Verfahrensgang
LG Marburg (Urteil vom 09.04.2013) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Marburg (Lahn) vom 9. April 2013 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Unternehmens der Besitzverschaffung an kinderpornographischen Schriften für einen anderen in zwei Fällen, der Beihilfe dazu in einem dritten und der Anstiftung dazu in einem vierten Fall freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
I.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verteidigte der als Rechtsanwalt tätige Angeklagte einen Mandanten, dem der Besitz kinderpornographischer Schriften in Form von Computerdateien vorgeworfen wurde. Die polizeiliche Auswertung sichergestellter Personalcomputer wurde in einem Untersuchungsbericht erläutert, dem Ausdrucke der Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt beigefügt wurden. Aufgrund eines Akteneinsichtsgesuchs des Angeklagten als Strafverteidiger übersandte die Staatsanwaltschaft ihm die Akten mitsamt dem Untersuchungsbericht und dessen Bildanlagen. Dieses Aktenmaterial wurde in der Kanzlei des Angeklagten in Computerdateien als digitalisierte Handakte übertragen. Am 24. Juli 2008 suchte der Mandant die Kanzlei auf und bat die Sekretärin des Angeklagten um Überlassung einer Datenkopie des Aktenmaterials. Die Sekretärin rief den Angeklagten an, der sich nicht in der Kanzlei aufhielt, und schilderte das Ersuchen. Der Angeklagte machte sich keine Gedanken um den genauen Inhalt der Aktenkopien und gestattete seiner Sekretärin, dem Mandanten eine Datenkopie auf einem Datenträger zu übergeben. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten als unwiderlegt angesehen, ihm sei zurzeit des Telefonats mit der Sekretärin nicht bewusst gewesen, dass die Dateien auch die Reproduktion kinderpornographischer Bilder enthielten.
Rz. 3
2. Die Staatsanwaltschaft beauftragte mit der Überprüfung eines sichergestellten Personalcomputers einen Sachverständigen, der gelöschte kinderpornographische Bilddateien rekonstruierte und in ausgedruckter Form einem Bericht beifügte; auch diese Unterlagen wurden vom Angeklagten im Rahmen seiner Akteneinsicht in Computerdateien als Handakte der Verteidigung übertragen. Sein Mandant teilte ihm mit, ein weiterer Verteidiger habe auf die Notwendigkeit eines Gegengutachtens hingewiesen, mit dessen Erstellung er den Sachverständigen T. beauftragt habe. Diesem übermittelte der Angeklagte zunächst nur den polizeilichen Untersuchungsbericht ohne Anlagen, am 19. November 2008 aber auch das im Behördenauftrag erstellte Gutachten nebst Bildanlagen in Dateiform. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen, weil die Handlung gemäß § 184b Abs. 5 StGB nicht im Sinne von § 184b Abs. 2 StGB strafbar gewesen sei.
Rz. 4
3. Der Angeklagte erbat von der Staatsanwaltschaft die Erstellung und Überlassung eines Speicherabbilds der sichergestellten Daten für eigene Begutachtungszwecke. Nachdem die Behörde dies abgelehnt hatte, beantragte er, dass der Sachverständige T. die Daten in den Räumen der Behörde untersuchen dürfe. Am 14. April 2009 suchte er zusammen mit dem Sachverständigen die Behörde auf, wo dem Sachverständigen die Einsicht erlaubt, aber die Herstellung einer Datenkopie untersagt wurde. Nachdem der Angeklagte die Behörde verlassen hatte, fertigte der Sachverständige verbotswidrig eine Kopie der Daten an, um diese später zu untersuchen. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass dies mit Wissen des Angeklagten geschehen ist.
Rz. 5
4. Der Sachverständige T. übersandte dem Mandanten des Angeklagten als seinem Auftraggeber eine Dateikopie mit den kinderpornographischen Bilddateien. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte den Sachverständigen dazu veranlasst hatte.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 6
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil ist teilweise begründet.
Rz. 7
1. Die Verfahrensrüge entspricht aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. November 2013 genannten Gründen nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rz. 8
2. Die Sachrüge hat zum Teil Erfolg.
Rz. 9
a) Soweit sich die Revision gegen die Freisprüche in den Fällen 1, 3 und 4 aus tatsächlichen Gründen wendet, ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach ein Tatvorsatz nicht feststellbar sei, rechtlich unbedenklich. Auf die Rechtsfrage, ob der objektive Tatbestand der Strafnorm des § 184b Abs. 2 StGB erfüllt oder gemäß § 184b Abs. 5 StGB ausgeschlossen ist, kommt es insoweit nicht an.
Rz. 10
Der Angeklagte hat den äußeren Geschehensablauf in den Fällen 1 und 3 sowie das Rahmengeschehen im Fall 4 eingeräumt, aber in den Fällen 1 und 3 seinen Vorsatz zur Begehung von Taten nach § 184b Abs. 2 StGB und im Fall 4 eine Tatbeteiligung bestritten. Das Landgericht hat seine Einlassung als plausibel angesehen. Es hat sich auch mit Indizien auseinandergesetzt, die für und gegen den Angeklagten sprechen. Einen durchgreifenden Erörterungsmangel zeigt die Revision nicht auf.
Rz. 11
b) Rechtlich zu beanstanden ist dagegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei im Fall 2 gemäß § 184b Abs. 5 StGB dazu berechtigt gewesen, dem Sachverständigen die Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt zu überlassen. Das Landgericht hat dabei die Frage offen gelassen, ob die Überlassung kinderpornographischer Bilder für die Erfüllung des Gutachtenauftrags erforderlich war. Dies durfte aber nicht offen bleiben.
Rz. 12
Nur wenn die Besitzverschaffung zur Erfüllung des Gutachtenauftrags erforderlich war, wurde sie gemäß § 184b Abs. 5 StGB vom Tatbestand des § 184b Abs. 2 StGB ausgeschlossen; denn § 184b Abs. 5 StGB ist eine eng auszulegende Ausnahme von dem auch zum Schutz der Intimsphäre der abgebildeten Kinder (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2000 – 2 WD 9/00, BVerwGE 111, 291, 294; OLG Frankfurt NJW 2013, 1107, 1109; MünchKomm/Hörnle, StGB, 2. Aufl., § 184b Rn. 4) umfassenden Verbot des Unternehmens der Besitzverschaffung an kinderpornographischen Schriften. Diese Ausnahme betrifft „ausschließlich” solche Handlungen, welche der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Zwar ist der Ausnahmetatbestand nicht auf die Tätigkeit der Behörden bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beschränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen (vgl. BT-Drucks. 12/4883 S. 8). Zu Verteidigungszwecken kann der Strafverteidiger das Aktenmaterial, das kinderpornographische Schriften enthält, auswerten und dazu auch Berufshelfer einschalten. Die Besitzverschaffung an Dritte innerhalb dieses Personenkreises ist aber nach der Regelungskonzeption eines umfassenden Verkehrsverbots bezüglich kinderpornographischer Schriften auch dem Strafverteidiger nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist. Ob das hier der Fall war, wäre anhand des Gegenstands, der Methodik und der Zielsetzung des den Sachverständigen erteilten Gutachtenauftrags zu prüfen gewesen. An Tatsachenfeststellungen zu dieser Frage fehlt es jedoch im angefochtenen Urteil.
Rz. 13
Der Senat kann auch anhand des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht selbst beurteilen, ob die Weitergabe der dem Angeklagten in ausgedruckter Form mit den Akten überlassenen kinderpornographischen Fotos zur Erfüllung des Gutachtenauftrags erforderlich war. Daher kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
Rz. 14
Dies gilt auch, soweit die Kommunikation zwischen dem Strafverteidiger und seinem Berufshelfer über die Einzelheiten des privat erteilten Gutachtenauftrags zum besonders geschützten Kernbereich der Verteidigung gehört (vgl. Beulke/Witzigmann in Festschrift für Wolf Schiller, 2014, S. 49, 63; König NJW 2013, 1110). Darin wird nicht eingegriffen, soweit Informationen aus diesem Bereich, die von den Berechtigten freiwillig offenbart werden, vom Gericht gewürdigt werden. Rückschlüsse auf den im Innenverhältnis erteilten Gutachtenauftrag der Verteidigung an den privat beauftragten Sachverständigen sind hier auch möglich aufgrund der vom Angeklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärten Absicht, ein Gegengutachten zu dem im Behördenauftrag eingeholten Sachverständigengutachten, dessen Inhalt das Landgericht nicht mitteilt, zu beschaffen.
Unterschriften
Fischer, Schmitt, Krehl, Eschelbach, Zeng
Fundstellen
Haufe-Index 7013504 |
NStZ 2014, 514 |
JuS 2014, 1046 |
NStZ-RR 2014, 365 |
StRR 2014, 349 |
StV 2014, 741 |