Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der erheblichen Mitgliederzahl i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG einer bundesweit tätigen Kfz-Händlervereinigung bei der Verfolgung eines nur regional bedeutsamen Handelns im Wettbewerb (hier: Preisnachlaß beim Kfz-Kauf).

 

Normenkette

UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.02.1995)

LG Duisburg (Urteil vom 18.03.1994)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 1995 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 18. März 1994 im entsprechenden Umfange abgeändert.

Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger zu 1/4, die Beklagte zu 1 zu 3/4. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 1 zu 4/5. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 aus den beiden Vorinstanzen trägt der Kläger; die Beklagte zu 1 hat ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Verein von B. -Vertragshändlern, verfolgt nach seiner Satzung u.a. den Zweck, die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs im Kraftfahrzeuggewerbe zu überwachen und Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Die Beklagte zu 1 ist eine B. -Vertragshändlerin in Oberhausen. Dem Kläger, dem im Ruhrgebiet zwei Vertragshändler als Mitglieder angehören, hat beanstandet, daß der Beklagte zu 2 bei einem Verkaufsgespräch über einen B. einen unzulässigen Preisnachlaß angeboten habe.

Der Kläger hat (soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung) beantragt,

den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten,

beim Verkauf von Kraftfahrzeugen an Letztverbraucher Preisnachlässe im Barzahlungsfall von mehr als 3 % zu gewähren.

Die Beklagten haben einen Rabattverstoß in Abrede gestellt. Der Beklagte zu 2 habe bei dem Verkaufsgespräch lediglich die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers und alsdann den Laden- bzw. Hauspreis genannt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Die Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der – zur Frage der Klagebefugnis zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte zu 2 sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der klagende Verband sei im Streitfall klagebefugt nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Nach der im Laufe des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz eingetretenen Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbandes nur gegeben, wenn ihm eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht.

I. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, dieräumlichen Grenzen des Marktes, auf welchem die Beklagte zu 1 ihren Handel mit Kraftfahrzeugen betreibe, seien weit zu ziehen. Der Bereich erfasse neben der Stadt Oberhausen auch die umliegenden Gemeinden, so daß sich der Markt zumindest auf einen Großteil des Ruhrgebietes mit den Städten Gelsenkirchen und Marl erstrecke. Es spreche auch vieles dafür, noch das weitere Umfeld unter Einschluß der Städte Krefeld, Ratingen und Wuppertal zu berücksichtigen. Im Kraftfahrzeughandel, insbesondere mit teueren Fahrzeugen, sei die Nachfrage nämlich nicht örtlich begrenzt. Kunden nähmen oft weite Wege in Kauf, um Preisvorteile zu nutzen; sie unterrichteten sich mittels Zeitungsanzeigen auch über das Angebot weiter entfernt liegender Händler.

Dem Kläger gehörten eine Zahl einschlägiger Gewerbetreibender an, die noch als erheblich im Sinne des neu gefaßten § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzusehen sei. Hierfür komme es auf das Verhältnis der Zahl der Mitglieder zur Zahl der möglichen Marktteilnehmer an, wobei quantitative Gesichtspunkte nicht den Ausschlag gäben, sondern die Stellung des Verbandes und seiner Mitglieder und die Struktur des Verbandes insgesamt zu würdigen seien. Von den etwa 1.000 B. – Händlern seien bundesweit 205 Mitglieder beim Kläger. Mit den Vereinsmitgliedern in Gelsenkirchen und Marl und drei weiteren Mitgliedern in Krefeld, Ratingen und Wuppertal, also der Umgebung des Ruhrgebietes, fehle dem Kläger auch nicht der „regionale Aspekt”. Im Streitfall könne von einer mißbräuchlichen Verfolgung von Bagatellverstößen durch einen Abmahnverein, welche der Gesetzgeber habe unterbinden wollen, nicht die Rede sein.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daßder in Frage stehende räumliche Markt nicht auf das Gebiet der Stadt Oberhausen, dem Sitz der Beklagten zu 1, zu be schränken ist, sondern auch einen großen Teil umliegender Gemeinden erfaßt. Der maßgebliche Markt i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG wird im wesentlichen durch die Reichweite der Geschäftstätigkeit des angegriffenen werbenden Unternehmens bestimmt (BGH, Urt. v. 11.7.1996 – I ZR 79/94, GRUR 1996, 804, 805 = WRP 1996, 1034 – Preisrätselgewinnauslo bung III). Er kann örtlich oder regional begrenzt sein. Die Marktstellung des werbenden Unternehmens, die Attraktivität seines Angebots und die Reichweite seiner Werbung können für die Bestimmung der Grenzen des Marktes maßgeblich sein. Das Berufungsgericht hat hierzu rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß der Verbraucher sich bei seiner Entscheidung über den Kauf eines Autos auch von Zeitungsanzeigen ferner liegender Kraftfahrzeughändler beeinflussen läßt. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. Unstreitig inseriert die Beklagte zu 1 in der „W.” und der „N.” mit dem Verbreitungsgebiet Oberhausen und Ruhrgebiet. Das Berufungsgericht hat demnach rechtsfehlerfrei angenommen, daß der räumliche Markt im Streitfall das Ruhrgebiet umfaßt.

Daß über das Ruhrgebiet hinaus auch noch weitere angrenzende Gebiete dem hier in Betracht zu ziehenden räumlichen Markt zuzurechnen seien, wie das Berufungsgericht gemeint hat, nämlich das weitere Umfeld unter Einschluß der Städte Krefeld, Ratingen und Wuppertal, wird von der Revision mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen. Hierfür hat das Berufungsgericht keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Diese Frage bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung, da dem Kläger auch für diesen weiteren räumlichen Bereich – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – keine erhebliche Zahl einschlägiger Gewerbetreibender i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG angehört.

2. Die Frage, welche Zahl von Gewerbetreibenden als erheblich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzusehen ist, läßt sich, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, nicht abstrakt und generell bestimmen. Insoweit handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Es kommt weder auf die Mitgliedschaft einer bestimmten Mindestanzahl oder gar der Mehrheit der Mitbewerber an. Erforderlich und ausreichend ist es, daß Gewerbetreibende aus der einschlägigen Branche auf dem maßgeblichen Markt im Verband nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten sind, so daß (dort) ein mißbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1995 – I ZR 227/93, GRUR 1996, 71, 72 = WRP 1996, 98 – Produktinformation III; Urt. v. 25.4.1996 – I ZR 82/94, WRP 1996, 1102, 1103 – Großim porteur; Urt. v. 11.7.1996 – I ZR 79/94, GRUR 1996, 804, 805 = WRP 1996, 1034 – Preisrätselgewinnauslobung III; Amtl. Begr. BT-Drucks. 12/7345 = WRP 1994, 369, 378).

Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß im Ruhrgebiet etwa 2.200 Autohändler ansässig sind und der Kläger am Sitz des Unternehmens der Beklagten zu 1 über kein und in Gelsenkirchen und – am Nordrand des Ruhrgebiets – in Marl jeweils nur über ein Mitglied verfügt. Bei der danach zu berücksichtigenden Anzahl von allenfalls zwei Mitgliedern des Klägers im weiteren räumlichen Bereich kann von einer repräsentativen Vertretung durch den Kläger nicht ausgegangen werden. Für die Beurteilung der Befugnis eines Verbandes, einen Wettbewerbsverstoß, dessen wirtschaftliche Auswirkungen regional begrenzt sind, im Klagewege zu verfolgen, ist – anders als das Berufungsgericht anzunehmen scheint – unerheblich, ob dem Verband von Vertragshändlern einer bedeutenden Automarke bundesweit eine repräsentative Stellung im Automobilhandel zuerkannt werden kann. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß der Verband der Gewerbetreibenden i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG durch eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern auf dem Markt repräsentativ vertreten sein, auf welchem die beanstandete Wettbewerbshandlung sich wirtschaftlich auswirkt. Ist dies nicht der Fall, so fehlt ein die Klagebefugnis tragendes Element.

Die Beurteilung, ob das klageweise Vorgehen als mißbräuchlich anzusehen ist, erübrigt sich. Insoweit kommt dem Gesetzeszweck, die mißbräuchliche Verfolgung von Bagatellverstößen durch Abmahnvereine auszuschließen, keine selbständige Bedeutung zu; denn dieser Zweck ist vom Gesetzgeber u.a. durch das objektive Erfordernis einer erheblichen Mitgliederzahl auf dem räumlichen Markt umgesetzt worden. Der Gesetzgeber hat damit dem bisherigen Verständnis der Klagebefugnis von Verbänden, wonach es genügte, daß die gewerblichen Belange der zusammengeschlossenen Mitglieder in irgendeiner Weise durch die beanstandete Wettbewerbshandlung berührt waren, die Grundlage entzogen (BGH, Urt. v. 27.2.1997 – I ZR 217/94, GRUR 1997, 478 = WRP 1997, 441 – Haustürgeschäft II). Die Klagebefugnis eines Verbandes ist selbst dann zu verneinen, wenn diesem eine mißbräuchliche Verfolgung von Bagatellverstößen im bloßen Gebühreninteresse nicht vorgeworfen werden kann und ihm sogar ein besonderes Verfolgungsinteresse zur Seite steht, er aber im räumlichen Bereich des handelnden Unternehmens nicht repräsentativ, sondern, wie der Kläger im Streitfall, nur vereinzelt vertreten ist.

Auch der von der Revisionserwiderung mit dem Begriff des „Dominoeffektes” gegebene Hinweis, letztlich gehe es bei der Verfolgung des behaupteten Rabattverstoßes der Beklagten zu 1 darum, eine bundesweite Ausdehnung entsprechenden rabattrechtswidrigen Verhaltens zu unterbinden, vermag nicht die Befugnis des Klägers zur Verfolgung wettbewerblicher Ansprüche gegen die Beklagten zu begründen. Ein Wirtschaftsunternehmen ist einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nur wegen eines Verhaltens ausgesetzt, für das es verantwortlich ist, nicht aber für nachahmendes Verhalten anderer Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs in anderen Regionen. Reicht die Struktur des durch den Gesetzgeber in seiner Klagebefugnis beschränkten Verbandes von Gewerbetreibenden i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Verfolgung des konkreten Verstoßes vor Ort nicht aus, bleibt es dem örtlichen Wettbewerber überlassen, unlauteres Wettbewerbsverhalten – wie hier den gerügten Rabattverstoß – zu unterbinden.

III. Danach war auf die Revision des Beklagten zu 2 das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist, und die gegen ihn gerichtete Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Ullmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Starck, Bornkamm

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128108

BB 1998, 232

DB 1998, 257

NJW-RR 1998, 111

GRUR 1998, 170

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