Verfahrensgang

OLG Koblenz (Entscheidung vom 16.11.2022; Aktenzeichen 9 U 2154/21)

LG Mainz (Entscheidung vom 11.11.2021; Aktenzeichen 9 O 222/20)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. November 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Der Kläger kaufte im Jahr 2019 von einem Händler ein nicht von der Beklagten hergestelltes gebrauchtes Kraftfahrzeug Audi A 6 Avant, das mit einem von ihr entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 (EU 6) ausgerüstet ist.

Rz. 3

Die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kaufpreises, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge vollumfänglich weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die (unbeschränkt zugelassene, vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 1031/22, NJOZ 2023, 1133 Rn. 10) Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Rz. 6

Ein Anspruch des Klägers gemäß §§ 826, 31 BGB bestehe nicht, da auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tatsächliche Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen gegenüber dem Kläger nicht festgestellt werden könnten.

Rz. 7

Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kämen schon deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen liege.

II.

Rz. 8

Zwar kann ein Schaden des Klägers nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 42, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Auch hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 29 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 17). Dennoch hält das angefochtene Urteil im Ergebnis der Überprüfung im Revisionsverfahren stand.

Rz. 9

Soweit der Kläger Ansprüche auf §§ 826, 31 BGB stützt, hat das Berufungsgericht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 21. September 2022 - VII ZR 767/21, juris Rn. 10) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

Rz. 10

Die Revision dringt aber auch nicht mit ihrem Einwand durch, die Beklagte hafte dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Die Haftung nach diesen Vorschriften knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt (BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 20 mwN).

Rz. 11

Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit fristgerecht nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat, ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers (BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 21 mwN). Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung durch eine vorsätzliche Hilfeleistung der Beklagten als Motorenherstellerin ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht.

Menges    

Möhring    

Krüger

Wille    

Liepin    

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15989235

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