Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 8. März 1999 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit welcher die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird. Sie beanstandet vor allem, daß die Strafkammer eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte von Juli 1994 bis Oktober 1997 als Geschäftsführer des Diakonievereins des Kirchenkreises P. e.V. tätig, welcher in Erfüllung seiner vielfältigen sozialen Aufgaben jährlich hohe Geldbeträge – im Jahr 1997 ca. 25 Millionen DM – umsetzte. Der Angeklagte nutzte die Tatsache, daß er für etwa 25 Konten des Diakonievereins allein zeichnungsberechtigt war, in der Zeit von Oktober 1995 bis September 1997 zur Begehung der fünf den Gegenstand der Verurteilung bildenden Untreuehandlungen aus, durch welche er dem Diakonieverein einen Gesamtschaden von ca. 488.000 DM zufügte. Das so erlangte Geld verwendete er u.a. für den Ankauf eines Autos und seines Hauses in Pl. sowie für dessen Renovierung.
Soweit dem Angeklagten durch die Anklageschrift darüber hinaus weitere sieben, im Zeitraum von August 1996 bis September 1997 begangene Untreuehandlungen zur Last gelegt wurden, ist das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Der Angeklagte hoffte, den im Dezember 1996 veruntreuten Betrag von 410.000 DM (Fall II 3 der Urteilsgründe) aus dem Verkaufserlös seines Hauses in O. zurückzahlen zu können; gegenüber der Buchhalterin des Diakonievereins behauptete er wahrheitswidrig, daß das Geld für Immobilienankäufe des Diakonievereins, unter anderem den Erwerb des Sophienstifts, verwendet worden sei. Im Juni 1997 – vor Entdeckung der Taten – zahlte der Angeklagte aus eigenen Mitteln den Kaufpreis für das Sophienstift in Höhe von 312.000 DM. Da dieser bereits am 31. Januar 1997 fällig gewesen war, forderte die Verkäuferin von dem Diakonieverein Verzugszinsen in Höhe von mehr als 9.000 DM.
Nach Aufdeckung der Taten gab der Angeklagte im Dezember 1997 ein notarielles Schuldanerkenntnis ab, wonach er dem Diakonieverein mit sofortiger Fälligkeit wegen dieser und weiterer Forderungen einen Betrag von insgesamt 800.000 DM schulde, der ab dem 1. Januar 1998 mit jährlich 5 % zu verzinsen sei, und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen; außerdem wurde eine Sicherungshypothek in Höhe von 300.000 DM auf das seiner Ehefrau und ihm gehörende Hausgrundstück eingetragen. Wegen der derzeitigen Situation auf dem Immobilienmarkt ist ein Verkauf des Grundstücks noch nicht erfolgt. Der Diakonieverein hat aufgrund des Schuldanerkenntnisses bisher – teilweise im Wege der Zwangsversteigerung – insgesamt etwa 41.900 DM erlangt.
2. Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand:
a) Der Anwendung des § 46 a StGB steht allerdings nicht entgegen, daß das Opfer im vorliegenden Falle eine juristische Person (eingetragener Verein) war. Zwar wird im Schrifttum teilweise vertreten, § 46 a StGB sei unanwendbar, wenn es kein individuelles Opfer gebe, also ein sogenanntes opferloses Delikt vorläge (vgl. zum Streitstand Steffens, Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht in den neuen Bundesländern, 1999, S. 178 ff). Der Senat folgt dieser Ansicht nicht; denn auch wenn die Allgemeinheit oder juristische Personen geschädigt sind, kann der Täter durch sein Verhalten nach der Tat zeigen, daß er zur Übernahme von Verantwortung bereit ist; die Schadenswiedergutmachung kommt im übrigen mittelbar auch den hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen, bei einem eingetragenen Verein den Vereinsmitgliedern oder den durch die Tätigkeit des Vereins begünstigten Menschen zugute (vgl. auch Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 46 a Rdn. 4; Steffens aaO S. 189).
b) Die von der Strafkammer hier angewendete Nr. 1 des § 46 a StGB bezieht sich allerdings vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, der indes auch bei Vermögensdelikten denkbar ist (BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1 = NStZ 1995, 492; KG StV 1997, 473; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 46 a Rdn. 4). Die Vorschrift setzt, wie sich aus dem Klammerzusatz „Täter-Opfer-Ausgleich” ergibt, jedoch einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 = NStZ 1995, 492, 493; vgl. auch Stree aaO Rdn. 2). Dem Angeklagten ging es, als er „frühzeitig ernsthafte Bemühungen zur umfassenden Schadenswiedergutmachung gezeigt hat” (UA 17), dabei ersichtlich nicht um den Ausgleich immaterieller Folgen seiner Taten sondern um Schadensersatz.
c) Die getroffenen Feststellungen reichen aber auch für eine Anwendung von § 46 a Nr. 2 StGB nicht aus.
§ 46 a Nr. 2 StGB setzt voraus, daß der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert; die Bestrebungen müssen zudem Ausdruck der Übernahme von Verantwortung gerade gegenüber dem Opfer sein (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; vgl. auch Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 46 a Rdn. 4). Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt nicht. Es wird – damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann und die Vorschrift nicht etwa eine Privilegierung „reicher” oder solcher Täter bewirkt, die noch im Beutebesitz sind – verlangt, daß der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt (BGH aaO; BGH, Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 327/99; vgl. auch BTDrucks. 12/6853, S. 22; König/Seitz NStZ 1995, 1, 2).
Diese Voraussetzungen sind durch die Zahlung des Geldbetrages von 312.000 DM noch nicht erfüllt. Hierdurch ist zwar der Gesamtschaden gemindert worden; in dieser vor Entdeckung der Taten erfolgten Zahlung kann jedoch schon deswegen kein Ausdruck der Übernahme von Verantwortung gesehen werden, weil der Angeklagte danach weitere Untreuehandlungen (Fälle II 4 und 5 der Urteilsgründe) zum Nachteil desselben Opfers begangen hat. Der Angeklagte kann aber durch die Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses, durch das er sein gesamtes Vermögen zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellt hat, in Verbindung mit der Bestellung der Sicherungshypothek die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt haben. Die Stellung einer Sicherheit kann allerdings nur dann der Zahlung gleichgestellt werden, wenn der Gläubiger auf die alsbaldige Verwertung freiwillig verzichtet, etwa um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, in anderer Weise seine Schuld abzutragen (BGH, Beschluß vom 19. Oktober 1999 – 1 StR 515/99). Insoweit fehlt es aber an ausreichenden Feststellungen im angefochtenen Urteil, insbesondere auch zur Werthaltigkeit der Sicherungshypothek. Daß die Verwertung aufgrund der derzeitigen Situation auf dem Immobilienmarkt unterblieben ist, würde für sich gesehen die Anwendung des § 46 a Nr. 2 StGB nicht ausschließen.
3. Die rechtsfehlerhafte Strafrahmenbestimmung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die verhängten Einzelstrafen (zwei Geldstrafen von jeweils 60 Tagessätzen, zwei Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten) auf diesem Fehler beruhen. Darauf, daß der Strafkammer bei der Zuordnung der für die Taten 2 und 3 verhängten Einzelstrafen (UA 21) ein offenkundiges Schreibversehen unterlaufen ist, hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
a) Auch bei Nichtanwendung des § 46 a Nr. 2 StGB werden die bisher festgestellten Umstände zur Schadenswiedergutmachung im Rahmen von § 46 Abs. 2 StGB Gewicht haben.
b) Entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts geäußerten Ansicht ist es rechtlich unbedenklich, den Umstand der persönlichen Bereicherung bei der Untreue strafschärfend zu berücksichtigen (BGH StV 1996, 25, 26; BGH, Beschluß vom 10. August 1999 – 5 StR 371/99; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 31 a.E.).
c) Eingestellte Taten dürfen nur dann straferschwerend berücksichtigt werden, wenn sie prozeßordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, daß ihr wesentlicher Unwertgehalt abzusehen ist und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung weiterer Taten ausgeschlossen werden kann (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 13; BGH NStZ-RR 1997, 130; BGH, Beschluß vom 9. März 1999 – 1 StR 61/99).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
NStZ 2000, 205 |
NStZ 2000, 536 |
wistra 2000, 95 |
StV 2000, 128 |