Leitsatz (amtlich)
Zur Versicherung fremden Interesses in der Gebäudeversicherung.
Normenkette
VVG § 74
Verfahrensgang
LG Potsdam |
Brandenburgisches OLG |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus einer bei dieser genommenen gebündelten Sachversicherung, mit der ein auf dem Grundstück S. 13 in G. aufstehendes Gaststättengebäude u.a. gegen Feuer versichert worden ist, Ersatz des durch einen Brand des Gebäudes am 12. Mai 1994 entstandenen Schadens; durch den Brand ist das Gebäude weitgehend zerstört worden.
Das Grundstück S. 13, das 1960 mit dem Gaststättengebäude bebaut worden war, befand sich während des Bestehens der DDR im Eigentum des Volkes; Rechtsträger war der Rat der Gemeinde G.. Dieser verkaufte das Grundstück noch vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages mit notariellem Vertrag vom 27. September 1990 – später geändert wegen einer Grundstücksfehlbezeichnung durch Vertrag vom 20. Januar 1992 – an die Eheleute P.. Diese veräußerten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 19. März 1992 an die früheren Geschäftsführer (und späteren Liquidatoren) der Klägerin als Gesellschafter bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaft (GbR) war von den Geschäftsführern am selben Tage gegründet worden. Nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages bestand der Gesellschaftszweck im Erwerb, der Bebauung, Verpachtung oder Vermietung von Grundstücken. Das Grundstück S. 13 wurde den Gesellschaftern am 1. April 1992 übergeben. Mit Mietvertrag vom 1. April 1992 überließ die GbR das Gaststättengebäude der Klägerin. Die genannten Grundstückskaufverträge sind nicht vollzogen worden. Mit Vertrag vom 19. Februar 1998 haben die Eheleute P. das Grundstück unter Aufhebung der im Vertrag vom 20. Januar 1992 erklärten Auflassung an die Gemeinde G. zurückverkauft.
Die Klägerin hatte am 29. März 1993 den Abschluß der gebündelten Sachversicherung beantragt. Im Antragsformular hat sie sich auf entsprechende Fragen als Eigentümer des zu versichernden Gebäudes und des Grundstücks bezeichnet. Dem darauf mit Versicherungsbeginn am 1. April 1993 zustande gekommenen Vertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) und die Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung (SGIN 88) zugrunde.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Neuwertentschädigung, die sie auf 960.000 DM berechnet, in Anspruch. Die Beklagte verweigert Versicherungsleistungen. Sie hält sich für leistungsfrei, weil die Klägerin eine Gefahrerhöhung vorgenommen, den Versicherungsfall zumindest grob fahrlässig herbeigeführt und Obliegenheiten verletzt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, ein Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen bestehe schon deshalb nicht, weil der zwischen den Parteien geschlossene Feuerversicherungsvertrag mangels eines in der Person der Klägerin, ihrer Geschäftsführer oder der von diesen gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehenden versicherten Interesses gegenstandslos sei. Das ergebe sich daraus, daß weder die Klägerin noch ihre Geschäftsführer Eigentümer des versicherten Objekts geworden seien und zu keiner Zeit, auch nicht zum Zeitpunkt des Brandes, eine gesicherte Erwerbsaussicht bestanden habe. Unschädlich sei insoweit allerdings, daß die Klägerin nur Mieterin des Gebäudes gewesen sei. Denn der Mieter, der eine Feuerversicherung für das Gebäude nehme, versichere grundsätzlich neben seinem eigenen Interesse auch das Interesse des Vermieters; es handele sich insoweit um eine Versicherung für fremde Rechnung (§ 74 VVG). Das gelte auch dann, wenn sich der Versicherungsnehmer unrichtig selbst als Eigentümer bezeichne. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag decke deshalb auch ein etwaiges Interesse der Geschäftsführer der Klägerin bzw. der von ihnen gegründeten GbR. Auch diesen könne jedoch im Ergebnis ein versichertes Interesse nicht zugebilligt werden. Wenngleich insoweit nicht zu fordern sei, daß die Geschäftsführer der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles bereits Eigentümer waren, müsse doch eine irgendwie gesicherte Erwerbsaussicht bestanden haben. Das setze zumindest die Wirksamkeit der seinerzeit geschlossenen Kaufverträge und zudem voraus, daß diese durchgeführt werden sollten und bei Eintritt des Versicherungsfalles Schritte unternommen waren, um den Eigentumserwerb herbeizuführen. Hier sei zwar von wirksamen Verträgen auszugehen, indessen sei bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nichts dafür ersichtlich, daß der Kaufvertrag vom 19. März 1992, mit dem die Geschäftsführer der Klägerin das Grundstück gekauft hatten, mit dem Ziel, deren Eintragung im Grundbuch herbeizuführen, umgesetzt worden wäre. Ein Teil des Kaufpreises sei erst nach dem Brand auf ein Notaranderkonto gezahlt, später aber zurückgezahlt worden; eine Absicherung der Erwerber im Grundbuch sei unterblieben.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag über eine Feuerversicherung ist nicht wegen fehlenden versicherten Interesses gegenstandslos. Mit ihm ist das Sacherhaltungsinteresse der Erwerber des Grundstücks, der Gesellschafter der GbR, die mit den früheren Geschäftsführern der Klägerin personengleich sind, versichert worden; insoweit liegt – wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkennt – eine Fremdversicherung (§ 74 VVG) vor.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß dem Käufer eines Grundstücks in der Zeit zwischen Gefahrübergang (§ 446 BGB) und dem Eigentumserwerb durch Eintragung im Grundbuch ein versicherbares Sacherhaltungsinteresse zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1991 – 3 StR 117/91 – NJW 1992, 1635 unter III, 1; BerlKomm/Dörner, VVG, § 69 Rdn. 24; Hübsch, ebendort, § 80 Rdn. 12 ff.; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. vor § 51 Rdn. 29, § 69 Rdn. 21; Prölss, ebendort, § 80 Rdn. 39; Römer, ZNotP 1998, 213 unter II, 3; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl. unter J II Rdn. 24 f.). Wenn mit Übergabe des Grundstücks die Gefahr des zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung – mithin die Preisgefahr – auf den Käufer übergeht, dieser also zur Entrichtung des Kaufpreises etwa auch dann verpflichtet bleibt, wenn das auf dem Grundstück befindliche Gebäude durch Brand zerstört worden ist, liegt es auf der Hand, daß der Käufer – und gerade er (BGH aaO) – ein Interesse an der Erhaltung der Sache, an deren Substanzwert (Prölss aaO) hat. Kommt dem Grundstückserwerber insoweit aber ein in der Feuerversicherung versicherbares Sacherhaltungsinteresse zu, kann dieses Interesse grundsätzlich auch im Wege der Fremdversicherung durch einen Dritten versichert werden (vgl. Martin aaO, unter J III, Rdn. 18), etwa wenn – wie im vorliegenden Falle – der Grundstückserwerber das auf dem Grundstück befindliche Gebäude bereits an einen Dritten vermietet hat.
b) Ob im vorliegenden Falle eine Fremdversicherung zugunsten der Grundstückserwerber vorliegt, ist anhand des von den Parteien geschlossenen Vertrages zu beurteilen. Dabei sind die Erklärungen der Parteien nach der Verkehrssitte dahin aufzufassen, daß die Interessen versichert werden sollen, die nach der objektiven Rechtslage als Gegenstand der Versicherung in Betracht kommen (Senatsurteil vom 6. Juli 1988 – IVa ZR 241/87 – VersR 1988, 949). Demgemäß ist insoweit nicht entscheidend, ob dem Versicherer bekannt war, daß ein Dritter Träger des versicherten Interesses war, der Versicherer etwa den Versicherungsnehmer als Eigentümer ansah (vgl. Prölss, aaO § 80 Rdn. 4), oder ob sich der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluß für den Eigentümer hielt (Römer in Römer/Langheid, VVG § 80 Rdn. 6) oder sich als solcher bezeichnet hat (OLG Hamm, r + s 1990, 386). Unter Anlegung dieses – objektiven – Maßstabes ist der von der Klägerin als Mieterin genommene Feuerversicherungsvertrag dahin auszulegen, daß mit ihm das Sacherhaltungsinteresse der Grundstückserwerber, die als Gesellschafter der GbR zugleich Vermieter der Klägerin gewesen sind, versichert worden ist. Denn das unmittelbare Interesse an der Erhaltung, gegebenenfalls der Wiederherstellung des Gebäudes nach einem Brand lag bei den Grundstückserwerbern, die der Preisgefahr ausgesetzt waren, und nicht bei der Klägerin als Mieterin. Daß die Klägerin aber ihrerseits ein Interesse daran hatte, daß der Versicherungsfall bei den Erwerbern nicht eintritt (vgl. dazu Senatsurteil vom 20. Januar 1988 – IVa ZR 165/86 – NJW-RR 1988, 727), oder daß diese bei dessen Eintritt mit Blick auf die Wiederherstellung des Gebäudes gesichert sind, ergibt sich schon aus der zwischen beiden bestehenden vertraglichen Bindung und zudem daraus, daß die Gesellschafter der GbR mit jenen der Klägerin personengleich waren. Damit liegt mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag jedenfalls – ob auch eigene Interessen der Mieterin versichert worden sind, ist hier nicht zu entscheiden – eine Fremdversicherung zugunsten der Grundstückserwerber und Vermieter des Gebäudes vor, die deren Sacherhaltungsinteresse deckt. Die schwache Vermutung des § 80 Abs. 1 VVG ist damit widerlegt.
c) Daß dieses Interesse bei Eintritt des Versicherungsfalles am 12. Mai 1994 nicht mehr bestanden hat, ist dagegen – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht festzustellen. Das Grundstück ist den Gesellschaftern der GbR, die als solche den Kaufvertrag mit den Eheleuten P. abgeschlossen hatten, am 1. April 1992 übergeben worden. Das Berufungsgericht hat weder festgestellt, daß der der Übergabe zugrunde liegende Kaufvertrag unwirksam wäre, noch, daß es sich insoweit um ein Scheingeschäft gehandelt hätte. Also waren die Erwerber der Preisgefahr ausgesetzt; ihr Sacherhaltungsinteresse bestand deshalb jedenfalls solange, wie der von ihnen geschlossene Grundstückskaufvertrag noch vollzogen werden konnte. Daß dies im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles nicht mehr der Fall war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt noch ist es sonst ersichtlich. Auf die vom Berufungsgericht angeführten bloßen Verzögerungen in der Umsetzung des Vertrages bis zum Eintritt des Versicherungsfalles kommt es insoweit nicht an.
3. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses der offenen und zwischen den Parteien streitigen Frage nachgehen kann, ob die Berufung der Beklagten auf Leistungsfreiheit aus den von ihr vorgetragenen Gründen gerechtfertigt ist.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Terno, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.10.2000 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556259 |
BauR 2001, 458 |
NJW-RR 2001, 164 |
EWiR 2001, 91 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 215 |
VersR 2001, 53 |
ZfS 2001, 22 |