009 erfolgte - nach Rechtshängigkeit - am 8.7.2009.
Rz. 4
Die Klägerin hat Zahlung des Mietrückstands begehrt, der sich bei Zugrundelegung der von ihr verlangten Vorauszahlungen von 114,74 EUR monatlich ergibt, insgesamt 1.037,32 EUR nebst Zinsen. Hinsichtlich des am 8.7.2009 für den Monat Juni 2009 gezahlten Betrages hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache (einseitig) für erledigt erklärt und den Betrag von der Forderung abgesetzt.
Rz. 5
Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision hat zum Teil Erfolg.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 8
Die Beklagte sei zur Zahlung der rückständigen Miete verpflichtet. Zur Minderung sei sie nicht berechtigt, weil sie hinsichtlich des behaupteten Mangels beweisfällig geblieben sei.
Rz. 9
Eine wirksame Kürzung der Nebenkostenvorauszahlungen habe die Beklagte nicht vorgenommen. Eine Anpassung der Vorauszahlungen nach § 560 Abs. 4 BGB könne nur aufgrund der letztmöglichen Abrechnung erfolgen. Hier habe die Beklagte die Anpassung aufgrund der Abrechnung 2006/2007 vorgenommen, obwohl bereits eine Abrechnung der Nebenkosten für 2007/2008 möglich gewesen wäre. Der Beklagten sei es durch den Vergleich vom 25.11.2008 auch nicht verwehrt gewesen, die Klägerin zu dieser Abrechnung anzuhalten und notfalls auch zu verklagen. Eine rückwirkende Kürzung der Vorauszahlungen sei ohnehin nicht möglich.
Rz. 10
In Höhe des Betrages von 473,68 EUR sei eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingetreten. Der Anspruch auf Zahlung der Junimiete sei bei Erhebung der Klage begründet gewesen; ein Zurückbehaltungsrecht wegen der im Vergleich versprochenen Umzugsbeihilfe habe der Beklagten nicht zugestanden, weil diese Verpflichtung noch nicht fällig gewesen sei. Der Vergleich sei dahin auszulegen, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Umzugsbeihilfe nicht vor der Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung habe fällig werden sollen. Nach Ziff. 1 des Vergleichs sei die Wohnung bis spätestens 30.6.2009 zu räumen und nebst den dazugehörigen Schlüsseln herauszugeben gewesen. Wenn somit in Ziff. 3 des Vergleichs von einer Rückgabe der Schlüssel die Rede sei, so gehe aus dem Gesamtkontext hervor, dass damit der Zeitpunkt der Räumungspflicht - 30.6.2009 - gemeint sei.
II.
Rz. 11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rz. 12
1. Die Revision ist unzulässig, soweit das Berufungsgericht ein Recht der Beklagten zur Mietminderung verneint und deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der für die Monate April bis Juni 2009 unter Berufung auf einen behaupteten Mangel einbehaltenen Beträge von je 43,21 EUR bestätigt hat; insoweit fehlt es bereits an einem Angriff der Revision.
Rz. 13
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht in Höhe des für Juni 2009 gezahlten Betrages von 473,68 EUR eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bejaht hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Klägerin die Miete für den Monat Juni im Zeitpunkt der Erhebung der Klage zugestanden habe; ein Zurückbehaltungsrecht wegen der im Vergleich vereinbarten Umzugskostenbeihilfe habe die Beklagte mangels Fälligkeit der Umzugsbeihilfe nicht gehabt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die im Vergleich vorgesehene Umzugskostenhilfe nicht vor der Verpflichtung zur Räumung, also erst zum Ablauf des Monats Juni 2009 fällig werde, ist möglich und daher für das Revisionsgericht bindend; einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.
Rz. 14
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Vorauszahlungen auf der Basis der Abrechnung 2006/2007 unter Berücksichtigung der im Vergleich erfolgten Begrenzung der Kosten für Versicherung und Hausreinigung anzupassen, ist jedoch von Rechtsirrtum beeinflusst.
Rz. 15
a) Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Partei nach einer Abrechnung von Betriebskosten durch Erklärung in Textform eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe verlangen. Dies hat die Beklagte hier mit Schreiben vom 30.12.2008 getan; sie hat dabei - zutreffend - die sich aus der Abrechnung ergebenden Kosten zugrunde gelegt und bezüglich der Kosten für Versicherung und Hausreinigung den im Vergleich festgelegten Höchstbetrag in Ansatz gebracht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Beklagten eine solche Anpassung nicht im Hinblick darauf verwehrt, dass auch der Abrechnungszeitraum 2007/2008 bereits abgelaufen war. Eine Einschränkung des Anpassungsrechts dahin, dass es nur aufgrund der letztmöglichen Abrechnung vorgenommen werden kann, selbst wenn diese noch nicht erstellt ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Rz. 16
Mit der Anpassung der Vorauszahlungen nach einer Abrechnung soll erreicht werden, dass die vom Mieter zu leistenden Abschläge den tatsächlichen Kosten möglichst nahe kommen, so dass weder der Mieter dem Vermieter - durch zu hohe Vorauszahlungen - ein zinsloses Darlehen gewährt noch der Vermieter - angesichts zu niedriger Vorauszahlungen - die Nebenkosten teilweise vorfinanzieren muss. Die Auffassung des Berufungsgerichts würde dazu führen, dass dem Mieter, wenn - wie hier - die letztmögliche Abrechnung noch nicht erstellt ist, eine Anpassung der Vorauszahlungen verwehrt ist und es deshalb bei den aus einer noch weiter zurückliegenden Abrechnungsperiode stammenden und deshalb (noch) weniger realistischen Vorauszahlungen bliebe.
Rz. 17
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnte die Beklagte auch nicht darauf verwiesen werden, die Klägerin zur Abrechnung der Nebenkosten für den Zeitraum 2007/2008 - notfalls im Klagewege - anzuhalten und von einer Anpassung der laufenden Vorauszahlungen bis zur Erstellung dieser Abrechnung abzusehen. Abgesehen davon, dass die Durchsetzung einer Abrechnung auf dem Klageweg regelmäßig einen erheblichen Zeitaufwand erfordert, spricht die Regelung des Vergleichs, dass bezüglich der Nebenkosten 2007/2008 keine gegenseitigen Ansprüche bestehen sollen, gerade dafür, dass die Parteien einvernehmlich davon ausgingen, dass die Klägerin eine Abrechnung für diesen Zeitraum nicht mehr zu erstellen brauchte.
Rz. 18
Allerdings ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass eine Anpassung der Vorauszahlungen nur mit Wirkung für die Zukunft möglich ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 560 Rz. 17; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2011, § 560 Rz. 53; Herrlein/Kandelhard/Both, Mietrecht, 4. Aufl., § 560 Rz. 25; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 560 Rz. 73). Deshalb hatte es bis einschließlich Dezember 2008 mit den noch in bisheriger Höhe geleisteten Vorauszahlungen sein Bewenden und war eine Verrechnung mit den ab Januar 2009 geschuldeten Vorauszahlungen nicht möglich. Die Beklagte hatte somit im Jahr 2009 monatliche Vorauszahlungen i.H.v. 84,79 EUR zu entrichten, die sie für die Monate Januar bis März 2009 nicht gezahlt hat. Weitergehende Vorauszahlungen standen der Klägerin von vornherein nicht zu.
Rz. 19
Hinsichtlich der Vorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2009 hat das Berufungsgericht jedoch den - von Amts wegen zu berücksichtigenden - Umstand nicht beachtet, dass die Abrechnungsfrist für die Periode von Juni 2008 bis Mai 2009 im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (September 2010) bereits abgelaufen war. Nach der Rechtsprechung des Senats steht dem Vermieter ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Vorauszahlungen mehr zu; er kann Nebenkosten nur noch aufgrund einer Abrechnung in der sich daraus ergebenden Höhe verlangen (BGH, Urt. v. 16.6.2010 - VIII ZR 258/09, NZM 2010, 736 Rz. 22). Entgegen der von der Revisionserwiderung unter Berufung auf Schmid (MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 556 Rz. 62) vertretenen Auffassung werden dadurch dem Mieter keine ungerechtfertigten Vorteile aus einem vertragswidrigen Verhalten eingeräumt; vielmehr wird damit lediglich berücksichtigt, dass sich der Vermieter, der den Mieter auf Zahlung von Vorauszahlungen in Anspruch nimmt, obwohl die Abrechnung bereits erstellt ist oder bei fristgemäßer Abrechnung hätte erstellt werden müssen, seinerseits nicht vertragsgetreu verhält.
Rz. 20
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können der Klägerin die insoweit geltend gemachten Beträge deshalb nicht zuerkannt werden.
III.
Rz. 21
Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand, soweit hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die weitergehende Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Rz. 22
Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO), soweit es um den von der Klägerin begehrten Mehrbetrag der Nebenkostenvorauszahlungen nebst Zinsen geht (Differenz zwischen dem von der Klägerin begehrten Betrag von 114,74 EUR und den von der Beklagten angesetzten 84,79 EUR, insgesamt 179,70 EUR). Insoweit bedarf es keiner weiteren Feststellungen und ist das Urteil des AG abzuändern und die Klage abzuweisen.
Rz. 23
Bezüglich des verbleibenden Betrages der Nebenkostenvorauszahlungen (von der Klägerin begehrte Zahlungen i.H.v. je 84,79 EUR für die Monate Januar bis März 2009, insgesamt 254,37 EUR) ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, weil der Klägerin Gelegenheit zur Anpassung ihres Klageantrags unter Berücksichtigung der (in der Revisionsinstanz vorgelegten) Abrechnung für den Zeitraum Juni 2008 bis Mai 2009 zu geben ist und anschließend darüber zu verhandeln sein wird. Insoweit ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen