Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete, Beendigung des Mietverhältnisses. Kündigungsfrist. Mietrechtsreformgesetz. Formularklausel in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag. wörtliche Wiedergabe des alten Gesetzestextes. Anwendung der kurzen dreimonatigen Kündigungsfrist des § 573 c Abs. 1 S. 1 BGB auf Mietverhältnisse, die am 1.9.2001 bereits länger als fünf Jahre bestanden haben. keine einschränkende Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB
Leitsatz (amtlich)
§ 573c Abs. 4 BGB ist auf Formularklauseln in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag, die hinsichtlich der Kündigungsfristen die damalige gesetzliche Regelung wörtlich oder sinngemäß wiedergeben, nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB nicht anzuwenden.
Normenkette
BGB § 573c Abs. 4; EGBGB Art. 229 § 3 Abs. 10
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 11 - v. 19.7.2002 aufgehoben und das Urteil des AG Hamburg, Abteilung 815 B, v. 18.2.2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag v. 2.7.1987 mieteten der Kläger und eine inzwischen ausgeschiedene Mitmieterin von den Rechtsvorgängern der Beklagten ab dem 1.7.1987 eine Wohnung in H. . § 2 des dabei verwendeten Vordrucks hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"§ 2 Mietzeit
1. Das Mietverhältnis beginnt am 1.7.1987.
2. Das Mietverhältnis endet mit Ablauf des Monats, zu dem der Vermieter oder der Mieter die Kündigung ausgesprochen hat. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum ..................... möglich.
Die Kündigungsfrist beträgt für beide Vertragsteile
3 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums bis zu 5 Jahre verstrichen sind,
6 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 5 Jahre verstrichen sind,
9 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 8 Jahre verstrichen sind,
12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 10 Jahre verstrichen sind."
In einem Nachtrag zu dem Mietvertrag vereinbarten die Parteien am 12.1.2001, dass das Mietverhältnis ab dem 1.2.2001 mit dem Kläger als alleinigem Hauptmieter fortgesetzt werde. In dieser Vereinbarung heißt es weiter:
"Alle übrigen Bestimmungen des Vertrages bleiben bestehen, soweit sie nicht durch Zeitablauf überholt sind."
Mit Schreiben v. 5.9.2001 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31.12.2001. Die Beklagten wiesen die Kündigung mit der Begründung als nicht fristgerecht zurück, das Mietverhältnis ende auf Grund der Kündigung erst zum 30.9.2002.
Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass das Mietverhältnis zum 31.12.2001 endet. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt (LG Hamburg, Urt. v. 19.7.2002 - 311 S 53/02, NJW 2002, 3035):
Das Mietverhältnis sei zum 31.12.2001 beendet worden. Die für diesen Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung des Klägers sei wirksam, weil die kurze Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 S. 1 BGB nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB auch für Mietverhältnisse gelte, die am 1.9.2001 bereits länger als fünf Jahre bestanden hätten. Eine dem Mieter nachteilige Vereinbarung längerer Kündigungsfristen sei nach § 573c Abs. 4 BGB unwirksam, sofern nicht die längere Kündigungsfrist vor dem 1.9.2001 "durch Vertrag vereinbart" worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien zu der Übergangsvorschrift ergebe sich, dass die nach § 573c Abs. 4 BGB zwingende Neuregelung der Kündigungsfrist für den Mieter nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/5663) auf vor dem 1.9.2001 geschlossene Mietverträge nur dann keine Anwendung habe finden sollen, wenn die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen in diesen Verträgen "ganz bewusst" getroffen worden sei. Diese Forderung des Rechtsausschusses sei eindeutig und bedeute, dass nur besonders ausgehandelte längere Kündigungsfristen für den Mieter über den 1.9.2001 hinaus Bestand hätten, also Individualvereinbarungen oder im Einzelnen ausgehandelte Formularklauseln. Diese Voraussetzungen für eine Fortgeltung der vertraglichen Kündigungsfristen seien bei dem vorliegenden Formularvertrag, dessen Staffelung der Kündigungsfristen in § 2 Nr. 2 des Vertrages lediglich die gesetzlichen Kündigungsfristen des bisherigen § 565 Abs. 2 BGB a. F. übernehme, nicht erfüllt. Für ein individuelles Aushandeln dieser Kündigungsfristen des Mietvertrages hätten sich hier keine Anhaltspunkte ergeben. Es sei nicht deutlich geworden, dass die Kündigungsfristen bei Vertragsabschluss erörtert und mit eigenständiger Bedeutung behandelt worden seien.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
Die Kündigung des Klägers v. 5.9.2001 beendete das Mietverhältnis nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bereits zum 31.12.2001, sondern erst zum 30.9.2002. Nach § 2 Nr. 2 des Mietvertrages v. 2.7.1987 betrug die Kündigungsfrist für beide Vertragsteile zwölf Monate, weil seit der Überlassung des Wohnraums mehr als zehn Jahre vergangen waren. Diese Formularklausel ist nicht nach § 573c Abs. 4 BGB deshalb unwirksam, weil die aus dem Vertrag sich ergebende Kündigungsfrist von der Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB zum Nachteil des Mieters abweicht. Denn § 573c Abs. 4 BGB findet nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Kündigungsfristen in § 2 Nr. 2 des Mietvertrages vor dem 1.9.2001 durch Vertrag vereinbart worden sind. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass § 573c Abs. 4 BGB auf Formularklauseln in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag, die - wie hier - hinsichtlich der Kündigungsfristen die damalige gesetzliche Regelung des § 565 Abs. 2 BGB a. F. sinngemäß wiedergeben, anzuwenden wäre.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die in § 573c Abs. 1 BGB bestimmten Fristen für die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum, die durch das am 1.9.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) v. 19.6.2001 (BGBl. I, 1149) gegenüber § 565 Abs. 2 BGB a. F. geändert worden sind, grundsätzlich auch für Mietverhältnisse gelten, die vor dem In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes eingegangen wurden, wenn die ordentliche Kündigung - wie hier - nicht vor dem 1.9.2001 zugegangen ist. Dies ergibt sich aus der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, nach der die bisherigen gesetzlichen Vorschriften - u. a. § 565 BGB a. F. - nur im Falle einer vor dem 1.9.2001 zugegangenen Kündigung weiter anzuwenden sind.
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Neuregelung der Kündigungsfristen insoweit zwingend ist, als zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 und 3 BGB abweichende Vereinbarungen über die Kündigungsfristen unwirksam sind (§ 573c Abs. 4 BGB). Die in § 2 des vorliegenden Mietvertrages bestimmten Kündigungsfristen weichen zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 BGB dann ab, wenn seit der Überlassung des Wohnraums fünf Jahre oder mehr vergangen sind. In diesem Fall gelten nach dem Mietvertrag - entsprechend der früheren gesetzlichen Regelung (§ 565 Abs. 2 BGB a. F.) - für eine Kündigung des Mieters nach Vertragsdauer gestaffelte Fristen, welche die in § 573c Abs. 1 S. 1 BGB für eine Kündigung des Mieters einheitlich bestimmte Frist von drei Monaten ab einem Zeitraum von fünf Jahren zwischen der Überlassung des Wohnraums und der Kündigung übersteigen. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung nach § 573c Abs. 4 BGB zwar erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 573c Abs. 4 BGB jedoch nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil die zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 abweichenden Kündigungsfristen in § 2 Nr. 2 des Mietvertrages v. 2.7.1987 vor dem 1.9.2001 "durch Vertrag vereinbart" worden sind.
3. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und den dazu bislang veröffentlichten Stellungnahmen (Nachweise bei Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 573c Rz. 3 und Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573c BGB Fn. 37) ist allerdings umstritten, ob eine Formularklausel der hier vorliegenden Art in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag, die von der früheren gesetzlichen Regelung der Kündigungsfristen in § 565 Abs. 2 BGB a. F. nicht abweicht, sondern die damaligen gesetzlichen Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergibt, seit dem In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes nach § 573c Abs. 4 BGB unwirksam ist oder ob auf eine solche Formularklausel § 573c Abs. 4 BGB nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB nicht anzuwenden ist.
Nach Auffassung des Senats ist eine Formularklausel in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag, die hinsichtlich der Kündigungsfristen die damalige gesetzliche Regelung wörtlich oder sinngemäß wiedergibt, i. S. d. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB "durch Vertrag vereinbart" worden und damit nicht nach § 573c Abs. 4 BGB unwirksam. Der Ansicht des Berufungsgerichts, Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB sei einschränkend dahin auszulegen, dass § 573c Abs. 4 BGB nur dann nicht eingreife, wenn eine Individualabrede über die Kündigungsfristen vorliege oder wenn - im Falle einer formularvertraglichen Wiedergabe früherer gesetzlicher Kündigungsfristen - die Parteien die Formularklausel besonders erörtert und ausgehandelt hätten, kann nicht gefolgt werden.
a) Die Bedeutung der Formulierung "durch Vertrag vereinbart" in Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb unklar, weil sie sprachlich eine Verdoppelung ("Vertrag", "Vereinbarung") enthält. Aus dem Sinnzusammenhang des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ergibt sich, dass mit der Formulierung "durch Vertrag vereinbart" gemeint ist: "durch Mietvertrag vereinbart". Zu mietvertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen gehören nicht nur Individualabreden, sondern auch vorformulierte Vertragsbestimmungen über Kündigungsfristen. Auch derartige Formularklauseln in einem Mietvertrag sind Gegenstand vertraglicher Vereinbarung. Dies gilt nicht nur, wenn sie von einer gesetzlichen Regelung abweichen, sondern jedenfalls auch dann, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - die bei Vertragsschluss geltende, teilweise dispositive gesetzliche Regelung der Fristen für eine ordentliche Kündigung wörtlich oder sinngemäß wiedergeben und dadurch in den Parteiwillen aufnehmen (arg. § 307 Abs. 3 BGB, früher § 8 AGBGB; vgl. auch KG WuM 1998, 149 zu einer formularvertraglichen Vereinbarung der - zwingenden - gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 120 Abs. 2 ZGB DDR). Dispositive gesetzliche Kündigungsfristen, die Gegenstand vertraglicher Vereinbarung werden, erhalten dadurch - unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Individual- oder Formularvereinbarung handelt - einen von der gesetzlichen Regelung losgelösten, vertraglichen Geltungsgrund.
b) Auch aus dem sachlichen Zusammenhang von Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB mit § 573c Abs. 4 BGB ergibt sich, dass alle vertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen von der Übergangsvorschrift erfasst werden, unabhängig davon, ob es sich um Individualabreden oder Formularklauseln handelt. Indem die Übergangsvorschrift die Anwendung des § 573c Abs. 4 BGB auf einen zeitlich eingegrenzten Kreis mietvertraglicher Vereinbarungen über die Kündigungsfristen beschränkt, setzt Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB voraus, dass die betreffenden Vereinbarungen unter § 573c Abs. 4 BGB fallen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen in beiden Vorschriften sind insoweit die Gleichen. § 573c Abs. 4 BGB bezieht sich auch - und gerade - auf von § 573c Abs. 1 und 3 BGB abweichende Klauseln in Formularmietverträgen. Für die Übergangsvorschrift, die den Eintritt der Rechtsfolge des § 573c Abs. 4 BGB auf nach dem In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes abgeschlossene Vereinbarungen beschränkt, gilt nichts Anderes. Auch in Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB geht es ebenso wie in § 573c Abs. 4 BGB sowohl um individualvertragliche als auch um formularvertragliche Vereinbarungen von Kündigungsfristen, die zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 573c Abs. 1 und 3 BGB abweichen.
c) Der Auffassung des Senats steht nicht entgegen, dass der Rechtsausschuss des Bundestages die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB anders verstanden wissen wollte, als es ihrem Wortlaut und ihrem sachlichen Zusammenhang mit § 573c Abs. 4 BGB entspricht. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses soll Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB - anders als § 573c Abs. 4 BGB - nicht alle mietvertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen, die zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 und 3 BGB abweichen, erfassen, sondern nur dann eingreifen, wenn Kündigungsfristen "tatsächlich vereinbart worden sind, ihnen also von den Parteien eine besondere eigenständige (konstitutive) Bedeutung zugemessen wurde" (BT-Drucks. 14/5663, 83). Nur - in diesem Sinn - "echte" Vereinbarungen sollen nach der Vorstellung des Rechtsausschusses aus Vertrauensschutzgründen respektiert und von einer rückwirkenden Nichtigkeit nach § 573c Abs. 4 BGB verschont bleiben (BT-Drucks. 14/5663, 83). Dagegen soll die Rechtsfolge des § 573c Abs. 4 BGB auf vor dem 1.9.2001 abgeschlossene Mietverträge i. d. R. anzuwenden sein, wenn diese im Rahmen einer Formularklausel den Wortlaut der bisherigen gesetzlichen Regelung der Kündigungsfristen nur wiederholt hätten und damit von der Neuregelung in § 573c BGB zum Nachteil des Mieters abwichen (BT-Drucks. 14/5663, 83).
Die Auffassung des Rechtsausschusses über die von ihm als sachgerecht angesehene Begrenzung des Vertrauensschutzes auf "echte" Vereinbarungen über die Kündigungsfristen in Altverträgen rechtfertigt es jedoch nicht, Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB einschränkend dahin auszulegen, dass die Übergangsvorschrift auf die "Mehrzahl der Formularverträge", wie es dem Rechtsausschuss vorgeschwebt hat, nicht anzuwenden wäre, sodass diese Verträge von der Nichtigkeitsfolge des § 573c Abs. 4 BGB erfasst würden. Eine Differenzierung zwischen "echten" und "unechten" Vereinbarungen i. S. d. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wird in der Gesetz gewordenen Formulierung der Übergangsvorschrift und in § 573c Abs. 4 BGB, auf den Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB Bezug nimmt, nicht vorgenommen. Eine Begrenzung des Vertrauensschutzes gegenüber einer (unechten) Rückwirkung des § 573c Abs. 4 BGB auf die vom Rechtsausschuss genannten Vereinbarungen würde darüber hinaus die Rechtssicherheit beeinträchtigen und damit das auch vom Rechtsausschuss hervorgehobene Ziel der Mietrechtsreform verfehlen, durch eine verständliche und transparente Gestaltung des Mietrechts dem Rechtsfrieden zu dienen (BT-Drucks. 14/5663, 2).
aa) Nach dem Wortlaut des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB und dem sachlichen Zusammenhang der Übergangsvorschrift mit § 573c Abs. 4 BGB erstreckt sich der Vertrauensschutz gegenüber einer (unechten) Rückwirkung des § 573c Abs. 4 BGB - wie dargelegt - auf alle vor dem 1.9.2001 getroffenen mietvertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen, die zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 und 3 BGB abweichen. Ein uneingeschränkter Bestandsschutz solcher Vereinbarungen - seien es nun Individualabreden oder formularvertragliche Klauseln - entsprach auch der Zielsetzung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Mietrechtsreformgesetz. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird darauf hingewiesen, dass Übergangsvorschriften aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit erforderlich seien, weil Mietverhältnisse zum Teil schon lange vor dem In-Kraft-Treten des neuen Rechts bestanden hätten und Mieter und Vermieter sich auf die bis zu diesem Zeitpunkt geltende alte Rechtslage eingestellt und den Vertrag dementsprechend ausgestaltet hätten (BT-Drucks. 14/4553, 75). Insbesondere wird zu der Übergangsvorschrift für die Fortgeltung vertraglich geregelter Kündigungsfristen ausgeführt, durch die Regelung werde "aus Gründen des Vertrauensschutzes sichergestellt, dass vor dem In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes wirksam vereinbarte Kündigungsfristen auch zukünftig wirksam bleiben" (BT-Drucks. 14/4553, 77). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellte damit allein auf die Wirksamkeit früherer vertraglicher Vereinbarungen über Kündigungsfristen ab, ohne zwischen "echten" und "unechten" Vereinbarungen zu unterscheiden.
Der Rechtsausschuss hat der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung der Übergangsvorschrift ohne Änderungsvorschlag zugestimmt. Er hat zwar der Übergangsvorschrift einen vom RegE abweichenden Sinn verleihen wollen, von einer entsprechenden Änderungsempfehlung aber abgesehen. Dem Rechtsausschuss sind Bedenken, ob sein Verständnis der Übergangsvorschrift in der Bestimmung selbst zum Ausdruck kommt, durchaus bewusst gewesen. Er hat "zunächst erwogen, eine entsprechende Klarstellung im Gesetz vorzunehmen" (BT-Drucks. 14/5663, 83). Wenn der Rechtsausschuss gleichwohl eine Klarstellung "im Ergebnis" für nicht erforderlich gehalten hat, weil sich bereits aus dem Wortlaut der Übergangsvorschrift ausreichend ergebe, dass diese auf die Mehrzahl der Formularverträge keine Anwendung finden dürfte, so stellt dies eine sachlich unzutreffende und die Rechtsanwendung nicht bindende Auffassung über die rechtliche Bedeutung der Formulierung "durch Vertrag vereinbart" dar. Ein Ausschluss von mietvertraglichen Formularklauseln, welche die früheren gesetzlichen Kündigungsfristen wiedergeben, ist daraus nicht herzuleiten. Auch solche Formularklauseln in Mietverträgen stellen - wie dargelegt - vertragliche Vereinbarungen im Rechtssinn dar und enthalten entgegen der Auffassung des Rechtsausschusses keine bloße Information über die gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Vorstellungen des Rechtsausschusses über eine gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs der Übergangsvorschrift hätten rechtliche Wirkung nur erlangen können, wenn der Rechtsausschuss eine dafür erforderliche Änderungsempfehlung ausgesprochen hätte und die Übergangsvorschrift in entsprechend geänderter Fassung Gesetz geworden wäre.
bb) Hinzu kommt, dass einer Differenzierung zwischen "echten" und "unechten" Vereinbarungen bei der Anwendung der Übergangsvorschrift das Gebot der Rechtssicherheit entgegensteht, das vom Rechtsausschuss in seinen Ausführungen zur Übergangsvorschrift nicht angesprochen und berücksichtigt wird. Die vom Rechtsausschuss vorgenommene - dem Zivilrecht unbekannte - Unterscheidung zwischen "echten" und "unechten" Vereinbarungen hätte erhebliche Rechtsunsicherheit über den Fortbestand der in Altverträgen geregelten Kündigungsfristen zur Folge und würde damit das im Gesetzentwurf der Bundesregierung und auch in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses hervorgehobene Ziel der Mietrechtsreform gefährden, die Rechtslage für Mieter und Vermieter klar und transparent zu gestalten und dadurch die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden zu fördern (BT-Drucks. 14/4553, 1; BT-Drucks. 14/5663, 2). Eine Übergangsvorschrift hat die Aufgabe, eine klare Regelung darüber zu treffen, für welche Sachverhalte das neue Recht gilt und für welche es nicht gelten soll. Dementsprechend ist in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu den Übergangsvorschriften für die Mietrechtsreform ausgeführt, sie verfolgten "das gleiche Ziel wie die Mietrechtsreform, nämlich im Interesse von Mietern und Vermietern leicht verständlich und praktikabel zu sein" (BT-Drucks. 14/4553, 75). Diese Zielsetzung, die sich auch der Rechtsausschuss zu Eigen gemacht hat (BT-Drucks. 14/5663, 2), würde verfehlt, wenn der Anwendungsbereich des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB und damit die Frist für die Kündigung eines vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrages durch den Mieter von den vom Rechtsausschuss für maßgeblich gehaltenen tatsächlichen Umständen abhinge.
Die vom Rechtsausschuss vorgenommene Unterscheidung zwischen "echten" und "unechten" Vereinbarungen würde die Notwendigkeit nach sich ziehen, die tatsächlichen Umstände des lange zurückliegenden Vertragsschlusses aufzuklären. Von diesen Umständen sollte es nach den Ausführungen des Rechtsausschusses abhängen, ob Formularklauseln in Altverträgen, die den Wortlaut der früheren gesetzlichen Regelung (§ 565 Abs. 2 BGB a. F.) wiederholen, nach § 573c Abs. 4 BGB unwirksam sind oder von dieser Rechtsfolge nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB verschont bleiben. Es müsste aufgeklärt werden, ob der Formularklausel in dem Mietvertrag von den Parteien bei Vertragsschluss "eine besondere eigenständige (konstitutive) Bedeutung zugemessen" worden war (BT-Drucks. 14/5663, 83). Dies wiederum soll davon abhängen, ob "sich aus dem Vertragskontext oder sonstigen Umständen bei Vertragsschluss ergibt, dass die Parteien ein besonderes Interesse an der Geltung der gesetzlichen Fristen hatten und gerade vor diesem Hintergrund diese Regelung ganz bewusst getroffen haben" oder ob "die Parteien den Gesetzeswortlaut lediglich der Vollständigkeit halber zur bloßen Information über die bestehende Rechtslage im Vertragstext wiedergegeben haben" (BT-Drucks. 14/5663, 83). Darüber müssten sich die Mietvertragsparteien zur Ermittlung der Frist für die Kündigung eines Mieters schon bei Ausspruch oder Entgegennahme einer solchen Kündigung Gewissheit zu verschaffen versuchen. Mietvertragsparteien ohne entsprechende Gesetzeskenntnisse würden jedoch kaum beurteilen können, ob in ihrem Fall die in den Vertrag aufgenommene frühere gesetzliche Kündigungsfrist gilt oder die der neuen gesetzlichen Regelung in § 573c Abs. 1 BGB.
Die mit der Mietrechtsreform verknüpfte Erwartung, Mieter und Vermieter würden durch die Mietrechtsreform "in die Lage versetzt, ihre wesentlichen Rechte und Pflichten auch ohne fachlichen Beistand unmittelbar aus dem Gesetz entnehmen zu können" (BT-Drucks. 14/4553, 1), wäre nicht zu verwirklichen, wenn die Ermittlung der Frist für die Kündigung eines Altvertrages durch den Mieter mit der Notwendigkeit einer aufwändigen Aufklärung der tatsächlichen Umstände des lange zurückliegenden Vertragsschlusses belastet wäre. Im Übrigen wäre es in einem Streitfall wenig aussichtsreich, nach langer Zeit tatsächliche Umstände des Vertragsschlusses aufzuklären, auf die es damals nicht ankam und die deshalb von keiner Vertragspartei für spätere Beweiszwecke dokumentiert wurden.
Eine Auslegung der Übergangsvorschrift i. S. d. Vorstellungen des Rechtsausschusses würde deshalb Ungewissheit über die Wirksamkeit einer vom Mieter beabsichtigten oder ausgesprochenen Kündigung schaffen und damit Streit über eine solche Kündigung herausfordern. Die auch vom Rechtsausschuss hervorgehobene Zielsetzung der Mietrechtsreform, dem Rechtsfrieden zu dienen (BT-Drucks. 14/5663, 2), erfordert es, die Nichtigkeitsfolge des § 573c Abs. 4 BGB - wie es dem Wortlaut der Übergangsvorschrift, ihrem sachlichen Zusammenhang mit § 573c Abs. 4 BGB, der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und dem Gebot der Rechtssicherheit entspricht - auf vor dem In-Kraft-Treten der Mietrechtsreform getroffene Vereinbarungen über Kündigungsfristen auch dann nicht rückwirkend anzuwenden, wenn es sich dabei um Formularklauseln handelt, in denen die Geltung der früheren gesetzlichen Kündigungsfristen wirksam vereinbart worden war. Der Mieter wird nicht unzumutbar dadurch belastet, dass er grundsätzlich an den vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen festgehalten wird. Er hat - wie schon nach bisherigem Recht (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 7. Aufl., Nach § 564 BGB Rz. 10) - in den vom Rechtsausschuss angesprochenen Härtefällen einen Anspruch auf vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages, wenn er einen Ersatzmieter stellt.
Fundstellen
Haufe-Index 965170 |
BGHZ 2004, 178 |
DB 2003, 2773 |
NJW 2003, 2739 |
BGHR 2003, 1056 |
DWW 2003, 226 |
DNotI-Report 2003, 164 |
EWiR 2004, 103 |
IBR 2003, 455 |
JR 2004, 149 |
JurBüro 2003, 613 |
NZM 2003, 711 |
WM 2003, 2145 |
ZAP 2003, 1041 |
ZIP 2003, 1547 |
ZMR 2003, 655 |
MDR 2003, 1106 |
WuM 2003, 505 |
MietRB 2003, 32 |
MK 2003, 145 |