Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung von § 46 a StGB bei Zusammentreffen von Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung.
Normenkette
StGB § 46a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 4. Oktober 2000, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen 2 und 6
- im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
1. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Desweiteren hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung und den Strafausspruch.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung sowie den Strafausspruch in diesem Fall und in den Fällen des Diebstahls richtet.
Keinen Bestand haben kann der Strafausspruch aber, soweit der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen verurteilt worden ist, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft eine Strafmilderung nach den §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat.
I.
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte in der Zeit vom 6. April 1999 bis 21. Februar 2000 zusammen mit anderen drei Bankinstitute. Bei den Taten wurden jeweils Fahrzeuge verwendet, die zuvor für die Überfälle entwendet worden waren. Die Beute wurde zwischen den Beteiligten geteilt. Der voll geständige Angeklagte hat nach seiner Festnahme Grundvermögen verkauft und aus dem Erlös von 70.000 DM Beträge in Höhe seiner Beuteanteile an die Versicherer der Banken überwiesen, die ihn in der Folge von weiterer Haftung freigestellt haben. Außerdem hat er sich gegenüber den Eigentümern der gestohlenen und wieder aufgefundenen Fahrzeuge zum Schadensersatz bereit erklärt. Sein Verteidiger hat auch Kontakt zu den von den Banküberfällen betroffenen Personen aufgenommen und hat ihnen die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes angeboten. Diese haben jedoch erklärt, sie würden keine finanziellen Ansprüche erheben. Gespräche über die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung sind noch nicht abgeschlossen.
Die Jugendkammer hat bei der Strafzumessung die Schadenswiedergutmachung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 und Nr. 2 StGB jedoch verneint. Hinsichtlich der immateriellen Folgen der Überfälle reiche der Versuch der Entschuldigung und das Angebot eines Schmerzensgeldes als Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46 a Nr. 1 StGB nicht aus. Es genüge nicht, daß der Angeklagte durch seinen Anwalt an die Opfer herangetreten sei, zumal die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien.
Eine Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46 a Nr. 2 StGB liege ebenfalls nicht vor, da der Angeklagte, auch wenn er von den geschädigten Banken auf Grund der Zurückzahlung seines Beuteanteils aus der gesamtschuldnerischen Haftung entlassen worden sei, nur seinen eigenen Beuteanteil zurückgezahlt habe und damit kein umfassender Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen erfolgt sei, denn zum Ausgleich des Gesamtschadens sei für die Geschädigten noch der weitere Rückgriff auf die Mittäter erforderlich.
II.
Diese Begründung beanstandet die Revision in den Fällen 2 und 6 zu Recht.
Mit der Vorschrift des § 46 a StGB hat der Gesetzgeber (vgl. BTDrucks. 12/6853 S. 21, 22), um über die Schadenswiedergutmachung und das Bemühen des Täters, mit dem Verletzen einen Ausgleich zu erreichen, hinaus („Verhalten nach der Tat” vgl. § 46 Abs. 2 StGB) einen – weiteren – Anreiz für Ausgleichsbemühungen seitens des Täters zu schaffen, einen vertypten Milderungsgrund für zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Fallgruppen normiert (zu den allgemeinen Bedenken gegen § 46 a StGB wegen der Möglichkeit eines „Freikaufs” durch den Täter: vgl. BGH StV 2000, 129), und zwar in der Gestalt des Täter-Opfer-Ausgleichs (Nr. 1) und der Schadenswiedergutmachung (Nr. 2).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich dabei § 46 a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft (BGH StV 1995, 464 f.; 2000, 129; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1 = NStZ 1995, 492; BGH NStZ 1999, 610; 2000, 205 f.; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 – 4 StR 551/00). Ob diese strenge Unterscheidung und die damit verbundene Einengung der Vorschrift, die aus dem Wortlaut und der gesetzgeberischen Intention abgeleitet wird (vgl. u.a. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1), in dieser Schärfe aufrechterhalten werden sollte (vgl. dazu kritisch Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof – Festgabe aus der Wissenschaft S. 309 ff., 323, 335), erscheint dem Senat zweifelhaft. Dies zeigt der vorliegende Fall. Dieser weist die Besonderheit auf, daß von einer Tat mehrere Opfer betroffen sind, wobei für die vom Überfall in Mitleidenschaft gezogenen Bankangestellten ein Ausgleich der immateriellen Folgen im Vordergrund steht (§ 46 a Nr. 1 StGB), während für die geschädigten Bankinstitute der Ausgleich der materiellen Folgen (§ 46 a Nr. 2 StGB) wesentlich ist.
Eine eindeutige Einordnung in eine der beiden Fallgestaltungen des § 46 a StGB ergibt sich bei vielschichtigen Tatgeschehen danach nicht von selbst. Ob eine überwiegende Wiedergutmachung der Tat grundsätzlich nur innerhalb einer der beiden Alternativen zu prüfen ist und unter welcher, braucht der Senat hier aber nicht abschließend zu entscheiden. Ausreichend für eine Anwendung von § 46 a StGB ist es auf jeden Fall, wenn hinsichtlich jedes Geschädigten eine der Alternativen des § 46 a StGB erfüllt ist. So verhält es sich aber im vorliegenden Fall.
1. Der vom Angeklagten gesuchte „Ausgleich” mit den von den Taten betroffenen Bankangestellten, den Tatopfern der Banküberfälle (Fälle 2 und 6), erfüllt die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB. Im Rahmen dieser Alternative kommt immateriellen Leistungen im Verhältnis Täter und Opfer besonderes Gewicht zu. Ein „Wiedergutmachungserfolg” wird nicht verlangt. Erforderlich ist, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil” wiedergutgemacht hat, ausreichend ist aber auch, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (st. Rspr. BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 = NStZ 1995, 492, 493; zuletzt BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 – 4 StR 551/00).
Ein solches Bemühen hat der Angeklagte durch das Anbieten eines angemessenen Schmerzensgelds an den Tag gelegt. Unerheblich ist dabei entgegen der Auffassung des Landgerichts, daß nicht er persönlich diese Bemühungen unternommen hat, sondern seinen Verteidiger tätig werden ließ (BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 2).
Der Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB steht auch nicht entgegen, daß die Tatopfer eine Schmerzensgeldzahlung nicht für erforderlich hielten. Es liegt ohnehin nicht allein in der Hand der Tatopfer, ob diese Regelung zur Anwendung gelangen kann (BTDrucks. 12/6853 S. 21: „Anreiz für den Täter”; vgl. auch Loos in Festschrift für Hans Joachim Hirsch 1999 S. 851 ff., 864; kritisch dazu Oberlies Streit 2000, 99 ff., 106 ff.; vgl. auch die Neufassung des § 155 a Satz 3 StPO – dazu Schöch aaO S. 322/323). Ausreichend ist das ernsthafte Bemühen. Dabei kann hier offen bleiben, ob bei einem ausdrücklich entgegenstehenden Willen des Tatopfers ein solches „ernsthaftes Bemühen” genügt (vgl. dazu Schöch aaO S. 336, der auf Neuregelung des § 155 a Satz 3 StPO verweist), da ein solcher entgegenstehender Wille der betroffenen Bankangestellten nicht festgestellt ist. Bei Delikten der vorliegenden Art darf jedenfalls nicht allein auf Grund des Verzichts des Tatopfers auf ein Schmerzensgeld der Anwendungsbereich der auch im Interesse des Täters geschaffenen Regelung des § 46 a StGB eingeengt werden.
Hier kommt hinzu, dass der Angeklagte im Einverständnis mit den Tatopfern als ersatzweise Wiedergutmachung die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung anstrebt. Diese Bemühungen, die das Landgericht als ernsthaft angesehen hat, genügen im Rahmen von § 46 a Nr. 1 StGB.
2. Im Verhältnis zu den geschädigten Banken liegen die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB vor.
Die Schadenswiedergutmachung im Rahmen dieser Regelung erfordert vom Täter „erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht”, es muß zu einer Entschädigung des Opfers „ganz oder zum überwiegenden Teil” gekommen sein. Damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann, hat der Täter „einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag” zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt dafür nicht. Vielmehr muß sein Verhalten „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung” sein (st. Rspr.; BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 und 5; BGH wistra 2000, 176; BGH, Beschl. vom 13. Juli 2000 – 4 StR 271/00 – jeweils m.w.N.; vgl. dazu Schöch aaO S. 326, der diese Anforderungen für überhöht hält und meint, die Rechtsprechung habe sich vom „plakativen Pathos der Entwurfsbegründung anstecken” lassen).
Die vom Angeklagten zur Schadenswiedergutmachung geleisteten Zahlungen zusammen mit den Verzichtserklärungen der Versicherer der Banken genügen hier. Dem steht nicht entgegen, daß er nur einen Teil des Schadens, der durch die Banküberfälle entstanden ist, wiedergutgemacht hat. Denn die vollständige Erfüllung der Ersatzansprüche ist nicht erforderlich, weil (strafrechtliche) Wiedergutmachung im Sinne von § 46 a StGB dem zivilrechtlichen Schadensersatz nicht gleichgesetzt werden darf (vgl. Kilchling NStZ 1996, 311 ff., 314; zum Umfang der Ersatzleistung vgl. auch BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5 = BGH NStZ 2000, 205), wie sich schon aus den Worten „ganz oder überwiegend” ergibt, wobei offenbleiben kann, ob damit die Wiedergutmachung von mehr als der Hälfte des Schadens gemeint ist (so Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 a Rdn. 2; Schöch aaO S. 309 ff., 317). Der Angeklagte hat sein Grundvermögen verkauft und den Erlös dafür eingesetzt, um Schäden, die durch die Tat entstanden sind, wiedergutzumachen. Dies ist ein „persönliches Opfer”, denn er hat durch den freiwilligen Einsatz von Vermögen eindeutig seinen Willen zur Schadenswiedergutmachung dokumentiert. Seine Leistung war auch erheblich, da er nach den Feststellungen sein gesamtes Vermögen eingesetzt hat („subjektive Belastung” vgl. BayObLG NJW 1996, 2806; vgl. auch BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1 = NStZ 1995, 492, 493 sowie BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5 = BGH NStZ 2000, 205).
Durch seine Ersatzleistung haben die hinter den geschädigten Banken stehenden Versicherungen zwar nur einen Teil des entstandenen Schadens ersetzt erhalten. Der Angeklagte hat nämlich im Fall 6 etwa die Hälfte, im Fall 2 etwas weniger als die Hälfte der entwendeten Geldbeträge bezahlt. Ob bei einer gesamtschuldnerischer Haftung allein die Bezahlung des auf den Täter – im Innenverhältnis der Beteiligten – entfallenden Anteils an den Geschädigten als „ganze oder überwiegende Schadenswiedergutmachung” anzusehen ist, kann der Senat offenlassen. Denn hier kommt als besonderer Umstand hinzu, daß durch den Angeklagten nicht nur ein beträchtlicher Teil des Schadens wiedergutgemacht wurde, sondern daß die beteiligten Versicherungen sich auch mit dieser Teilleistung zufrieden gegeben und ihn aus seiner weitergehenden zivilrechtlichen Haftung freigestellt haben.
III.
1. Die Auffassung der Jugendkammer, der „vertypte Milderungsgrund” des § 46 a StGB läge nicht vor, ist somit rechtsfehlerhaft. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, daß die Einzelstrafaussprüche, soweit der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu Freiheitsstrafe von drei und vier Jahren verurteilt worden ist, bei Anwendung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB niedriger ausgefallen wären. Sie können deshalb keinen Bestand haben. Auch durch die allgemeine strafmildernde Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung (vgl. dazu BGH StV 2000, 129 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 – 4 StR 551/00) kann hier ein Beruhen der Strafen auf dem Rechtsfehler letztlich nicht ausgeschlossen werden.
2. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 2 und 6 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Über diese Einzelstrafen und die Gesamtstrafe ist neu zu befinden. Die Anordnung der Maßregeln der §§ 69, 69 a StGB kann aber bestehen bleiben.
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen (vgl. BGHSt 35, 267 ff.).
Unterschriften
Jähnke, Detter, RiBGH Dr. Bode ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Jähnke, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 604631 |
NJW 2001, 2557 |
JR 2002, 251 |
NStZ 2002, 364 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2001, 335 |
JZ 2002, 361 |
StV 2001, 448 |