Leitsatz (amtlich)
a) Die mit der Einleitung eines Güteverfahrens verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt sich, wenn der Streitgegenstand der Schadensersatzklage eines Anlegers hinreichend individualisiert ist, die Hemmungswirkung auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler und nicht nur auf solche Pflichtverletzungen, die der Anleger zur Begründung seines Schadensersatzbegehrens im Güteantrag aufgeführt hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.10.2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 und Beschl. v. 21.10.2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1).
b) Zu den Anforderungen an die erforderliche Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs in einem Güteantrag nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.
c) Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist.
Normenkette
BGB § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 26.05.2014; Aktenzeichen 11 U 15/14) |
LG Hannover (Entscheidung vom 12.12.2013; Aktenzeichen 8 O 107/13) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Celle vom 26.5.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger nehmen die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Auf Empfehlung der für die Beklagte tätigen Mitarbeiter R. H., T. J. und A. C. zeichneten die Kläger am 27./28.12.2001 eine Beteiligung als mittelbare Kommanditisten an der Falk Beteiligungsgesellschaft 75 GmbH & Co. KG (im Folgenden: F. -Fonds 75), einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage i.H.v. 35.000 EUR zzgl. 1.750 EUR (= 5 %) Agio. Diese Kapitalanlage finanzierten die Kläger mit einem Darlehen der B. Bank AG.
Rz. 3
Die Kläger haben geltend gemacht, es sei ein Anlageberatungsvertrag mit der Beklagten zustande gekommen und sie seien von den Mitarbeitern der Beklagten nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Sie haben vorgetragen, sie hätten eine sichere Anlage gewünscht und seien über den unternehmerischen Charakter der Beteiligung, das Totalverlustrisiko, die stark eingeschränkte Fungibilität, die Nachhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB und Vertriebsprovisionen von insgesamt 19 % (14 % zzgl. 5 % Agio) nicht aufgeklärt worden. Der Emissionsprospekt sei ihnen nicht übergeben worden, auch kein Prospekt für den F. -Fonds 74. Der Prospekt sei überdies mängelbehaftet, da das Agio darin fehlerhaft dargestellt werde. Mit Schriftsatz vom 8.11.2013 haben sie sodann mitgeteilt, dass mit der vorliegenden Klage lediglich Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Falschaufklärung über Provisionen geltend gemacht würden.
Rz. 4
Die Beklagte ist den Beratungsfehlervorwürfen der Kläger entgegen getreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
Rz. 5
Am 23.12.2011 reichten die Kläger bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts und Mediators F. X. R. in F. im Br. einen Güteantrag ein. Der Antrag der Kläger, der von ihren vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten im Internet als "Mustergüteantrag" für Kunden der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (Allgemeiner Wirtschaftsdienst Gesellschaft für Wirtschaftsberatung und Finanzbetreuung mbH) bereitgestellt worden war, enthält folgende "Musterbegründung", wobei jeweils die Singularform (ich, mir) durchgestrichen ist:
"Ich/wir mache/n Ansprüche auf Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung geltend. Hintergrund ist die Beteiligung am Immobilienfonds F. Beteiligungsgesellschaft 75 GmbH & Co. KG (F. -Fonds Nr. 75). Ich/wir erwarb/en Anteile an diesem geschlossenen Immobilienfonds. Ich/wir habe/n Anspruch dahin, so gestellt zu werden, als hätte/n ich/wir die Beteiligung nie getätigt. Die Antragsgegnerin war bei dieser Beteiligung als Anlagevermittler und -berater tätig. Die Beratung wurde von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin vorgenommen. Mir/uns wurde der oben genannte Immobilienfonds vorgestellt und mir/uns suggeriert, es handele sich um eine sichere und gewinnbringende Anlage. Nicht erläutert wurden die Risiken und Nachteile einer Beteiligung an diesem Immobilienfonds. Auch die Verwendung des Prospektes im Beratungsgespräch führt nicht zu einer umfassenden Aufklärung der Antragstellerpartei, da der Prospekt selbst keine ausreichenden Risikohinweise enthält. Der Emissionsprospekt zur Fondsbeteiligung ist in mehreren Punkten fehlerhaft und es fehlt die Aufklärung über die Risiken der Fondskonzeption. Die Antragsgegnerin haftet auch für die Prospektfehler auf Schadensersatz, da sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Aus diesen Beratungsfehlern resultieren die Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin aus dem mit mir/uns geschlossenen Anlageberatungsvertrag. Darüber hinaus wurde/n ich/wir von der Antragsgegnerin auch nicht darüber aufgeklärt, ob und in welcher Höhe diese oder der Berater Provisionen erhalten hat. Der AWD-Konzern hat für die Vermittlung von F. -Gesellschaftsbeteiligungen Provisionen von über 15 % von der F. -Gruppe erhalten. Im Beratungsgespräch ist das Thema Provision nicht angesprochen worden. Auch im Prospekt findet sich hierzu keine klare Angabe. Ein Anlageberater, der Fondsanteile empfiehlt, muss seinen Kunden darauf hinweisen, wenn er Provisionen in dieser Höhe für die Vermittlung dieser Beteiligungen erhält. Das ist vorliegend nicht passiert. Danach war die Antragsgegnerin aufgrund des mit mir/uns geschlossenen Beratungsvertrags verpflichtet, über die Rückvergütungen aufzuklären und so den hieraus resultierenden Interessenkonflikt offen zu legen. Auch dies stellt eine Pflichtverletzung des mit mir/uns geschlossenen Beratervertrages dar. Ich/wir strebe/n eine gütliche Einigung mit der Antragsgegnerin an. Es wird deshalb gebeten und beantragt, die beigefügte Mehrfertigung des Güteantrags der Antragsgegnerin mit der Aufforderung zuzustellen, dem Güteverfahren beizutreten."
Rz. 6
Das verwendete Antragsformular schließt mit dem Hinweis ab: "Mustergüteantrag bereitgestellt von Kanzlei H. & Hä. -H., E.".
Rz. 7
Die Beklagte wurde von Seiten der Gütestelle schriftlich unterrichtet. Nachdem die Beklagte hierauf nicht geantwortet hatte, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 8.11.2012 den Klägern gegenüber das Scheitern des Verfahrens fest. Mit Eingang vom 22.4.2013, der Beklagten zugestellt am 6.5.2013, haben die Kläger bei dem LG Klage eingereicht.
Rz. 8
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch ebenso wie das LG als verjährt angesehen und hierzu ausgeführt:
Rz. 11
Die kenntnisunabhängige (mit Ablauf des 2.1.2012 endende) Verjährungsfrist sei durch den Güteantrag der Kläger nicht gehemmt worden. Die Hemmungswirkung des Güteantrags erstrecke sich nur auf die darin konkret bezeichneten Beratungspflichtverletzungen. Nicht nur für den Beginn der Verjährungsfrist, sondern auch für ihre Hemmung müsse nach den einzelnen Beratungsfehlervorwürfen unterschieden werden, die jeweils eigenständige Ansprüche darstellten. Dementsprechend sei es erforderlich, dass aus Sicht des Anspruchsgegners erkennbar sei, aufgrund welcher einzeln zu beurteilenden Pflichtverletzungen der maßgebliche Antrag gestellt werde. Hinsichtlich der an die Beklagte gezahlten Provisionen werde im Güteantrag der Kläger allein die Höhe der erhaltenen Provisionen (mehr als 15 %) genannt; die insoweit einzig relevante Frage, ob es infolge dieser Zahlungen zu einem Abfluss von mehr als 15 % aus dem Fondsvermögen gekommen sei, werde indes nicht angesprochen. Die Rüge fehlerhafter Prospektangaben zum Agio sei erstmals in der Klageschrift - die erst mehr als ein Jahr nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht wurde - enthalten.
II.
Rz. 12
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision ist gleichwohl als unbegründet zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
Rz. 13
1. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Güteantrag der Kläger die Hemmung der Verjährung nur für die darin eigens erwähnten Pflichtverletzungsvorwürfe bewirken konnte.
Rz. 14
a) Zwar ist die Verjährung mehrerer eigenständiger und hinreichend deutlich voneinander abgrenzbarer Pflichtverletzungsvorwürfe in Anlageberatungsfällen materiell-rechtlich selbständig zu beurteilen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden dieser Beratungsfehler gesondert, so dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (s. BGH, Urt. v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506, 507 Rz. 17; v. 23.6.2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, 373 Rz. 14; BGH, Urt. v. 19.11.2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 119 f Rz. 15; v. 22.7.2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623, 1624 Rz. 13; v. 24.3.2011 - III ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842, 843 Rz. 11; v. 7.7.2011 - III ZR 90/10, NJOZ 2011, 2087, 2088 Rz. 15; vom 22.9.2011 - III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111, 112 f Rz. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.10.2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294, 302 f Rz. 24 und XI ZR 57/12, BeckRS 2013, 20081 Rz. 26 sowie Beschl. v. 21.10.2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1, 59 Rz. 142). Die verjährungsrechtlich gesonderte Prüfung mehrerer Pflichtverletzungen setzt nicht voraus, dass jede dieser Pflichtverletzungen eigenständige oder zusätzliche Schadensfolgen nach sich gezogen hat. Es genügt vielmehr, dass mehrere (voneinander abgrenzbare) Pflichtverletzungen zum Gesamtschaden beigetragen haben und ein Schadensersatzanspruch auf mehrere (voneinander abgrenzbare) Fehler gestützt wird (s. Senatsurteile vom 7.7.2011, a.a.O., S. 2088 f Rz. 15 und vom 22.9.2011, a.a.O., S. 113 Rz. 9).
Rz. 15
b) Die Reichweite der Hemmungswirkung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen gem. § 204 Abs. 1 BGB beurteilt sich jedoch - ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO - nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitgegenstand bildenden prozessualen Anspruch. Dieser erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des Rechtsschutzbegehrens aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in Anlageberatungsfällen folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer Anlageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2013 - XI ZR 42/12, a.a.O., S. 298 ff. Rz. 15 ff. und XI ZR 57/12, a.a.O., Rz. 15 ff. sowie Beschluss vom 21.10.2014, a.a.O., S. 59 ff. Rz. 142 ff.; s. auch BGH, Urt. v. 26.6.1996 - XII ZR 38/95, NJW-RR 1996, 1409 f [zu § 209 Abs. 1 BGB a.F.] und Senatsbeschluss v. 26.2.2015 - III ZR 53/14, BeckRS 2015, 04823 Rz. 1). Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird (s. BGH, Beschl. v. 21.10.2014, a.a.O., S. 60 f Rz. 145 f.; s. auch Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt WM 2014, 2361 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 4.2.2015 - 3 U 126/13, BeckRS 2015, 06046 Rz. 29; Grüneberg, WM 2014, 1109, 1111 f.; a.A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.2013 - I-6 U 84/12, BeckRS 2013, 09015; OLG Bamberg, BKR 2014, 334, 335 f Rz. 33 ff., 43, 47; OLG Karlsruhe WM 2015, 474, 476; s. auch Duchstein, NJW 2014, 342, 345). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.
Rz. 16
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klageforderung ist wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt (§ 214 Abs. 1 BGB), weil der Güteantrag der Kläger mangels ausreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs keine Hemmung der Verjährungsfrist nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 4, 209 BGB herbeigeführt hat.
Rz. 17
a) Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.10.2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, 57 Rz. 17, 19; v. 10.10.2013 - VII ZR 155/11, NJW 2013, 3509, 3510 Rz. 17 m.w.N. sowie Senatsbeschluss vom 26.2.2015, a.a.O., Rz. 2 [jeweils für Mahnbescheid]).
Rz. 18
b) Der Regelung des § 204 BGB liegt das Prinzip zugrunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht; der Gläubiger muss dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klar machen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden (BGH, Urt. v. 6.7.1993 - VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 343 m.w.N. [zu § 209 BGB a.F.]). Entscheidend ist mithin, ob die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung die geforderte Warnfunktion erfüllt (Grothe in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 204 Rz. 36; s. auch OLG Hamm, Urt. v. 4.12.2014 - 34 U 30/14, BeckRS 2015, 03463 Rz. 53). Der Anspruchsgegner muss erkennen können, "worum es geht".
Rz. 19
c) Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnantrag (Mahnbescheid; § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st.Rspr.; s. etwa BGH, Urt. v. 23.1.2008 - VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220 f Rz. 13 m.w.N.; vom 21.10.2008, a.a.O., Rz. 18; v. 23.9.2008 - XI ZR 253/07, NJW-RR 2009, 544 Rz. 18; v. 17.11.2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rz. 9 und vom 10.10.2013, a.a.O., Rz. 14).
Rz. 20
d) Diese den Mahnantrag (Mahnbescheid) betreffenden Erwägungen gelten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Güteverfahrens auch für die Verjährungshemmung durch Bekanntgabe des Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB; s. OLG Hamm WM 2015, 611, 613; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.7.2014 - 17 U 172/13, BeckRS 2014, 15969 Rz. 25 f und WM 2014, 2361, 2362; OLG Karlsruhe WM 2015, 474, 475; KG, Urt. v. 8.1.2015 - 8 U 141/13, BeckRS 2015, 03316 Rz. 46 f.; Grüneberg, WM 2014, 1109, 1111 f.).
Rz. 21
aa) Der Güteantrag muss zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden (s. etwa BGH, Urt. v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rz. 12 sowie v. 22.2.2008 - V ZR 86/07, BeckRS 2008, 04680 Rz. 10 und V ZR 87/07, BeckRS 2008, 04681 Rz. 10; s. ferner OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., Rz. 26 und WM 2014, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2014 - 9a U 12/14, BeckRS 2015, 08433 Rz. 56; KG, a.a.O., Rz. 47).
Rz. 22
bb) Zum anderen muss der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte (s. OLG Dresden, Beschl. v. 6.2.2014 - 5 U 1320/13, BeckRS 2014, 15965 Rz. 12; OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., und WM 2014, a.a.O.; OLG Karlsruhe, WM 2015, a.a.O., und Urteil vom 30.12.2014, a.a.O., Rz. 55; KG, a.a.O., Rz. 47, 50; Duchstein, NJW 2014, 342, 343, 344).
Rz. 23
Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen (OLG Hamm, Urteil vom 4.12.2014, a.a.O., Rz. 53; Grothe in MünchKomm/BGB, a.a.O.). Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2009 - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284, 287 Rz. 13; OLG München, Urt. v. 6.11.2013 - 20 U 2064/13, BeckRS 2013, 19644 unter II 5; OLG Hamm, Urteil vom 4.12.2014, a.a.O., und WM 2015, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O., Rz. 13; OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., und WM 2014, a.a.O.; OLG Karlsruhe, WM 2015, a.a.O.; KG, a.a.O., Rz. 47; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB [2014], § 204 Rz. 61).
Rz. 24
Freilich sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt - anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren - auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren (s. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., Rz. 28; OLG Karlsruhe WM 2015, 474, 475 f.; Duchstein, a.a.O., S. 344). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss (vgl. OLG Karlsruhe WM 2015, 474, 476; Duchstein, a.a.O., S. 343).
Rz. 25
e) Zufolge dieser Grundsätze hat der Güteantrag in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 4.12.2014, a.a.O., Rz. 55 f und WM 2015, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O., Rz. 15 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., Rz. 29 und WM 2014, a.a.O.; OLG Karlsruhe WM 2015, 474, 476; KG, a.a.O., Rz. 50 f.; Duchstein, a.a.O., S. 344; abweichend wohl OLG Stuttgart, Urteil vom 4.2.2015, a.a.O., Rz. 27). Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (so auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., Rz. 28; OLG Karlsruhe, WM 2015, 474, 475 f und Urteil vom 30.12.2014, a.a.O., Rz. 58; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Brandenburg, Urt. v. 4.3.2015 - 4 U 46/14, juris Rz. 39; Duchstein, a.a.O., S. 344; a.A. wohl OLG München, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 4.12.2014, a.a.O., Rz. 53 m.w.N.; offen: KG, a.a.O., Rz. 51).
Rz. 26
f) Hiernach genügt der Güteantrag der Kläger nicht den Anforderungen an die für die Bewirkung der Verjährungshemmung nötige Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 5 Satz 3 des Schlichtungsgesetzes Baden-Württemberg und in § 3 Abs. 1 Satz 4 der Verfahrensordnung des Rechtsanwalts F. X. R., wonach der Güteantrag "eine kurze Darstellung der Streitsache, den Gegenstand des Streits und des Begehrens" enthalten muss; insoweit bestehen keine Abweichungen von den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. auch OLG Hamm, WM 2015, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2014, a.a.O., a.a.O. Rz. 28 f.).
Rz. 27
aa) Bei dem Güteantrag der Kläger handelt es sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen um einen von den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger im Internet zur Verfügung gestellten "Musterantrag", der senatsbekannt in sehr großer Zahl verwendet wurde (u.a. auch in den vom Senat zeitgleich verhandelten Parallelverfahren III ZR 189/14, III ZR 191/14 und III ZR 227/14) und keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall aufweist. Er enthält als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger (als Anleger, Gläubiger und Antragsteller) sowie die Bezeichnung des Anlagefonds (hier: F. -Fonds 75) und nennt weder die Zeichnungssumme noch den (ungefähren) Beratungszeitraum noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen. Damit war es der Beklagten, die im Strukturvertrieb eine große Zahl von Kapitalanlagen unter Mithilfe einer Vielzahl von für sie tätigen Beratern und Vermittlern vertrieben hat, allenfalls unter größeren Mühen möglich festzustellen, um welche Anlageberatung es im vorliegenden Fall geht. Um den Jahreswechsel 2011/2012 sah sich die Beklagte angesichts des Ablaufs der für die vor dem Jahr 2002 stattgefundenen Anlageberatungsfälle geltenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB am 2.1.2012 (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB) zudem einer Vielzahl von Güteanträgen gegenüber, während die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) für diese Beratungsfälle in den allermeisten Fällen bereits abgelaufen waren (s. auch OLG Hamm WM 2015, 611, 613). Vor diesem Hintergrund genügten die Angaben des Güteantrags nicht für die nötige Individualisierung des dem Anspruchsbegehren zugrunde liegenden Sachverhalts.
Rz. 28
bb) Auch das angestrebte Verfahrensziel wird in dem Güteantrag nicht ausreichend beschrieben. Zwar ist von "Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung" sowie davon die Rede, dass ein Anspruch geltend gemacht werde, "so gestellt zu werden, als hätte/n ich/wir die Beteiligung nie getätigt". Damit bleibt jedoch offen, ob der vollständige Zeichnungsschaden (und zwar: mit oder ohne Darlehenskosten?) oder nur ein Differenzschaden (z.B. nach zwischenzeitlicher Veräußerung der Beteiligung oder unter Geltendmachung einer günstigeren Alternativbeteiligung) begehrt wird. Die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs ist für die Beklagte (als Antragsgegnerin und Schuldnerin) nicht im Ansatz zu erkennen gewesen. Ein vorgängiges Anspruchsschreiben der Kläger, auf dessen Inhalt hätte Bezug genommen und das als Anlage dem Güteantrag hätte beigefügt werden können, hat es nicht gegeben. Unter diesen Umständen war es auch für die Gütestelle nicht möglich, im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (so auch für ähnlich gelagerte Fälle: OLG Frankfurt WM 2014, 2361, 2362; KG, a.a.O., Rz. 53).
Rz. 29
3. Nach alledem erweist sich die Verjährungseinrede der Beklagten als gerechtfertigt und die Klageforderung somit insgesamt als unbegründet. Mangels wirksamer vorheriger Hemmung ist die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 1.1.2002 begonnen hat, am Ende des 2.1.2012 und somit vor Einreichung der Klage im April 2013 abgelaufen.
Fundstellen
Haufe-Index 8097376 |
BGHZ 2016, 41 |
NJW 2015, 2407 |
DWW 2015, 317 |
EWiR 2015, 737 |
JurBüro 2015, 610 |
NZG 2015, 1232 |
WM 2015, 1319 |
WM 2016, 244 |
WuB 2015, 556 |
ZIP 2015, 1395 |
JZ 2015, 1106 |
JZ 2015, 458 |
JZ 2015, 463 |
MDR 2015, 943 |
VersR 2015, 1571 |
VuR 2015, 463 |
BKR 2015, 383 |
GWR 2015, 324 |
NJW-Spezial 2015, 547 |