Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen das Sicherungssystem des Art. 233 § 13 EGBGB, Zuteilungsfähigkeit des Erben und Zugehörigkeit von Betrieben zur Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft
Leitsatz (amtlich)
Hat das Grundbuchamt unter Verstoß gegen das Sicherungssystem von Art. 233 § 13 EGBGB aufgrund Bewilligung des Erben eines Bodenreformeigentümers eine Auflassungsvormerkung zugunsten eines Dritten eingetragen und erst bei der Eigentumsumschreibung auf diesen Dritten den Schutz des Landes durch eine vorrangige Auflassungsvormerkung berücksichtigt, ist ein Auflassungsanspruch des Landes nach Art. 233 § 11 Abs. 3 schon wegen Unmöglichkeit seiner Erfüllung unbegründet.
Zuteilungsfähig (Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB) für sog. Schläge (Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB) ist grundsätzlich nur derjenige Erbe, der am 15. März 1990 einer LPG angehörte oder bis zu diesem Zeitpunkt einen Zuteilungsantrag gestellt hatte, aus dem sich seine Bereitschaft zum Eintritt in eine LPG ergab.
Die Zugehörigkeit von Betrieben zur Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB) beurteilt sich grundsätzlich und zunächst danach, inwieweit sie administrativ dem Bereich des damaligen Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (MfLFN) zugeordnet waren. Das war bei der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe/Bäuerlichen Handelsgenossenschaft (VdgB/BHG) nicht der Fall.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3; EGBGB § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3, § 13
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) |
Brandenburgisches OLG |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. Januar 1996 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 25. Juli 1995 abgeändert, und zwar jeweils im Kostenpunkt und insoweit, als der Beklagte zur Auflassung und Eintragungsbewilligung hinsichtlich der in der Gemarkung G gelegenen Grundstücke Flur 4 Flurstück Nr. 24/2 und Flur 5 Flurstück 38/2 verurteilt worden ist.
In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 97,98 % und der Beklagte 2,02 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land (Kläger) verlangt vom Beklagten nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB die Auflassung verschiedener Grundstücke.
Der Vater des Beklagten war als Eigentümer dieser land- bzw. forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke aufgrund Zuteilung aus der Bodenreform im Grundbuch eingetragen. Er starb am 26. Mai 1970, sein Alleinerbe ist der Beklagte. Dieser wurde unter Löschung des Bodenreformvermerks am 2. November 1993 als Eigentümer eingetragen. Am selben Tag wurde hinsichtlich zweier streitbefangener Grundstücke, nämlich der Flurstücke Flur 4 Nr. 24/2 und Flur 5 Nr. 38/2, zugunsten einer aus mehreren Gesellschaften bestehenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts eine Auflassungsvormerkung eingetragen, die der Beklagte in einem notariellen Kaufvertrag vom 27. August 1992 bewilligt hatte. Erst als der Notar am 28. Februar 1994 die Umschreibung des Eigentums auf die Käuferin beantragte, wurde dies dem Grundstücks- und Vermögensamt mit Schreiben vom 21. Mai 1994 mitgeteilt und auf dessen Widerspruch am 18. Oktober 1994 eine Vormerkung zugunsten des Klägers sowie am 19. Oktober 1994 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
Der Kläger hält den Beklagten nicht für zuteilungsfähig und hat beantragt, den Beklagten zur unentgeltlichen Auflassung der näher bezeichneten Grundstücke und zur Bewilligung der Eintragung des Landes als Eigentümer in das Grundbuch zu verurteilen.
Die Klage hatte in den Instanzen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Auflassungsanspruch des Klägers nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB, weil es den Beklagten nicht für zuteilungsfähig hält. Er sei seit 1. Januar 1985 als Kraftfahrer bei der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe/Bäuerliche Handelsgenossenschaft (VdgB/BHG) beschäftigt und damit nicht in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft (Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB) tätig gewesen.
II.
Die Revision hat hinsichtlich der vom Beklagten veräußerten Grundstücke Erfolg, und zwar ohne Rücksicht auf die Frage nach seiner Zuteilungsfähigkeit. Insoweit ist ein Auflassungsanspruch des Klägers unbegründet, weil er vom Beklagten nicht mehr erfüllt werden kann (Unvermögen). Auf das Verhältnis der Parteien finden insoweit die Vorschriften des BGB über Schuldverhältnisse Anwendung (Art. 233 § 11 Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Danach ist der Beklagte nicht mehr zu Auflassung der veräußerten Grundstücke verpflichtet, weil er nicht mehr deren Eigentümer ist. Insoweit ist nunmehr aufgrund Auflassung vom 27. August 1992 die Erwerberin im Grundbuch eingetragen (§ 873 Abs. 1 BGB). Daß sich der Beklagte das Eigentum wiederbeschaffen kann, ist weder behauptet noch festgestellt (vgl. Senatsurt. v. 1. Oktober 1992, V ZR 36/91, NJW 1992, 3224, 3225). Ob der Beklagte sein Unvermögen zu vertreten hat, ist lediglich bedeutsam für die Frage, ob sich seine ursprüngliche Leistungsverpflichtung in einem Schadensersatzanspruch fortsetzt oder nicht (§§ 275, 280 BGB).
Der Eigentumsübergang auf die Erwerberin ist dem Kläger gegenüber auch rechtsbeständig und nicht etwa infolge der zu seinen Gunsten am 18. Oktober 1994 eingetragenen Vormerkung relativ unwirksam (§ 883 Abs. 2 BGB). Dieser Vormerkung geht die aufgrund Bewilligung des Beklagten am 2. November 1993 eingetragenen Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerberin im Rang vor (§ 879 Abs. 1 Satz 1 BGB), dieser Rang setzt sich in ihrem Eigentum fort (§ 883 Abs. 3 BGB). Der Kläger ist damit nicht in der Lage einen Auflassungsanspruch ihr gegenüber zu verwirklichen (§ 888 Abs. 1 BGB).
Soweit die Revisionserwiderung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg (NJ 1997, 200) eine andere Auffassung vertritt, kann dem der Senat nicht folgen. Dem Kläger war als Erben seines Vaters das Eigentum an den Bodenreformgrundstücken übertragen (Art. 233 § 11 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB). Er hat mithin sowohl im Hinblick auf die Vormerkungsbewilligung als auch auf die Auflassung vom 27. August 1992 als Berechtigter verfügt. Daß er eventuell schuldrechtlich einem Auflassungsanspruch des Klägers nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ausgesetzt war, kann daran nichts ändern. Richtig ist, daß schon beim Antrag auf Eintragung der Vormerkung vom 2. November 1993 das zum Schutz des Klägers geschaffene Widerspruchssystem nach Art. 233 § 13 Abs. 1 EGBGB hätte beachtet werden müssen, weil diese Vormerkung seinen Anspruch gefährdete (vgl. auch MünchKomm-BGB/Eckert, 3. Aufl., Art. 233 § 13 EGBGB Rdn. 2; Palandt/Bassenge, BGB, 56. Aufl., Art. 233 § 13 EGBGB Rdn. 2). Trotz Verletzung der Benachrichtigungspflicht durch das Grundbuchamt blieb die Vormerkung vom 2. November 1993 dem Kläger gegenüber aber wirksam (vgl. MünchKomm-BGB/Eckert, aaO; Palandt/Bassenge, aaO Rdn. 5; Staudinger/Rauscher, BGB, [1996], Art. 233 § 13 EGBGB Rdn. 13 und 17; vgl. auch Art. 19 Abs. 3 Satz 1 RegVBG). Es handelt sich zwar um eine Eintragung, die unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden ist, die aber nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führte, denn die vom Berechtigten bewilligte Vormerkung ist mit ihrer Eintragung entstanden (§ 883 Abs. 1 BGB), das Grundbuchamt hat lediglich Vorschriften über die Eintragungsreihenfolge nicht beachtet (vgl. auch Demharter, GBO, 22. Aufl., § 53 Rdn. 25). Insoweit beurteilt sich die Sachlage nicht anders, als wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung die §§ 17, 45 GBO mißachtet hätte. Auch ein derartiger Verstoß macht das Grundbuch nicht unrichtig (vgl. auch BGHZ 45, 186, 191; Demharter, aaO, § 17 Rdn. 17 m.w.N.). Von einer inhaltlich unzulässigen Eintragung (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) – wovon das Oberlandesgericht Naumburg ausgeht – kann keine Rede sein, denn darunter werden nur Eintragungen verstanden, die mit dem eingetragenen Inhalt aus Rechtsgründen nicht bestehen können (vgl. Demharter, aaO, Rdn. 42 m.w.N.). Das ist bei der Auflassungsvormerkung nicht der Fall.
Unrichtig ist auch die Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg, der Gesetzgeber habe mit Art. 233 § 13 Abs. 1 EGBGB eine materiell-rechtliche Vorschrift geschaffen, die als spezielle Regelung § 879 Abs. 1 BGB vorgehe. Art. 233 § 13 Abs. 1 EGBGB verpflichtet die Grundbuchämter zu einem bestimmten Vorgehen, das die Sicherung der nach Art. 233 § 12 EGBGB Berechtigten im Normalfall gewährleistet, weil sie eine vorrangige Vormerkung erhalten. Wie schon ausgeführt, gibt es aber keinen Anhaltspunkt dafür, ein Verstoß gegen dieses Sicherungssystem führe zur Unwirksamkeit der eingetragenen Rechtsänderung. Aus Art. 233 § 16 Abs. 2 EGBGB folgt für den vorliegenden Fall nichts. Diese Vorschrift betrifft zum einen nur die Fälle, in denen sich der Erbe eines zuletzt eingetragenen Grundstückseigentümers aus der Bodenreform vor dem 22. Juli 1992 (vgl. Art. 15 VermRÄndG) zu einer Verfügung verpflichtet hat, zum anderen fingiert diese Bestimmung nur eine an sich nicht bestehende Verfügungsmacht (vgl. auch MünchKomm-BGB/Eckert, aaO, § 16 Rdn. 2; Palandt/Bassenge, aaO, § 16 Rdn. 2; Staudinger/Rauscher, aaO, § 16 Rdn. 9/10). Beides trifft auf den Vertrag des Beklagten vom 27. August 1992, mit dem dieser als Eigentümer über Bodenreformgrundstücke verfügt hat, nicht zu.
III.
Unbegründet ist die Revision, soweit der Beklagte zur Auflassung des Grundstücks Flur 5 Flurstück Nr. 70/5 (2.684 qm) verurteilt worden ist. Er war am maßgeblichen Stichtag (15. März 1990) als Kraftfahrer bei der VdgB/BHG beschäftigt. Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zutreffend seine Zuteilungsfähigkeit (Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB). Damit greift die vorrangige Berechtigung des Klägers nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB.
1. Es geht um landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (Schläge) und um die Frage, ob der Beklagte insoweit als Erbe des früheren Bodenreformeigentümers zuteilungsfähig ist (Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2b EGBGB). Zwar bestimmt Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB den Begriff der Zuteilungsfähigkeit für die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift seinem Wortlaut nach einheitlich dahin, daß es auf die Tätigkeit des Erben bei Ablauf des 15. März 1990 in der „Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft” ankommt. Der Senat hält es jedoch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung für geboten, dies für den Fall des Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB restriktiv zu bestimmen.
Die mit dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz erlassenen Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform sollen eine Lücke schließen, die dadurch entstanden ist, daß mit Inkrafttreten des DDR-Gesetzes vom 6. März 1990 (GBl I, 134) einerseits die Beschränkungen des Bodenreformeigentums ersatzlos aufgehoben worden sind, andererseits aber Überleitungsvorschriften für die Alterbfälle fehlen. Rechtstatsächliche Untersuchungen haben gezeigt, daß die früheren Besitzwechselvorschriften für die Bodenreformgrundstücke in vielen Fällen nicht beachtet und Rückführungen in den Bodenfonds nicht vollzogen wurden. Der Gesetzgeber hat deshalb aus verschiedenen wohlerwogenen Gründen nicht die reine Erbrechtslösung, d.h. die generelle Übertragung des Eigentums auf den oder die Erben des zuletzt eingetragenen Neubauern, gewählt, sondern sich statt dessen für die sog. Nachzeichnungslösung entschieden, die eine unterlassene Zuteilung entsprechend den früheren Bestimmungen des Bodenreformrechts (vgl. Besitzwechselverordnung v. 7. August 1975 i.d.F. der Verordnung vom 7. Januar 1988) „nachzeichnet”. Dies erfolgt nicht durch ein neues Verwaltungsverfahren, sondern im Wege einer privatrechtlichen Lösung, die das Eigentum zwar nach rein formalen Anknüpfungspunkten zunächst zuweist, aber die früheren Zuteilungsgrundsätze durch den Auflassungsanspruch des besser Berechtigten zur Geltung bringt (BT-Drucks. 12/2480, S. 83-89; vgl. auch Senatsurt. v. 14. Februar 1997, V ZR 32/96, WM 1997, 777 ff). Maßgebender Ansatz dieser Lösung ist eine gerechte Abwicklung der Bodenreform, in der nicht der zufällig entfaltete oder auch nicht entfaltete Eifer der früher in der DDR zuständigen Stellen bei Anwendung der Besitzwechselvorschriften darüber entscheidet, welche Familie ein Bodenreformgrundstück behalten oder nicht behalten darf. Über eine bewußt aufwendigere Lösung soll eine größere innere Gerechtigkeit für die Alterbfälle dadurch erreicht werden, daß sie grundsätzlich nach den Zuteilungsgrundsätzen der Besitzwechselverordnung zu Ende geführt werden. Damit werden auch unterlassene Rückführungen in den Bodenfonds nachgeholt, was durch einen entsprechenden Auflassungsanspruch des Fiskus geschieht (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 86).
Gestützt auf diesen Gesetzeszweck hat der Senat in grundlegenden Entscheidungen den Wortlaut der gesetzlichen Regelung schon restriktiv interpretieren müssen, und damit einerseits einen Auflassungsanspruch des Fiskus für im wesentlichen gewerblich genutzte Grundstücke bejaht (BGHZ 132, 71 ff), andererseits die Frage der Zuteilungsfähigkeit bei sog. Kleinstflächen für unmaßgeblich erklärt (vgl. Senatsurt. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/96, WM 1997, 785). Im vorliegenden Fall führen ähnliche Überlegungen dazu, den Kreis der zuteilungsfähigen Erben für landwirtschaftliche Flächen einzuschränken.
Der Gesetzgeber hat die Zuteilungsfähigkeit nach dem Wortlaut von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB für alle Fälle an eine Tätigkeit in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft angeknüpft und damit unbesehen die Formulierung aus §§ 1, 2 BesitzwechselVO übernommen (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 89). Er hat dabei nach Auffassung des Senats nicht bedacht, daß er insbesondere durch Einbeziehung der Nahrungsgüterwirtschaft für sog. Schläge, den Kreis der zuteilungsfähigen Erben weit über das von ihm selbst gesteckte Ziel einer Nachzeichnung der Besitzwechselvorschriften hinaus erweitert. Zwar stellen auch diese Vorschriften auf die genannte Tätigkeit ab. Dies gilt uneingeschränkt aber nur für die sog. Hauswirtschaften (nunmehr Art. 233 § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Insoweit umfaßte der Besitzwechsel nur „die zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse erforderlichen Gebäude und die zur Nutzung der Gebäude erforderlichen Flächen”. Im übrigen, nämlich hinsichtlich der rein landwirtschaftlich genutzten Flächen – wie sie hier im Streit sind –, mußte der Übernehmende eines Bodenreformgrundstücks aber Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft sein (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BesitzwechselVO). Der Übernehmer sollte damit die Gewähr für eine effektive Nutzung der Bodenreformgrundstücke im Sinne der damaligen sozialistischen Bodenpolitik bieten (vgl. Präambel der Besitzwechselverordnung und § 2 Abs. 2 BesitzwechselVO).
Berücksichtigte man nunmehr diesen Unterschied nicht, so führte das dazu, daß heute auch solche Erben sog. Schläge behalten dürften, denen sie nach den Maßstäben der Besitzwechselvorschriften nie hätten zugeteilt werden dürfen. Es entstünde damit eine nicht mehr hinzunehmende Ungleichbehandlung zwischen den Fällen einer vor dem 16. März 1990 durchgeführten Rückführung in den Bodenfonds und der nunmehr abzuwickelnden Bodenreform, die der Gesetzgeber ausdrücklich gerade vermeiden wollte. Auch in Literatur und Rechtsprechung werden deshalb Einschränkungen der Zuteilungsfähigkeit in dem Sinne vertreten, der Erbe müsse zum maßgeblichen Zeitpunkt Gewähr dafür geboten haben, das Bodenreformland weiterhin land- und forstwirtschaftlich zu nutzen. Folglich müsse er eine Tätigkeit ausüben, die der Bewirtschaftung der Flächen, der Erhaltung, Pflege und Nutzung diente (vgl. MünchKomm-BGB/Eckert, aaO, § 12 Rdn. 14 m.w.N.).
Hinzu kommt, daß für die Regelung der Berechtigtenreihenfolge bei den sog. Hauswirtschaften konkrete Anknüpfungskriterien, nämlich die förmliche Zuweisung (Art. 233 § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 a EGBGB), die sog. faktische Zuweisung (Art. 233 § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 b EGBGB) und das Bewohnen (Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1c EGBGB) bestehen müssen, im Fall der sog. Schläge aber – abgesehen vom Fall der förmlichen Zuweisung (Art. 233 § 12 Abs. 2 Buchst. a EGBGB) – die bloße Zuteilungsfähigkeit genügen soll (Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2b EGBGB). Der Senat verkennt nicht, daß der Gesetzgeber bewußt eine pauschalierende Nachzeichnung gewählt hat, weil „eine vollständige exakte Nachzeichnung schon wegen der seinerzeit bestehenden Ermessensspielräume nicht möglich” wäre (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 83). Der Unterschied zwischen der Zuteilung von Hauswirtschaften einerseits und landwirtschaftlich genutzten Grundstücken andererseits hat aber nichts mit dem Ermessensspielraum zu tun, der dem Rat des Kreises eingeräumt war (vgl. z.B. § 2 Abs. 3 BesitzwechselVO), sondern betrifft einen fundamentalen Grundsatz der Zuteilung. Von ihm abzuweichen würde nicht nur eine notwendige Pauschalierung, sondern im genannten Bereich den Abschied von einer Nachzeichnung überhaupt bedeuten. Aus der Sicht der gesetzlichen Regelung wäre damit die Grenze zu willkürlicher Ungleichbehandlung überschritten und damit das Gerechtigkeitsgefühl eben jener Bürger verletzt, die ihr Grundstück aus der Bodenreform schon vor dem 16. März 1990 durch Rückführung in den Bodenfonds verloren haben (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 84). Geboten ist deshalb eine teleologische Reduktion (vgl. dazu z.B. Enneccerus Nipperdey, Allg. Teil des BGB, 1. Halbband, § 59; Hübner, Allg. Teil des BGB, Rdn. 69; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375 ff) der Legaldefinition in Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB.
Zuteilungsfähig für sog. Schläge kann deshalb grundsätzlich nur ein Erbe sein, der am 15. März 1990 einer LPG angehörte (a.A. wohl Staudinger/Rauscher, aaO, § 12 Rdn. 18 und 51). Soweit dem Senatsurteil vom 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865, eine andere Auffassung zu entnehmen ist, hält der Senat hieran nicht fest. Für die Übertragung einer Bodenreformwirtschaft genügte allerdings nach einhelliger Auffassung in der DDR-Literatur, daß der Erbe die LPG-Mitgliedschaft nach dem Erbfall erwarb (vgl. Schietsch, NJ 65, 564, 565; Arlt/Rohde, Bodenrecht, 1967, 355; Hähnert/Richter/Rohde u.a., LPG-Recht, 1984, S. 46 ff). Ausreichen dürfte deshalb auch, wenn der Erbe bis zum 15. März 1990 einen Zuteilungsantrag gestellt hatte, aus dem sich seine Bereitschaft zum Eintritt in eine LPG ergab. Diese Voraussetzungen erfüllt der Beklagte nicht. Er war vielmehr nach seinem eigenen Vortrag LPG-Mitglied nur bis zum 31. Dezember 1984, danach und am Stichtag aber bei der VdgB/BHG beschäftigt.
2. Die Klage hätte im oben beschriebenen Umfang allerdings auch dann teilweise Erfolg, wenn man eine teleologische Reduktion von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB nicht für geboten hielte.
Was unter einer Tätigkeit in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft zu verstehen ist, läßt sich gerade für den hier in Betracht kommenden Randbereich nur schwer bestimmen. Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes diesen Begriff unbesehen aus der Besitzwechselverordnung der DDR übernommen. Fest steht damit nur, daß es auf das Verständnis dieses Begriffs aus der Sicht der DDR ankommt. Der Besitzwechselverordnung ist dazu nichts Näheres zu entnehmen. Es gibt – soweit ersichtlich – dazu weder Materialien noch Literatur aus der Zeit der DDR. Gerichtsentscheidungen aus dieser Zeit liegen nicht vor, weil über die Zuteilung von Bodenreformgrundstücken zwar der Beschwerdeweg zum Rat des Bezirks eröffnet war, dieser aber endgültig entschied (§ 10 Abs. 4 Satz 3 BesitzwechselVO; vgl. auch OG NJ 1970, 249, 250). Dem Senat fehlen auch Erkenntnisse über die praktische Handhabung der DDR-Behörden. Er hat allerdings inzwischen entschieden, daß es für die Frage der Zuteilungsfähigkeit nicht auf die Art der Tätigkeit und auch nicht darauf ankommt, ob der Erbe zur Bewirtschaftung selbst in der Lage war. Maßgeblich sei allein die formelle Zuordnung der auf Dauer angelegten Tätigkeit des Erben zu einem der genannten Wirtschaftszweige (vgl. Senatsurt. v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865). Nach welchen Maßstäben aber der einschlägige Betrieb beurteilt und eingeordnet werden muß, ist damit nicht geklärt.
Der Senat hält es nunmehr für sachgerecht, die Zugehörigkeit von Betrieben zur Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft grundsätzlich und in erster Linie danach zu beurteilen, inwieweit sie administrativ dem Bereich des damaligen Ministeriums für Land-, Forst und Nahrungsgüterwirtschaft (vgl. Beschluß des Ministerrats vom 4. Dezember 1975 über das Statut dieses Ministeriums, GBl I, 753) – im folgenden: MfLFN – zugeordnet waren. Ob neben diesem formalen Ansatz weitere einschränkende Kriterien aufgestellt werden müssen, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil die VdgB/BHG schon von diesem Ausgangspunkt aus nicht in die Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft einzuordnen ist. Die BHG war in die Organisationsstruktur der VdgB als „organischer Bestandteil ihrer Grundeinheit” integriert (vgl. Arlt, Agrarrechtsverhältnisse in West und Ost, S. 225; Buss, Die Struktur und Funktion der landwirtschaftlichen Genossenschaften im Gesellschafts- und Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 1965, S. 124). Grundsätzliche Fragen der Tätigkeit wurden daher von der VdgB entschieden, die ihrerseits als Massenorganisation nicht dem Leitungs- und Planungsbereich der MfLFN zuzurechnen ist (vgl. auch Anlage SchlüsselsystematikAO Schlüssel Nr. 5823 vom 14. Mai 1992, GBl Sonderdruck 1078). Die Tätigkeit der BHG beschränkte sich nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts im wesentlichen auf die Versorgung der Landbevölkerung mit Baumaterialien sowie mit landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bedarfsgütern. Hinzu kam die Versorgung der LPG mit Arbeitsschutzkleidung, Werkzeugen und anderem Kleinbedarf sowie die Erledigung des Spar- und Zahlungsverkehrs der ländlichen Bevölkerung (vgl. Beschluß des Zentralvorstands der VdgB über die weiteren Aufgaben der BHG vom 20. Juli 1972, Abschn. I, abgedruckt als Anlage zur Verfügung über die Entwicklung der agrochemischen Zentren vom 7. August 1972 in Verfügungen und Mitteilungen des MfLFN Nr. 8 S. 101; Schelerf NJ 1984, 173, 175; Luge u.a., Die gesellschaftlichen Organisationen in der DDR 1980 S. 121 ff). In ihrer Handelstätigkeit war die BHG in den Leitungs- und Planungsbereich des Ministeriums für Handel und Versorgung einbezogen (vgl. den genannten Beschluß des Zentralvorstands der VdgB, aaO, Abschn. I Nr. 7). Sie wurde insoweit als Betrieb des Konsumgüterhandels angesehen (vgl. Kreutzer u.a., Handelsrecht 1986, S. 43 ff).
Im Hinblick auf ihre Bankgeschäfte unterlag die BHG der Aufsicht und der Weisung der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN; vgl. § 6 des Ministerratsbeschlusses vom 23. Oktober 1975 über das Statut der BLN, GBl I, S. 692). Die BLN war das zentrale Organ des Ministerrats für Geld- und Kreditwirtschaft im Bereich der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (§ 1 Abs. 1 BLN Statut). Sie stand damit staatsorganisatorisch neben dem MfLFN.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die BHG deshalb nach dem Ansatzpunkt des Senats nicht als landwirtschaftlicher Betrieb einzustufen. Soweit der Kläger darauf verweist, das MfLFN habe mit Verfügung vom 7. August 1972 den Beschluß des Zentralvorstands der VdgB vom 20. Juli 1972 bestätigt, bedeutet dies keine administrative Zuordnung von VdgB/BHG zu diesem Ministerium, sondern erklärt sich daraus, daß der genannte Beschluß auch die Ausgliederung der agrochemischen Bereiche der BHG und ihre Übertragung auf die agrochemischen Zentren (ACZ) zum Gegenstand hatte, die dem Leitungs- und Planungsbereich des MfLFN angehörten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hagen, Vogt, Wenzel, Schneider, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.07.1997 durch Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609401 |
BGHZ, 283 |
NJW 1998, 224 |
FamRZ 1998, 105 |
VIZ 1998, 96 |
MDR 1997, 1112 |
RdL 1998, 150 |
Rpfleger 1998, 16 |